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Sexuell grenzverletzende Kinder – Praxisansätze und ihre ...

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muster, das wiederum die Form des sexuellen Ausagierens annimmt. Araji<br />

(1997) verweist in diesem Zusammenhang auf eine Unterscheidung<br />

zwischen „machtorientiertem Inzest“ <strong>und</strong> „versorgungsorientiertem Inzest“.<br />

Bestimmte Motivationen <strong>und</strong> Bewältigungsstrategien dürften hier,<br />

auch wenn sie nicht primär sexuell konnotiert sind, auf sexualisierte Weise<br />

ausagiert werden, weil der familiäre Kontext im Gefolge transgenerationaler<br />

Dynamiken einen solchen Verhaltensmodus nahe legt (Noll et al., 2009).<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Familie zumindest aus drei<br />

Gründen als Gefährdungsort für sexuelle Übergriffe von <strong>Kinder</strong>n angesehen<br />

werden muss: (1) Innerfamiliärer sexueller Missbrauch erhöht das<br />

Risiko für Bewältigungsmuster, die auf sexualisierte Weise ausagiert werden<br />

(Friedrich et al., 2001). (2) Wenn mehrere Geschwister vorhanden sind,<br />

bietet sich innerhalb der Gelegenheitsstruktur des Inzestsystems eine erhöhte<br />

Verfügbarkeit potentieller Opfer (Klees, 2008). (3) Die Aufdeckung<br />

sexueller Grenzverletzungen innerhalb familiärer Systeme ist schwierig, da<br />

Eltern, sofern sie den problematischen Charakter des Verhaltens überhaupt<br />

identifizieren, dazu neigen, das Problem nicht nach außen dringen zu<br />

lassen. Wenn externe Korrektive nicht in Anspruch genommen werden, erhöht<br />

dies das Risiko einer persistierenden Inzestdynamik (Araji, 1997).<br />

8 Und was ist mit den Opfern?<br />

Wie weiter oben skizziert wurde, stellt die Betroffenheit von sexueller Gewalt<br />

einen relevanten Risikofaktor für die Entwicklung sexueller Verhaltensprobleme<br />

im Kindesalter dar (Friedrich et al., 2001). Viele Untersuchungen<br />

legen in diesem Zusammenhang mehr oder weniger implizit die<br />

Annahme nahe, dass auch das Erleiden sexueller Übergriffe durch andere<br />

<strong>Kinder</strong> eine Dynamik auszulösen vermag, die bei einem derart betroffenen<br />

Kind zu sexuellen Verhaltensauffälligkeiten führen kann (Shaw et al., 2000).<br />

Ansonsten ist aber sehr wenig über die Auswirkungen bekannt, die<br />

sexuelle Übergriffe von <strong>Kinder</strong>n bei den Opfern solcher Taten nach sich<br />

ziehen. Diese Frage macht aber einen erheblichen Teil der Relevanz des<br />

Themas „<strong>Sexuell</strong>e Übergriffe unter <strong>Kinder</strong>n“ aus <strong>und</strong> zwar auch deshalb,<br />

weil sie wichtige Anhaltspunkte hinsichtlich der Unterscheidung zwischen<br />

normalem sexuellem Spiel <strong>und</strong> sexuellen Grenzverletzungen bieten kann.<br />

Die Frage „Ist das Verhalten des übergriffigen Kindes normal?“ führt möglicherweise<br />

zu anderen Bewertungen <strong>und</strong> Einschätzungen als die Frage<br />

„Könnte das betroffene Kind von diesem Verhalten geschädigt werden?“ Es<br />

fällt auf, dass der Diskurs über Intervention <strong>und</strong> Prävention bei sexuellen<br />

Übergriffen unter <strong>Kinder</strong>n fast ausschließĺich „täterbezogen“ geführt wird,<br />

d.h. es geht um zutreffende Einschätzungen über Hintergründe, Motivationen<br />

<strong>und</strong> zugr<strong>und</strong>eliegender Psychopathologie. Behandlungsziele werden<br />

schwerpunktmäßig rückfallprophylaktisch definiert, Risikoprognosen sollen<br />

Auskunft darüber geben, inwieweit von diesem Kind auch in Zukunft noch<br />

Grenzverletzungen bzw. Sexualdelikte zu erwarten sind.<br />

All diese Fragestellungen sind sinnvoll, aber es entsteht der Eindruck,<br />

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