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Sexuell grenzverletzende Kinder – Praxisansätze und ihre ...

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Kindes, selbstberuhigende bzw. selbsttröstende Verhaltensweisen zu entwickeln,<br />

wobei diese auch sexuell getönt sein können. Diese Verhaltensweisen<br />

können auch Bemühungen des Kindes repräsentieren, körperliche<br />

Nähe <strong>und</strong> Intimität herzustellen. Insofern seien sexuelle Verhaltensweisen<br />

für solche <strong>Kinder</strong> in gewisser Weise funktional, weil sie ihnen dabei helfen,<br />

das Trauma der körperlichen Misshandlung zu bewältigen. Sexualisierte<br />

Verhaltensweisen können vor diesem Hintergr<strong>und</strong> als „Auszeit“ von dem<br />

subjektiv erlebten Stress der affektiven Dysregulation interpretiert werden.<br />

Zudem sei körperliche Misshandlung als Symptom eines allgemein dysfunktionalen<br />

familiären Kontextes aufzufassen. Innerhalb eines solchen<br />

Kontextes, in dem die Anwendung körperlicher Gewalt als legitim betrachtet<br />

wird, könne ein vermehrtes Darbieten von Sexualität angenommen<br />

werden. Familiäres Chaos sei mit einem problematischen Umgang mit<br />

Grenzen assoziiert, was sich wiederum in einer sexuellen Praxis äußert, in<br />

der Eltern-Kind-Grenzen nicht ausreichend Berücksichtigung finden <strong>und</strong> in<br />

der die Erfahrung von Sexualität nicht mit der Erfahrung von Intimität gekoppelt<br />

ist. Unter diesen Sozialisationsbedingungen sei es für <strong>Kinder</strong><br />

schwierig, soziale Regeln zu internalisieren <strong>und</strong> das eigene Verhalten entsprechend<br />

zu organisieren. Der sexuelle Aspekt in der Verhaltensmanifestation<br />

des Kindes ist daher nicht unmittelbar aus der Viktimisierungserfahrung<br />

abgeleitet, sondern aus einer familiären Sozialisation, der solche<br />

Viktimisierungen inhärent sind <strong>und</strong> die von einem dysfunktionalen Umgang<br />

mit Grenzen geprägt ist. Unter solchen Bedingungen erscheint die Aneignung<br />

von sozialen (<strong>und</strong> damit auch sexuellen) Regeln erschwert.<br />

Merrick et al. (2008) betonen aber, dass gerade in den von ihnen untersuchten<br />

Hochrisikogruppen damit gerechnet werden muss, dass <strong>Kinder</strong><br />

auch von sexueller Gewalt betroffen sind. Der Umstand, dass sexueller<br />

Missbrauch in der Vorgeschichte nicht berichtet wurde, lässt demnach<br />

trotzdem die Möglichkeit offen, dass es auch bei einigen der hier untersuchten<br />

<strong>Kinder</strong> zu dieser Form der Misshandlung gekommen ist. Dennoch<br />

liefern die Ergebnisse eindeutige Belege dafür, dass sexueller Missbrauch<br />

keinesfalls eine notwendige Vorbedingung für die Entwicklung sexueller<br />

Verhaltensauffälligkeiten darstellt. Diese Feststellung wird erhärtet durch<br />

eine Reihe von Forschungsarbeiten, in denen verschiedene Misshandlungsvorgeschichten<br />

bei sexuell auffälligen <strong>Kinder</strong>n nachgewiesen wurden<br />

(Bonner et al., 1999; Gray et al., 1997; für einen Überblick Bange, 2012;<br />

Elkovitch et al., 2009). Neben körperlicher Misshandlung <strong>und</strong> emotionalem<br />

Missbrauch spielt hier vor allem häusliche Gewalt, also die Zeugenschaft<br />

von Gewalt zwischen den Eltern, eine bedeutende Rolle (Friedrich et al.,<br />

2003; Silovsky & Niec, 2002). Vielfach wird darauf verwiesen, dass <strong>Kinder</strong><br />

oft multiplen Formen der Misshandlung ausgesetzt sind (Zimmermann et<br />

al., 2011; Gray et al., 1997), sodass es schwierig ist zu isolieren, welche<br />

Misshandlungsform in welchem Ausmaß zur Entwicklung sexueller Verhaltensprobleme<br />

beiträgt. Nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> des Risikos, dass betroffene<br />

<strong>Kinder</strong> problematische sexuelle Verhaltensweisen entwickeln<br />

könnten, sind möglichst frühzeitige Interventionen bei Misshandlungsverdacht<br />

notwendig. Es existieren einige Hinweise darauf, dass das Risiko für<br />

sexuelle Belastungsmanifestationen mit zunehmender Dauer des Ausge-<br />

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