Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
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lichen Rahmenbedingungen als extrinsische Motivation für die Teilnahme<br />
an Behandlungsprogrammen. Es bedarf also plausibler <strong>und</strong> wirksamer<br />
Interventionsmodelle, um überhaupt die Voraussetzungen für die Anwendung<br />
(gut evaluierter) Behandlungsprogramme zu schaffen.<br />
Erschwerend kommt hinzu, dass häufig genau innerhalb jener Systeme, die<br />
zur Kooperation bewegt werden müssen, wesentliche Bedingungsfaktoren<br />
für die Entstehung des sexuell auffälligen Verhaltens vermutet werden<br />
müssen. Das bedeutet, dass das Symptom des Kindes Anlass gibt, sich mit<br />
Misshandlungsvermutungen, Geheimhaltungsstrategien, Scham, Misstrauen,<br />
Ängsten, Verantwortungsüberlastung usw... auseinanderzusetzen. Das<br />
Spannungsfeld der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe, das sich zwischen Hilfe <strong>und</strong><br />
Kontrolle entfaltet, tritt in solchen Fällen mit unvermittelter Deutlichkeit<br />
zutage. Gelingende Interventionsstrategien bedürfen geeigneter Kooperationsvereinbarungen<br />
zwischen den verschiedenen Akteuren des <strong>Kinder</strong>schutzes,<br />
die sich dieses themenimmanenten Konflikts bewusst sind.<br />
Solange es keine schlüssigen Erklärungen für das Verhalten des Kindes gibt,<br />
werden sich sowohl Familien als auch Institutionen (z.B. <strong>Kinder</strong>gärten) dem<br />
Verdacht ausgesetzt sehen, dass sie das Verhalten des Kindes – auf welche<br />
Weise auch immer – verursacht haben.<br />
Aufgr<strong>und</strong> dieser Erwägungen muss festgehalten werden, dass im Einzelfall<br />
die Voraussetzungen für die Etablierung eines zuverlässigen Behandlungskonzepts<br />
häufig eher ungünstig sein werden. An diesem Punkt ist<br />
es zunächst einmal wichtig, zwischen der Behandlung selbst <strong>und</strong> <strong>ihre</strong>n<br />
Voraussetzungen überhaupt zu unterscheiden. Die bisher in Deutschland<br />
berichteten Praxiserfahrungen deuten auf hohe Abbrecherraten vor allem<br />
bei strafunmündigen <strong>Kinder</strong>n hin. Dies hat möglicherweise einerseits damit<br />
zu tun, dass die Behandlungskonzepte nicht entwicklungssensibel genug<br />
sind, vor allem aber ist daran zu denken, dass die Voraussetzungen für das<br />
Gelingen der Maßnahmen nicht in ausreichendem Maß gegeben sind (z.B.<br />
eine ernsthafte Unterstützung <strong>und</strong> Kooperation seitens der Eltern). Angesichts<br />
dieser Problematik erscheint ein Perspektivenwechsel in der Behandlungsforschung<br />
indiziert: Das klassische Modell der Prä-Post-<br />
Vergleiche mit Follow-up-Untersuchungen nach bestimmten Katamnesezeiträumen<br />
liefert erst dann brauchbare Daten, wenn entsprechende Programme<br />
in zuverlässiger Weise zur Anwendung gebracht werden können<br />
(allerdings sind auch hier die statistischen Anforderungen für aussagekräftige<br />
Ergebnisse sehr hoch, siehe König, 2011). Eher müsste zunächst<br />
danach gefragt, unter welchen Bedingungen überhaupt wirksame Hilfe geleistet<br />
werden kann, d.h.: Wie kriegt man Eltern <strong>und</strong> Institutionen nachhaltig<br />
„mit ins Boot“, wenn das sexuelle Verhalten eines Kindes einen<br />
Interventionsbedarf erforderlich macht? Eine systematische Analyse von<br />
Fallverläufen könnte hier wichtige Erkenntnisse bringen. Zu denken wäre<br />
auch an Einzelfallstudien, anhand derer spezifische Problematiken sowie<br />
positive <strong>und</strong> negative Bedingungsfaktoren für wirksame Interventionen<br />
identifiziert werden könnten.<br />
Es ist deutlich geworden, dass sexuell auffälliges Verhalten von <strong>Kinder</strong>n<br />
in vielerlei Hinsicht andere Interventionsmaßnahmen erforderlich macht als<br />
sexuell übergriffiges Verhalten von Jugendlichen. Entsprechende ent-<br />
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