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Sexuell grenzverletzende Kinder – Praxisansätze und ihre ...

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Smallbone & Dadds (2000) bindungstheoretische mit lerntheoretischen Annahmen.<br />

Sie gehen davon aus, dass Jungen – aufgr<strong>und</strong> von Lernprozessen -<br />

eine Reihe väterlicher Verhaltensweisen übernehmen, unter anderem auch<br />

bestimmte Verhaltensmuster gegenüber Frauen <strong>und</strong> <strong>Kinder</strong>n. So könnten<br />

negative Einstellungen gegenüber Frauen (die häufig als kausale Faktoren<br />

für sexuelle Aggression identifiziert wurden) wiederholt modelliert werden<br />

von einem präsenten, aber zurückweisenden Vater. Die Erfahrung väterlicher<br />

Zurückweisung kann in die Entwicklung dysfunktionaler, Zwang ausübender<br />

<strong>und</strong> widersprüchlicher Strategien zum Erreichen emotionaler<br />

Regulation münden. In einer vermeidenden Beziehung zum Vater <strong>und</strong> einer<br />

ängstlichen Beziehung zur Mutter (wie sie als aussagekräftige Prädiktoren<br />

von Smallbone & Dadds nachgewiesen wurden) können die Bindungsmodelle<br />

des Jungen vulnerabel werden gegenüber Desorganisation, was zur<br />

Ausbildung wenig zuverlässiger Strategien zur Befriedigung von Bindungsbedürfnissen<br />

führt.<br />

In eine ähnliche Richtung weisen die Überlegungen von Berner (2010),<br />

wonach sich aus pathogenen Bindungserfahrungen zwei unterschiedliche<br />

Verhaltensstrategien entwickeln können: Deviante sexuelle Verhaltensmuster<br />

würden dann entweder aus einem aktiven Vermeiden von Bindung<br />

(wie bei Vergewaltigungen) resultieren oder aus einer bewussten Panik vor<br />

dem Verlust eines Liebesobjektes (welches eher mit einer pädosexuellen<br />

Orientierung assoziiert ist). <strong>Sexuell</strong> übergriffiges Verhalten kann auf der<br />

Basis dieser Theorien ganz allgemein als dysfunktionale Reaktion auf unterschiedliche<br />

Formen von Bindungsproblemen konzeptualisiert werden.<br />

Die elaborierteste Theorie zur Entwicklung sexueller Devianz aus gestörten<br />

Bindungserfahrungen stammt von Burk & Burkhart (2003). Die<br />

AutorInnen fordern, dass eine Theorie über jugendliche <strong>und</strong> erwachsene<br />

Sexualtäter folgende gut validierte empirische Beobachtungen berücksichtigen<br />

muss: (1) Familiäre Verhältnisse, die von Brüchen, Gewalt<br />

<strong>und</strong>/oder Drogenmissbrauch geprägt sind (2) Häufig selbst erlebter sexueller<br />

oder körperlicher Missbrauch in der Kindheit (3) Früher Rückgriff auf<br />

sexualisierte Coping-Strategien.<br />

Um die Langzeitfolgen desorganisierter Bindung beherrschen zu können,<br />

würden sexuell übergriffige Menschen ein Selbstregulationssystem entwickeln,<br />

das um negative Verstärkung herum organisiert wird. Es geht dabei<br />

um die Kontrolle interpersonellen Verhaltens <strong>und</strong> zwar mit dem Mittel der<br />

konditionierten Vermeidung. Dies dient dem Zweck der Bewältigung hochaversiver,<br />

internaler emotionaler Zustände. Jedes Verhalten, egal ob angemessen<br />

oder unangemessen, kann dieser Selbstregulationsabsicht dienlich<br />

sein <strong>und</strong> dem Individuum dazu verhelfen, die interne Kontrolle wieder herzustellen.<br />

Empirische Untersuchungen zeigen, dass Sexualtäter häufig auf<br />

unangemessene Strategien zur Selbstregulation (Drogenmissbrauch, interpersonelle<br />

Gewalt, sexuelle Devianz, Eigentumsdelikte, impulsives Verhalten)<br />

zurückgreifen. Aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass diese Strategien in<br />

<strong>ihre</strong>m Umfeld schon tief verankert sind, besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit,<br />

dass sie von ihnen übernommen werden. (Auch hier findet sich<br />

wieder eine Bezugnahme auf lerntheoretische Annahmen). Demnach<br />

fungiert dieses komplexe Bindungssystem als eine Veranlagung, die mit be-<br />

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