Die Stimmen der Arbeiterinnen - Christliche Initiative Romero eV
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Das Beispiel des Lieferanten X 4<br />
<strong>Die</strong> Fabrik X ist in privater Hand, wurde 1994 gegründet<br />
und produziert zum größten Teil Hemden im PLV-System.<br />
Sie beliefert C&A, Steilmann und Lego sowie Unterauftragnehmer.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Arbeiterinnen</strong> berichten über Diskriminierung in <strong>der</strong><br />
Form, dass Verwandte des Inhabers bessere Arbeit und<br />
häufig bessere Löhne bekommen.<br />
Es gibt keine Gewerkschaft. Würde es eine geben, so würde<br />
sie sich doch eher mit dem Inhaber arrangieren, so die<br />
ArbeiterInnen. Es gibt keine Tarifverhandlungen in <strong>der</strong><br />
Fabrik. <strong>Die</strong> Frauen sind nicht abgeneigt, eine Gewerkschaftsgruppe<br />
zu gründen, haben aber Angst, dass es die<br />
Manager nicht dazu kommen lassen.<br />
<strong>Die</strong> Löhne betragen zwischen 8000 und 9000 Denar (130-<br />
146 €) im Monat. <strong>Die</strong> ArbeiterInnen bekommen den Lohn<br />
immer in einem Umschlag. Keine von ihnen weiß, wieviel<br />
die an<strong>der</strong>en verdienen. Der Lohn setzt sich aus einem<br />
Grundlohn und aus einer Zulage nach Stückzahlpunkten<br />
zusammen. <strong>Die</strong> Punkte werden vom Arbeitgeber bestimmt.<br />
<strong>Die</strong> ArbeiterInnen wissen nicht, ob Überstunden extra<br />
bezahlt werden. Ein Tagessatz liegt bei 400 Denar (6,50 €)<br />
für Büglerinnen und 370 Denar (6 €) für Näherinnen. Dass<br />
<strong>der</strong> Arbeitgeber sie fair entlohnt, glauben die ArbeiterInnen<br />
nicht. Es gibt einen Werkbus, aber ob dafür etwas vom<br />
Lohn einbehalten wird, ist unbekannt. Wenn sie ein paar<br />
Tage frei nehmen müssen, z.B. wegen Krankheit, wird ihnen<br />
das abgezogen. Da die Frauen zusätzlich keine Einkünfte<br />
haben, reichen die Löhne nicht zum Leben.<br />
Eine Normalschicht geht von 7 bis 15 Uhr, aber, wenn es<br />
einen großen Auftrag gibt, wird länger gearbeitet. Häufig<br />
müssen die ArbeiterInnen dann drei bis vier Stunden<br />
anhängen. In den zwei Monaten vor <strong>der</strong> Befragung, die im<br />
Mai und Juni 2004 durchgeführt wurde, hatten sie jede<br />
Woche sieben Tage gearbeitet. Der Jahresurlaub ist häufig<br />
sehr kurz, kaum länger als sieben Tage. Es gibt eine 20minütige<br />
Frühstückspause und 10 Minuten Pause am<br />
Nachmittag. Durchschnittlich werden im Monat 24 Überstunden<br />
geleistet.<br />
Es gibt eine Menge Staub am Arbeitsplatz, aber keine<br />
Schutzmasken. Arbeitsschutzbelehrungen hat es nie gegeben.<br />
Immerhin sind die Toiletten sauber. Es gibt genügend<br />
Näherinnen berichten:<br />
1. Frau X arbeitet seit 28 Jahren als Näherin in <strong>der</strong><br />
Fabrik. Bis vor 15 Jahren (<strong>der</strong> „Wende”) bekam sie<br />
den bezahlten Jahresurlaub, konnte etwas Geld sparen,<br />
hatte Zeit für den Haushalt und ihre Kin<strong>der</strong>.<br />
Heutzutage arbeitet sie jeden Samstag, manchmal<br />
auch am Sonntag, und obendrein weiß sie nie, wie<br />
viel Geld sie herausbekommt. Wie viel sie sich auch<br />
anstrengt und egal, wie lange sie schuftet, nie<br />
bekommt sie, was ihr eigentlich zusteht und nie<br />
weiß sie, wann sie nach Hause kommt. Im Winter<br />
wird sie häufig krank, weil <strong>der</strong> Arbeitgeber an <strong>der</strong><br />
Heizung knausert. Niemand hat sie je gefragt, ob sie<br />
in <strong>der</strong> Lage ist, Überstunden zu machen, o<strong>der</strong> ob sie<br />
sich gut fühlt. Wenn sie sonntags frei hat, muss sie<br />
die Wohnung sauber machen und das Essen für<br />
ihre fünfköpfige Familie kochen.<br />
2. Frau Z hat ca. 5 Jahre Fabrikarbeit hinter sich. Als<br />
ihr Kind krank wurde und sie mit ihm drei Tage ins<br />
Krankenhaus musste, zog ihr <strong>der</strong> Arbeitgeber pro<br />
Abwesenheitstag 500 Denar (8 €) von ihrem Lohn ab.<br />
Licht in <strong>der</strong> Fabrik und angenehme Raumtemperatur. In<br />
früheren Jahren arbeiteten sie bei bis zu 50°C. <strong>Die</strong> ArbeiterInnen<br />
leiden an Rückenschmerzen, weil sie auf unergonomischen<br />
Stühlen sitzen müssen. Es gibt keine Einschränkungen<br />
für Toilettenbesuche.<br />
<strong>Die</strong> ArbeiterInnen haben zwar Arbeitsverträge unterschrieben,<br />
aber keine Kopie davon erhalten. Einige von ihnen<br />
sind ohne reguläres Beschäftigungsverhältnis.<br />
Empfehlungen<br />
Es ist wichtig, den ArbeiterInnen ihrer Rechte bewusst zu<br />
machen. Es wäre sinnvoll, mit einer nationalen Informationskampagne<br />
über die Arbeitsbedingungen in <strong>der</strong> Bekleidungs-<br />
4 Interviews mit Beschäftigten und Arbeitgebern vom Juni 2004