Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
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einigen Studien als bedeutende Variable identifiziert (Bonner, Walker &<br />
Berliner, 1999; Silovsky & Niec, 2002). Es ist hier aber zu bedenken, dass<br />
bei <strong>Kinder</strong>n im Vorschulalter generell mehr manifeste sexuelle Verhaltensweisen<br />
(sowohl normale als auch auffällige) nachgewiesen werden können<br />
als bei älteren <strong>Kinder</strong>n, da diese über mehr Strategien verfügen, ihr<br />
sexuelles Verhalten vor Erwachsenen zu verbergen.<br />
Grabell & Knight (2009) haben untersucht, inwieweit <strong>und</strong> auf welche<br />
Weise das Alter zum Zeitpunkt des sexuellen Missbrauchs spätere sexuelle<br />
Verhaltensweisen beeinflusst. Auch wenn sich die Studie vorwiegend auf<br />
sexuelle Übergriffigkeit im Jugendalter bezieht, so liefert sie doch wichtige<br />
Anregungen zum Verständnis des entwicklungspsychologischen Zusammenhangs<br />
zwischen dem Alter zum Zeitpunkt der sexuellen<br />
Viktimisierung <strong>und</strong> sexuellen Manifestationen auf Seiten des Opfers. Die<br />
Autoren verglichen Jugendliche, die im Alter von 0-3 Jahren, von 3 – 7<br />
Jahren, von 7 - 11 Jahren oder von 11 – 17 Jahren sexuell viktimisiert<br />
wurden. Allein in jener Gruppe, in der die Betroffenen im Alter zwischen 3<br />
<strong>und</strong> 7 Jahren sexuelle Gewalt erfuhren, zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang<br />
zwischen sexuellem Missbrauch <strong>und</strong> der Entwicklung devianter<br />
sexueller Phantasien im Jugendalter. Die Autoren folgern daraus, dass diese<br />
Altersperiode besonders sensibel ist für die Entwicklung bestimmter<br />
Risikokonstellationen im späteren Leben der Betroffenen. Das Alter<br />
zwischen 3 <strong>und</strong> 7 Jahren würde eine kritische Lebensspanne repräsentieren,<br />
in der <strong>Kinder</strong> besonders rasche Fortschritte in Bezug auf die Entwicklung<br />
mentaler Repräsentationen <strong>und</strong> einer mentalen Flexibilität machten. Parallel<br />
zu diesen kognitiven Fähigkeiten würde sich das Vermögen entwickeln, je<br />
nach Erfordernis Handlungsimpulse zu hemmen <strong>und</strong> eine dementsprechend<br />
wirksame Kontrolle über das eigene Verhalten einzuüben, wobei<br />
dies mit einer zunehmenden Fähigkeit zur Emotionsregulation einher ginge.<br />
Zusätzlich wird gelernt, Informationen im Gehirn zu behalten <strong>und</strong> diese<br />
bewusst zu steuern. Aufgr<strong>und</strong> dieser Beschreibungen wird nachvollziehbar,<br />
worin sich die pathologischen Effekte des Ausgesetztseins gegenüber<br />
sexueller Gewalt manifestieren können. Grabell & Knight postulieren, dass<br />
eine Kopplung dieser erhöhten kortikalen Aktivität mit aversiven Umwelteinflüssen<br />
(sexueller Missbrauch) dazu führt, dass die Ausgestaltung der<br />
synaptischen Architektur in Übereinstimmung mit diesen aversiven Bedingungen<br />
geschieht, sodass die Gr<strong>und</strong>lagen für entsprechende Funktionsdefizite<br />
im späteren Leben gelegt werden. Eine traumatische Sexualisierung<br />
(Finkelhor & Browne, 1995), die mit einer verminderten Fähigkeit zur<br />
Emotions- <strong>und</strong> Verhaltensregulation einher geht, lässt die Entwicklung<br />
problematischen sexuellen Verhaltens als nahe liegend erscheinen. Gleichzeitig<br />
machen diese Ausführungen verständlich, dass die Belastungen derart<br />
beeinträchtigter <strong>Kinder</strong> nicht auf sexuelle Verhaltensmanifestationen beschränkt<br />
bleiben, sondern auf vielfältige Weise in Erscheinung treten.<br />
Inwieweit das Geschlecht des Kindes den Zusammenhang zwischen<br />
sexuellem Missbrauch <strong>und</strong> auffälligem Sexualverhalten moderiert, gilt noch<br />
als weitgehend unerforscht. Zwar gibt es Hinweise, dass Mädchen auf<br />
sexuelle Gewalt eher mit internalisierenden Problemen reagieren, während<br />
Jungen eher externalisierende Bewältigungsstrategien zugeschrieben<br />
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