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09.01.2013 Aufrufe

DIE BESTE ZEIT Das Magazin für Lebensart Wuppertal und Bergisches Land Ausgabe 18, 2012 - 3,50 Euro Peter Paul Rubens Von der Heydt-Museum Wuppertal 10. Wuppertaler Jazzmeeting Grandioser Abend im ADA Liebe, Tod und Teufel Ausstellung im Haus der Jugend Singen gegen das Böse Der Freischütz in Wuppertal A Bigger Picture David Hockney im Museum Ludwig Hommage schmerzlichkomisch, Uraufführung Schiefergold Im Farbenrausch Expressionisten im Folkwangmuseum Christian von Grumbkow Kunst am Bau als Dialog Horch doch mal Erzählung von Dorothea Renckhoff Adventszauber Weihnachtsmarkt Schloss Lüntenbeck Magische, intensive Momente Nachklänge zur Musikreihe Klangart Kulturnotizen Kulturveranstaltungen in der Region ISSN 18695205 1

DIE BESTE ZEIT<br />

Das Magazin für Lebensart<br />

Wuppertal und Bergisches Land Ausgabe 18, 2012 - 3,50 Euro<br />

Peter Paul Rubens<br />

Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />

10. Wuppertaler Jazzmeeting<br />

Grandioser Abend im ADA<br />

Liebe, Tod und Teufel<br />

Ausstellung im H<strong>aus</strong> der Jugend<br />

Singen gegen das Böse<br />

Der Freischütz in Wuppertal<br />

A Bigger Picture<br />

David Hockney im Museum Ludwig<br />

Hommage schmerzlichkomisch,<br />

Uraufführung Schiefergold<br />

Im Farbenr<strong>aus</strong>ch<br />

Expressionisten im Folkwangmuseum<br />

Christian von Grumbkow<br />

Kunst am Bau als Dialog<br />

Horch doch mal<br />

Erzählung von Dorothea Renckhoff<br />

Adventszauber<br />

Weihnachtsmarkt Schloss Lüntenbeck<br />

Magische, intensive Momente<br />

Nachklänge zur Musikreihe Klangart<br />

Kulturnotizen<br />

Kulturveranstaltungen in der Region<br />

ISSN 18695205<br />

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2<br />

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Editorial<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser !<br />

Der halbnackte, trunkene Selen im wässrig graublauen Gewand schaut wollüstig auf<br />

Dianas Jagdbeute – oder vielleicht doch eher auf die entblößte Brust der Jagdgöttin ? – während<br />

diese züchtig den Blick gesenkt hält. Ihr rotes Gewand überstrahlt die Komposition mit<br />

viel nackter Haut des <strong>aus</strong> der Dresdner Gemäldegalerie stammenden Rubensgemälde:<br />

ein wahrer „eyecatcher“.<br />

Dianas Heimkehr von der Jagd wird so bald kein Wuppertaler mehr vergessen. Auf den<br />

gelben Fahnen, die die Elberfelder Fußgängerzone zieren, prangt sie, und weithin sichtbar<br />

schmückt sie das Baugerüst des Rath<strong>aus</strong>turms. Die Rubens’sche Schönheit Diana, im roten<br />

Gewand vor gelbem Hintergrund, gehört jetzt schon zu Wuppertal, <strong>wie</strong> vor einigen Jahren die<br />

Seerosen Monets, ebenfalls auf signalgelbem Grund, fast identitätsstiftende Wirkung hatten.<br />

Die Ausstellung des Von der Heydt-Museums „Peter Paul Rubens“ ist auch in diesem Heft ein<br />

Hauptthema: Die Kuratorin Dr. Nicole Hartje-Grave hat in ihrem Beitrag für „Die Beste<br />

<strong>Zeit</strong>“ die Anfänge des barocken Malerfürsten beschrieben, eine spannende Einführung, die<br />

dazu animiert, das Original der Diana im Museum zu besuchen.<br />

Dass Rubens zu Wuppertal gehört, hat man auch schon in Frankreich vernommen. Der<br />

französische Maler Vincent Corpet hat eigens für die gerade eröffnete Ausstellung in Barmen<br />

„Liebe, Tod und Teufel“ eines der bekanntesten Werke des Antwerpener Barockmalers in<br />

zeitgenössische Malerei übersetzt, den „Raub der Töchter des Leukippos“. Was wird <strong>aus</strong> der<br />

genialen<br />

Komposition in den Augen eines zeitgenössischen Malers fast 400 Jahre nach Rubens?<br />

Sicherlich ein spannend zu führender Vergleich - und die perfekte Verbindung zwischen den<br />

beiden Von der Heydt-Häusern, Museum und Kunsthalle.<br />

Auch das zweite H<strong>aus</strong>, die Kunsthalle in Wuppertal Barmen, fi ndet erfreulicherweise regelmäßig<br />

Berücksichtigung in der „Besten <strong>Zeit</strong>“. Seit ihrer Wiedereröffnung nach der Instandsetzung<br />

im April 2011 wird hier bereits die fünfte Ausstellung gezeigt. Das überregionale<br />

Renommee als interessanter Ort der zeitgenössischen Kunst steigt, für viele Kunstinteressierte<br />

ist sie gar eine erfreuliche Neuentdeckung. Galeristen und Sammler <strong>aus</strong> München, Frankfurt<br />

und Berlin sind aufmerksam geworden auf das, was sich in Barmen tut. „Liebe, Tod und<br />

Teufel“ – unter diesem Titel stellt der französische Sammler Jean Mairet zur <strong>Zeit</strong> einen Teil<br />

s<strong>einer</strong> Kunstsammlung <strong>aus</strong>. Er selbst hat mit seinen <strong>aus</strong>gewählten, aktuellen Lieblingswerken<br />

einen Parcours angelegt, der den Besucher nicht in der passiven Rolle des Betrachters belässt,<br />

sondern die Refl exion existentieller Fragestellungen anstößt.<br />

Darin, <strong>wie</strong> sich die in ihrem Kunstcharakter recht heterogen erscheinenden Werke in der<br />

Kunsthalle zu <strong>einer</strong> schlüssigen Schau zusammenfügen, scheint die Ausstellung diesem<br />

Heft verwandt: Auf den ersten Blick haben vielleicht der Beitrag zum Lüntenbecker Weihnachtsmarkt<br />

mit dem Text zu „Liebe, Tod und Teufel“ nichts zu tun, aber jeder Textbeitrag<br />

beschreibt eine interessante Facette des großen Ganzen der Kultur, thematisiert, was los ist in<br />

Wuppertal und Umgebung, was hier passiert, und weshalb die Stadt einfach interessant und<br />

liebenswert ist. Jede Ausgabe <strong>wie</strong>der liefert prächtige Fotos, Texte von Schriftstellern, Journalisten<br />

und viele Berichte sozusagen <strong>aus</strong> erster Hand, die den Leser mittendrin im Kulturleben<br />

sein lassen.<br />

Viel Vergnügen beim Lesen.<br />

Ihre Beate Eickhoff<br />

3


4<br />

Impressum<br />

Die Beste <strong>Zeit</strong> erscheint in Wuppertal und im Bergischen Land<br />

Erscheinungsweise: alle zwei Monate<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> - Die beste <strong>Zeit</strong><br />

Friedrich-Engels-Allee 122, 42285 Wuppertal<br />

Telefon 02 02 - 28 10 40<br />

E-Mail: verlag@hpnackekg.de<br />

V. i. S. d. P.: HansPeter <strong>Nacke</strong><br />

Erfüllungsort und Gerichtsstand Wuppertal<br />

Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des<br />

Verlages und der Her<strong>aus</strong>geber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge<br />

zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />

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16.10.2012 - 28.2.2013<br />

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PETER PAUL<br />

RUBENS<br />

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Telefon: +49 (0) 202 2 80 96-0<br />

www.ueberholz.de<br />

Kürzungen bzw. Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen<br />

im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann<br />

keine Gewähr übernommen werden.<br />

Nachdruck - auch <strong>aus</strong>zugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzlichen<br />

Schutzfrist nur mit der <strong>aus</strong>drücklichen Genehmigung des Verlages.<br />

Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder<br />

Unterlassungen keine Haftung übernommen.<br />

Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt.<br />

Abbildung Cover:<br />

Ausschnitt „Adventsbeleuchtung in der Elberfelder City“<br />

von Bjørn Ueberholz<br />

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Inhalt<br />

Ausgabe 18, 4. Jahrgang, Dezember 2012 / Januar 2013<br />

Von der Heydt-Museum<br />

Ausstellung Peter Paul Rubens<br />

Einführung von Nicole Hartje-Grave Seite 6<br />

Fortsetzung dringend empfohlen<br />

Rückblick auf das 10. Wuppertaler<br />

Jazzmeeting – von H<strong>einer</strong> Bontrup Seite 14<br />

Liebe, Tod und Teufel<br />

Ausstellung in der Von der Heydt-Kunsthalle<br />

im H<strong>aus</strong> der Jugend Barmen<br />

Singen gegen das Böse<br />

Seite 20<br />

der Freischütz in Wuppertal<br />

von Martin Freitag Seite 22<br />

A Bigger Picture<br />

Ausstellung David Hockney im<br />

Museum Ludwig, Köln Seite 25<br />

Schiefergold<br />

Wuppertaler Bühnen, Regie Julia Penner<br />

von Martin Hagemeyer Seite 30<br />

Im Farbenr<strong>aus</strong>ch<br />

Ausstellung berühmter Expressionisten<br />

im Essener Folkwang-Museum Seite 32<br />

Magische und intensive Momente<br />

Nachklänge zur Musikreihe Klangart<br />

von H<strong>einer</strong> Bontrup Seite 40<br />

Druckerei Elba<br />

Fotografi e von Sylvie Hauptvogel<br />

Text von Friederike Zelesko Seite 46<br />

Adventszauber<br />

Der Weihnachtsmarkt von Schloss Lüntenbeck<br />

von Michael Schumacher Seite 48<br />

Der zerbrochne Krug<br />

Heinrich von Kleist im Wuppertaler TiC<br />

von Frank Becker Seite 50<br />

Kunst am Bau als Dialog<br />

Der Künstler Christian von Grumbkow<br />

Interview von Michael Schumacher Seite 52<br />

Generalprobe<br />

Erzählung von Marianne Ullmann Seite 56<br />

Wuppertaler als Kölner Musik-Legende<br />

Der Wuppertaler Sch<strong>aus</strong>pieler Markus Dietz<br />

von Kl<strong>aus</strong> Göntzsche Seite 59<br />

Der Beyenburger See<br />

Ein Ort der Ruhe<br />

von Matthias Dohmen Seite 61<br />

Trilogie der Sommerfrische<br />

Theater à la bonheur<br />

von Frank Becker Seite 63<br />

Die Pasta Opera besucht Wuppertal<br />

Operndarbietung bei kulinarischem Genuss<br />

von Hubert Gertis Seite 66<br />

Horch doch mal<br />

Das Heft, das keine Stimme hatte<br />

von Dorothea Renckhoff Seite 69<br />

Paragraphenreiter<br />

Interessantes zu den Themen Steuern<br />

und Recht Seite 72<br />

GEDOK –<br />

Lobby für Künstlerinnen<br />

von Renate Massmann Seite 73<br />

Fünf Jahrzehnte Entwicklungshelfer<br />

Porträt von Kl<strong>aus</strong> Dieter Peters<br />

von Matthias Dohmen Seite 75<br />

Weihnachtsgrüße <strong>aus</strong> Sooderee<br />

Bericht <strong>aus</strong> Äthiopien<br />

von Kl<strong>aus</strong> Dieter Peters Seite 77<br />

Neue Kunstbücher<br />

Meisterwerke in der Emanzipation der Kunst<br />

Vorgestellt von Thomas Hirsch<br />

Seite 82<br />

Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />

Vorgestellt von Matthias Dohmen Seite 84<br />

Neue Wuppertal-Kalender<br />

Stadtansichten, Schwebebahnmotive und<br />

Pina B<strong>aus</strong>ch Tanztheater Wuppertal Seite 85<br />

Kulturnotizen<br />

Kulturveranstaltungen in der Region Seite 86<br />

5


6<br />

Abb. 10, Peter Paul Rubens, Der heilige Franziskus empfängt das Jesuskind <strong>aus</strong> den Händen der Madonna, um 1617/18, Lille,<br />

Palais des Beaux-Arts


Sein Aufstieg zum führenden<br />

Maler in Antwerpen<br />

Abb. 1<br />

Peter Paul Rubens (Umkreis), Selbstporträt,<br />

schwarze Kreide, Feder in Braun, abschließend<br />

Rötel, ALBERTINA, Wien<br />

Peter Paul Rubens<br />

Als Peter Paul Rubens nach achtjährigem<br />

Aufenthalt in Italien mit Stationen in<br />

Mantua, Genua und Rom 1608 in seine<br />

Heimatstadt Antwerpen<br />

zurückkehrte, war das politische,<br />

wirtschaftliche, gesellschaftliche und<br />

künstlerische Klima für einen aufstrebenden<br />

jungen Maler über<strong>aus</strong> günstig.<br />

Nach der Niederlage von Antwerpen<br />

1585 gingen die südlichen Provinzen der<br />

Niederlande <strong>wie</strong>der in den Herrschaftsbereich<br />

der Spanisch-Habsburgischen<br />

Könige über und eine extensive katholische<br />

Restauration begann. Viele neue<br />

Kirchen, Klöster und Abteien wurden<br />

erbaut oder nach den Verwüstungen von<br />

1566 in großem Stil <strong>wie</strong>der hergerichtet.<br />

Sie alle mussten mit <strong>einer</strong> Vielzahl von<br />

Skulpturen und Gemälden <strong>aus</strong>gestattet<br />

werden. Der maßgebliche Grund für die<br />

Befriedung der südlichen Niederlande<br />

und das dortige Aufblühen der Künste<br />

war der Umstand, dass der spanische<br />

König Philipp II. als Regenten einen Generalstatthalter<br />

einsetzte. 1596 übertrug<br />

er dieses Amt dem Erzherzog Albrecht<br />

von Österreich (1559-1621) und dessen<br />

Frau, der Erzherzogin Isabella Clara Eugenia<br />

(1566-1633), s<strong>einer</strong> Tochter (Abb. 2<br />

und 3). Die Hochzeit fand im April 1599<br />

statt. Die „Akte van Afstand“, die Philipp<br />

II. am 6. Mai 1598 unterzeichnete, gewährte<br />

den Niederlanden eine scheinbare<br />

Abb. 2<br />

Peter Paul Rubens und Werkstatt, Porträt<br />

Erzherzog Albrecht VII. von Österreich,<br />

um 1615-20, Privatsammlung<br />

Selbständigkeit. Als äußerlich souveräne<br />

Fürsten sollten es Albrecht und Isabella<br />

leichter haben, die Niederlande zu befrieden<br />

und die politische Einheit <strong>wie</strong>der herzustellen.<br />

Die spanischen Truppen blieben<br />

aber weiterhin in Flandern stationiert.<br />

Albrecht durfte sich zwar Oberbefehlshaber<br />

nennen, die militärischen Entscheidungen<br />

traf aber nach <strong>wie</strong> vor der König<br />

in Madrid.<br />

Ungeachtet dieser Einschränkungen<br />

begrüßten die Antwerpener Bürger das<br />

Erzherzogspaar euphorisch, als es am 10.<br />

Dezember 1599 feierlich in Antwerpen<br />

einzog. Sie erwarteten von den neuen<br />

Stadthaltern die Wiederherstellung „ihrer<br />

alten Blüte und Einigkeit, um die wir den<br />

allmächtigen Gott so viele Jahre gebeten<br />

haben und noch stets bitten“. Auch wenn<br />

es in den ersten Jahren ihrer Regentschaft<br />

noch kl<strong>einer</strong>e Kriegshandlungen gab,<br />

stabilisierte bereits der Amtsantritt von<br />

Albrecht und Isabella die politische Lage<br />

in den südlichen Provinzen und ließ für<br />

die Zukunft eine Verbesserung der Lage<br />

erwarten. Die Hoffnungen konkretisierten<br />

sich, als 1609 ein auf zwölf Jahre<br />

angesetzter Waffenstillstand – noch kein<br />

Friedensvertrag – zwischen Nord und Süd<br />

<strong>aus</strong>gehandelt war. Dass diese dauernden<br />

Friedensverhandlungen Rubens davon<br />

abhielten, nach Rom zurückzukehren<br />

und in Antwerpen zu bleiben, belegt<br />

Abb. 3<br />

Peter Paul Rubens und Werkstatt, Porträt<br />

Erzherzogin Isabella Clara Eugenia, um<br />

1615-20, Privatsammlung<br />

7


8<br />

ein Brief vom 10. April 1609 an den<br />

Arzt Johann Faber in Rom: „Andernteils<br />

versäumt man hier auch nicht, mich mit<br />

allen Arten von Liebenswürdigkeiten zu<br />

überhäufen, um mich zurückzuhalten.<br />

Der Erzherzog und die erlauchtigste<br />

Infantin ließen mir schreiben, um mich<br />

eindringlichst dazu zu bewegen, unter<br />

glänzenden Bedingungen in ihren<br />

Diensten zu bleiben, obwohl ich wenig<br />

Lust verspüre, das Leben eines Höfl ings<br />

von neuem zu beginnen. Antwerpen mit<br />

seinen Einwohnern genügt mir, wenn ich<br />

Rom leb wohl sagen könnte. Der Frieden<br />

oder besser gesagt, der Waffenstillstand<br />

für eine lange Reihe von Jahren, wird<br />

ohne den geringsten Zweifel zustande<br />

kommen und während dieser <strong>Zeit</strong> werden<br />

unsere Länder von neuem aufblühen, und<br />

man glaubt, dass er in der nächsten Woche<br />

in allen diesen Provinzen proklamiert<br />

werden wird.“ Bereits am Abend zuvor<br />

war der Vertrag im Antwerpener Rath<strong>aus</strong><br />

unterzeichnet worden und die Bevölkerung<br />

feierte ihn auf dem Großen Markt<br />

begeistert.<br />

Dass Rubens die richtige Entscheidung<br />

getroffen hatte, sollte sich bald bestätigen.<br />

So kamen nicht nur der Handel<br />

und das Handwerk zu neuer Blüte, auch<br />

die Künste erhielten enormen Auftrieb,<br />

da die Erzherzöge ein regelrechtes kulturelles<br />

Programm verfolgten, indem sie den<br />

Bau neuer Kirchen und Klöster vorantrieben,<br />

diverse Porträtaufträge erteilten und<br />

zahlreiche Altäre und Skulpturen stifteten.<br />

Hinzu kam die Etablierung <strong>einer</strong> bis<br />

dahin unbekannten höfi schen Kultur, die<br />

ihre Wirkung auf das Bürgertum nicht<br />

verfehlte.<br />

Eine <strong>aus</strong>geprägte bürgerliche Schicht<br />

hatte in Antwerpen eine bis zu Beginn des<br />

16. Jahrhunderts zurückreichende Tradition.<br />

Die Kaufl eute und Bankiers <strong>aus</strong><br />

Spanien, Portugal, England, Deutschland<br />

und den italienischen Zentren Genua,<br />

Venedig und Florenz machten Antwerpen<br />

zu <strong>einer</strong> kosmopolitischen Metropole, die<br />

gegenüber dem Machtzentrum in Brüssel<br />

die bedeutendste Kunststadt in Flandern<br />

blieb. Die Bürger verfügten nicht nur<br />

über eine humanistische Bildung, sondern<br />

auch über das Kapital und den Wunsch,<br />

dieses in Kunst zu investieren. Die einheimischen<br />

Kaufl eute folgten ihnen darin.<br />

Kunstwerke wurden damals nicht nur<br />

zu <strong>einer</strong> empfehlenswerten Geldanlage,<br />

sondern signalisierten als Luxusgegenstände<br />

auch den Vermögensstand ihrer<br />

Besitzer (Abb. 4). Zudem bezeugten sie<br />

die Kennerschaft ihrer Sammler und symbolisierten<br />

deren intellektuelle Weltaneignung.<br />

Der Hang des reichen Bürgertums<br />

zur Nobilitierung zeigte sich im 17.<br />

Jahrhundert auch in der Entwicklung von<br />

privaten Kunstsammlungen, von denen<br />

die von Cornelis van der Geest, Nicolaas<br />

Rockox und von Rubens selbst besondere<br />

Erwähnung fi nden sollten.<br />

Abb. 4, Peter Paul Rubens, Dianas Heimkehr von der Jagd, um 1616, Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden


