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Sexuell grenzverletzende Kinder – Praxisansätze und ihre ...

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7 Gefährdungskontexte<br />

7.1 Institutionen<br />

Johnson & Doonan (2005) erörtern anhand eines Fallbeispiels die Entwicklung<br />

von extensivem, wechselseitigem sexuellen Verhalten von <strong>Kinder</strong>n<br />

im stationären Jugendhilfekontext. Da für solche <strong>Kinder</strong> häufig keine<br />

nahen, unterstützenden Beziehungen zu Erwachsenen zur Verfügung<br />

stehen, instrumentalisieren sie sexuelles Verhalten als Strategie, um mit<br />

anderen <strong>Kinder</strong>n in Verbindung zu treten. Sie nutzen <strong>ihre</strong> sexuelle Aktivität,<br />

um <strong>ihre</strong> Gefühle von Verlassenheit, Schmerz, Trauer, Angst <strong>und</strong><br />

Hoffnungslosigkeit zu bewältigen. Solche <strong>Kinder</strong> nötigen andere <strong>Kinder</strong><br />

nicht zu sexuellen Handlungen, sondern sie finden andere, ähnlich einsame<br />

<strong>Kinder</strong>, die bereit sind, sich mit ihnen in sexuellen Aktivitäten zu betätigen.<br />

Johnson & Doonan (2005) beschreiben exemplarisch den Fall von „John“<br />

(10) <strong>und</strong> „Jim“ (11): Die beiden Jungen fre<strong>und</strong>eten sich in einer stationären<br />

Einrichtung an. Beide waren emotional bedürftig <strong>und</strong> wurden als „durcheinander“<br />

bezeichnet. Eines Nachts wurden sie von einem Betreuer im<br />

Badezimmer erwischt, als Jim gerade Gleitcreme auf seinen Penis schmierte,<br />

während er hinter John stand. Jim war ein Jahr älter als John, viel größer<br />

<strong>und</strong> aggressiver <strong>und</strong> er stand hinter John, um seinen Penis in dessen Rektum<br />

einzuführen. Aus diesen Gründen gelangte man zu der Einschätzung,<br />

dass Jim ein Täter war <strong>und</strong> John das Opfer.<br />

Bevor John in die Einrichtung gekommen war, lebte er mit seiner Mutter<br />

<strong>und</strong> seinem Stiefvater zusammen. Johns Mutter war als Kind körperlich,<br />

emotional <strong>und</strong> sexuell missbraucht worden <strong>und</strong> hat <strong>ihre</strong>n Sohn zur Welt<br />

gebracht, als sie 17 Jahre alt <strong>und</strong> unverheiratet war. Sie bemühte sich sehr,<br />

John <strong>und</strong> seine Schwester bei sich zu behalten <strong>und</strong> auf die <strong>Kinder</strong> aufzupassen,<br />

aber sie heiratete einen Mann, der sich körperlich <strong>und</strong> emotional<br />

übergriffig verhielt.<br />

Das Jugendamt nahm John <strong>und</strong> dessen Schwester aus der Familie heraus,<br />

weil sich die <strong>Kinder</strong> miteinander sexuell betätigten. Die Sozialarbeiter<br />

konnten bei den <strong>Kinder</strong>n keinerlei emotionalen, sexuellen oder körperlichen<br />

Missbrauch nachweisen, als sie sie von zu Hause herausnahmen. Die<br />

<strong>Kinder</strong> wurden in unterschiedlichen Einrichtungen untergebracht, da die<br />

Befürchtung bestand, dass sie sich weiterhin miteinander sexuell betätigen<br />

würden. John war sehr depressiv <strong>und</strong> verängstigt, als er in die Einrichtung<br />

kam. Er vermisste seine Schwester <strong>und</strong> bat häufig darum, sie sehen zu<br />

dürfen. Seine diesbezüglichen Anfragen wurden aber zurückgewiesen. Er<br />

fragte allerdings nicht nach seiner Mutter oder seinem Stiefvater. Er war<br />

nicht aggressiv gegenüber dem Personal oder anderen <strong>Kinder</strong>n. Obwohl er<br />

oberflächlich kooperativ wirkte, war er meistens misstrauisch <strong>und</strong> emotional<br />

nicht erreichbar.<br />

Jim wurde in die Einrichtung gebracht, nachdem er wegen schwerer Depressionen<br />

<strong>und</strong> Suizidgedanken klinisch behandelt worden war. Er war<br />

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