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Sexuell grenzverletzende Kinder – Praxisansätze und ihre ...

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6 Sind sexuell auffällige <strong>Kinder</strong> die „Täter von<br />

morgen“?<br />

In frühen Stadien der Praxis <strong>und</strong> Forschung bestand die Motivation für die<br />

Fokussierung auf sexuell auffällige <strong>Kinder</strong> tendenziell noch sehr stark in<br />

präventiven Erwägungen. Ryan (2000) berichtet von der Entwicklung eines<br />

Curriculums für ErzieherInnen im Jahre 1986. Das Hauptziel dieses<br />

Programms wurde als „primäre Täterprävention“ beschrieben. Damit war<br />

eine „frühe Identifikation <strong>und</strong> Intervention im Zusammenhang mit der<br />

Entwicklung sexuellen Missbrauchsverhaltens“ (Ryan, 2000, S. 35) gemeint.<br />

Aus der verwendeten Terminologie geht hervor, dass die Intention dieser<br />

Maßnahme nicht so sehr darin bestand, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens<br />

sexueller Grenzverletzungen in institutionellen Kontexten zu<br />

minimieren, sondern darin, dass verhindert wird, dass aus <strong>Kinder</strong>n Täter<br />

werden. Wörtlich ist die Rede von der „Notwendigkeit, <strong>Kinder</strong> davor zu<br />

bewahren, die nächste Generation von Missbrauchern zu werden“ (S.41).<br />

In eine ähnliche Richtung weisen Versuche, die Arbeit mit sexuell auffälligen<br />

<strong>Kinder</strong>n unter dem Hauptgesichtspunkt der Sek<strong>und</strong>ärprävention zu<br />

verstehen. Diese Sichtweise interpretiert sexuell auffälliges Verhalten als<br />

Risikosymptom für die Entwicklung von „Täterkarrieren“, die sich bis ins<br />

Jugend- <strong>und</strong> Erwachsenenalter fortsetzen. Diese Herangehensweise gründet<br />

sich auf eine Reihe von Forschungsbef<strong>und</strong>en, aus denen hervorgeht, dass<br />

jugendliche <strong>und</strong> erwachsene Sexualtäter bereits im Kindesalter sexuelle Auffälligkeiten<br />

gezeigt haben (Longo & Groth, 1983; Abel, Osborne & Twigg,<br />

1993). Einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Entwicklung sexueller<br />

Verhaltensprobleme vom Kindes- ins Jugendalter lieferten Wieckowski et<br />

al. (1998). Die Rekonstruktion der sexuellen Entwicklung einer Stichprobe<br />

12 – 15-jähriger Jungen ließ erkennen, dass diese (Prä)adoleszenten bereits<br />

im Kindesalter sexuell übergriffiges Verhalten zeigten, nämlich durchschnittlich<br />

im Alter von 9 Jahren (ohne Körperkontakt) bzw. 10 Jahren (mit<br />

Körperkontakt). Im Mittel waren diese <strong>Kinder</strong> bereits im Alter von 7 Jahren<br />

pornographischem Material ausgesetzt, mit 9 Jahren begannen sie deviante<br />

sexuelle Phantasien zu entwickeln. Bis zum Erhebungszeitpunkt hatten<br />

diese Heranwachsenden im Schnitt fast 70 Sexualdelikte an durchschnittlich<br />

16,5 Opfern begangen. Es fiel auf, dass das Alter von 7 Jahren eine besonders<br />

sensible Entwicklungsphase im Sinne eines „Vulnerabilitätsfensters“<br />

zu kennzeichnen scheint, in dem die untersuchten <strong>Kinder</strong> sowohl<br />

zum ersten Mal pornographischem Material ausgesetzt waren <strong>und</strong> in dem<br />

sie auch erstmals körperliche sexuelle Gewalt erfuhren (Grabbell & Knight,<br />

2009). Interessanterweise waren auch die Opfer dieser Heranwachsenden<br />

im Durchschnitt 7 Jahre alt. Diese Ergebnisse lassen sich als Hinweise auf<br />

eine lineare Entwicklung von sexueller Verhaltensauffälligkeit im Kindesalter<br />

in Richtung einer ausgeprägten Sexualdelinquenz im Jugendalter interpretieren.<br />

Einschränkend merken Wieckowski et al. (1998) allerdings an,<br />

dass die Stichprobe nur ein Segment besonders schwer gestörter Jungen<br />

repräsentiere. Eine Verallgemeinerung sei daher aufgr<strong>und</strong> der erhobenen<br />

Daten nicht zulässig. In eine ähnliche Richtung weist die Forschungsüber-<br />

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