Alles in allem traf Rubens in Antwerpen<br />

auf eine von Albrecht und Isabella<br />

hervorgerufene allgemeine Aufbruchstimmung<br />

und schwungvolle Gegenreformation<br />

so<strong>wie</strong> auf ein humanistisch und intellektuell<br />

gebildetes Bürgertum, die ihm<br />

die besten Vor<strong>aus</strong>setzungen boten, seine<br />

Kreativität, Energie, Ehrgeiz und Vitalität<br />

in eine großartige Malerei umzusetzen.<br />

Kaum in Antwerpen angekommen,<br />

erhielt Rubens 1609 vom Stadtrat den<br />

Auftrag, für den Ständesaal des Rath<strong>aus</strong>es,<br />

in dem der Waffenstillstand beurkundet<br />

wurde, das großformatige Bild der<br />

„Anbetung der Könige“ (Madrid, Museo<br />

del Prado, Abb. 5) zu malen. Das Thema<br />

des Bildes, die so genannte Epiphanie,<br />

ist seit dem 15. Jahrhundert als Allegorie<br />

von Bündnissen überliefert. Wie Ulrich<br />

Heinen (2009) treffend formulierte,<br />

„musste das Bild der heiligen Könige, die<br />

vor Maria und dem Friedensfürsten Jesus<br />

niederknien, nun auch als Sinnbild der<br />

Anerkennung der unter dem Patrozinium<br />

der Muttergottes stehenden Stadt durch<br />

die zerstrittenen Parteien erscheinen, die<br />

sich hier zum Friedensschluss zusammenfanden.“<br />

Auch wenn das monumentale<br />

Gemälde zum <strong>Zeit</strong>punkt der Unterzeichnung<br />

des Waffenstillstandes wahrscheinlich<br />

nicht ganz fertig war, muss es für die<br />

sich anschließenden Verhandlungen eine<br />

überwältigende Kulisse gebildet haben.<br />

So setzte Rubens die kostbaren Geschenke,<br />

die golddurchwirkten Gewänder der<br />

Könige und die muskulösen Träger, die<br />

vom rechten Bildrand weitere Gaben herbeischaffen,<br />

als wirksame Bildmittel ein,<br />

um die Vorzüge eines lange währenden<br />

Friedens zu illustrieren. Als der Antwerpener<br />

Stadtrat das Gemälde 1612 dem<br />

Gesandten des spanischen Königs, dem in<br />

Antwerpen geborenen Herzog von Oliva,<br />

Don Rodrigo de Calderón, überreichte,<br />

erfuhr es eine zweite, ebenso wichtige<br />

politische Funktion: Calderón sollte dem<br />

Madrider Hof die Bitte des Magistrats<br />

vortragen, die für die gesamten Habsburgischen<br />

Niederlande überlebenswichtigen<br />

Stapelrechte zu sichern und zu erweitern.<br />

Wie kaum ein anderes Gemälde machte<br />

die „Anbetung der Könige“ die Wiederbelebung<br />

des Seehandels sichtbar.<br />

Rubens profi tierte in vieler Hinsicht<br />

von dem wohlhabenden und der Kunst<br />

höchst aufgeschlossenem Antwerpener<br />

Bürgertum. So sollte sich der bereits<br />

erwähnte Nicolaas Rockox, Hauptmann<br />

der Antwerpener Schützengilde, erneut<br />

für ihn einsetzen. Als die Gilde von<br />

Rubens ein neues Altarbild, die prächtige<br />

„Kreuzabnahme“ (Antwerpen, Kathedrale)<br />

malen ließ, beteiligte er sich mit<br />

<strong>einer</strong> hohen Summe an den Kosten des<br />

Triptychons. Außerdem bestellte er für<br />

das Grabmonument, das er für sich und<br />

seine Frau errichten ließ, bei Rubens den<br />

Abb. 5, Peter Paul Rubens, Die Anbetung der Heiligen Drei Könige, 1609-10 (1628-29), Madrid, Museo del Prado (nicht in der Ausstellung)<br />

9


10<br />

„Ungläubigen Thomas“ (Antwerpen,<br />

KMSK), fi nanzierte für die städtische<br />

Jesuitenkirche den „St. Josefsaltar“ und<br />

ließ für die Antwerpener Minoritenkirche<br />

das großformatige Gemälde „Der Lanzenstich“<br />

(Antwerpen, KMSK) malen. Einen<br />

Teil seines beeindruckenden Vermögens<br />

legte der einfl ussreiche Bürgermeister in<br />

Kunstgegenständen an. Für seine eigene<br />

Sammlung bestellte er bei Rubens daher<br />

die Darstellung „Samson und Delilah“, die<br />

in seinem H<strong>aus</strong> in der Keizerstraat über<br />

dem Kamin platziert war.<br />

Ein weiterer wichtiger Förderer von<br />

Rubens war der vermögende Kaufmann<br />

Cornelis van der Geest, der die damals<br />

umfangreichste und prächtigste Sammlung<br />

an Gemälden, Skulpturen und Antiken<br />

besaß. Rubens malte für ihn die „Amazonenschlacht“<br />

(München, Alte Pinakothek).<br />

Zudem übernahm er die Kosten für<br />

den Hochaltar von St. Walburga mit der<br />

berühmten „Kreuzaufrichtung“ (Antwerpen,<br />

Kathedrale, Abb. 7). Mit dem einem<br />

Hochaltar <strong>einer</strong> Kirche angemessenen<br />

Pathos inszenierte Rubens auf diesem<br />

beeindruckenden Retabel den Kreuzestod<br />

Christi. Die „Kreuzaufrichtung“ ist, den<br />

lokalen Traditionen entsprechend, als Triptychon<br />

gestaltet, auf dessen Außenfl ügeln<br />

die heiligen Amandus und Walburga dargestellt<br />

sind. Die über sechs Meter breite<br />

und fast fünf Meter hohe Innenseite zeigt,<br />

über alle drei Tafeln <strong>aus</strong>gebreitet, den Berg<br />

Golgatha im Moment der Aufrichtung des<br />

Kreuzes. Mit <strong>einer</strong> auf die Überwältigung<br />

des Betrachters zielenden Drastik setzte<br />

Rubens das in der biblischen Passionsgeschichte<br />

fehlende Motiv um. Die Walburgenkirche<br />

existiert nicht mehr, und so<br />

befi ndet sich die „Kreuzaufrichtung“ heute<br />

ebenfalls in der Kathedrale, wo sie gleichberechtigt<br />

neben der ebenfalls in diesen Jahren<br />

entstandenen „Kreuzabnahme“ ihren<br />

Platz gefunden hat. Das zur Zufriedenheit<br />

der Schützengilde <strong>aus</strong>geführte Gemälde<br />

war, <strong>wie</strong> bereits erwähnt, ein Auftrag, den<br />

Rubens durch die Vermittlung von Rockox<br />

erhalten hatte. Überhaupt begegnet man<br />

immer <strong>wie</strong>der den gleichen Personen, die<br />

Rubens in den ersten zehn Jahren nach<br />

s<strong>einer</strong> Rückkehr nach Antwerpen förderten.<br />

Gerade zu Anfang war es ein kl<strong>einer</strong><br />

Kreis von einfl ussreichen Gönnern, die für<br />

seinen Aufstieg zum angesehensten Maler<br />

in Antwerpen verantwortlich waren. Neben Abb. 7, Peter Paul Rubens, Kreuzaufrichtung, 1610-11, Antwerpen, Kathedrale (nicht in der Ausstellung)


12<br />

Abb. 8, Peter Paul Rubens, Thetis empfängt von Vulcanus die Waffen für Achill, um 1630/35, Pau, Musée des Beaux-Arts<br />

den großen korporativen Aufträgen trugen<br />

zahlreiche private Stiftungen dazu bei,<br />

die Präsenz s<strong>einer</strong> Werke in den Kirchen<br />

s<strong>einer</strong> Heimatstadt noch zu verstärken.<br />

So beauftragte ihn auch sein langjähriger<br />

Freund Balthasar Moretus 1611 mit einem<br />

gemalten Epitaph für seinen verstorbenen<br />

Vater, das in der Familienkapelle im Chor<br />

der Kathedrale seine Aufstellung fand. Die<br />

Aufzählung privater und öffentlicher Aufträge<br />

ließe sich beliebig fortsetzen. Denn<br />

zu den Werken für Kirchen und öffentliche<br />

Gebäude kamen noch all jene Bilder, die<br />

für die Häuser der weniger bekannten,<br />

aber ebenso reichen Antwerpener Bürger<br />

(Abb. 8) entstanden.<br />

Seinem wachsenden Renommé, wohl<br />

aber auch dem gestiegenen Platzbedarf<br />

s<strong>einer</strong> gefragten Werkstatt war es geschuldet,<br />

dass Rubens am 1. November 1610<br />

ein großes Anwesen auf dem Wapper<br />

erwarb, <strong>einer</strong> Straße, die von Antwerpens<br />

Prachtstraße Meir abzweigte. Das große<br />

Wohnh<strong>aus</strong> wurde in den nächsten Jahren<br />

umgebaut und über einen Portikus mit einem<br />

Ateliergebäude verbunden, so dass ein<br />

großzügiger Innenhof entstand, der <strong>wie</strong>derum<br />

in einen großen angelegten Garten<br />

führte. Als die Planungen für den Aus- und<br />

Umbau des Gebäudekomplexes begannen,<br />

erwarb Rubens verschiedene Architekturtraktate,<br />

was darauf schließen lässt, dass er<br />

aktiv an der Bauplanung beteiligt war. Als<br />

die Baumaßnahmen Anfang der zwanziger<br />

Jahre abgeschlossen waren und die Familie<br />

eingezogen war, war ein im italienischen<br />

Stil errichteter Palazzo entstanden, in dem<br />

Rubens eine wachsende Zahl von Schülern<br />

unterrichten und hohe Besucher empfangen<br />

konnte.<br />

Rubens war inzwischen weit über<br />

Antwerpen hin<strong>aus</strong> bekannt und erhielt<br />

zahlreiche Aufträge <strong>aus</strong> allen Städten der<br />

Habsburgischen Niederlanden und von<br />

<strong>anderen</strong> europäischen Fürstenhäusern.<br />

Insgesamt fertigte die Werkstatt zwischen<br />

1610 und 1620 rund 60 großformatige<br />

Altarbilder, von denen etwa zwei Drittel<br />

für Kirchen außerhalb Antwerpens (Abb.<br />

10, 11) bestimmt waren. Doch Rubens<br />

entwarf nicht nur Gemälde, sondern auch<br />

Entwürfe für Tapisserien. Gemeint sind<br />

hier die Vorlagen für die Teppichserie zum<br />

Leben des römischen Konsuls Decius Mus,


Abb. 11, Peter Paul Rubens, Abraham und Melchisedek, 1616/17, Musée des Beaux-Arts de Caen<br />

