Grenze - Hinterland Magazin
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Ungenügend<br />
Zu Beginn dieses Jahres wurden mit sofortiger Wirkung wesentliche Teile des sogenannten Transsexuellengesetzes<br />
außer Kraft gesetzt. Das Gesetz verletze das Recht auf körperliche Unversehrtheit, urteilte<br />
das Bundesverfassungsgericht. Gleichzeitig schwächt das Urteil aber andere wichtige Rechte transsexueller<br />
Menschen. Von Till Schmidt<br />
Im Januar 1981 führte die Bundesrepublik<br />
Deutschland das so genannte Transsexuellengesetz<br />
ein. Zustande gekommen durch eine Entscheidung<br />
des Bundesverfassungsgerichts, wurden<br />
damit zwei Verfahren für Transsexuelle – Menschen,<br />
deren eigentliches Geschlecht nicht ihrem genitalen<br />
Geschlecht entspricht, auf Grund dessen sie bei der<br />
Geburt geschlechtlich eingeordnet wurden – festgelegt:<br />
Eine „kleine Lösung“, durch die der Vorname<br />
geändert werden konnte, und eine „große Lösung“,<br />
die eine rechtliche Anerkennung als Mann beziehungsweise<br />
Frau erwirkte. Gekoppelt wurde eine<br />
Anerkennung an verschiedene Bestimmungen, die<br />
seitdem jedoch teilweise abgeschafft beziehungsweise<br />
entschärft wurden. Menschen, die unmittelbar nach<br />
der Einführung 1981 ihr eigentliches Geschlecht ins<br />
Personenstandsregister eintragen lassen wollten, mussten<br />
unter anderem älter als 25 Jahre, unverheiratet<br />
und „dauerhaft fortpflanzungsunfähig“ sein. Ein Jahr<br />
später, 1982, wurde die Altersgrenze von 25 Jahren<br />
aufgehoben, 2008 die Ehelosigkeit als Voraussetzung<br />
für die rechtliche Anerkennung. Im Januar 2011 fällte<br />
das Karlsruher Gericht ein weiteres Grundsatzurteil.<br />
Von nun an müssen Transsexuelle, die nicht nur den<br />
Vornamen ändern, sondern in ihrem eigentlichen<br />
Geschlecht auch rechtlich anerkannt werden wollen,<br />
endlich nicht mehr unter das Skalpell: Der Zwang zur<br />
geschlechtsangleichenden Operation und dauerhaften<br />
Fortpflanzungsunfähigkeit wurde mit sofortiger Wir-<br />
kung aufgehoben – wenn auch gegen die Stimmen<br />
von zwei der acht Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter.<br />
Die operative Geschlechtsanpassung, durch die etwa<br />
bei Trans-Frauen der Penisschaft und Hoden amputiert<br />
sowie äußere primäre weibliche Geschlechtsorgane<br />
hergestellt werden, sollte bisher als Garantie für<br />
„die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit“ der Transsexualität<br />
herhalten. Mit der Operation verknüpft war<br />
eine lebenslange Hormontherapie, die gesundheitliche<br />
Risiken wie zum Beispiel erhöhtes Thrombose-<br />
Risiko, Diabetes und Leberschäden einschließt. Dieser<br />
unmenschliche Zwang verletzte das Recht auf körperliche<br />
Unversehrtheit dreißig Jahre lang.<br />
Schwule Frauen, lesbische Männer<br />
Bezeichnend ist, dass es meist von den diskriminierenden<br />
gesetzlichen Bestimmungen direkt Betroffene<br />
waren, die über eine erfolgreiche Klage vor dem Verfassungsgericht<br />
die Parlamente dazu zwangen, das<br />
„Transsexuellengesetz“ Schritt für Schritt zu reformieren.<br />
Das war auch im jüngsten Fall so. Anlass für die<br />
Entscheidung vom Januar dieses Jahres war die Klage<br />
einer 62-jährigen Trans-Frau aus Berlin. In ihrem<br />
Selbstverständnis als Homosexuelle wollte sie mit<br />
ihrer Partnerin eine eingetragene Lebenspartnerschaft<br />
eingehen. Diese wurde der Berlinerin aber durch das<br />
grenze