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The Browse Fotofestival Berlin <strong>2012</strong><br />

Valerio Bispuri<br />

Encerrados<br />

»Travel to South<br />

America jail«<br />

Ich verbrachte 10 Jahre auf Reisen zu<br />

den Gefängnissen Südamerikas, einer<br />

komplexen Parallelwelt, in der Gewalt<br />

und Missbrauch zum Leben der Insassen<br />

gehören. Dabei konnte ich beobachten,<br />

wie die Häftlinge versuchen<br />

ihre Würde zu bewahren, indem sie<br />

sich in die Rollen einfügen, die sie auch<br />

außerhalb des Gefängnisses innehielten.<br />

Diese Gefängniswelt ist ein Spiegel<br />

der Gesellschaft, ein Spiegel der kleinen<br />

Probleme eines Landes, als auch seiner<br />

großen Sozial- und Wirtschaftskrisen.<br />

Die Aufrechterhaltung ihrer Rollen ist<br />

notwendig und der einzige Weg sich<br />

selbst zu verteidigen. In diesen engen<br />

und überfüllten Gefängnissen versuchen<br />

die Insassen ihre Gewohnheiten<br />

beizubehalten. Gewalt und Rangordnungen<br />

nach dem Prinzip »der Stärkste<br />

gewinnt« folgen daraus.<br />

In Brasilien zum Beispiel musste der<br />

Gefängnisdirektor zusätzlich zu seiner<br />

Erlaubnis die Zustimmung der »kontrollierenden«<br />

Gruppe erhalten, bevor<br />

ich fotografieren durfte. Einige Gefangene<br />

demonstrieren ihre Macht durch<br />

Messer, die sie stolz präsentieren, während<br />

andere Insassen, die nicht bewaffnet<br />

sind, zu Sklaven werden. In Santiago,<br />

Chile, sind es die Verurteilten<br />

bereits gewohnt in ihrer freien Zeit<br />

gegeneinander zu kämpfen, denn auch<br />

hier gilt die Regel: Der Stärkste und<br />

Reichste hat die Kontrolle und die Macht.<br />

Das Leben im Gefängnis besteht aber<br />

nicht nur aus Machtspielen und Kämpfen.<br />

Im Alltag findet sich auch Zeit zum<br />

Fußballspielen, zum Reden, zum Witze<br />

erzählen. Für Frauen gibt es Momente,<br />

in denen sie sich schick machen und<br />

schminken.<br />

Die Geschichte dieser Reportage ist<br />

es nicht, die Situation in den Gefängnissen<br />

anzuprangern, sondern zu entdecken,<br />

was die Länder Südamerikas<br />

trennt und verbindet.<br />

Ich besuchte insgesamt 74 Männer- und<br />

Frauengefängnisse in Equador, Peru,<br />

130 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2012</strong><br />

© Encerrados, Santiago, Chile, Penitentiary. March 2008, some convicts are waiting for going out<br />

to the patio.<br />

Bolivien, Argentinien, Chile, Uruguay,<br />

Brasilien, Kolumbien und Venezuela.<br />

Ich kam in Kontakt mit Gefangen und<br />

Wärtern, mit Angst und Gefahr und Hoffnung<br />

und Zurückhaltung. Manche Verurteilten<br />

sahen in mir eine Ablenkung,<br />

andere betrachteten mich mit Neid und<br />

wieder andere verachteten mich, weil<br />

sie dachten, dass ich nur dort sei, um<br />

mit Bildern Geld aus ihrem Leben hinter<br />

Gittern zu machen.<br />

Jedes Gefängnis schafft es, einem die<br />

Situation im jeweiligen Land bewusst<br />

zu machen. Auch wenn alles nur eine<br />

Reflexion der Gewalt zu sein scheint,<br />

sind die Gegensätze von Gewalt und<br />

Leben eng miteinander verwoben. Dies<br />

steht im Einklang mit der Geschichte<br />

Südamerikas.<br />

Valerio Bispuri<br />

Biographie<br />

Der 40-jährige Valerio Bispuri wurde<br />

in Rom, Italien, geboren. Er erlangte<br />

seinen Hochschulabschluss in Kunst<br />

und Geisteswissenschaften. Heute lebt<br />

er in Buenos Aires und Rom. Seit 2001<br />

arbeitet Bispuri als professioneller Fotoreporter<br />

und arbeitet mit zahlreichen<br />

italienischen und ausländischen Magazinen<br />

zusammen. Er hat Reportagen in<br />

Latein Amerika, Afrika und dem Mittleren<br />

Osten durchgeführt. Seine Arbeiten<br />

wurden international in diversen Aus-<br />

stellungen u.a. in Italien, Spanien und<br />

Argentinien gezeigt. Seit vielen Jahren<br />

untersucht Bispuri die verschiedenen<br />

Aspekte des Lebens in Südamerika und<br />

wurde 2011 bei der POYi Latein Amerika<br />

besonders lobend erwähnt.<br />

2011 stellte er seine Zehnjahresarbeit<br />

über die Gefängnisse Südamerikas<br />

(Encerrados, Travel of South American<br />

jails), bei Visa pour l’Image in Perpignan<br />

aus.<br />

Valerio Bispuri<br />

I spent 10 years travelling for South-<br />

America jails.<br />

A different and complex world in which<br />

violence and abuse are part of convicts<br />

life. I saw, during the time, how the convicts<br />

try to find a space similar to that<br />

one they had outside jails. They try to<br />

preserve their dignity. Jails are a reflex<br />

of the society, a mirror of a country for<br />

both small problems and for the big economic<br />

and social crisis. The necessity to

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