Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
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Rahmen dieser Spiele auch Geschlechtsverkehr). (6) Andere Interaktionen,<br />
die nicht in (1)-(5) integrierbar waren.<br />
In dieser Stichprobe gaben 85% der Befragten an, dass sie im Kindesalter<br />
in sexuelle Spiele involviert waren. 44% der Befragten beschrieben<br />
Spiele mit dem anderen Geschlecht. Ein Großteil der Befragten gab an,<br />
dass im Rahmen dieser Spiele keinerlei Überredung oder Zwang ausgeübt<br />
wurde, wobei allerdings bei sexuellen Aktivitäten mit dem anderen<br />
Geschlecht eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit des Einsatzes von<br />
Zwang oder Überredung berichtet wurde. In diesem Zusammenhang zeigte<br />
sich bei der retrospektiven Reinterpretation des Geschehens, dass auch jene<br />
sexuellen Interaktionen, die als schädigend erinnert wurden, auf der Normalitätsskala<br />
sehr hoch eingestuft wurden. Die Autorinnen interpretieren diese<br />
Bef<strong>und</strong> mit der Feststellung, dass hier ein Geschlechterverhältnis zum Ausdruck<br />
kommt, in dem Überredung <strong>und</strong> Zwang als normale Bestandteile<br />
heterosexueller Interaktionen verstanden werden.<br />
Ryan, Miyoshi & Krugman (1988, zit. n. Ryan, 2000) fanden, dass Erwachsene<br />
bei der Reinterpretation kindlicher sexueller Interaktionen möglicherweise<br />
dazu neigen, <strong>ihre</strong> Erfahrungen als normaler zu bewerten als sie<br />
dies als <strong>Kinder</strong> taten: Fast 80% der Befragten schätzten <strong>ihre</strong> kindlichen<br />
sexuellen Erfahrungen a posteriori als normal ein, während nur knapp 30%<br />
angaben, dass sie auch als Kind das Gefühl hatten, dass das, was sie taten,<br />
„normal“ sei. Die überwiegende Mehrheit berichtete Gefühle der Schuld,<br />
Neugierde <strong>und</strong> Verwirrung im Zusammenhang mit <strong>ihre</strong>n sexuellen Interaktionen.<br />
Interessant ist auch der Bef<strong>und</strong>, dass nur ca. 17% der Befragten<br />
angaben, dass diese Handlungen sexuell motiviert waren.<br />
Lamb & Coakley werfen die Frage auf, wie sexuell die Spiele seien, von<br />
denen Erwachsene retrospektiv berichten. Ihre diesbezüglichen Bef<strong>und</strong>e<br />
fassen sie folgendermaßen zusammen: Die meisten Personen, die von<br />
sexuellen Interaktionen berichteten, gaben an, dass sie nur so weit gingen,<br />
einander zu küssen oder sich selbst einem anderen Kind gegenüber zu<br />
zeigen. Ein Drittel gab genitale Berührungen an, nur wenige berichteten<br />
von oral-genitalem Kontakt oder von Versuchen, Geschlechtsverkehr zu<br />
vollziehen. 19 der befragten 128 Personen beschrieben ihr erinnertes<br />
subjektives Empfinden im Zusammenhang mit den sexuellen Handlungen<br />
als „erregt“, „stimuliert“, „aufgeregt“ oder „genussvoll“. <strong>Sexuell</strong>e Komponenten<br />
(i.S. eines als sexuell erlebten körperlichen <strong>und</strong>/oder emotionalen<br />
Empfindens) können also Bestandteil der als sexuell bewerteten Interaktionen<br />
sein. Dies muss aber keineswegs der Fall sein.<br />
Die in der Literatur auffindbaren Forschungsbemühungen zur Erfassung<br />
normalen sexuellen Verhaltens von <strong>Kinder</strong>n führen in der Gesamtschau zu<br />
einem uneinheitlichen Bild. Folgende Faktoren dürften für die unterschiedlichen<br />
Ergebnisse ausschlaggebend sein:<br />
Untersuchungsdesign: Retrospektive Befragungen von Erwachsenen<br />
führen zu anderen Ergebnissen als Verhaltensbeobachtungen von Bezugspersonen.<br />
Beide Herangehensweisen bringen erhebliche Probleme<br />
mit sich. Retrospektive Berichte sind von Erinnerungseffekten <strong>und</strong><br />
kognitiven Reinterpretationen des Geschehens beeinträchtigt. Allerdings<br />
können mit solchen Verfahren auch Interaktionen erfasst werden, die im<br />
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