Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
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<strong>und</strong> einer klinisch unauffälligen Kontrollgruppe. Insgesamt sprechen die<br />
Bef<strong>und</strong>e gegen eine Persistenz sexueller Verhaltensauffälligkeiten im<br />
Kindesalter. Sie erscheinen als prinzipiell gut behandelbar.<br />
Friedrich et al. (2005) erforschten die Kontinuität sexuell auffälligen Verhaltens<br />
über einen 1-Jahres-Zeitraum. Es konnten Daten von 78 <strong>Kinder</strong>n<br />
aus Heimen <strong>und</strong> Pflegefamilien im Alter von 10 – 12 Jahren gesammelt<br />
werden. Allgemein wurde festgestellt, dass es – z.T. trotz psychotherapeutischer<br />
Behandlung - zu keiner Abnahme des sexuell auffälligen<br />
Verhaltens über den Beobachtungszeitraum kam. Die Autoren bieten hierfür<br />
folgende Erklärungen an: (1) Vor allem am Übergang von der Kindheit<br />
zum Jugendalter sind sexuelle Verhaltensprobleme resistent gegenüber Veränderung.<br />
Dies wäre konsistent mit Befinden aus der retrospektiven<br />
Forschung, welche den fortdauernden Charakter sexuell übergriffigen Verhaltens<br />
nachweist. Außerdem spricht für diese Persistenz die Theorie, dass<br />
sexuelle Muster tief in Individuen eingegraben sind <strong>und</strong> sowohl kognitive,<br />
als auch behaviorale <strong>und</strong> affektive Komponenten beinhalten. (2) Möglicherweise<br />
hat aber die psychotherapeutische Behandlung dazu verholfen,<br />
zugr<strong>und</strong>e liegende kognitive Störungen, sexuelle Erregungsmuster <strong>und</strong> Impulskontrollthemen<br />
offenzulegen, aber es dauert vielleicht noch eine längere<br />
Zeit, bis sich auch das Verhalten der <strong>Kinder</strong>/Jugendlichen entsprechend<br />
ändert. (3) Möglicherweise hat die Therapie aber auch schon dazu beigetragen,<br />
dass ein Anstieg vielleicht zu erwartender sexueller Verhaltensprobleme<br />
in dieser Zeit des Übergangs zwischen zwei Entwicklungsphasen<br />
abgemildert wurde. (4) Manche Entwicklungen verbesserten sich tatsächlich,<br />
wobei dies aber mit dem Forschungsdesign nicht erfasst wurde (z.B.<br />
Verringerung der Frequenz sexueller Übergriffe). (5) Vor allem bei Heimkindern<br />
kommt es häufig vor, dass sie im Rahmen von Wochenendaufenthalten<br />
wieder einer sexualisierten Umgebung in <strong>ihre</strong>n Familien ausgesetzt<br />
sind, was zur Aufrechterhaltung des Problems beiträgt. Auch der Gruppenkontext<br />
in Heimen mag dazu beitragen, dass sexuelle Verhaltensprobleme<br />
eher persistieren als in Pflegefamilien. (6) Die Behandlung war vielleicht<br />
nicht geeignet oder nicht ausreichend, um eine erkennbare Reduzierung<br />
sexueller Verhaltensprobleme zu erreichen. Therapien für misshandelte<br />
<strong>Kinder</strong>, die im Heim- <strong>und</strong> Pflegekontext gehäuft anzutreffen sind, sind<br />
typischerwese unterstützend <strong>und</strong> nicht direktiv, während eher fokussierende<br />
Therapien als notwendig angesehen werden, um die Folgen von Misshandlungen<br />
zu behandeln, wie z.B. PTBS oder eben sexualisiertes Verhalten.<br />
(7) Kumulative Lebensbelastungen sind signifikante Prädiktoren für<br />
stationäre Fremdunterbringungen. <strong>Kinder</strong> in Heimen haben demnach eine<br />
höhere Wahrscheinlichkeit, schwerwiegende psychopathologische Probleme<br />
zu entwickeln, die zur Aufrechterhaltung sexueller Verhaltensauffälligkeiten<br />
beitragen dürften.<br />
Die hier dargestellten Ergebnisse von Friedrich et al. (2005) scheinen<br />
zunächst die oben berichteten Bef<strong>und</strong>e von Bonner et al. (1999) <strong>und</strong><br />
Carpentier et al. (2006) zu kontrastieren. Es handelt sich aber bei Friedrich<br />
et al. nicht eigentlich um eine Interventionsstudie, da deren Ziel nicht darin<br />
bestand, spezielle Behandlungen zur Reduzierung sexuell auffälligen Ver-<br />
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