die wahrscheinlich eine Genueser Adelsfamilie<br />

um 1616 bei ihm in Auftrag gegeben<br />

hatte. Dennoch blieb Rubens, obwohl<br />

er inzwischen international gefragt war,<br />

weiterhin für seine Antwerpener Auftraggeber<br />

aktiv. Schließlich war Antwerpen<br />

eine katholische Frontstadt und hatte einen<br />

ernormen Bedarf an religiösen Bildern.<br />

Den wichtigsten kirchlichen Auftrag erhielt<br />

Rubens 1620 vom Vorstand der Antwerpener<br />

Jesuitenkirche, deren Neubau 1615<br />

eine Aufsehen erregende Größe gewonnen<br />

hatte. Der Maler schuf damals nicht nur<br />

die Entwürfe für die 39 Deckengemälde<br />

der beiden Seitenschiffe, sondern malte<br />

auch die beiden abwechselnd gezeigten<br />

Altarbilder und war für die Architektur<br />

des st<strong>einer</strong>nen Altars verantwortlich. Der<br />

inzwischen dreiundvierzigjährige Maler<br />

hatte damit seinen bisher größten Auftrag<br />

übernommen und erhielt dafür die für<br />

damalige Verhältnisse unerhört hohe<br />

Summe von 10.000 Gulden. Der vertraglichen<br />

Vereinbarung entsprechend musste<br />

Rubens und seine Werkstatt, darunter<br />

Anthonis van Dyck, die Bilder für die<br />

Jesuitenkirche vor Ablauf eines Jahres,<br />

also spätestens zu Beginn des Jahres 1621<br />

abliefern. Die Fertigstellung in jenem<br />

schicksalhaften Jahr 1621 sollte sich für<br />

Rubens als günstig erweisen, denn am 21.<br />

April lief der zwölfjährige Waffenstillstand<br />

<strong>aus</strong>, der für Antwerpen fatale Folgen hatte.<br />

Alle Kriegsparteien hatten von der langen<br />

Friedensphase profi tiert und so wurden die<br />

Kämpfe zunächst nicht mit der gleichen<br />

Härte <strong>wie</strong>der aufgenommen. Dennoch<br />

machte sich die kriegerische Bedrohung<br />

Antwerpens sofort auf das Wirtschaftsleben<br />

bemerkbar, da der Schiffsverkehr auf der<br />

Schelde <strong>wie</strong>der zum Erliegen kam. Die<br />

Auftragslage in Antwerpen wurde sch<strong>wie</strong>riger,<br />

und so wird Rubens nicht lange gezögert<br />

haben, den Auftrag der französischen<br />

Königin Maria de Medici zur Anfertigung<br />

zweier umfangreicher Gemäldezyklen<br />

anzunehmen.<br />

Nicole Hartje-Grave<br />

Öffnungszeiten<br />

Di, Mi 11–18 Uhr, Do, Fr 11–20 Uhr,<br />

Sa, So 10–18 Uhr, Mo geschlossen.<br />

www.rubens-<strong>aus</strong>stellung.de<br />

13


14<br />

Fortsetzung dringend empfohlen !<br />

Ein Rückblick auf das<br />

10. Wuppertaler Jazzmeeting und<br />

seine Geschichte<br />

Caroline Pook ist Geigerin und Komponistin<br />

und sie lebt in New York. Doch hier<br />

und heute, an diesem letzten Freitag im<br />

Oktober, ist sie in Wuppertal. Genauer<br />

im Ada, der türkischen Kulturkneipe, um<br />

zu hören, <strong>wie</strong> ihre Idee Wirklichkeit wird:<br />

Komposition trifft auf Improvisation.<br />

Ausgerechnet für den Nestor des Wuppertaler<br />

Free Jazz - Peter Brötzmann - hat sie ein<br />

Stück für Schlagzeugensemble komponiert.<br />

Vier Musikstudenten und vier klassische<br />

Musiker traktieren unter Leitung von<br />

Werner Dickel (Dirigent) und Matthias<br />

Goebel Trommeln, Pauken, Gleisschienen,<br />

ein Vibraphon und Kinderklaviere („my<br />

fi rst toy“). Perkussive Patterns fügen sich<br />

nach strengen, fast mathematisch anmutenden<br />

Mustern aneinander, schichten sich zu<br />

immer neuen energetisch aufgeladenen Kaskaden:<br />

postmoderne Klangarchitektur von<br />

bezwingender, stellenweise sogar magisch<br />

anmutender Intensität, oder um ein anderes<br />

Sprachbild zu bemühen, ein Soundteppich,<br />

<strong>aus</strong>gebreitet für das Improvisationsspiel<br />

Peter Brötzmanns, der das tut, was er immer<br />

tut, wenn er Saxophon spielt. Er spielt<br />

sich selbst. Eine halbe Stunde lang bläst<br />

Brötzmann p<strong>aus</strong>enlos in sein Saxophon,


lässt sich von der perkussiven Energien<br />

treiben, zuweilen scheint es, als treibe<br />

er selbst das <strong>aus</strong>geklügelte musikalische<br />

Glasperlenspiel vor sich her, er kommuniziert<br />

mit der Komposition, spielt mit ihr,<br />

taucht ein in sich selbst, gerät in irgendeine<br />

geheime Kammer, die nach all den Jahren,<br />

immerhin einem halben Jahrhundert, so<br />

geheim vielleicht auch nicht mehr ist, und<br />

an diesem Ort, ganz tief in ihm selbst,<br />

fi ndet er die Töne mit traumwandlerischer<br />

Sicherheit - und die Kraft, immer weiter zu<br />

machen, immer weiter…<br />

Vital, lebendig und innovativ<br />

Caroline Pook muss glücklich sein, diese<br />

Musik beim 10. Wuppertaler Jazzmeeting<br />

zu hören, zu erleben, dass sie eine Musik<br />

geschaffen hat, die ideal ist für das Spiel<br />

Brötzmanns. Dass sie diesen Musiker<br />

und seine Spielweise kennt, von dem<br />

Bill Clinton, früherer US-Präsident und<br />

Saxophonist gesagt hat, er sei <strong>einer</strong> der<br />

innovativsten Jazzmusiker des vergangenen<br />

Jahrhunderts, versteht sich von selbst.<br />

Es zeigt aber auch, <strong>wie</strong> weit die „Sounds<br />

like whoopataal“ hin<strong>aus</strong> gegangen sind<br />

die Welt des Jazz. Und <strong>wie</strong> eingebunden<br />

die Schwebebahnstadt ist in das große<br />

Netzwerk dieser Musik. Umso spannender<br />

ist es, die Nabelschau der Wuppertaler<br />

Jazzszene beim „Meeting“ mitzuerleben.<br />

Schaut man zurück auf die letzten zehn<br />

Jahre, so stellt sich dieses Festival als eine<br />

einzige Erfolgsgeschichte dar. Dabei<br />

waren die Initiatoren dieses Ereignisses<br />

im Geburtsjahr dieses Festivals - 2002<br />

- skeptisch, ob es nach der Premiere<br />

überhaupt eine Fortsetzung geben würde.<br />

„Als wir damals noch mit Peter Kowald<br />

darüber nachgedacht haben, <strong>wie</strong> man<br />

die lokale Jazzszene fördern und beleben<br />

Das Pferd, FotoThorsten Leiendecker<br />

15


16<br />

Peter Brötzmann & Ensemble Q<br />

Daniel Bark & Marvin Dillmann


Meet’n Jazz<br />

Maceedo Groove Square<br />

Das Pferd<br />

kann, kamen wir auf die Idee, ein Festival<br />

für Jazzmusiker <strong>aus</strong> Wuppertal und der<br />

Region auf die Beine zu stellen. Ernsthaft<br />

daran geglaubt, dass es ein zehnjähriges<br />

Jubiläum geben würde, hat damals<br />

wohl niemand“, sagt Rainer Widmann,<br />

der dieses Meeting gemeinsam mit Uli<br />

Armbruster, Hans Peter <strong>Nacke</strong>, Ulrich<br />

Rasch, Dietrich R<strong>aus</strong>chtenberger, Dieter<br />

E. Fränzel und Jorgo Schäfer organisiert<br />

hat. Beeindruckend sind allein die<br />

Zahlen. Über 500 Musiker haben im<br />

Lauf der <strong>Zeit</strong> beim Jazzmeeting gespielt;<br />

der Etat hat sich von den Anfangszeiten<br />

bis heute auf mehr als 20.000 Euro<br />

verdoppelt. Dazu trägt u.a. seit vier Jahren<br />

vor allem auch der Landesmusikrat mit<br />

s<strong>einer</strong> fi nanziellen Unterstützung bei,<br />

den Qualität und Konzept des Meetings<br />

überzeugt haben. Er war es auch, der die<br />

Auftragskomposition Caroline Pooks mitfi<br />

nanziert hat. Knapp 5.000 Menschen<br />

haben bei diesem Festival in dieser <strong>Zeit</strong><br />

die Entwicklung des Jazz in der Bergischen<br />

Metropole mitverfolgen können.<br />

„Wuppertal hat eine vitale, lebendige und<br />

innovative Jazzszene, die immer <strong>wie</strong>der<br />

neue Formationen, Konstellationen und<br />

Talente hervorbringt, so dass wir jedes<br />

Jahr ein neues und abwechslungsreiches<br />

Programm machen können“, erklärt<br />

Rainer Widmann diesen Erfolg.<br />

Überraschungscoup<br />

Doch nicht allein der Zuhörerzuspruch<br />

beeindruckt beim Jazzmeeting. Zu den<br />

besonderen Reizen des Festivals gehört es,<br />

Musiker über Jahre hinweg in ihrer Entwicklung<br />

begleiten und sie künstlerisch<br />

wachsen zu sehen. Glaubte der Rezensent<br />

nach Brötzmanns Expedition in die Welt<br />

der wohldurchdachten Komposition<br />

schon den künstlerischen Höhepunkt des<br />

diesjährigen Meetings erlebt zu haben, so<br />

gab es doch noch einen Überraschungscoup.<br />

Was Marvin Dillmann auf dem<br />

Didgeridoo zu leisten imstande ist, ist<br />

nicht nur unter rein technischen Aspekten<br />

aller Ohren wert. Gemeinsam mit<br />

dem ebenfalls phantastischen Pianisten<br />

Daniel Bark, entführte er die Zuhörer in<br />

eine berückende musikalische Traumzeit.<br />

Die beiden Musiker harmonierten hervorragend<br />

zusammen und erhielten völlig<br />

zu Recht Standing Ovations.<br />

17


18<br />

oben: Lieblingstrio, unten: Bergische Brass Band<br />

Die erhielten – ebenso zu Recht –<br />

die Wuppertaler Jazzrockformation<br />

„Das Pferd“. Zehn Jahre und etliche<br />

musikalische Einzelprojekte der Musiker<br />

später trafen beim Meeting die Pferd-<br />

Protagonisten <strong>wie</strong>der aufeinander und man<br />

durfte gespannt sein, was die Bande rund<br />

um den Saxophonisten Wolfgang Schmidtke<br />

präsentieren würde. Es war kompromissloser<br />

harter Jazzrock voller Intensität und<br />

Spielfreude, Energie und Originalität. Ein<br />

musikalischer Höhenfl ug jenseits <strong>aus</strong>getretener<br />

Pfade, der unbedingt nach Fortsetzung<br />

verlangt. Nicht so originell, aber dennoch<br />

erfrischend waren die <strong>Zeit</strong>reisen des „Lieblingstrios“,<br />

die angeführt von Saxophonisten<br />

Chancy Gärtner Jazzstandards im Stile des<br />

Modern Jazz auf eine überraschend frische<br />

und jetzige Art und Weise präsentierten.<br />

In der Musik ist es <strong>wie</strong> im Sport; zum<br />

Erfolg gehört neben der Förderung der Spitze<br />

auch die der Breite die des Nachwuchs’.<br />

So treten beim Meeting schon seit geraumer


<strong>Zeit</strong> junge und ganz junge Jazzmusiker<br />

auf. In diesem Jahr war es die Bergische<br />

Brassband, die blasend und trommelnd<br />

afrikanisches Lebensgefühl im Ada verbreitete.<br />

Im vergangenen Jahr spielten die Jungen<br />

und Mädchen dieser Combo noch in der<br />

deutsch-kongolesischen Big Brassband.<br />

Doch nach der Abreise der Afrikaner gingen<br />

die Nachwuchsmusiker <strong>aus</strong> dem Bergischen<br />

Land nicht einfach <strong>wie</strong>der <strong>aus</strong>einander,<br />

sondern blieben zusammen, um ihren<br />

Erinnerungen auch musikalisch Ausdruck<br />

zu verleihen. So eröffneten sie das Meeting<br />

mit Stücken <strong>aus</strong> dem Repertoire afrikanischer<br />

Brassbands und schickten auch mal<br />

Lenas „Sattelite“ auf eine musikalisch etwas<br />

rumplige Umlaufbahn um den Planeten<br />

Jazz. Wunderbar aber ist, <strong>wie</strong> liebevoll das<br />

Publikum die Entwicklung der Nachwuchsmusiker<br />

trägt und begleitet. Sicherlich fi ndet<br />

der eine oder andere später den Weg hin zu<br />

den Etablierten.<br />

Gutes Omen<br />

So geschehen schon in diesem Jahr: Da spielten<br />

nämlich zwei Jungs <strong>aus</strong> der Brassband<br />

in Ulrich Raschs „Meet’n Jazz“-Formation<br />

mit. Rasch präsentierte u.a. Eigenkompositionen,<br />

die so fein gewoben arrangiert waren,<br />

dass man das Gefühl nicht los wurde, einen<br />

Standard zu hören. Wirklich spannend an<br />

der Performance aber war die Idee mit dem<br />

Wuppertaler Symphoniker und Cellisten<br />

Michael Hablitzel und mit Banu Böke<br />

eine Sängerin der Wuppertaler Oper in<br />

einen Jazzkontext zu integrieren. Wirklich<br />

schade hingegen war, dass Hablitzel nur<br />

während eines Stückes mit einem Solo zu<br />

hören war, denn der warme lyrische Ton des<br />

Cellos fügte sich sehr schön in die Latin-<br />

Jazzkompositionen. Banu Böke aber musste,<br />

<strong>wie</strong> Rasch mitteilte, ihre Teilnahme absagen,<br />

weil sie an der Pariser Oper ein Vorsingen<br />

hatte. Verlassen da, <strong>wie</strong> Rasch es sinngemäß<br />

vermutet, die Ratten das sinkende Schiff der<br />

Wuppertaler Kultur?<br />

Vielleicht liegen in den <strong>Zeit</strong>en des<br />

Krankschrumpfens der Kultur unter einem<br />

vermeintlich der Faktizität der Dinge<br />

geschuldeten Spardiktat die Heilungskräfte<br />

in der freien, nicht öffentlich subventionierten<br />

Kultur. Der Förderer und Beweger der<br />

russischen Szene frei improvisierter Musik,<br />

der leider viel zu früh verstorbene Nick<br />

Dimitriev sah Wuppertal als Stadt kultureller<br />

Helden. Dazu gehörten für ihn u.a.<br />

Peter Brötzmann und Peter Kowald. Das<br />

Jazzmeeting zeigt aber, dass immer <strong>wie</strong>der<br />

neue Helden geboren werden. Der Jazz<br />

lebt weiter; die nächsten Generationen sehr<br />

guter Musik rücken nach. Und das Publikum?<br />

Es ist begeistert und hält dem Festival<br />

die Treue. Insofern sollte dieser besondere<br />

Geburtstag ein gutes Omen sein für die<br />

nächsten zehn Jahre.<br />

H<strong>einer</strong> Bontrup<br />

Fotos: Karl-Heinz Kr<strong>aus</strong>kopf<br />

19


20<br />

Die Sammlung J+C Mairet<br />

Noch bis zum 3. Februar 2013<br />

in der Von der Heydt-Kunsthalle<br />

im H<strong>aus</strong> der Jugend Barmen<br />

„Wenn man kein Autor ist, Maler oder<br />

Filmemacher, dann kann man seine Haltung<br />

auch in <strong>einer</strong> Sammlung <strong>aus</strong>drücken"<br />

(Jean Mairet)<br />

Chan Kai-Yuen<br />

Je pense donc je suis, 2006, Kunstharz und<br />

Farbe, 70 x 50 x 50 cm<br />

Liebe, Tod und Teufel<br />

Seit 30 Jahren sammelt Jean Mairet<br />

zusammen mit s<strong>einer</strong> Frau Christina<br />

Kunst: Bis heute haben sie Werke von<br />

mehr als 100 Künstlern <strong>aus</strong> 20 Nationen<br />

erworben, viele von ihnen befi nden sich<br />

als Dauerleihgabe in internationalen Museen.<br />

Überdies haben vom Sammler selbst<br />

inszenierte, vielbeachtete Ausstellungen<br />

in Paris und Berlin offensiv und mit<br />

Vehemenz demonstriert, welche Kunst<br />

ihn beschäftigt: <strong>aus</strong>drucksstarke Stücke,<br />

provokant, manches Werk schwer verdaulich,<br />

alle mit einem Schuss Humor.<br />

Jean Mairet, der in Paris lebt, ist kein<br />

Kunstkäufer mit Blick auf eine materielle<br />

Wertsteigerung. Er kauft Kunst, weil sie<br />

Fragestellungen refl ektiert, die ihn selbst<br />

bewegen.<br />

In der Von der Heydt-Kunsthalle stehen<br />

dem Sammler <strong>aus</strong> Frankreich fünf Räume<br />

zur Verfügung, die er als Kurator, der die<br />

Auseinandersetzung mit Künstlern und<br />

Publikum sucht, subjektiven Argumenten<br />

folgend mit Stücken <strong>aus</strong> s<strong>einer</strong> höchst<br />

außergewöhnlichen Kollektion bespielt.<br />

Welche Themen Mairet aktuell beschäftigen,<br />

zeigt sich im Zusammenhang<br />

s<strong>einer</strong> Künstler<strong>aus</strong>wahl. Die Refl exion<br />

entzündet sich am einzelnen Werk. Aus<br />

Fragestellungen entwickeln sich neue<br />

Möglichkeiten, neue Hypothesen, neue


Perspektiven und Verweise. Ungewohnt<br />

sinnliche, ironische und packende<br />

Arbeiten sind es, die unangestrengt und<br />

unkompliziert zunächst vorgeben, leicht<br />

verständlich zu sein. Schnell wird aber<br />

deutlich: Was man sieht, ist nicht, was<br />

man denkt – nichts passt zusammen,<br />

nichts stimmt !<br />

Mit Arbeiten von Künstlern verschiedener<br />

Nationalitäten, darunter Maike Freess,<br />

Georges Rousse, Sophie Calle, Gilles Barbier,<br />

Trine Lise Nedreaas, Chan Kai-Yuen,<br />

Vincent Corpet, Chloe Piene, Djamel<br />

Tatah, Wolf Vostell, Nathalie Elemento,<br />

Marc Desgrandchamps so<strong>wie</strong> Werken <strong>aus</strong><br />

s<strong>einer</strong> bekannten Sammlung historischer<br />

Polizeifotos von Lustmördern, ist eine<br />

anspielungsreiche Schau entstanden, die<br />

humorvoll und mit Sinn fürs Absurde an<br />

un<strong>aus</strong>gesprochenen Tabus rüttelt.<br />

Es erscheint ein Katalog mit Texten von<br />

Catherine Millet, Andrea Hilgenstock<br />

und Matthias Lengner bei Lienart<br />

éditions, F - Montreuil-sous-Bois, dt.,<br />

engl., frz., (Museums<strong>aus</strong>gabe 20 Euro)<br />

Von der Heydt-Kunsthalle<br />

im H<strong>aus</strong> der Jugend Barmen<br />

Tel. 0202 563 6231, Fax 563 8091<br />

Geschwister Scholl Platz 4-6<br />

42275 Wuppertal<br />

von-der-heydt-kunsthalle.de<br />

Maike Freess<br />

Insomnia 3, Le diner, 2004, Fotografi e<br />

auf Aluminium, 122 x 139 cm<br />

21


22<br />

Vorne: John In Eichen Mitte: Banu Böke hinten: Marco Wohlwend


Der Freischütz in Wuppertal<br />

v. l. n. r.<br />

Marco Wohlwend, Wencke Drumm, Niclas<br />

Oettermann, Dorothea Brandt<br />

Singen gegen das Böse<br />

Auf einem Stuhl sitzt ein adrettes<br />

Männlein mit Aktentasche und macht<br />

mit Thermoskanne und P<strong>aus</strong>enbrot<br />

eine behäbige J<strong>aus</strong>e, um ihn herum eine<br />

Fünfziger-Jahre Dorfgemeinschaft samt<br />

Braut und Bräutigam und Schützenverein,<br />

so sieht das Eröffnungsbild zu Andrea<br />

Schwalbachs Freischütz-Inszenierung<br />

am Wuppertaler Opernh<strong>aus</strong> <strong>aus</strong>,<br />

der Wald ist nur noch eine Lattenwand,<br />

die Nanette Zimmermanns Ausstattung<br />

in der Wolfsschlucht zerbersten läßt,<br />

übrig bleiben nur noch Plankenreste, auf<br />

denen der zweite Akt stattfi ndet, ein Ort<br />

der Menschen, nicht der Natur.<br />

Doch zurück zu dem „adretten Männlein“,<br />

so harmlos banal <strong>aus</strong>sehend beginnt<br />

er die Menschen in seinem Sinne zu<br />

manipulieren: Samiel verführt, hetzt,<br />

stachelt an, verhöhnt, reißt die Individuen<br />

an ihrem Schulbewußtsein und treibt sie<br />

zu Selbstopfern, <strong>wie</strong> Menschenopfern an.<br />

Schwalbach hält alles schön in der Schwebe,<br />

zeigt nie mit dem Finger auf ganz bestimmte<br />

Begebenheiten, so kann es einen<br />

jeden auf der Bühne, <strong>wie</strong> im identifi zie-<br />

renden Publikum treffen. Samiel knutscht<br />

die Menschen blutig, reißt ihnen die Kehle<br />

her<strong>aus</strong>, läßt sie verbluten, wenn er sie<br />

nicht braucht, das Böse kommt harmlos<br />

daher; der Sch<strong>aus</strong>pieler Marco Wohlwend<br />

brilliert mit hoher Konzentration in dieser<br />

Hauptrolle des Abends.<br />

Selten habe ich einen so spannenden<br />

„Freischütz“ erlebt. Doch er hat auch<br />

eine Gegenspielerin: Ännchen, die<br />

ansonsten harmlose Soubrette hat sein<br />

Spiel durchschaut und nimmt den<br />

Kampf gegen seine Angstmanipulationen<br />

auf, Dorothea Brandt weiß mit<br />

Charme und feinem Sopran für sich<br />

einzunehmen, auch wenn die Fiorituren<br />

nicht ganz so geläufi g daherkommen,<br />

in der Erzählung von der „sel’gen Base“<br />

vermag sie die Situation umzukehren<br />

und das Ende zum fi nalen C-Dur zu<br />

zwingen, doch Samiel sitzt <strong>wie</strong>der auf<br />

seinem Stuhl und wartet harmlos auf<br />

seine nächste Gelegenheit.<br />

Florian Frannek beginnt die Ouvertüre<br />

mit langem Atem und läßt die<br />

23


24<br />

vorne Mitte: Banu Böke, Boris Leisenheimer, hinten: Chor- und Extrachor der Wuppertaler Bühnen<br />

