Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
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einen begrifflichen Rahmen für Gefährdungseinschätzungen bieten. Ihr<br />
Nachteil besteht aber darin, dass sie empirisch nicht f<strong>und</strong>iert sind <strong>und</strong> dass<br />
in <strong>ihre</strong>r Anwendung die Gefahr stigmatisierender Vorverurteilungen besteht.<br />
Bonner et al. (1999) sowie Friedrich et al. (2001; 2003) kommen zu der<br />
Einschätzung, dass sexuell auffälliges Verhalten von <strong>Kinder</strong>n regelmäßig<br />
assoziiert ist mit einem frühen Ausgesetztsein gegenüber altersinadäquatem<br />
sexuellem Verhalten innerhalb der Familie. Eltern, die offenes sexuelles<br />
Verhalten in der Familie gutheißen (Nacktheit; Gelegenheit, Geschlechtsverkehr<br />
zu sehen; Verfügbarkeit pornographischen Materials; mit den<br />
<strong>Kinder</strong>n gemeinsam baden/schlafen) berichten auch ein höheres Ausmaß<br />
an sexualisiertem Verhalten seitens <strong>ihre</strong>r <strong>Kinder</strong>. Friedrich et al. (2003)<br />
identifizierten den familiären Umgang mit Sexualität als signifikanten<br />
Prädiktor für sexuell aufdringliches Verhalten der <strong>Kinder</strong>. Besonders<br />
problematisch erscheint in diesem Zusammenhang, dass das Auftreten<br />
sexueller Verhaltensauffälligkeiten bei den <strong>Kinder</strong>n die Eltern-Kind-<br />
Beziehung zusätzlich zu belasten scheint. Pithers et al. (1998b) kamen zu<br />
dem Ergebnis, dass Eltern <strong>ihre</strong> sexuell auffälligen <strong>Kinder</strong> als extrem<br />
fordernd erleben <strong>und</strong> dass sie sich <strong>ihre</strong>m Kind gegenüber emotional entfernter<br />
fühlen <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> Interaktionen mit dem Kind als weniger belohnend<br />
erleben als Eltern von <strong>Kinder</strong>n, die keine sexuellen Auffälligkeiten zeigen.<br />
Daraus ergeben sich vermehrte Eltern-Kind-Konflikte <strong>und</strong> eine Reduktion<br />
der elterlichen Beaufsichtigung <strong>und</strong> Unterstützung.<br />
4.3.4 Geschlecht <strong>und</strong> Alter<br />
Araji (1997) macht in <strong>ihre</strong>r Forschungsübersicht einen deutlichen Unterschied<br />
in der Geschlechterverteilung zwischen sexuell auffälligen <strong>Kinder</strong>n,<br />
jugendlichen <strong>und</strong> erwachsenen Sexualtätern aus. Der Anteil von Mädchen<br />
sei in entsprechenden <strong>Kinder</strong>kohorten wesentlich höher als bei Jugendlichen<br />
<strong>und</strong> Erwachsenen. Diese Beobachtung konnte auch in aktuelleren<br />
Studien mehrfach repliziert werden (Silovsky & Niec, 2002; Tarren-<br />
Sweeney, 2008). Die Geschlechterverteilungen können zwar nicht als<br />
repräsentativ interpretiert werden, aber es ist durchwegs ein Trend zu beobachten,<br />
wonach Stichproben von <strong>Kinder</strong>n mit sexuell auffälligem Verhalten<br />
einen relevanten Mädchenanteil enthalten. So beträgt dieser Anteil in<br />
der Studie von Bonner et al. (1999) 37%, bei Pithers et al. (1998a) 35% <strong>und</strong><br />
in der Institutionsbefragung von Helming et al. (2011) wurden in 19% bzw.<br />
24% der aus Schulen berichteten Fälle Mädchen als Initiatorinnen sexueller<br />
Übergriffe angegeben. In Heimen lag dieser Anteil sogar bei 33%. Zwar<br />
muss einschränkend gesagt werden, dass bei den zuletzt genannten Zahlen<br />
nicht zwischen Jugendlichen <strong>und</strong> <strong>Kinder</strong>n differenziert wurde, aber es<br />
spricht einiges dafür, dass der Mädchenanteil noch steigt, wenn man nur<br />
jüngere Altersgruppen berücksichtigt. So kamen Bonner et al. (1999) zu<br />
dem Ergebnis, dass der Jungenanteil an der Gruppe der sexuell auffälligen<br />
<strong>Kinder</strong> mit steigendem Alter größer wird. In eine ähnliche Richtung weist<br />
die Erhebung von Silovsky & Niec (2002), deren Stichprobe sexuell auf-<br />
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