Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
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9 Diagnostik<br />
9.1 Dimensionen des diagnostischen Prozesses<br />
Da <strong>Kinder</strong>, bei denen sexuell auffälliges Verhalten beobachtet wird, in<br />
vielerlei Hinsicht eine sehr heterogene Gruppe darstellen, ist eine sorgfältige<br />
Einschätzung der Problembelastung jedes einzelnen dieser <strong>Kinder</strong><br />
von großer Bedeutung. <strong>Sexuell</strong>e Verhaltensauffälligkeiten stellen per se<br />
noch keine Diagnose dar, können aber als Teilsymptomatiken psychopathologischer<br />
Störungsbilder in Erscheinung treten (Schuhrke & Arnold, 2009).<br />
Neben einer zutreffenden psychopathologischen Einschätzung als Gr<strong>und</strong>lage<br />
für eine wirksame Behandlungsplanung müssen sich diagnostische Erhebungen<br />
vor allem aber auch auf die Frage der zugr<strong>und</strong>e liegenden<br />
Wirkmechanismen beziehen. Da sexuell auffälliges Verhalten als möglicher<br />
Indikator für sexuellen Missbrauch oder andere Formen der Misshandlung<br />
angesehen werden muss, sind Gefährdungseinschätzungen als regelhafter<br />
Bestandteil in den Diagnoseprozess zu integrieren. Schließlich erfüllt eine<br />
sachgerechte Diagnostik die Funktion, dem Interventionsprozess einen<br />
fachlich begründeten Orientierungsrahmen zugr<strong>und</strong>e zu legen, sodass<br />
emotionale Überreaktionen zum Nachteil der beteiligten <strong>Kinder</strong> möglicherweise<br />
reduziert werden können: „Eine eingehende, qualifizierte Diagnostik<br />
ermöglicht die sachliche professionelle Sicht auf das Problem sexueller<br />
(Straf)Taten. Dadurch werden Überreaktionen auf vielleicht auffälliges, aber<br />
noch im Normbereich der Sexualität liegendes Verhalten verhindert.<br />
Dagegen können – wo dies indiziert ist – zielgerichtete <strong>und</strong> fallorientierte<br />
Maßnahmen eingeleitet werden.“ (Nowara & Pierschke, 2005, S. 105).<br />
Den derzeitigen „state of art“ des diagnostischen Umgangs mit kindlichen<br />
sexuellen Verhaltensauffälligkeiten hat die Task Force für <strong>Kinder</strong> mit<br />
sexuellen Verhaltensproblemen der Association for the Treamtment of<br />
Sexual Abusers (ATSA) formuliert (Chaffin et al., 2008; 2006). In dieser<br />
Arbeit werden Praxiserfahrungen <strong>und</strong> Forschungserkenntnisse zu f<strong>und</strong>ierten<br />
Empfehlungen verdichtet, die der Komplexität der Problematik angemessen<br />
sind. Im Folgenden werden die von Chaffin et al. beschriebenen<br />
Dimensionen des diagnostischen Vorgehens skizziert <strong>und</strong> stichpunktartig<br />
erläutert:<br />
1) Ziele von Diagnostik:<br />
a) Abklärung, ob ein Bedarf nach Intervention oder Behandlung vorliegt<br />
b) Entwicklung von Empfehlungen bezüglich der Art der Intervention<br />
c) Einbringen von Entscheidungshilfen hinsichtlich der Frage der<br />
Herausnahme des Kindes aus der Familie, der Frage der Unterbringung<br />
oder der Familienzusammenführung.<br />
2) Erhebungen zum Lebenskontext, zum sozialen Umfeld <strong>und</strong> der Familie des Kindes:<br />
Von gegenwärtigen oder zukünftigen Umweltfaktoren geht wahrschein-<br />
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