wunderbaren, melodischen Bögen weit<br />

<strong>aus</strong>schwingen, das Sinfonieorchester<br />

Wuppertal folgt sicher und konzentriert,<br />

freilich mit den oft üblichen Nervositäten<br />

in der Hörnergruppe. Doch zieht<br />

Frannek in den Spannungsmomenten<br />

den Ton dramatisch aufgerauht an,<br />

folgt seinen Sängern auf ihrem Niveau,<br />

vielleicht nicht immer s<strong>einer</strong> eigenen<br />

interpretatorischen Absicht entlang. Der<br />

von Jens Bingert sehr sicher einstudierte<br />

Chor ist gut auf Ausdruck und Intention<br />

getrimmt und arbeitet sinnvoll mit<br />

leichten Klangverschärfungen. Banu<br />

Böke, die ich eigentlich sehr schätze, hat<br />

zumindest am Premierenabend nicht<br />

ihre sonstige Form, gerade die große<br />

Arie „Leise, leise fromme Weise“ gerät<br />

ihr etwas kurzatmig und läßt leichte Höhenprobleme<br />

erkennen, im Verlauf des<br />

Abends fängt sich die Sängerin <strong>wie</strong>der<br />

zu ihrer gewohnten Form hin.<br />

Ausgezeichnet gefällt Niclas Oettermann<br />

als Max, denn er vermag die lyrischen<br />

Phrasen der Partie mit den dramatischen<br />

Aufschwüngen gut zu verbinden und<br />

überzeugt durch intensive Charakterisierung.<br />

Etwas enttäuschend dagegen John<br />

In Eichen als Kaspar, zwar beeindruckt<br />

die brunnenvergiftende Tiefe, die er<br />

weidlich <strong>aus</strong>zureizen vermag, doch die<br />

Höhe seines eher basslastigen Baritons<br />

wird fahl und öfters lediglich angestreift.<br />

Mit Thomas Laske als Fürst Ottokar<br />

und Olaf Haye als Erbförster Kuno hat<br />

Wuppertal zwei wunderbare Baritöne<br />

seines Ensembles für die Partien zur<br />

Verfügung. Martin Js.Ohu als Eremit<br />

arbeitet sehr bewußt an s<strong>einer</strong> deutschen<br />

Aussprache, stimmlich fehlt ein bißchen<br />

das Balsamische für diese Rolle. Boris<br />

Leisenheimer liefert als Kilian einen<br />

stimmlich etwas verfehlten Saisoneinstand,<br />

gefällt jedoch durch eindringliches<br />

Spiel.<br />

Am Ende großer Jubel für die musikalisch<br />

Agierenden und viel Widerspruch<br />

für das szenische Team, wobei da wohl<br />

unterschiedliche Erwartungshaltungen<br />

aufeinander gestoßen sind. Für meine<br />

Begriffe ein sehr spannender, gelungener<br />

und intelligenter „Freischütz“, freilich<br />

nichts für Romantiker oder die erste Oper<br />

für Kinder.<br />

Martin Freitag<br />

Fotos: Uwe Stratmann<br />

Weitere Informationen:<br />

www.wuppertaler-buehnen.de<br />

Eine Übernahme mit freundlicher<br />

Genehmigung von „Der Opernfreund“


Museum Ludwig Köln<br />

Ausstellung David Hockney<br />

bis 3. Februar 2013<br />

Seine Swimmingpool-Paintings gehören zu<br />

den populärsten Bildformeln der 1960er<br />

Jahre. Als schillernde Figur des ‚Swinging<br />

London' und Bildchronist eines coolen Californian<br />

Way of Life wurde David Hockney<br />

weltbekannt.<br />

„The Sermon on the Mount II<br />

(after Claude)“, 2010, Öl auf Leinwand<br />

171,45 x 259,72 cm, © David Hockney<br />

Photo Credit: Richard Schmidt<br />

A Bigger Picture<br />

Aber auch mit seinen einfühlsamen<br />

Porträts, meisterhaften Stillleben oder<br />

Lanschaftsgemälden, Fotocollagen, Bühnenbildern<br />

und intelligenten Verarbeitungen<br />

kunstgeschichtlicher Phänomene hat<br />

er seit Jahrzehnten einen Platz unter den<br />

bedeutendsten Künstlern der Gegenwart.<br />

Dabei hält sein vielseitiges, enorm frisches<br />

Werk immer <strong>wie</strong>der neue Überraschungen<br />

bereit. Hatte Hockney bereits in Kalifornien<br />

die Wahrnehmung des Raumes und<br />

die Weite der Landschaft unter anderem<br />

in Bildpanoramen des Grand Canyon<br />

verarbeitet, so ist die Landschaftsmalerei<br />

in den vergangenen Jahren geradezu ins<br />

Zentrum seines Schaffens gerückt. Seit<br />

s<strong>einer</strong> Heimkehr von Los Angeles ins<br />

ländliche East Yorkshire, die sich bereits<br />

1997 anbahnte und schließlich 2005 zu<br />

Hockneys dauerhafter Übersiedlung in<br />

den Küstenort Bridlington mit seinem von<br />

Wäldern und Landwirtschaft bestimmten<br />

Hinterland führte, schuf er eine Vielfalt<br />

wunderbarer Landschaftbilder. Großenteils<br />

direkt in der Natur gemalt, ermöglichen<br />

sie die dem Betrachter einen unmittelbaren<br />

Zugang, wobei sie gleichzeitig von<br />

hoher malerischer Raffi nesse zeugen.<br />

Parallel zur traditionellen Malerei experimentiert<br />

Hockney seit einiger <strong>Zeit</strong> mit<br />

Bildschirm-Zeichnungen. Mittels der<br />

iPhone-App „Brushes„ entstanden zuerst<br />

auf dem Touchscreen seines Smartphones<br />

und mittlerweile auf seinem iPad<br />

Bilder, die durch ihre starke Lebendigkeit<br />

bestechen. Sowohl mit der ihnen eigenen<br />

Leuchtkraft direkt auf den Screens als<br />

auch in großformatigen Ausdrucken bilden<br />

sie einen wesentlichen Bestandteil der<br />

Ausstellung. Darüber hin<strong>aus</strong> widmet sich<br />

Hockney der Landschaft neuerdings auch<br />

in beeindruckenden Multi-Fokus-Filmen,<br />

<strong>einer</strong> von Ihm entwickelten Aufnahmetechnik,<br />

die in der Projektion auf neun<br />

zusammenhängenden Monitoren ein<br />

einzigartig intensives Seherlebnis bietet.<br />

In ihrer Komplexität zeigt die Ausstellung<br />

einen Künstler, der dem klassischen<br />

Thema Landschaft auf souveräne Weise<br />

neue Impulse verleiht, wobei in all diesen<br />

Arbeiten eine tiefe Liebe zur sichtbaren<br />

Welt und zur Schönheit der Dinge mitschwingt.<br />

25


„A Closer Winter Tunnel, February - March“, 2006, Öl auf 6 Leinwänden (je 91,44 x 122 cm), 182,88 x 365,76 cm<br />

© David Hockney, Collection Art Gallery of New South Wales, Sydney, Photo Credit: Richard Schmidt<br />

650.000 Besucher haben in der Londoner Royal Acadamy<br />

die Ausstellung von David Hockney besucht, die<br />

dort am 9. April zu Ende ging. Ab dem 27. Oktober<br />

2012 bis zum 3. Februar 2013 wird die Ausstellung<br />

nun im Museum Ludwig in Köln in veränderter Form<br />

zu sehen sein. Ab sofort sind Tickets hierfür im Internet<br />

unter www.koelnticket.de, über www.museum-ludwig.de<br />

oder telefonisch unter 0221-2801 zu buchen.<br />

Die Ausstellung wird unterstützt von Rolex.<br />

Öffnungszeiten<br />

Dienstag bis Sonntag:<br />

10 – 18 Uhr<br />

jeden ersten Donnerstag im Monat:<br />

10 – 22 Uhr<br />

www.museum-ludwig.de<br />

Linke Seite:<br />

„The Arrival of Spring in Woldgate, East Yorkshire<br />

in 2011 - 2 January 2011!“ (1 Zeichnung <strong>aus</strong> einem<br />

52 -teiligen Werk). IPad-Zeichnung/Papier,<br />

144,14 x 107,95 cm, © David Hockney<br />

„The Arrival of Spring in Woldgate, East Yorkshire in<br />

2011- 12 April, No. 1“ (1 Zeichnung <strong>aus</strong> einem<br />

52 -teiligen Werk), IPad-Zeichnung auf Papier<br />

144,14 x 107,95 cm, © David Hockney<br />

27


28<br />

„The Arrival of Spring in Woldgate, East Yorkshire in 2011“ Aus einem 52-teiligen Werk, Öl auf 32 Leinwänden, je 91,44 x 121,92 cm,<br />

gesamt 65,76 x 975,36 cm, © David Hockney, Photo: Jonathan Wilkinson<br />

„Winter Timber“, 2009, Öl auf 15 Leinwänden, je 91,44 x 121,92 cm, gesamt 274,32 x 609,60 cm,<br />

© David Hockney, Photo: Jonathan Wilkinson<br />

„Woldgate Woods, 21, 23 & 29 November 2006“, Öl auf 6 Leinwänden, je 91,44 x 121,92 cm, gesamt 182,88 x 365,76 cm,<br />

© David Hockney, Photo: Richard Schmidt


Leben und Wirken David Hockneys Hockney wurde als viertes von fünf Kindern<br />

als Sohn des Buchhalters Kenneth Hockney<br />

und s<strong>einer</strong> Frau Laura geboren. Der Vater<br />

war Hobbymaler und förderte die künstlerische<br />

Begabung des Sohnes. Nach dem Besuch<br />

der Bradford Grammar School schrieb<br />

er sich 1959 am Royal College of Art in<br />

London ein, wo er R. B. Kitaj kennenlernte.<br />

Er wurde oft mit der Pop-Art in Verbindung<br />

gebracht, er selbst verneinte dies jedoch stets.<br />

Seine frühen Arbeiten zeigen auch expressionistische<br />

Elemente und sind den Arbeiten<br />

von Francis Bacon ähnlich. Gelegentlich,<br />

<strong>wie</strong> etwa in We Two Boys Together Clinging<br />

(1961), nach einem Gedicht von Walt Whitman<br />

benannt, beziehen sich seine Arbeiten<br />

auf seine Homosexualität.<br />

David Hockney<br />

„The Big Hawthorne“ 2008<br />

Öl auf 9 Leinwänden, je 91,44 x 121,92 cm<br />

274,32 x 365,76 cm, © David Hockney,<br />

Photo Credit: Richard Schmidt<br />

Später ließ sich Hockney in Kalifornien<br />

nieder und malte eine Serie von Ölgemälden<br />

von Swimmingpools in Los Angeles.<br />

Diese haben einen realistischeren Stil und<br />

verwenden leuchtende Farben. Er fertigte<br />

auch Drucke, Porträts von Freunden und<br />

Bühnenbilder für Glyndebourne, die Mailänder<br />

Scala und die Metropolitan Opera in<br />

New York City.<br />

Er war Teilnehmer der 4. documenta in<br />

Kassel im Jahr 1968 und auch auf der<br />

documenta 6 im Jahr 1977 als Künstler<br />

vertreten.<br />

1974 war Hockney das Thema von Jack<br />

Hazans Film A Bigger Splash (benannt<br />

nach einem von Hockneys Swimmingpool-<br />

Bildern <strong>aus</strong> dem Jahre 1967). Viele s<strong>einer</strong><br />

Werke fi nden sich jetzt in der alten Textilfabrik<br />

Salts Mill in Saltaire, in der Nähe<br />

von Bradford.<br />

Ab dem Jahr 1976 schuf Hockney mit<br />

der Mappe Twenty Photographic Pictures<br />

fotografi sche Arbeiten und hatte mit dieser<br />

Kunst Erfolg. Seine „Pictures“ setzte er<br />

<strong>aus</strong> über 100 Polaroidbildern zu <strong>einer</strong><br />

Fotocollage zusammen. Weil diese Fotos <strong>aus</strong><br />

verschiedenen Perspektiven und zu etwas<br />

unterschiedlichen <strong>Zeit</strong>en aufgenommen<br />

wurden, erinnert das Ergebnis an kubistische<br />

Gemälde. Einige dieser Werke stellen<br />

Landschaften dar, andere sind Porträts.<br />

Ein Beispiel dieser Schaffensphase ist eine<br />

<strong>aus</strong> 63 Polaroids zusammengesetzte Komposition,<br />

die die Schwestern Imogen und<br />

Hermiane Cornwall-Jones zeigt.<br />

Ab Mitte der 1980er Jahre wandte sich<br />

Hockney <strong>wie</strong>der mehr der Malerei zu, die<br />

Einfl üsse von Henri Matisse und Pablo<br />

Picasso auf<strong>wie</strong>s. Gleichzeitig schuf er mit<br />

den neuen technischen Möglichkeiten die<br />

Home Made Prints, Bilder <strong>aus</strong> dem<br />

Farbkopierer, und übertrug Bilder mit<br />

Faxgeräten.<br />

Im Jahr 1991 wurde er in die<br />

Royal Academy of Arts in London gewählt.<br />

29


30<br />

Hommage in schmerzlich-komisch<br />

Julia Penner führt Regie bei der<br />

Uraufführung „Schiefergold“ über<br />

und für Wuppertal<br />

Schiefergold.<br />

Grabungen von Chloë Cremer<br />

Inszenierung: Julia Penner<br />

Bühne und Kostüme: Monika Frenz<br />

Video: Magdalena Sojka - Licht: Sina Kohn<br />

Dramaturgie: Oliver Held<br />

Fotos: Uwe Stratmann<br />

Besetzung: Vera / Petra Friemelt<br />

B<strong>aus</strong>tadträtin / Dr. Annette Pruss<br />

CDU- Oppositionsführerin: Sina Ebell<br />

Wolf-Christoph / Sebastian Kunert<br />

Architekt / Dr. Martin Halter<br />

PR-Berater: Gregor Henze<br />

Horst / Gerhard Klaassen<br />

Bürgermeister / Dr. Dirk Boltz<br />

PR-Berater: Holger Kraft<br />

Lieselotte / Isabelle Willing<br />

Investorin / Rachel Goldfarb<br />

kalifornische Rentnerin:<br />

Silvia Munzón López.<br />

Der Tapir ist ein tristes Tier. So manches<br />

Mal schon waren ja zuletzt in mehr oder<br />

weniger lustigen Stücken der Wuppertaler<br />

Bühnen Tiere zu sehen: Ein paar<br />

Schweinchen gab’s mal im Kleinen<br />

Sch<strong>aus</strong>pielh<strong>aus</strong>, einen Elch bei Marius<br />

von Mayenburg, und selbst durch Tschechows<br />

„Kirschgarten“ ließ man einen<br />

konfusen Bären trotten. Fleisch gewordene<br />

Verfremdungen, könnte man wohl<br />

sagen. Oder Fell gewordene. Aber: Nadja<br />

ist doch ganz anders. Nadja kommt in<br />

der ersten Inszenierung dieser Spielzeit<br />

im Sch<strong>aus</strong>pielh<strong>aus</strong> vor: der Uraufführung<br />

„Schiefergold“ von Chloë Cremer. Und<br />

sie ist weder verkleideter Sch<strong>aus</strong>pieler<br />

noch mutmaßlich Expertin für Verfremdung,<br />

sondern eine quicklebendige<br />

Tapirdame im Duisburger Zoo, die per<br />

Video am Stück teilnimmt. Soweit man<br />

denn bei einem so gemütvollen Wesen<br />

<strong>wie</strong> einem Tapir von „quicklebendig“<br />

sprechen kann. Lange Rede, kurzer Sinn:<br />

Anders als manch anderes Stück mit<br />

Tier im Team ist „Schiefergold“ in der<br />

Inszenierung von Julia Penner, obwohl<br />

vorne: Holger Kraft, hinten v.l.n.r. Gregor Henze, Sina Ebell, Silvia Munzón López<br />

