Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
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als Konstrukt aufzufassen ist, das per se offen sein muss für Interpretationsspielräume<br />
<strong>und</strong> Veränderungsprozesse. Normalitätskonstruktionen<br />
bieten wichtige, zunächst aber nur rudimentäre Orientierungsrahmen, um<br />
kindliche Verhaltensweisen einzuschätzen. Es geht dabei nicht um die<br />
Unterscheidung zwischen „normalen“ <strong>und</strong> „nicht-normalen“ <strong>Kinder</strong>n, sondern<br />
um die Frage, welche Interventionen im Einzelfall erforderlich sind.<br />
Für solche Erwägungen bietet eine Differenzierung dahingehend, welche<br />
Verhaltensweisen als häufig vs selten gelten, keine ausreichende Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage<br />
(Lagerberg, 2001).<br />
3.2 Was ist sexuell auffälliges Verhalten?<br />
Bewertungen sexueller Verhaltensweisen von <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> entsprechende<br />
Interventionen sind anfällig für Polarisierungen, die sich entweder in einer<br />
Unterschätzung des Problems oder aber in Überreaktionen manifestieren<br />
können (Okami, 1992; Fre<strong>und</strong> & Riedel-Breidenstein, 2004). Im Bemühen,<br />
objektive Entscheidungsgr<strong>und</strong>lagen für angemessene Interventionen bei<br />
sexuellen Verhaltensauffälligkeiten zu generieren, wurden seit Mitte der<br />
1980er Jahre verschiedene Taxonomien entwickelt, um die fraglichen Verhaltensmanifestationen<br />
begrifflich fassen <strong>und</strong> somit diagnostisch besser einschätzen<br />
zu können. Dabei fällt auf, dass es zuweilen Unschärfen gibt hinsichtlich<br />
der Frage, ob unter den vorgeschlagenen Kategorien bestimmte<br />
Verhaltensweisen subsumiert werden sollen oder bestimmte Typen von<br />
<strong>Kinder</strong>n, die diese Verhaltensweisen zeigen. Daher erscheint es erforderlich,<br />
diese Unschärfen zu explizieren <strong>und</strong> herauszuarbeiten, welche Konzepte<br />
stärker verhaltensbezogen <strong>und</strong> welche vorwiegend kindbezogen sind.<br />
3.2.1 Deskriptive Definitionen<br />
Fre<strong>und</strong> & Riedel-Breidenstein definieren sexuelle Übergriffe unter <strong>Kinder</strong>n<br />
folgendermaßen: „Bei sexuellen Übergriffen unter <strong>Kinder</strong>n werden sexuelle<br />
Handlungen unfreiwillig, d.h. mit Druck durch Versprechungen, Anerkennung<br />
etc. oder körperlicher Gewalt ausgeübt. Die Voraussetzung<br />
dafür ist, dass es ein Machtgefälle zwischen den beteiligten übergriffigen<br />
<strong>und</strong> betroffenen <strong>Kinder</strong>n gibt.“ (Strohhalm e.V., 2004, S. 21) Romer (2002)<br />
verwendet den Terminus der sexuellen Impulsivität im Kindesalter.<br />
Darunter versteht er „alle Formen sexuell getönter Handlungen eines<br />
Kindes an einem anderen Kind, die gegen dessen Willen vollzogen werden“<br />
(S. 270). De Jong (1989) unterscheidet zwischen einvernehmlichen <strong>und</strong><br />
missbräuchlichen sexuellen Interaktionen zwischen Geschwistern. Letztere<br />
liegen dann vor, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten<br />
mindestens fünf Jahre beträgt, wenn Gewalt, Zwang oder Bedrohung angewendet<br />
wurden, wenn eine Penetration versucht wurde oder wenn<br />
irgendeine Form von Verletzung des Opfers dokumentiert ist. Eine andere<br />
weithin akzeptierte US-amerikanische Definition beschreibt sexuell auffälli-<br />
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