Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
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2 Gibt es immer mehr <strong>Kinder</strong>, die sich sexuell<br />
grenzverletzend verhalten? – Bemerkungen<br />
zum Ausmaß des Problems<br />
Ausführliche aktuelle Diskussionen der Prävalenzentwicklung in Bezug auf<br />
<strong>Kinder</strong>, die durch sexuelle Grenzverletzungen auffallen, finden sich bei<br />
König (2011) <strong>und</strong> Allroggen et al. (2011). Zusammenfassend lässt sich<br />
sagen, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik für die B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland 2010 einen relevanten Anteil von <strong>Kinder</strong>n (4%; in absoluten<br />
Zahlen: 1252) an der Gesamtheit der erfassten Straftaten gegen die sexuelle<br />
Selbstbestimmung ausweist. Eine bessere Vergleichbarkeit verschiedener<br />
Alterskohorten bieten die so genannten Tatverdächtigenbelastungszahlen<br />
(TVBZ). Diese bezeichnen die Anzahl der durch die Polizei ermittelten<br />
deutschen Tatverdächtigen, errechnet auf 100.000 Einwohner des entsprechenden<br />
Bevölkerungsanteils eines Kalenderjahres. Auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />
dieses Maßes lässt sich zweierlei feststellen: (1) Für das Delikt „<strong>Sexuell</strong>er<br />
Missbrauch von <strong>Kinder</strong>n“ (§ 176 StGB) ist nicht nur bei Jugendlichen <strong>und</strong><br />
Heranwachsenden ein drastischer <strong>und</strong> kontinuierlicher Anstieg seit 1993 zu<br />
verzeichnen, sondern auch bei <strong>Kinder</strong>n unter 14 Jahren. (2) Im Vergleich zu<br />
Erwachsenen sind die TVBZ von <strong>Kinder</strong>n zwischen 8 <strong>und</strong> 14 Jahren in<br />
diesem Deliktsegment etwa doppelt so hoch. Besonders auffällig sind die<br />
TVBZ in der Gruppe der 12-14-Jährigen.<br />
Prinzipiell kann aufgr<strong>und</strong> dieser Daten aus dem Hellfeld festgestellt<br />
werden, dass sexuell übergriffiges Verhalten von <strong>Kinder</strong>n in erheblichem<br />
Ausmaß vorkommt <strong>und</strong> mit einer über die vergangenen Jahre kontinuierlich<br />
steigenden Häufigkeit den Strafverfolgungsbehörden angezeigt wird. Die<br />
Aussagekraft dieser Daten ist aber vielfältigen Einschränkungen unterworfen,<br />
die unter anderem damit zu tun haben, dass die berichteten Delikte<br />
von strafunmündigen <strong>Kinder</strong>n begangen wurden, sodass die Erfassung von<br />
Strafanzeigen gerade für diese Altersgruppe ein wenig aussagekräftiges Maß<br />
darstellen dürfte. Ein zweites gravierendes Problem besteht in der Operationalisierbarkeit<br />
der sexuellen Handlungen, die zur Anzeige gebracht<br />
wurden. Es kann anhand der Zahlen nicht entschieden werden, in welchem<br />
Ausmaß es sich um aggressive, grenzüberschreitende oder aber einvernehmliche<br />
sexuelle Handlungen zwischen <strong>Kinder</strong>n gehandelt hat. Solche Unterscheidungen<br />
sind aber von großer Bedeutung, weil aus strafrechtlicher Sicht<br />
das Alterskriterium als Klassifizierungsinstrument bei sexuellen Handlungen<br />
zwischen <strong>Kinder</strong>n nicht zur Verfügung steht – im Gegensatz zu sexuellem<br />
Missbrauch an <strong>Kinder</strong>n durch Erwachsene oder Jugendliche nach § 176.<br />
(Ausführliche Diskussionen zur Interpretation von Hellfelddaten finden<br />
sich bei König, 2011; Elz, 2010).<br />
Neben den Daten aus der polizeilichen Kriminalstatistik legen einige<br />
aktuelle Forschungsbef<strong>und</strong>e die Vermutung nahe, dass das Ausmaß an<br />
sexuellen Übergriffen zwischen <strong>Kinder</strong>n ansteigt. In der Institutionsbefragung<br />
von Helming et al. (2011) wurden (Verdachts)fälle von sexueller<br />
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