voll Ironie und erheblich unterhaltsam,<br />

eigentlich etwas Tieftrauriges.<br />

Das Spielzeitheft untertitelt „Schiefergold“<br />

mit „Bergische Grabungen“, gefolgt<br />

von einem wirklich guten Text über eine<br />

lokale Mentalität, die den Reiz des Verfallenen<br />

schätzt und den „Schmutz als Patina“<br />

wahrnimmt. Nun ist dies aber nicht<br />

das Hauptthema des Stücks, das damit ja<br />

eigentlich angekündigt wird. „Schiefergold“<br />

erzählt von Kultur, konkret: einem<br />

Altbau mit historischem Mosaik eines<br />

kommunistischen Künstlers, die durch<br />

Kommerz bedroht wird, konkret: durch<br />

Abrißpläne mit dem Ziel, an derselben<br />

Stelle eine Beauty-Klinik zu errichten.<br />

In dem Gebäude h<strong>aus</strong>en aber seit Jahren<br />

eine Handvoll gealterter Kommunarden,<br />

die sich weigern zu gehen: Bremsen<br />

als Revolution mit <strong>anderen</strong> Mitteln,<br />

nachdem die eigentliche gescheitert ist.<br />

Eine spannende Geschichte – aber mit<br />

bergischen Mentalitäten hat sie wenig<br />

zu tun. Mit am meisten Lokalkolorit<br />

bringt noch eben der Tapir ein, der bei


<strong>einer</strong> mißglückten Werbeaktion <strong>aus</strong> der<br />

städtischen „Seilbahn“ springt: Nadja als<br />

Tuffi -Wiedergänger.<br />

Viel mehr geht es heute Abend um<br />

überlebte Ideen, um überlebte Menschen:<br />

Mitbewohnerin Lieselotte war früher<br />

vielleicht eine Art Uschi Obermaier;<br />

heute sinniert sie, <strong>wie</strong> sie sich den Blick<br />

auf ihr eigenes Alter wünscht: „Als Teil<br />

m<strong>einer</strong> aparten Persönlichkeit.“ Klar und<br />

ernst spielt sie Silvia Munzón López, und<br />

Ähnliches gilt für so schmerzlich-komische<br />

Sätze <strong>wie</strong>: „Ich möchte so weinen,<br />

<strong>wie</strong> es hier manchmal regnet.“ Wolf-<br />

Christoph (Gregor Henze) hatte mal<br />

was mit Lieselotte, ist jetzt aber mit Vera<br />

zusammen (Sina Ebell, die ansonsten eine<br />

Sternstunde hat als depressive B<strong>aus</strong>tadträtin<br />

Friemelt). Er verbringt die meiste <strong>Zeit</strong><br />

damit, der verunglückten DDR nachzutrauern,<br />

zu klagen über den „Verrat an<br />

<strong>einer</strong> fabelhaften Idee“. Fast penetrant<br />

klingen seine Worte nach den Sprüchen<br />

der Vätergeneration, von denen sich abzugrenzen<br />

ja das eigene Lebensthema war:<br />

v.l.n.r. Holger Kraft, Silvia Munzón López, Gregor Henze<br />

„Wir haben diese Stadt <strong>wie</strong>der aufgebaut.<br />

Weißt du noch?“ Lacher. Aber eigentlich<br />

ist auch das ja schrecklich traurig.<br />

Nicht eben optimistisch stimmen<br />

schließlich auch die Intrigen in der Politik:<br />

Holger Kraft als Bürgermeister mit<br />

Macho-Macher-Charisma, dem man gar<br />

nicht anders kann als Beifall zu klatschen,<br />

als er Richtung Publikum für sein Projekt<br />

agitiert: für „die modernste und“, klar,<br />

„sozialste Schönheitsklinik in der ganzen<br />

Region“ – er ist Sozialdemokrat. Und die<br />

Bürgerliche Dr. Annette Pruss (nochmals<br />

Ebell), die ihren Rivalen trickreich zu<br />

dem Coup überredet, der ihn am Ende<br />

das Amt kosten wird: „Etwas Schweres“<br />

solle auf das historische Mosaik auf dem<br />

Gelände fallen und damit ein Haupthindernis<br />

für den Abriß beiseite räumen.<br />

Etwas Schweres, das heißt: Nadja.<br />

Machtgeile Politiker und Alt-Idealisten,<br />

die sich in Nostalgie vergraben: Speziell<br />

bergisch sind sie nicht, diese Grabungen.<br />

Anrührend dafür umso mehr, klug und<br />

treffend auch. Wenn man all dies aber<br />

fast als Liebeserklärung versteht, <strong>wie</strong><br />

Regisseurin Julia Penner, die <strong>aus</strong> Wuppertal<br />

stammt und vor der Premiere eigens<br />

betont hat, daß ihre Heimat „hundertprozentig<br />

Cronenberg“ ist: Soviel Tristesse<br />

fi nden und es so positiv sehen, ist vielleicht<br />

wirklich typisch Wuppertal.<br />

Martin Hagemeyer<br />

19. 1. 2013 20:00 Uhr<br />

//// Kleines Sch<strong>aus</strong>pielh<strong>aus</strong><br />

Weitere Informationen<br />

www.wuppertaler-buehnen.de<br />

31


32<br />

Munch, Matisse<br />

und die Expressionisten<br />

Noch bis zum 13. Januar 2013 im<br />

Essener Museum Folkwang<br />

Max Pechstein<br />

Sitzendes Mädchen / Sitzender weiblicher<br />

Akt, 1910, Staatliche Museen zu Berlin,<br />

Nationalgalerie<br />

© 2012 Pechstein, Hamburg/Tükendorf<br />

© Foto: Staatliche Museen zu Berlin,<br />

Nationalgalerie, Roman März<br />

Im Farbenr<strong>aus</strong>ch<br />

Das Museum Folkwang widmet einem<br />

der spannendsten Kapitel der Malerei des<br />

frühen 20. Jahrhunderts eine große Sonder<strong>aus</strong>stellung.<br />

Durch die bewährte und<br />

enge Kooperation mit der ebenfalls in Essen<br />

beheimateten RWE AG, die mit dem<br />

überzeugenden Vorfi nanzierungskonzept<br />

das Museum Folkwang als exklusiver<br />

Sponsor tatkräftig unterstützt, konnte<br />

diese Ausstellung realisiert werden.<br />

Diese Schau stellt erstmals den Norweger<br />

Edvard Munch und die „Fauves“, die sogenannten<br />

„Wilden“ in der französischen<br />

Kunst – Henri Matisse, André Derain,<br />

Maurice de Vlaminck – , den Expressionisten<br />

in Deutschland <strong>wie</strong> Ernst Ludwig<br />

Kirchner, Erich Heckel, Alexej von<br />

Jawlensky, Wassily Kandinsky, Gabriele<br />

Münter und Franz Marc gegenüber. Es<br />

werden über 150 Gemälde und Skulpturen<br />

präsentiert, von denen einige selten<br />

oder bisher noch nie öffentlich gezeigt<br />

worden sind. In elf Kapiteln beleuchtet<br />

die Ausstellung den neuen Umgang mit<br />

und die veränderte Bedeutung von Farbe.<br />

Ausgehend von den „Wegbereitern der<br />

Moderne“ – Paul Cézanne, Vincent van<br />

Gogh, Paul Gauguin und Paul Signac –<br />

präsentiert Im Farbenr<strong>aus</strong>ch <strong>wie</strong> die junge<br />

Künstlergeneration in Frankreich und<br />

Deutschland zwischen 1905 und 1911<br />

die Malerei endgültig von der Abbildung<br />

der Natur befreiten und durch ihren<br />

neuartigen Einsatz der Farbe einen revolutionären<br />

Malstil kreierten.<br />

In der Ausstellung wird deutlich <strong>wie</strong><br />

sowohl die Künstler der „Brücke“ mit Heckel,<br />

Kirchner, Hermann Max Pechstein<br />

und Karl Schmidt-Rottluff in Dresden als<br />

auch die Gruppe der „Murnauer“ Kandinsky,<br />

Münter, Jawlensky und Marianne<br />

von Werefkin aufmerksam die neuen Entwicklungen<br />

in der Malerei verfolgten und<br />

diese zum Ausgangspunkt ihres eigenen<br />

revolutionären Schaffens machten.


Die von Mario-Andreas von Lüttichau<br />

und Sandra Gianfreda kuratierte Schau<br />

Im Farbenr<strong>aus</strong>ch ist unmittelbar mit<br />

der Geschichte des Museum Folkwang<br />

verbunden. Das 1902 von dem Sammler<br />

und Mäzen Karl Ernst Osth<strong>aus</strong> in Hagen<br />

eröffnete Folkwang Museum, hat bereits<br />

früh Munch, Matisse, Braque, die Maler<br />

der „Brücke“, so<strong>wie</strong> Kandinsky, Jawlensky<br />

und Marc gefördert, <strong>aus</strong>gestellt und<br />

gesammelt. Dieses frühe Engagement des<br />

Museums für die avantgardistische Kunst<br />

ist nun Ausgangspunkt, um diese prägende<br />

<strong>Zeit</strong> und den Dialog zwischen den<br />

Künstlern in schlagenden Gegenüberstellungen<br />

neu zu erschließen.<br />

Professor Ute Eskildsen, Interimsdirektorin<br />

des Museum Folkwang: „Es ist eine<br />

sehr beeindruckende Erfahrung, diese<br />

großartige Schau im Neubau von David<br />

Chipperfi eld zu erleben. Eine derartige<br />

Konzentration auf die „Fauves“ und die<br />

deutschen Expressionisten unter beson-<br />

derer Beachtung von Munch ist bislang<br />

weltweit nicht gezeigt worden. Bezogen<br />

auf die kurze, aber wesentliche <strong>Zeit</strong>spanne<br />

von 1905 bis 1911 richtet die Ausstellung<br />

den Blick auf eine bahnbrechende Epoche<br />

und veranschaulicht die vielfältige und<br />

fruchtbare Rezeption des Norwegers und<br />

der Franzosen in der deutschen Malerei<br />

jener <strong>Zeit</strong>.“<br />

Volker Heck, Leiter der RWE Konzernkommunikation,<br />

erläutert das Engagement<br />

<strong>wie</strong> folgt: „Für RWE sind gesellschaftliche<br />

und regionale Verantwortung<br />

von großer Bedeutung. Uns verbindet<br />

aber auch viel mit den „Fauves“ und den<br />

Expressionisten, die eine Kunstrichtung<br />

geprägt haben, die vor Energie nur so<br />

sprüht. Das tun wir in gewisser Hinsicht<br />

ja auch. Auch das hat uns motiviert,<br />

unsere langjährige Partnerschaft mit dem<br />

Museum Folkwang um ein besonderes<br />

Highlight zu bereichern.<br />

Öffnungszeiten Sonder<strong>aus</strong>stellung<br />

Di – So 10 Uhr – 20 Uhr, Fr 10 Uhr –<br />

22.30 Uhr, montags geschlossen<br />

Museumsplatz 1, 45128 Essen,<br />

Telefon 201 8845 444/000,<br />

www.museum-folkwang.de<br />

André Derain, Vue de Collioure, 1905,<br />

Collioure. Das Dorf und das Meer<br />

Museum Folkwang, Essen<br />

© VG Bild-Kunst, 2011<br />

© Foto: Museum Folkwang, 2011<br />

33


34<br />

Text<strong>aus</strong>zug <strong>aus</strong> dem Katalog zur<br />

Ausstellung<br />

Die Ausstellung Im Farbenr<strong>aus</strong>ch – Munch,<br />

Matisse und die Expressionisten konzentriert<br />

sich auf die Entstehung des Fauvismus<br />

und die Entwicklung des Expressionismus<br />

in Deutschland von 1905 bis 1911.<br />

Im Vordergrund stehen auf französischer<br />

Seite Henri Matisse, André Derain und<br />

Maurice de Vlaminck, die innerhalb dreier<br />

Jahre die Malerei endgültig vom Naturabbild<br />

befreiten und durch ihren neuartigen<br />

Einsatz der Farbe einen revolutionären<br />

Malstil kreierten. Im Farbenr<strong>aus</strong>ch untersucht,<br />

<strong>wie</strong> diese neue Malerei in den Jahren<br />

bis 1911 von den Künstlerinnen und<br />

Künstlern in Deutschland rezipiert wurde<br />

– insbesondere von Erich Heckel, Ernst<br />

Ludwig Kirchner, Max Pechstein und Karl<br />

Schmidt-Rottluff in Dresden, von Alexej<br />

von Jawlensky, Wassily Kandinsky, Gabriele<br />

Münter und Marianne von Werefkin in<br />

München respektive Murnau so<strong>wie</strong> von<br />

Franz Marc und August Macke.<br />

Das Jahr 1905 ist für die Malerei in Frankreich<br />

<strong>wie</strong> auch in Deutschland von besonderer<br />

Bedeutung: In jenem Jahr verbrachten<br />

Matisse und Derain den Sommer im<br />

südfranzösischen Fischerdorf Collioure. Im<br />

südlichen Licht malten die beiden Freunde<br />

mit breiten, locker gesetzten Pinselzügen,<br />

in leuchtenden, ungemischten Farben vereinfachte<br />

Ansichten des Hafens und Blicke<br />

von <strong>einer</strong> Anhöhe auf das kleine Dorf. Der<br />

mit Derain befreundete Vlaminck wählte<br />

währenddessen Motive in den Vororten von<br />

Paris:<br />

Dorfszenen, hügelige Landschaften und<br />

Dampfer auf der Seine. Teilweise noch<br />

unter dem Eindruck der Malerei Vincent<br />

van Goghs und Paul Signacs befreiten sich<br />

Matisse und seine Künstlerkollegen von<br />

dem in Frankreich noch vorherrschenden<br />

Postimpressionismus und entwickelten<br />

ihren innovativen Stil. Den innovativen<br />

Umgang ihrer künstlerischen Väter mit der<br />

Farbe steigerte die junge Künstlergeneration<br />

zu <strong>einer</strong> „Orgie der reinen Farbtöne“ – so<br />

zumindest beschrieb der Kritiker Louis<br />

Vauxcelles deren Werke, die 1905 im Salon<br />

d’Automne <strong>aus</strong>gestellt waren, und nannte<br />

diese jungen Maler zunächst abschätzig<br />

„Fauves“ („wilde Tiere“).<br />

Im gleichen Jahr 1905 gründeten Heckel,<br />

Georges Braque<br />

Paysage à l'Estaque / Landschaft bei<br />

L'Estaque, 1906<br />

Öl auf Leinwand, 51 x 60 cm<br />

New Orleans Museum of Art


Kirchner, Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl<br />

in Dresden die Künstlergemeinschaft<br />

„Brücke“ mit dem Ziel, eine Alternative zur<br />

malerischen Tradition zu suchen und neue<br />

Möglichkeiten künstlerischen Gestaltens<br />

aufzuspüren. Ihr schlossen sich 1906 Max<br />

Pechstein und Emil Nolde an. Auch die<br />

„Brücke“-Künstler entwickelten <strong>aus</strong>gehend<br />

von den Wegbereitern der Moderne – Paul<br />

Cézanne, Vincent van Gogh und Paul<br />

Gauguin – ihren spontanen, unverwechselbaren<br />

Malstil, der die subjektive Empfi ndung<br />

vor dem Motiv ins Zentrum stellt.<br />

Prägend für ihre Entwicklung war zudem<br />

ihre direkte Auseinandersetzung mit der<br />

Kunst der jungen Franzosen, die sie zu<br />

Ausstellungen nach Deutschland einluden,<br />

aber auch Edvard Munch spielte für sie eine<br />

zentrale Rolle ab 1907/1908. Der Norweger<br />

hielt sich <strong>wie</strong>derholt in Berlin, Ham-<br />

burg, Dresden und Chemnitz auf, wo seine<br />

Gemälde und grafi schen Werke gezeigt<br />

wurden. Über den Sammler Gustav<br />

Schiefl er, der das Werkverzeichnis von<br />

Munchs Grafi k her<strong>aus</strong>gab, traten Heckel<br />

und Nolde 1907 in direkten Kontakt mit<br />

Munch. Doch trotz der Bemühungen der<br />

„Brücke“, ihn zur Teilnahme an ihren<br />

Ausstellungen zu bewegen, kam es nie zu<br />

einem gemeinsamen Auftritt. Zur gleichen<br />

<strong>Zeit</strong> begegneten sich mit Jawlensky,<br />

Kandinsky, Münter und Werefkin<br />

Gleichgesinnte in München, die sich nach<br />

längeren Aufenthalten in Italien und<br />

Frankreich seit Herbst 1908 regelmäßig im<br />

oberbayerischen Murnau zum Malen<br />

trafen. Von Jawlensky ermuntert, näherten<br />

sie sich der neuen französischen Malerei an<br />

und änderten alsbald grundlegend ihren<br />

Blick auf die Natur. Marianne von<br />

Werefkin setzte sich zudem mit Munchs<br />

Bildwelt <strong>aus</strong>einander. Gemeinsam lösten<br />

auch sie die Farbe zunehmend vom<br />

Gegenstand und machten sie zu einem<br />

eigenständigen Gestaltungselement: Mit<br />

roten Bäumen, blauen Bergen und gelben<br />

Wiesen steigerten diese Künstler die<br />

Landschaften zu spektakulären Motiven,<br />

getragen von <strong>einer</strong> in höchstem Maße<br />

subjektiven Wahrnehmung. Die Expressionisten<br />

entwickelten eine neue Ästhetik,<br />

indem sie Linien, Farben und Flächen zu<br />

bildprägenden Formen zusammenfügten,<br />

die Farben vom Lokalton lösten, die<br />

Erich Heckel<br />

Spaziergänger am Grunewaldsee, 1911<br />

Museum Folkwang, Essen<br />

© Nachlaß Erich Heckel, Hemmenhofen<br />

© Foto: Museum Folkwang, 2011<br />

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Hermann Max Pechstein<br />

Flusslandschaft, um 1907<br />

Museum Folkwang, Essen<br />

© Alexander Pechstein, Dobersdorf-<br />

Tökendorf<br />

© Foto: Museum Folkwang, 2011<br />

Edvard Munch<br />

Sittende akt på sengen, 1902<br />

Sitzender Akt auf dem Bett (Mädchenakt<br />

auf dem Bett sitzend), Staatsgalerie Stuttgart,<br />

The Munch Museum / The Munch<br />

Ellingsen Group / VG Bild-Kunst, Bonn<br />

2012, Foto: Staatsgalerie Stuttgart<br />

Proportionen missachteten, alle Kompositionselemente<br />

gleichwertig behandelten und<br />

die Wiedergabe des Gesehenen mit <strong>einer</strong><br />

zunehmenden Abstraktion verbanden.<br />

Nicht zuletzt aufgrund ihres Blickes nach<br />

Frankreich und auf Munchs Werk<br />

entwickelten diese Künstler bis 1911 den<br />

Expressionismus zu <strong>einer</strong> eigenständigen,<br />

unverwechselbaren Bildsprache – eine der<br />

bedeutendsten Leistungen der Moderne in<br />

Deutschland. Als solche feierte er 1912<br />

anlässlich der Internationalen Kunst<strong>aus</strong>stellung<br />

des Sonderbundes westdeutscher<br />

Kunstfreunde und Künstler in Köln seinen<br />

ersten öffentlichen Triumph. Mit der<br />

Ausstellung und mit dem begleitenden<br />

Katalog Im Farbenr<strong>aus</strong>ch zeichnen wir<br />

diesen Wandel des Malstils in Frankreich<br />

und etwas zeitversetzt in Deutschland nach.<br />

Unser Augenmerk richtet sich dabei auf<br />

den neuartigen Umgang mit der Farbe und<br />

dessen Folgen: <strong>wie</strong> sie sich zunehmend von<br />

ihrer naturabbildenden Funktion löst, der<br />

Linie als Gestaltungselement übergeordnet<br />

und zum Ausdrucksträger inneren Erlebens<br />

wird. In der direkten Gegenüberstellung<br />

<strong>aus</strong>gewählter Werke wird deutlich, <strong>wie</strong> nahe<br />

