Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
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egionale Verfügbarkeit eines spezialisierten Angebots für die Behandlung<br />
sexuell übergriffiger Minderjähriger angegeben. Dieses sollte aus einem<br />
multidisziplinären Team aus Sozialarbeitern, Psychologen <strong>und</strong> Beratern bestehen.<br />
Die hier dargestellten Modelle aus Hamburg <strong>und</strong> England (siehe auch<br />
Morrison & Henniker, 2006) stimmen unter anderem darin überein, dass<br />
erste diagnostische Einschätzungen durch Fachkräfte an der zuständigen<br />
Jugendbehörde getroffen werden. Es ist evident, dass ein solches Verfahren<br />
nur dann Sinn macht, wenn die Ergebnisse dieser Einschätzungen auch<br />
praktisch umgesetzt werden können, d.h. wenn <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche, bei<br />
denen ein Behandlungsbedarf festgestellt wird, entsprechend spezialisierte<br />
Angebote vorfinden.<br />
Auch Hall (2006) weist darauf hin, dass bei strafunmündigen sexuell<br />
übergriffigen <strong>Kinder</strong>n ein durch Strafandrohung gestützter extrinsischer<br />
Motivationsrahmen zur Inanspruchnahme von Behandlungsangeboten wegfällt.<br />
Dies bedeutet, dass auch institutionalisierte Netzwerke insofern entwicklungssensibel<br />
arbeiten müssen, als die Zugangsvoraussetzungen zu<br />
Hilfeleistungen je nach Strafmündigkeit des betreffenden Minderjährigen<br />
unterschiedlich sind. Zweifellos müssen bei strafunmündigen <strong>Kinder</strong>n<br />
andere Motivationsmechanismen zum Tragen kommen als bei Jugendlichen.<br />
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die besondere Rolle der<br />
Eltern. Hall (2006) konstatiert, dass es für das Hilfesystem letztlich kein<br />
Mandat für die Arbeit mit solchen <strong>Kinder</strong>n gibt, wenn seitens der Eltern<br />
kein entsprechender Auftrag formuliert wird bzw. keine Bereitschaft zur<br />
Kooperation besteht. In solchen Fällen können allein über den Weg der<br />
familiengerichtlichen Weisung Behandlungen initiiert werden (Priebe, 2008).<br />
Auch Chaffin et al. (2008) weisen auf die Bedeutung von Netzwerken<br />
hin, in denen Behandlungsanbieter, Jugendamt, Eltern bzw. Pflegeeltern,<br />
Schulen, <strong>Kinder</strong>schutzdienste <strong>und</strong> Jugendgerichtsbehörden zusammenwirken,<br />
um eine wirksame Behandlung des Kindes sicherzustellen.<br />
Die zentrale Rolle der Eltern<br />
Mit der zentralen Rolle der Eltern hat sich Heiman (2001) auseinandergesetzt.<br />
Die Autorin führt eine umfangreiche Liste von Faktoren auf, die es<br />
Eltern erschweren, die Tatsache zu akzeptieren, dass sich ihr Kind sexuell<br />
übergriffig verhält. Dazu gehören z.B. ein fehlendes Wissen über die<br />
(Un)angemessenheit bestimmter sexueller Aktivitäten, die Angst vor Beschuldigungen,<br />
die Abwehr der eigenen Traumavorgeschichte oder eine<br />
familiäre Kultur, die die Inanspruchnahme von Hilfe im allgemeinen <strong>und</strong> in<br />
Bezug auf ein derart schambesetztes Thema im speziellen verbietet. Um<br />
Eltern dazu zu motivieren, <strong>ihre</strong>m Kind Unterstützung zukommen zu lassen,<br />
bedarf es also zunächst einer Einsicht dahingehend, dass überhaupt ein<br />
Problem vorliegt. Diese ist bei sexuellen Grenzverletzungen durch <strong>Kinder</strong><br />
in den meisten Fällen vermutlich schwerer zu erlangen als bei sexuellen<br />
Übergriffen, die von Jugendlichen oder Erwachsenen begangen werden,<br />
zumal in solchen Fällen das Strafgesetz eindeutige Orientierungen zur Bewertung<br />
von Taten bietet. Als weiteren wichtigen Bereich identifiziert<br />
Heiman die emotionalen <strong>und</strong> kognitiven Reaktionen von Eltern auf das<br />
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