Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
setztseins gegenüber Gewalt kumuliert (Bonner et al., 1999; Tarren-<br />
Sweeney, 2008).<br />
4.3.2 Life events<br />
Neben Misshandlungen könnten auch andere belastende Lebenserfahrungen<br />
zu einer Erhöhung des Risikos beitragen, dass <strong>Kinder</strong> sexuelle<br />
Verhaltensweisen zeigen. Der zugr<strong>und</strong>e liegende Wirkmechanismus dürfte<br />
dem von Merrick et al. (2008) beschriebenen Bemühen betroffener <strong>Kinder</strong><br />
entsprechen, affektive Dysregulationen mit selbsttröstendem Verhalten auszugleichen.<br />
Bonner et al. (1999) fanden, dass sexuell auffällige <strong>Kinder</strong> eine<br />
erhöhte Wahrscheinlichkeit aufweisen, von einer Scheidung der Eltern oder<br />
einem Todesfall im unmittelbaren Familienkreis betroffen zu sein. Ähnliche<br />
Bef<strong>und</strong>e finden sich bei Friedrich et al. (2001) sowie bei Santtila et al.<br />
(2005).<br />
4.3.3 Familiäre Situation<br />
Analog zum Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch <strong>und</strong><br />
sexuellen Verhaltensauffälligkeiten wurde untersucht, inwieweit das<br />
familiäre Milieu – unabhängig vom Vorliegen expliziter Gewalt – zur Entwicklung<br />
sexualisierten Verhaltens von <strong>Kinder</strong>n beitragen kann. Gil (1993b)<br />
hat neben den weiter oben beschriebenen familiären Dynamiken auch<br />
unterschiedliche familiäre Systeme herausgearbeitet, die zur Entwicklung<br />
sexueller Verhaltensprobleme beitragen könnten, nämlich (1) Familien, die<br />
in intensiver Weise von Sexualität in Anspruch genommen werden, (2)<br />
Soziopathische Familien, die u.a. von Kriminalität <strong>und</strong> Vernachlässigung<br />
gekennzeichnet sind, (3) Unterdrückende Familien, in denen Sexualität<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich missbilligt wird <strong>und</strong> (4) Emotional ausgehungerte Familien, in<br />
denen Eltern <strong>ihre</strong> emotionalen Wünsche auf <strong>ihre</strong> <strong>Kinder</strong> übertragen.<br />
Johnson (1993b) formulierte ein Kontinuum familiärer Umgebungen, die<br />
mehr oder weniger wahrscheinlich zur Entwicklung sexueller Auffälligkeiten<br />
seitens der <strong>Kinder</strong> beitragen können. Insgesamt beschreibt die<br />
Autorin darin elf verschiedene familiäre Kontexte (u.a. „Natürliche <strong>und</strong><br />
ges<strong>und</strong>e häusliche Umgebung“, „<strong>Sexuell</strong> neutrale häusliche Umgebung“,<br />
„<strong>Sexuell</strong> unterdrückende häusliche Umgebung“, „<strong>Sexuell</strong> <strong>und</strong> emotional bedürftige<br />
häusliche Umgebung“, „Multigenerational sexuell missbräuchliche<br />
häusliche Umgebung“, etc...). Am Beginn des Kontinuums stehen Bedingungen,<br />
die mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass sich die<br />
Sexualität der <strong>Kinder</strong> ges<strong>und</strong> entwickeln würde. Die im weiteren Verlauf<br />
des Kontinuums beschriebenen familiären Umstände würden eher zu<br />
sexuell reaktiven Verhaltensweisen führen, während am Ende des<br />
Kontinuums Familien anzutreffen sind, in denen das Risiko erhöht ist, dass<br />
<strong>Kinder</strong> sexuell aggressive Verhaltensweisen entwickeln.<br />
Die erwähnten Kategorisierungen besitzen einen hohen deskriptiven<br />
Wert, da sie bestimmte Risikokonstellationen skizzieren <strong>und</strong> damit auch<br />
37