sich die hier vertretenen Künstler in der<br />

Bildauffassung waren, aber auch <strong>wie</strong><br />

unterschiedlich ihre Herangehensweise war.<br />

Die Fauves defi nierten das Verhältnis<br />

zwischen Natur und Kunst neu, indem sie<br />

den Bildraum <strong>aus</strong> dem kraftvollen<br />

Zusammenwirken der Farben entstehen<br />

ließen. Sie lehnten das Festhalten der<br />

fl üchtigen Erscheinung des Motivs, <strong>wie</strong> bei<br />

den Impressionisten, ab und strebten<br />

stattdessen nach dem beständigen Charakter<br />

der Dinge. Die Künstler der „Brücke“<br />

gestanden sich in ihrem Programm von<br />

1906 weitere Freiheiten zu, wonach jeder<br />

„unmittelbar und unverfälscht“ das<br />

<strong>wie</strong>dergeben solle, „was ihn zum Schaffen<br />

drängt“. Dabei stand für sie die Spontaneität<br />

im Malakt an vorderster Stelle. Kandinsky<br />

hingegen forderte im Gründungszirkular<br />

37


38<br />

der „Neuen Künstlervereinigung München“<br />

im Januar 1909, nach künstlerischen<br />

Formen zu suchen, die „von allem<br />

Nebensächlichen befreit sein müssen, um<br />

nur das Notwendige stark zum Ausdruck<br />

zu bringen – kurz, das Streben nach<br />

künstlerischer Synthese“. In der Wahl ihrer<br />

Motive blieben all diese Künstler zwar den<br />

traditionellen Gattungen verpfl ichtet, sie<br />

befreiten sie jedoch von den akademischen<br />

Konventionen. So begegnen wir bei<br />

Braque, Derain, Matisse, Manguin und<br />

Vlaminck vor<strong>wie</strong>gend Landschaften,<br />

Ansichten von Collioure, Chatou oder<br />

L’Estaque, bei van Dongen vermehrt<br />

Porträts und Aktdarstellungen; Matisse und<br />

Vlaminck malten an Farben und Gegenständen<br />

überbordende Stillleben; das<br />

klassische Thema des Aktes in der Landschaft<br />

wurde von Matisse radikal erneuert.<br />

Die Dresdener Malerfreunde malten neben<br />

Landschaften vor<strong>wie</strong>gend nackte Modelle<br />

in ihren Wohnräumen, die sie zugleich als<br />

Ateliers nutzten (möbliert mit von ihnen<br />

selbst geschaffenen Möbeln und Gegenständen),<br />

oder sie hielten ihr unbekümmertes,<br />

zügelloses Dasein in der Seenlandschaft<br />

um Dresden malerisch fest. Während das<br />

Stillleben von ihnen vernachlässigt wurde,<br />

spielte es für Jawlensky, Münter und Macke<br />

eine wichtige Rolle. Für die in Oberbayern<br />

arbeitenden Maler bildete die Landschaft<br />

das zentrale Motiv, wohingegen man<br />

Badende bei ihnen vergeblich sucht. Das<br />

Motiv der Dame mit Hut <strong>wie</strong>derum hat<br />

alle Künstler gleichermaßen begeistert, seit<br />

Matisse sein berühmt gewordenes Gemälde<br />

Frau mit Hut – das leider aufgrund <strong>einer</strong><br />

testamentarischen Verfügung nicht an<br />

Ausstellungen verliehen werden kann –<br />

1905 im Salon d’Automne <strong>aus</strong>gestellt und<br />

damit einen großen Skandal <strong>aus</strong>gelöst<br />

hatte. Bezogen auf diese <strong>Zeit</strong> sprach der<br />

Berliner Kunsthistoriker und Museumsgründer<br />

Eberhard Roters 1988 in seinem<br />

Aufsatz Ausstellungen, die Epoche machten<br />

treffend von „farbensprühenden Bildern“,<br />

die nun eingezogen seien „in gepfl egte<br />

Räume“. Im Blick hatte er die hierzulande<br />

bisweilen sehr engagierten Galeristen und<br />

Direktoren von Kunstvereinen, aber auch<br />

die Privatsammler, in deren Häusern die<br />

neuen Bilder auf Tapeten im Dekor des<br />

<strong>aus</strong>gehenden 19. Jahrhunderts hingen, „in<br />

<strong>einer</strong> Atmosphäre bürgerlicher Wohlanständigkeit“.<br />

In den Museen dagegen fanden<br />

die Werke der Franzosen und der deutschen<br />

Expressionisten zunächst nur sehr selten<br />

Berücksichtigung – mit Ausnahme des<br />

Museum Folkwang eigentlich in keinem.<br />

Osth<strong>aus</strong> hatte sich in den ersten Jahren<br />

nach der Gründung der Museums nahezu<br />

<strong>aus</strong>schließlich für zeitgenössische Künstler<br />

<strong>aus</strong> Frankreich und Belgien interessiert.<br />

Henry van de Velde, der nicht nur die<br />

Innen<strong>aus</strong>stattung des Hagener Museumsb<strong>aus</strong>,<br />

sondern auch das private Wohnh<strong>aus</strong><br />

des Sammlers entworfen hatte, führte<br />

Osth<strong>aus</strong> bei den Kunsthändlern Ambroise<br />

Vollard in Paris und Paul Cassirer in Berlin<br />

ein. „In weniger als einem Jahr hatte er<br />

Werke von Monet, Renoir, Seurat, Signac,<br />

Cross, van Gogh, Gauguin und Skulpturen<br />

von Minne, Rodin und Constantin<br />

Meunier erworben“, schrieb van de Velde<br />

in seinen Erinnerungen. August Macke<br />

bestätigte diese Darstellung, als er Ende<br />

Mai 1908 erstmals nach Hagen kam und<br />

von dort am 1. Juni dem Sammler<br />

Bernhard Koehler nach Berlin berichtete:<br />

„Es ist eine <strong>aus</strong>gewählt schöne Sammlung,<br />

<strong>wie</strong> sie wohl selten zusammenkommt. Er<br />

(Osth<strong>aus</strong>, d.V.) hat nicht nur die besten<br />

Modernen, auch alte Sachen, viel Ägyptisches,<br />

Griechisches, Indisches, Gotisches<br />

und Italienisches. Wir waren ganz jeck, <strong>wie</strong><br />

man hier sagt.“ Erstaunlich ist, dass Macke<br />

die „besten Modernen“ nicht namentlich<br />

nennt. Denn bei seinem Besuch konnte er<br />

auch drei Gemälde von Matisse entdecken,<br />

etwa das in Collioure gemalte Stillleben mit<br />

Affodillen, das erste Werk des Franzosen in<br />

einem Museum, das der Sammler im<br />

Oktober 1907 bei Bernheim-Jeune<br />

erworben hatte. Im Dezember 1907<br />

widmete das Folkwang Matisse eine<br />

Einzel<strong>aus</strong>stellung mit sieben Gemälden. Im<br />

Februar 1908 erwarb Osth<strong>aus</strong> Die<br />

Uferpartie (heute im Kunstmuseum Basel)<br />

und noch im Frühjahr desselben Jahres<br />

gelangte Badende mit Schildkröte (heute<br />

im Saint Louis Museum of Art) in die<br />

Hagener Sammlung. Abgesehen von<br />

Arbeiten auf Papier und ebenfalls 1908<br />

gestalteten Kacheln, die in <strong>einer</strong> Wand im<br />

privaten H<strong>aus</strong> Hohenhof eingelassen<br />

wurden, konnte sich Osth<strong>aus</strong> noch<br />

Franz Marc, Pferd in Landschaft, 1910,<br />

Museum Folkwang, Essen


Matisses unglasierte Terrakotta Liegender<br />

Akt sichern (heute Statens Museum for<br />

Kunst, Kopenhagen), die 1907 den<br />

Ausgangspunkt für Blauer Akt darstellte,<br />

eines der programmatischen Bilder des<br />

Künstlers. In derselben <strong>Zeit</strong> erwarb<br />

Osth<strong>aus</strong> auch Der Hafen von L’Estaque<br />

(heute Stiftung Sammlung E.G. Bührle,<br />

Zürich) <strong>aus</strong> Braques fauvistischer Phase<br />

und Kees van Dongens Porträt der<br />

japanischen Tänzerin Sada Yacco (1945<br />

zerstört).<br />

Zu den Künstlern, deren Werke ebenfalls<br />

sehr früh Aufnahme in die Osth<strong>aus</strong>´sche<br />

Sammlung fanden, gehörte Edvard Munch.<br />

Bereits im Sommer 1903 soll sich das<br />

Gemälde Winter in Nordstrand (heute<br />

in Privatbesitz) im Hagener Museum befunden<br />

haben. 1906 richtete das Museum<br />

Folkwang Munch eine Ausstellung <strong>aus</strong> und<br />

im Bestandskatalog der Sammlung von<br />

1912 sind bereits sechzehn grafi sche Blätter<br />

verzeichnet.<br />

Als große Bewunderer der Hagener<br />

Sammlung er<strong>wie</strong>sen sich die „Brücke“-<br />

Künstler. Schon 1906 begann der Briefwechsel<br />

zwischen Dresden und Hagen im<br />

Hinblick auf eine Ausstellungsmöglichkeit<br />

der „Brücke“. Für Heckel bedeutete das<br />

Folkwang-Museum eine „moderne und<br />

für uns mustergültige Einrichtung“ und<br />

er fühlte sich geehrt, „in diesen schönen<br />

Räumen des ersten und vorläufi g noch<br />

einzigen modernen Museums, (…) eine<br />

Ausstellung unserer Werke veranstalten zu<br />

können“, <strong>wie</strong> er in seinem Brief an Osth<strong>aus</strong><br />

vom 3. Dezember 1906 schrieb. Im Juni<br />

1907 fand die erste Gruppen<strong>aus</strong>stellung der<br />

Dresdener Künstler in Hagen statt, im Juni<br />

1910 eine weitere Präsentation. Im Vorfeld<br />

dieser Eröffnung setzte wohl August Kuth,<br />

Assistent am Folkwang, in der Rheinisch-<br />

Westfälischen <strong>Zeit</strong>ung vom 5. Juni 1910<br />

einen Pressetext ab und schwärmte darin<br />

für die Künstler der „Brücke“ und deren<br />

Ziele: „Unsere Juni-Ausstellung steht ganz<br />

im Zeichen des Sturmes und Dranges.<br />

Junge Künstler, denen die Berliner Sezession<br />

nicht mehr zusagte, schlossen sich zur<br />

‚Brücke‘ zusammen.<br />

War’s gekränkter Künstlerstolz, war’s das<br />

klare Bewußtsein eigenen Wertes – auf<br />

jeden Fall wollten sie frei sein vom bloßen<br />

Epigonentum, wollten auf eigenen Füßen<br />

stehen (…). Selbst wer im impressionistischen<br />

Sehen geübt ist, wer das sprühende<br />

Leben pointillistischer Darstellung erfaßt,<br />

wird hier Geduld haben müssen, wenn<br />

diese Bilder zu ihm sprechen sollen.“ Und<br />

weiter schrieb Kuth von der „Leuchtkraft“<br />

klarer Farben, von „komplementärfarbigen<br />

Schatten“, „grandiose(r) Farbenglut“ so<strong>wie</strong><br />

der Entwicklung des Bildes <strong>aus</strong> wenigen,<br />

aber wesentlichen Farbfl ächen: „Und die<br />

Farbe ist’s hier, die auch das innere Erlebnis<br />

der Künstlerseele widerspiegelt.“ Inneres<br />

Erleben und äußerer Eindruck sind nach<br />

Osth<strong>aus</strong>’ Auffassung in „harmonischem<br />

Farbakkord“ in Einklang gebracht.<br />

Nach diesen euphorischen <strong>wie</strong> authentischen<br />

Worten erstaunt es, dass der Sammler<br />

Osth<strong>aus</strong> nicht sofort Arbeiten aller<br />

„Brücke“-Künstler für seine Sammlung erwarb,<br />

sondern sich zunächst <strong>aus</strong>schließlich<br />

um Nolde bemühte. Dessen leuchtende<br />

Farbwelten sollte Osth<strong>aus</strong> bis 1912 durch<br />

zahlreiche Ankäufe anerkennen und – <strong>wie</strong><br />

die Werke der <strong>anderen</strong> „Brücke“-Künstler<br />

auch – in Ausstellungen vermitteln, etwa<br />

in diejenigen des „Sonderbundes westdeutscher<br />

Künstler“, für den sich Osth<strong>aus</strong><br />

nachhaltig einsetzte.<br />

Auch Kandinsky, Macke, Marc und<br />

Münter, die Künstler der „Neuen Künstlervereinigung<br />

München“ und des dar<strong>aus</strong><br />

hervorgegangenen „Blauen Reiter“, waren<br />

seit 1909 in Kontakt mit dem Hagener<br />

Folkwang-Museum und präsentierten ihre<br />

Werke in unterschiedlicher Zusammensetzung<br />

in vier Ausstellungen. Im Jahr<br />

1912 machte „Der Blaue Reiter“ auf s<strong>einer</strong><br />

Deutschlandtournee in Hagen Station und<br />

wetteiferte dort in s<strong>einer</strong> programmatischen<br />

Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksmittel<br />

mit der Folkwang-Sammlung. Die<br />

Industriestadt Hagen war zu jener <strong>Zeit</strong> die<br />

Begegnungsstätte für Avantgarde-Kunst<br />

und das Museum Folkwang schon vor<br />

hundert Jahren bildlich gesprochen „im<br />

Farbenr<strong>aus</strong>ch“!<br />

Das Osth<strong>aus</strong>’sche Erbe ging mit dem<br />

Erwerb der Folkwang-Sammlung 1922 an<br />

Ernst Gosebruch, den damaligen Direktor<br />

des Kunstmuseums Essen, über. Dieser<br />

erfüllte mit der Zusammenführung der<br />

beiden Sammlungen in Essen nicht nur<br />

das Vermächtnis, sondern entwickelte die<br />

Sammlung höchst museal und im Sinne<br />

der Weltkunst weiter. Außerdem erwarb er<br />

sowohl Werke der „Brücke“-Künstler als<br />

auch der französischen Maler, besonders<br />

Derains.<br />

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten<br />

verlor das Museum – das von<br />

dem amerikanischen Kunsthistoriker Paul<br />

J. Sachs 1932 als „schönstes Museum der<br />

Welt“ bezeichnet worden war – seine führende<br />

Rolle als H<strong>aus</strong> der Moderne. Die Beschlagnahmeaktion<br />

„Entartete Kunst“ von<br />

1937 beraubte das Museum s<strong>einer</strong> nach<br />

1910 entstandenen Werke der Avantgarde.<br />

Von der Osth<strong>aus</strong>’schen Sammlung blieben<br />

die Wegbereiter der Moderne erhalten und<br />

auch das Stillleben mit Affodillen von Matisse.<br />

Alle <strong>anderen</strong> Werke, insgesamt rund<br />

1400 Arbeiten, allen voran diejenigen von<br />

Heckel, Kirchner, Schmidt-Rottluff, Kandinsky,<br />

Nolde und Marc, gingen für das<br />

Museum un<strong>wie</strong>derbringlich verloren. Nach<br />

1945 gelang es den Museumsdirektoren,<br />

die erlittenen Verluste mit wichtigen Neuerwerbungen<br />

– darunter auch Rückkäufen<br />

von 1937 beschlagnahmten Bildern – zu<br />

mildern. Darauf aufbauend können bis<br />

heute unter glücklichen Umständen Werke<br />

der für das Museum und seine Sammlungsgeschichte<br />

so wichtigen Künstler erworben<br />

werden. Hundert Jahre nach dem zehnjährigen<br />

Museumsjubiläum 1912 in Hagen<br />

sind damit die Vor<strong>aus</strong>setzungen gegeben,<br />

eine großartige Ausstellung zu zeigen zu einem<br />

Thema, das Osth<strong>aus</strong> einst mit seinem<br />

ebenso innovativen <strong>wie</strong> kreativen Sammeln<br />

in den Blick genommen hatte: eine Gegenüberstellung<br />

avantgardistischer Malerei <strong>aus</strong><br />

Frankreich und Deutschland.<br />

Museum Folkwang<br />

Museumsplatz 1, 45128 Essen<br />

Telefon: 0201 88-45444<br />

Fax: 0201 88-45330<br />

www.museum-folkwang.essen.de<br />

www.museum-folkwang.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di – So 10 – 20 Uhr, Fr 10 – 22.30 Uhr<br />

