Aussterben und Fortleben des Jiddischen in Franken - OPUS ...
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Klepsch: Jiddisch <strong>in</strong> <strong>Franken</strong><br />
für die jüdische Fürther Druckerei Zirndorfer Kupferstiche an. Privat wird er als „griesgrämiger<br />
Sonderl<strong>in</strong>g“ beschrieben. Er blieb bis an se<strong>in</strong> Lebensende ledig. Als er starb, sollte er wegen<br />
se<strong>in</strong>es unsoliden Lebenswandels an e<strong>in</strong>em unehrenhaften Platz auf dem Friedhof begraben<br />
werden. Aber se<strong>in</strong>e Fre<strong>und</strong>e konnten das verh<strong>in</strong>dern. Wer diese Fre<strong>und</strong>e waren, wissen<br />
wir nicht, aber daß er welche hatte, rückt das Bild vom „Griesgram“ doch <strong>in</strong> e<strong>in</strong> etwas fre<strong>und</strong>licheres<br />
Licht.<br />
Se<strong>in</strong>e Fre<strong>und</strong>e bewirkten noch etwas anderes. Sie drängten ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en letzten Tagen dazu,<br />
se<strong>in</strong> Purimspiel gedruckt zu veröffentlichen. In se<strong>in</strong>em To<strong>des</strong>jahr 1828 wurde der Text bei<br />
Zirndorfer herausgegeben.<br />
Auch das Stück selbst ist alles andere als griesgrämig. Die Personen s<strong>in</strong>d plastisch gezeichnet<br />
<strong>und</strong> wirken lebendig, Die Sprechtexte s<strong>in</strong>d witzig <strong>und</strong> stecken voller Anspielungen auf kulturelle<br />
Zeitströmungen. Der Autor muß e<strong>in</strong> scharfer Beobachter se<strong>in</strong>er Mitmenschen <strong>und</strong> e<strong>in</strong><br />
gebildeter Mann gewesen se<strong>in</strong>. Das beweist schon der Untertitel „Die belohnte Tugend“. Dies<br />
ist e<strong>in</strong>e Anspielung auf e<strong>in</strong>en heute vergessenen Bestseller-Roman, der 1740 <strong>in</strong> London herauskam:<br />
„Pamela or virtue rewarded“ von Samuel Richardson. In England war dieses Buch<br />
e<strong>in</strong> großer Erfolg, Auch <strong>in</strong> Deutschland fand es reißenden Absatz, nachdem es 1772 <strong>in</strong> deutscher<br />
Sprache erschien. 5<br />
Aber es s<strong>in</strong>d nicht nur literarische Zitate, die sich <strong>in</strong> Herz’ Komödie f<strong>in</strong>den. Sie steckt auch<br />
voller lokaler Anspielungen. Zwar wird, gemäß der biblischen Vorgabe, der Ort <strong>des</strong> Geschehens<br />
„Schuschen“ genannt, entsprechend der Hauptstadt <strong>des</strong> Persischen Reichs, Susa. Aber <strong>in</strong><br />
Wirklichkeit spielt das Stück <strong>in</strong> Fürth. Da ist z.B. von e<strong>in</strong>em Gasthaus „Blaue Glocke“ die<br />
Rede, das es bis <strong>in</strong>s 20. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>in</strong> Fürth gab. Die Leute lesen den „Kruschpendent“, das<br />
ist der Nürnberger Korrespondent, die erste Tageszeitung <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Herz wendet das Stilmittel „Sprache“ viel raff<strong>in</strong>ierter an, als Grübel. Er benutzt die Sprache<br />
nämlich zur Charakterisierung se<strong>in</strong>er Personen.<br />
Die jüdischen Helden <strong>des</strong> Stücks, also Ester <strong>und</strong> ihr Ziehvater Mordechai, aber auch die Familie<br />
<strong>des</strong> M<strong>in</strong>isters Charobona, sprechen re<strong>in</strong>e jiddische M<strong>und</strong>art. Es ist e<strong>in</strong> Dialekt, der wie<br />
e<strong>in</strong>e Mischung aus Fränkisch <strong>und</strong> Schwäbisch <strong>und</strong> etwas Hessisch wirkt, es kommen aber<br />
zahlreich hebräische Wörter vor. Diese s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der hebräischen Orig<strong>in</strong>alausgabe nicht vokalisiert.<br />
Die Übertragung <strong>in</strong> Fraktur durch Suhler, 1871 6 zeigt aber, daß sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er m<strong>und</strong>artnahen<br />
Weise ausgesprochen werden.<br />
Zur Veranschaulichung wird hier e<strong>in</strong>e Szene au dem ersten Akt zitiert. Die Worterklärungen<br />
<strong>in</strong> eckigen Klammern stammen aus der Fraktur-Ausgabe von 1871 <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d buchstabengetreu<br />
übernommen.<br />
Die Szene spielt im privaten Haushalt <strong>des</strong> M<strong>in</strong>isters Charbona. In Herz’ Bühnenanweisung<br />
wird e<strong>in</strong> chaotisches Durche<strong>in</strong>ander geschildert. K<strong>in</strong>der wuseln herum, plärren, we<strong>in</strong>en <strong>und</strong><br />
petzen, e<strong>in</strong>e Halbwüchsige klimpert schaurig auf dem Klavier herum. Die Mutter sitzt ungerührt<br />
mitten dr<strong>in</strong> <strong>und</strong> klaubt L<strong>in</strong>sen. Die Pianist<strong>in</strong> ist Zetulpe, die älteste Tochter Charbonas.<br />
Zetulpe ist e<strong>in</strong>e Figur, die <strong>in</strong> der Bibel nicht vorkommt. Der Name ist frei erf<strong>und</strong>en. Zetulpe<br />
verkörpert die Junge Generation der Fürther Juden Anfang <strong>des</strong> 19. Jhs. Sie versucht sich eifrig<br />
an die à la mode-Kultur der Nichtjuden anzupassen, was ihrem Vater e<strong>in</strong> Dorn im Auge ist.<br />
Der Vater, Charbona kehrt gerade aus dem Dienst nach Hause zurück <strong>und</strong> will se<strong>in</strong>er Frau<br />
erzählen, was es heute im Büro gegeben hat. Alle unterhalten sich auf Jiddisch.<br />
5 Vgl. Richardson 1742 <strong>und</strong> 1772.<br />
6 Vgl. Herz 1871.<br />
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