Montags, Heiligabend und Silvester<br />

geschlossen.<br />

39


40<br />

Nachklänge<br />

zur Musikreihe Klangart<br />

Peter Kowald, der große Beweger des<br />

euro päischen Free Jazz und der Freien<br />

Improvisierten Musik hat einmal den schönen<br />

Satz gesagt: „Music is an open sky.“<br />

So weit <strong>wie</strong> in diesem Jahr war der Himmel<br />

über dem Skulpturenpark Tony Craggs noch nie.<br />

Doch beginnen wir den Rückblick mit einem<br />

ganz besonderen Erlebnis.<br />

Magische und intensive Momente


42<br />

Hazmat Modine<br />

Michel Alibo (Squeezeband)<br />

Unvergesslich für den, der es miterleben<br />

durfte, war der Gesang Ana Mouras, der<br />

unmittelbar unter die Haut und direkt ins<br />

Herz ging. Von all den Protagonistinnen,<br />

die auf der Renaissance-Welle des Fado<br />

surfen, erinnert ihre Stimme am stärksten<br />

an die Amalia Rodrigues‘, der ungekrönten<br />

Königin des portugiesischen Blues, eines<br />

musikalischen Stils, dessen Ursprünge im<br />

z<strong>wie</strong>lichtigen Milieu Coimbras und Lissabons<br />

des 19. Jahrhundert lagen. Fado ist<br />

der musikalische Ausdruck eines melancholischen<br />

Lebensgefühls und eines Weltwissens<br />

um die Vergänglich- und Vergeblichkeit<br />

allen menschlichen Strebens. Niemand<br />

konnte dieses Gefühl so <strong>aus</strong>drücken <strong>wie</strong><br />

Amalia Rodrigues, in deren Stimme sich<br />

eine gewisse schneidend-klagende Schärfe<br />

mit großer Wärme zu einem unnachahmlichen<br />

Klang vereinte. Unnachahmlich? Ana<br />

Moura interpretiert den Fado auf eine sehr<br />

traditionelle Art, aber in ihrem musikalischen<br />

Ausdruck kommt sie der großen<br />

alten Dame des Fado sehr, sehr nahe.<br />

Fado trifft auf Rock<br />

An jenem 14. Juli, an dem Ana Moura<br />

in Wuppertal auftreten sollte, hatten<br />

sich Regengüsse nahezu apokalyptischen<br />

Ausmaßes über der Schwebebahnstadt<br />

ergossen, die Veranstalter waren nervös;<br />

würde das Konzert im Wortsinne<br />

ins Wasser fallen? Doch pünktlich zu<br />

Jasper van’t Hof (Pili Pili)<br />

Tutu Puoane (Pili Pili)<br />

Konzertbeginn hatte der Himmel über<br />

Wuppertal ein Einsehen. Belohnt wurden<br />

die zahlreichen Zuschauer, die sich durch<br />

das Wetter nicht hatten abschrecken<br />

lassen, durch ein großartiges Konzert. So<br />

war es auch den Rolling Stones gegangen,<br />

als sie Ana Moura bei einem Gastspiel in<br />

Lissabon kennenlernten. Mick Jagger holte<br />

Ana auf die Bühne und sang mit ihr im<br />

Duett. Seitdem hat die Portugiesin zwei<br />

Titel der Stones im Repertoire, von denen<br />

sie im Skulpturenpark einen präsentierte:<br />

die melancholische Stones-Ballade „No<br />

Expectations“ fügte sich als ein funkelndes<br />

Juwel in die Perlenkette ihrer Fado-Lieder.


Volker Goetze und Ablaye Cissoko<br />

Chiwoniso Mareire<br />

Wer nach dem Konzert nach H<strong>aus</strong>e<br />

fuhr, die Lieder und Stimmung des Parks<br />

noch nachschmeckend, -spürend, sah, <strong>wie</strong><br />

am Abend jenes Julitages die Sonne ganz<br />

unvermittelt durch das Dunkel brach und<br />

einzelne blaue Flecken sich am Himmel<br />

zeigten. Die Straßen dampften, die Bäume<br />

leuchteten in einem surreal strahlenden<br />

Grün, die Ziegel von alten Fabriken waren<br />

von einem glühenden Karmesin. Und über<br />

der Stadt stand im geschlossenen Halbkreis<br />

vor grauer Regenwand ein leuchtender<br />

Regenbogen, der noch einmal von einem<br />

etwas schwächeren umschlossen wurde.<br />

Schaut man von diesem Fado-Konzert <strong>aus</strong><br />

auf den ganzen Reigen der diesjährigen<br />

Musikreihe Klangart, sieht man, <strong>wie</strong> weit<br />

der musikalische Bogen diesmal gespannt<br />

wurde: vom Blues über den Jazz in seinen<br />

unterschiedlichsten Spielarten bis hin zum<br />

Hiphop, vom Fado bis hin zum Klezmer<br />

<strong>aus</strong> dem multikulturellen New York. Eine<br />

bunte Mischung, ein Potpourri <strong>aus</strong> Jazz<br />

und sogenannter Weltmusik. Ist in solcher<br />

Vielheit noch eine Einheit erkennbar?<br />

Für den Künstlerischen Leiter E. Dieter<br />

Fränzel ist das entscheidende Kriterium,<br />

„dass die Musik in ihrer Qualität,<br />

Ausstrahlung und Anmutung zum Ort<br />

und zu den dort <strong>aus</strong>gestellten Exponaten<br />

passt.“ Ein philosophischer Wink zum<br />

Verständnis des Konzepts könnte auch das<br />

Motto sein, unter dem die Musikreihe in<br />

diesem Jahr stand, ein Satz des russischen<br />

Malers, Architekten und Photographen,<br />

Urahn des Konstruktivismus, Alexander<br />

Michailowitsch Rodtschenko: „Es ist<br />

der Rhythmus, der im wesentlichen die<br />

Struktur bestimmt, und alle räumlichen<br />

Relationen sind ihm unterworfen.“ Doch<br />

wahrscheinlich sind es hier eher die<br />

räumlichen Relationen, denen sich die<br />

(musikalischen) Rhythmen unterwerfen…<br />

Back to the roots<br />

Ein deutlich erkennbarer Schwerpunkt in<br />

dieser Reihe war – passend zur Ausstellung<br />

mit Skulpturen und Masken <strong>aus</strong> Nigeria –<br />

die Begegnung mit Musik vom Schwarzen<br />

Kontinent. So wurden Musiker <strong>aus</strong> dem<br />

Senegal, Zimbabwe, der Elfenbeinküste,<br />

Mali und Südafrika eingeladen. Den<br />

Beginn machten ein Stegharfenspieler<br />

<strong>aus</strong> dem Senegal und ein Trompeter <strong>aus</strong><br />

dem Bergischen Land, der inzwischen im<br />

multikulturellen Schmelztiegel New Yorks<br />

lebt. Es war überraschend zu erleben und<br />

zu hören, <strong>wie</strong> gut der am Sound Miles<br />

Davis’ geschulte Klang der Jazztrompete<br />

Volker Goetzes sich zu den Patterns und<br />

repetetiven Strukturen der musikalischen<br />

Motive und Themen der Kora fügten. Das<br />

große Interesse Volker Goetzes an der musikalischen<br />

Tradition und der Griot-Kultur<br />

hatten die beiden Musiker zusammengebracht.<br />

In Afrika gibt es ein Sprichwort,<br />

das die außerordentliche Bedeutung der<br />

Griots für den Erhalt der Identität eines<br />

Volkes beschreibt: „Wenn ein Griot stirbt,<br />

ist es als ob eine Bibliothek verbrennt.“<br />

In den vom Spiel der Kora begleiteten<br />

Gesängen und Liedern der Griot werden<br />

die kollektiven Erinnerungen eines Volkes<br />

bewahrt und tradiert. So ergab sich eine<br />

außergewöhnliche, schöne und reiche<br />

Begegnung zwischen zwei Kulturen, die<br />

der Kora-Spieler Ablaye Cissoko so charaketerisiert:<br />

„Aus unserer Verschiedenheit<br />

wächst eine Kraft.“<br />

Interessant, vielleicht sogar sehr<br />

aufschlussreich für das neue, das sich<br />

wandelnde Afrika war, dass dieser Kontinent<br />

musikalisch durch starke Frauen mit<br />

starken Stimmen repräsentiert wurde: Chiwoniso<br />

Maraire und Fatoumata Diawara<br />

sind Sängerinnen und Musikerinnen, die<br />

ihr Publikum auf ganz unterschiedliche Art<br />

und Weise für sich einzunehmen wissen.<br />

43


44<br />

Hazmat Modine<br />

Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie ihre<br />

Kraft <strong>aus</strong> dem Widerstand gegen patriarchalische<br />

Gesellschaften gewinnen; ihre<br />

Musik ist immer auch Ausdruck dieses<br />

Kampfes um innere und äußere Befreiungen.<br />

Chiwoniso Maraire selbst nennt sich<br />

und ihr musikalisches Programm „Rebel<br />

Woman“. Dabei liegt ihre Kraft in <strong>einer</strong><br />

inneren Ruhe. Sie selbst begleitet sich auf<br />

der Mbira, einem Lamellophon, bei dem<br />

eine Art Zupfklavier zur Verstärkung in<br />

eine Resonanzkalebasse gelegt wird. Die<br />

Mbira ist ein über t<strong>aus</strong>end Jahre altes Instrument,<br />

das die Seele der Bantu-Kultur<br />

verkörpert. Während der Zeremonie<br />

dienen die feingewobenen – an Patterns<br />

der Minimalmusic erinnernden Tonfolgen<br />

– dazu, eine Art Trancezustand, eine<br />

Verbindung zu den Geistern der Ahnen<br />

herzustellen. An diese Tradition anknüpfend,<br />

nahm Chiwoniso Maraire, begleitet<br />

von Manda Saiza (ebenfalls Mbira,<br />

Gesang) und Jacob Mafuleny (Perkussion)<br />

ihre Zuhörer an diesem Abend mit auf<br />

eine magische Reise, die für manche Zuhörer<br />

„zu den allerschönsten Momenten<br />

bei Klangart“ gehörte.<br />

Ganz anders Fatoumata Diawara. An<br />

der Elfenbein-Küste geboren und in<br />

Mali aufgewachsen, wurde die Migrantin<br />

bevorzugtes Mobbing-Opfer ihrer<br />

Mitschülerinnen. Die Kraft zum inneren<br />

Überleben schöpfte sie <strong>aus</strong> der Musik<br />

und so begann sie ihre ersten Songs zu<br />

schreiben. Da steht sie nun – 20 Jahre<br />

älter und um Erfahrungen durch Zusammenarbeit<br />

mit Musikern <strong>wie</strong> Damon<br />

Albarns (African Cubism) und Herbie<br />

Hancock (Imagine) reicher – auf der<br />

Bühne im Skulpturenpark: ein rührendes,<br />

oder sollte man sagen: anrührendes<br />

Bild: ein Mädchen mit <strong>einer</strong> Gitarre,<br />

eine Folk-Poetin. Doch was dann später<br />

auf der Bühne geschah, hatte mit diesem<br />

Bild nichts, aber auch gar nichts mehr<br />

zu tun. Erinnerten die ersten zwei<br />

Songs noch von Ferne an eine moderne<br />

afrikanische Joan Baez, die der Welt ihre<br />

Geschichten erzählen will, so explodierte<br />

die weibliche musikalische Kraftmaschine<br />

Fatoumata spätestens ab dem dritten<br />

Song. Das weltoffene Bildungsbürgertum,<br />

das den größten Teil des Klangart-<br />

Publikums <strong>aus</strong>macht, hielt es nicht mehr<br />

auf den Sitzen; diese bleiben bis zum<br />

Ende dieses expressiven Klanggewitters<br />

afrikanischer Klänge und Rhythmen<br />

verwaist. Fatoumata rockte den Park mit<br />

ihrer unbändigen Energie, mit <strong>einer</strong> bis<br />

zur Selbstver<strong>aus</strong>gabung gehenden Kraft,<br />

mit ihrer Fähigkeit mit dem Publikum<br />

zu kommunizieren: eine Energie, die sich<br />

vom Bühnenrand <strong>aus</strong> über das Publikum<br />

übertrug.<br />

Einer völlig <strong>anderen</strong> Klangwelt begegneten<br />

die Zuhörer bei Hazmat Modines<br />

Bahumat-Projekt: eine Musik, <strong>wie</strong> sie<br />

nur in einem multikulturellen Schmelztiegel<br />

und im <strong>Zeit</strong>alter der Globalisierung<br />

entstehen kann. Hier mischen sich<br />

<strong>Zeit</strong>en und Stile und fügen sich zu einem<br />

frappierenden musikalischen Amalgam:<br />

Aus Blues, Jazz und Klezmer, wilden<br />

Balkan-Brassband und Southern Soul<br />

mixen die acht New Yorker Musiker<br />

einen einzigartigen Sound. Lebensfreude<br />

pur.<br />

Ebenso überraschend, frisch und neu<br />

wirkte die Begegnung mit der Squeezeband.<br />

Jazz goes Hiphop, versprach das<br />

Programmheft. Ein kl<strong>einer</strong>, sympathischer<br />

Etikettenschwindel, vielleicht <strong>aus</strong><br />

der Hoffung geboren, neue, jüngere<br />

Publikumsschichten zu erreichen. Doch<br />

was die Squeezeband bot, war guter<br />

solider Jazz mit Ausfl ügen in dessen<br />

verschiedenen Spielarten: vom Bebop<br />

über Rockjazz bis hin zu Funk. Saxophonist<br />

Chico Freeman reiste zurück in die<br />

magische und spirituelle Coltrane-Ära,<br />

aber ohne die ganz große Inspiration<br />

Tranes. Was diesen etwas beliebigen, nett<br />

anzuhörenden Mix eine innere Mitte,<br />

etwas Spannendes, Neues und – im<br />

besten Sinne – Komisches hinzufügte,<br />

war das atemberaubende, artistische<br />

Spiel des Beat-Boxers Nino G.. Seine<br />

Grooves, vor allem aber Soli machten<br />

dieses Konzert zu etwas Besonderem,<br />

das man nicht mögen muss, aber kann:<br />

Beim Beatboxing oder Beatboxen werden<br />

Drumcomputerbeats – zuweilen auch<br />

Scratches oder Schlagzeug- und andere<br />

Perkussionsrhythmen mit dem Mund,<br />

der Nase und dem Rachen imitiert.<br />

Gemeinsam mit dem Schweizer Perkussionisten<br />

Reto Weber bildete diese<br />

Perkussionsformation die Herzkammern<br />

der Squeezeband. Reto Webers schnelles,<br />

präzises, zuweilen sogar ekstatisches


Wade Schuman (Hazmat Modine)<br />

Spiel ging in manchen Passagen in der<br />

ununterbrochen sprudelnden Rhythmus-<br />

Quelle Nino G’s unter, der die Herzen<br />

der Zuhörer – und bei ihm muss man<br />

wohl auch hinzufügen – der Zuschauer<br />

– im Sturm eroberte. Dazu gehörten<br />

auch chaplineske Einlagen, in denen der<br />

Beatboxer onomatopoetisch verschiedene<br />

Alltagssituationen auf urkomische Weise<br />

darstellen konnte <strong>wie</strong> etwa das Starten<br />

einen Motorrads, dem dann plötzlich das<br />

Benzin <strong>aus</strong>geht.<br />

Afrikanisch und großartig sollte<br />

dann mit Jasper van’t Hof’s Pili Pili-<br />

Projekt der Abschluss der diesjährigen<br />

Klangart-Reihe <strong>aus</strong>fallen. Und tatsächlich<br />

hätte alles wunderbar sein können<br />

– an diesem Abend mit afrikanischen<br />

Temperaturen. Doch dann fi el wegen<br />

<strong>einer</strong> plötzlich auftretenden Krankheit<br />

die Posaunistin Annie Whitehead <strong>aus</strong>.<br />

Für die symphonisch angelegten und<br />

komplex gewobenen Kompositionen<br />

Jasper van’t Hofs ein fast nicht hinnehmbarer<br />

Verlust. Hinter den Kulissen<br />

berieten sich Veranstalter und Musiker.<br />

Annie Whitehead Parts und Soli mussten<br />

spontan und improvisierend von <strong>anderen</strong><br />

Musikern aufgegriffen werden. „Entweder<br />

wird es ein Desaster oder etwas<br />

ganz Wundervolles“, entschied Jasper<br />

van’ Hoff trotz der widrigen Umstände,<br />

das Konzert stattfi nden zu lassen. Eine<br />

Entscheidung, der großer Respekt, Dank<br />

und Anerkennung gebührt. Tatsächlich<br />

wurde es dann weder das eine noch<br />

das andere: kein Desaster, aber das<br />

Wunderbare, das das Septett sonst zu<br />

leisten imstande ist, konnte unter diesen<br />

sch<strong>wie</strong>rigen Bedingungen nicht erreicht<br />

werden. Hinzu kamen schwer erträgliche<br />

Unstimmigkeiten bei der Abmischung<br />

des Sounds, der permanent nachreguliert<br />

und korrigiert wurde. Dennoch gab es<br />

Momente, in denen die große Kunst des<br />

Komponisten und Tastenmagiers Jasper<br />

van’ Hoff aufblitzten. „Wenn wir reisen<br />

und an Orte zurückkehren, erleben wir<br />

häufi g, <strong>wie</strong> der Zauber verloren gegangen<br />

ist im Laufe der <strong>Zeit</strong>. Die Dinge<br />

verändern sich, aber die Kultur bleibt.“<br />

Die Stücke und Kompositionen durchzieht<br />

diese Wehmut des Abschieds, ein<br />

afrikanischer Fado, der zugleich trotzig<br />

das Beharren der Kultur beschwört.<br />

„Ukuba Noma Unkungabi“ lautet denn<br />

auch der Titelsong der aktuellen Pili<br />

Pili-CD; es ist die Übersetzung von<br />

Hamlets Frage „Sein oder Nicht sein“ in<br />

die Sprache der Zulu. „Ukaba“ lautet die<br />

Antwort, die Jasper van’t Hoff und seine<br />

Musiker geben und die dafür eine schöne<br />

Stimme gewonnen heben: <strong>wie</strong>der eine<br />

Frauenstimme. Wenn die südafrikanische<br />

Sängerin Tutu Puoane singt, dann ist es,<br />

als ob diese große stille und introvertierte<br />

Frau sich in den Rhythmus der Musik<br />

hinein schwingt, bis auf den Grund ihrer<br />

Seele taucht und dort all die schönen<br />

Töne fi ndet, die sie ihrem Publikum<br />

dann zum Geschenk macht: eine Kraft<br />

zum Weitermachen, die auch dann noch<br />

nachklingt, wenn das Konzert zu Ende<br />

ist: „Ukaba!“<br />

Blickt man zurück, so bleiben zarte<br />

und starke, magische und intensive<br />

Momente in der Erinnerung haften -<br />

und einige wenige beliebige. Quo vadis,<br />

Klangart? Es drängt sich der Eindruck<br />

auf, als haben sich in diesem Jahr die<br />

Akzente ein wenig verschoben, weg von<br />

der Freien Improvisierten Musik, die in<br />

den vergangenen Jahren einen gefühlten<br />

Schwerpunkt bildeten, hin zu <strong>einer</strong> eher<br />

populäreren, lebensfrohen Musik. Wird<br />

diese Tendenz eine Fortsetzung fi nden?<br />

Und wenn ja, wird sie der musikalischen<br />

Reihe und dem Ort gut tun? Klangart<br />

hat in diesem Jahr den Musik-Himmel<br />

über Wuppertal weitergemacht, und vielen<br />

Menschen, die diese Art von Musik<br />

bisher kaum oder gar nicht begegnet<br />

sind, den Weg zu neuen musikalischen<br />

Ufern geebnet. In der Pädagogik heißt<br />

es, der Raum sei der dritte Erzieher. Hier<br />

ist es der Skulpturenpark, ein Ort, an<br />

dem sich Kunst und Natur so wunderbar<br />

begegnen. Und die Kunst E. Dieter<br />

Fränzels, jedes Jahr die richtigen und<br />

zum Ort passenden „Töne“ zu fi nden.<br />

H<strong>einer</strong> Bontrup<br />

Fotos: K.-H. Kr<strong>aus</strong>kopf<br />

45


DRUCKEREI ELBA<br />

Der Lärm ist der Stille gewichen<br />

ich lese lautlos Blei-Lettern links<br />

die einmal in Sprache<br />

als Nachrichten aufrecht standen<br />

Ich buchstabiere das Wort AUFGABE<br />

und weiss<br />

um die Zweifachbedeutung und<br />

dass die <strong>Zeit</strong> weiter fortschreitet<br />

In der kürzesten Wellenlänge<br />

des Lichts färbt sich<br />

der Himmel blau<br />

Die Weite des Raumes färbt sich<br />

nur mit Verlust<br />

Die Gleichförmigkeit der Verluste<br />

ist in<br />

Erinnerung gefangen<br />

Die Druckerschwärze vor Augen<br />

entziffere ich nur noch<br />

Vergangenes im Raum<br />

Verblichene Worte schalten sich ab<br />

Meine Ohren sind taub geworden<br />

vom stetig <strong>wie</strong>derkehrenden<br />

Lärm <strong>einer</strong> Monotonie<br />

Blaues Licht schleift die Konturen<br />

und Schatten werden<br />

weich und musizieren<br />

verwandeln Lärm in ein stummes Lied<br />

Foto von Sylvie Hauptvogel<br />

Halle Elba 4, 2008, analoge Fotografi e,<br />

Originalgröße 60 x 90 cm<br />

Text von Friederike Zelesko<br />

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48<br />

Adventszauber – <strong>wie</strong> <strong>aus</strong> <strong>einer</strong> <strong>anderen</strong> <strong>Zeit</strong><br />

Der Weihnachtsmarkt von<br />

Schloss Lüntenbeck<br />

Der Weihnachtsmarkt von<br />

Schloss Lüntenbeck fi ndet am zweiten und<br />

dritten Adventswochenende, 8./9. und<br />

15./16.12., jeweils von 11 bis 19 Uhr statt.<br />

Der Eintritt beträgt 3 Euro;<br />

Kinder bis 12 Jahre haben freien Zutritt.<br />

Parkplätze stehen am oberen Lüntenbecker<br />

Weg zur Verfügung.<br />

Antonia Dinnebier und ihre Schwester<br />

Sonja <strong>wie</strong>seln in Blaumännern und<br />

Gummistiefeln über den Hof von Schloss<br />

Lüntenbeck. „Zelte aufbauen“ ist angesagt.<br />

Mit geübten Handgriffen richten die<br />

beiden Frauen die Gestänge auf. „Alles<br />

eine Frage der Routine“, lacht Sonja und<br />

spannt resolut die Leinen für die Windsicherung<br />

der Pagode. In ein paar Tagen,<br />

wenn der Weihnachtsmarkt von Schloss<br />

Lüntenbeck nach zwei Adventswochenenden<br />

vorbei ist, wird den beiden Schwestern<br />

und ihren Helfern das Lachen nicht<br />

mehr ganz so leicht fallen. Weihnachtsmarkt<br />

ist ein Knochenjob, aber auch der<br />

Höhepunkt des Jahres. Das liegt natürlich<br />

vor allem daran, dass dieses vorweihnachtliche<br />

Ereignis regelmäßig zigtau-<br />

sende Besucher anzieht – rund 20 000<br />

waren es im vergangenen Jahr an den zwei<br />

Marktwochenenden. 20 000 Menschen,<br />

die weitem Umkreis in die Lüntenbeck<br />

kommen, um ein Weihnachtsgefühl zu<br />

erleben, das die öden, dauerbeschallten<br />

Konsumveranstaltungen in den Innenstädten<br />

nicht zu bieten haben.<br />

Besinnlichkeit kommt von Besinnung<br />

– der Besinnung auf das Handwerkliche,<br />

das Authentische, auf den Charme<br />

der Improvisation und auf sentimentalen<br />

Jahrmarktzauber. Diese Ge- und<br />

Besinnung ist der gemeinsame Nenner<br />

der rund 80 Standbetreiber und der<br />

beiden Organisatorinnen des Lüntenbecker<br />

Weihnachtsmarkts. Da ist jede


Menge Herzblut im Spiel: Originelles<br />

Kunsthandwerk mit dem Anmut des<br />

Unperfekten sucht und fi ndet Käufer,<br />

die sich gerne auch in einen Pl<strong>aus</strong>ch<br />

über Gott und die Welt verwickeln<br />

lassen. Manufakturen präsentieren<br />

Preziosen <strong>aus</strong> Papier, Stein, Glas, Wachs,<br />

Metall und Stoff. Statt der Bratwurst<br />

vom Grill gibt´s Tiroler Spinatködel in<br />

köstlicher Soße und andere Leckereien<br />

vom Schlossgastromomen. Auf dem<br />

Hof und in den Wirtschaftsgebäuden<br />

ziehen der Puppenspieler Kiepenkasper,<br />

der Geschichtenerzähler Aloys und<br />

das Schnipselkino Sonofeo die Kinder<br />

in den Bann. Alles duftet nach Holz,<br />

Gewürzen, Leder – und dem Glühwein,<br />

den Schlosswirt Jürgen Tschuschke<br />

<strong>aus</strong> <strong>einer</strong> eigens für den Lüntenbecker<br />

Weihnachtsmarkt abgefüllten Partie<br />

Winzerwein schon lange vor dem<br />

ersten Markttag angesetzt hat. Musik<br />

von Vivaldi, Bach und Händel schwebt<br />

über dem bunten Treiben, das <strong>wie</strong> <strong>aus</strong><br />

<strong>einer</strong> <strong>anderen</strong> <strong>Zeit</strong> anmutet – trotz des<br />

manchmal großen Gedränges.<br />

Für Antonia und Sonja Dinnebier<br />

begannen die Vorbereitungen für ihren<br />

diesjährigen Weihnachtsmarkt bereits<br />

im Sommer. Die Parkfl äche neben dem<br />

Schloss ist neu gestaltet worden. Ein von<br />

Granitsteinen eingefasster Rundweg lädt<br />

zum Lustwandeln – und an den Markttagen<br />

zum Bummel entlang der neuen<br />

Stände, die sich hier jetzt präsentieren.<br />

Der Lüntenbecker Weihnachtsmarkt ist<br />

ganz nebenbei eine gute Gelegenheit, die<br />

„Community“ von Wuppertals einziger<br />

Schlossanlage kennen zu lernen. Dazu<br />

zählt neben dem Restaurant „Pilkens<br />

im Schloss“ auch der Künstler Martin<br />

Smida, der am alten Mühlenturm seine<br />

monumentalen Pilz-Skulpturen zeigt – als<br />

„Work in progress“.<br />

Michael Schumacher<br />

Fotos: Jörg Lange<br />

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Ingeborg Wolff inszeniert<br />

im Wuppertaler TiC brillant<br />

Heinrich von Kleists<br />

„Der zerbrochne Krug“<br />

Inszenierung: Ingeborg Wolff<br />

Bühne: Iljas Enkaschew<br />

Kostüme: Noëlle-Magali Wörheide Maske:<br />

Andreas Frank<br />

Musik: Stefan Hüfner<br />

Besetzung:<br />

Robert Cramer (Dorfrichter Adam)<br />

Alexander Bangen (Schreiber Licht)<br />

Martina Wortmann (Frau Marthe Rull)<br />

Elisabeth Wahle (Eve, ihre Tochter)<br />

Katharina Kranemann (Gerichtsrätin Walter)<br />

Ragna Gerhardt (Grete, eine Magd)<br />

Gela Banerjee (Frau Brigitte)<br />

Hartwig Kolbe (Veit Tümpel, Bauer)<br />

Robin Berenz (Ruprecht, sein Sohn)<br />

v.l.: Alexander Bangen, Robert Cramer<br />

Foto Martin Mazur<br />

Scherbengericht<br />

So muß ein „Krug“ gemacht sein! Flämisch<br />

handfest, dennoch eloquent in der<br />

Sprache, volkstümlich in der Handlung,<br />

doch hochstehend in der Moral, burlesk<br />

in Ablauf und Gestaltung, zugleich seriös<br />

im feinfühligen Regiekonzept und differenzierten<br />

Spiel. Kleist hat mit seinem<br />

„Zerbrochnen Krug“ Schillers Maxime<br />

von der „Schaubühne als eine moralische<br />

Anstalt betrachtet“ perfekt umgesetzt.<br />

Hinter vordergründiger Komödie steckt<br />

– und verbirgt sich nicht einmal – der<br />

Anspruch <strong>einer</strong> höheren Moral, die<br />

er stets von Individuum, Gesellschaft<br />

und Obrigkeit erwartete und deshalb<br />

seinen Stoffen mitgab. Das Wuppertaler<br />

TiC-Theater stellte bei der Premiere am<br />

Freitagabend genau eine solche Fassung<br />

der klassischen Komödie Heinrich von<br />

Kleists (1808) vor.<br />

Viele Köche, sagt man, verdürben<br />

den Brei. Wie der Volksmund sich irren<br />

kann, belegten eindrucksvoll Ingeborg<br />

Wolff, die hier nicht ihren ersten<br />

fulminanten Erfolg als Regisseurin an der<br />

engagierten kleinen Bühne feiern konnte,<br />

Stefan Hüfner, der neben s<strong>einer</strong> Domäne,<br />

der musikalischen Bearbeitung, Kleists<br />

Text ein behutsam aufgebürstetes Gewand<br />

anmaß, Iljas Enkaschew, der ein perfektes<br />

Bühnenbild für dieses deftig-delikate Kammerspiel<br />

schuf, Noëlle-Magali Wörheide,<br />

deren Kostüme eine Brücke zum Heute<br />

schlagen und nicht zuletzt Andreas Frank,<br />

der als Maskenbildner dem Dorfrichter<br />

Adam ganz köstliche Wunden schlägt.<br />

Die bejammert der waidwunde Richter<br />

beim morgendlichen Her<strong>aus</strong>wälzen <strong>aus</strong><br />

seinem Alkoven mit Weh und Ach, noch<br />

ohne zu ahnen, was dieser heraufdämmernde<br />

schreckliche Tag ihm überdies bringen<br />

wird. Robert Cramer ist die Verkörperung<br />

des verkaterten Elends, ein Adam, der über<br />

eine Mitleid fordernde Skala von Klagelauten<br />

verfügt, eine herrliche Ouvertüre zu einem<br />

äußerst unterhaltsamen Theaterabend.<br />

Heute ist Gerichtstag auf dem Dorf,<br />

und <strong>aus</strong>gerechnet heute wird der Utrechter


Gerichtsrat (mit Katharina Kranemann<br />

zeitgemäß weiblich und mit <strong>einer</strong> verständnisvollen<br />

Note besetzt) zur unangemeldeten<br />

Revision eintreffen, <strong>wie</strong> durchgesickert<br />

ist. Und der Fall, der zu Adams Schrecken<br />

just heute vorgetragen wird, ist die Klage<br />

um einen Krug, den ein Spitzbube der<br />

Frau Marthe (resolut: Martina Wortmann)<br />

zerbrach, als er nächtens Hals über Kopf<br />

durchs Fenster <strong>aus</strong> dem Zimmer von deren<br />

Tochter Eve (zerrissen: Elisabeth Wahle)<br />

fl oh. Was in dieser Nacht geschehen ist und<br />

warum, wer welche Rolle in dem dörfl ichen<br />

Drama spielte, <strong>wie</strong>so des Dorfrichters<br />

Perücke sich im Staket vor Eves Zimmer<br />

<strong>wie</strong>derfand und woher seine Scharten<br />

rühren, will die Gerichtsrätin zunehmend<br />

energisch her<strong>aus</strong>fi nden, während Adam<br />

alles tut, um – wir wissen <strong>wie</strong>so – zu<br />

verhindern, daß die Wahrheit ans Licht<br />

kommt und sein Schreiber Licht (süffi sant<br />

intrigant: Alexander Bangen) des Richters<br />

Lügen scheinbar unabsichtlich ad absurdum<br />

führt.<br />

Unter Ingeborg Wolffs Hand (sie hat<br />

im Laufe ihrer Sch<strong>aus</strong>pielkarriere sowohl<br />

die Marthe als auch die Brigitte verkörpert)<br />

ist dem bis in die Haarspitzen motivierten<br />

Ensemble eine hinreißende Aufführung<br />

gelungen, unterstützt von Iljas Enkaschews<br />

bis ins i-Tüpfelchen durchdachtem Bühnenbild.<br />

Die behutsame Anpassung des<br />

Kleistschen Textes istStefan Hüfner ohne<br />

Eingriff in Kleists Intention hervorragend<br />

gelungen, und der Regieeinfall, in Schlüsselmomenten<br />

das Bild anzuhalten, es in<br />

das Licht des Gemäldes eines fl ämischen<br />

Meisters zu tauchen, um der Bedeutung<br />

der folgenden Sätze besonders Gewicht zu<br />

verleihen, ist nachgerade genial. Wie Adam<br />

sich bis zur Entdeckung s<strong>einer</strong> Schande<br />

lügenhaft windet, kann besser als von<br />

Robert Cramer kaum gegeben werden,<br />

Alexander Bangen gibt dessen Widerpart<br />

Licht dezent aufdringlich (doch, das geht),<br />

Eves Seelenqual liest man der bezaubernden<br />

Elisabeth Wahle mitfühlend von den zarten<br />

Zügen ab und Katharina Kranemann läßt<br />

zum guten Schluß augenzwinkernd auch<br />

die Fehlbarkeit der hohen Gerichtsrätin<br />

durchscheinen. Abgesehen davon ist ihr<br />

auch der (zerbrochne) Krug zu verdanken,<br />

den Frau Marthe anklagend schwenkt –<br />

Frau Kranemann ist nämlich auch eine<br />

hervorragende Keramikerin. Vergessen wir<br />

nicht die omnipräsente Ragna Gerhardt als<br />

herumgescheuchte Magd Grete, unauffällig,<br />

doch effektiv.<br />

Wie schon oben gesagt: so muß ein<br />

„Krug“ im Sinne Kleists sein. Theater vom<br />

Feinsten. Lesenswert auch das gut gemachte<br />

Programmheft, das Kleist vorstellt und die<br />

Inszenierung griffi g erklärt. Eine Aufführung,<br />

die ich Ihnen sehr ans Herz legen<br />

möchte.<br />

Frank Becker<br />

Termine unter: www.tic-theater.de<br />

v.l.: Bangen, Cramer, Wortmann, Kolbe,<br />

Berenz, Mit d. Rücken z. Publikum: Wahle<br />

Foto Martin Mazur<br />

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Der Künstler<br />

Christian von Grumbkow<br />

Wandbild für das Foyer der<br />

Volkswohlbund Lebensversicherung a.G.,<br />

Dortmund, ca. 1000 x 550 cm<br />

Kunst am Bau als Dialog<br />

Otl Aicher, <strong>einer</strong> der großen Designtheoretiker unserer <strong>Zeit</strong>, forderte schon in den 70er<br />

Jahren die Künstler auf, ihre Elfenbeintürme zu verlassen und sich an der Entwicklung<br />

ergonomischer – das heißt: menschengemäßer – Konzepte für die Gestaltung des<br />

öffentlichen Raums zu beteiligen. Christian von Grumbkow ist <strong>einer</strong> der wenigen<br />

Künstler, die sich dieser Aufgabe ernsthaft stellen – und zwar ohne die verbreitete Attitüde<br />

der Herablassung derer, die in angewandter Kunst eine Form der Prostitution sehen.<br />

Christian von Grumbkow konfrontiert sich bewusst mit den kulturellen und<br />

sozialen Bedingungen, die er in den Unternehmen, für die er arbeitet, vorfi ndet.<br />

Aus dem Spannungsfeld zwischen seinem spezifi schen künstlerischen Ansatz und dem<br />

komplexen Bezugsrahmen <strong>aus</strong> Unternehmenskultur, architektonischen Vorgaben und<br />

den jeweiligen Nutzungskonzepten der Gebäude entwickelt Christian von Grumbkow<br />

autochthone Formate, die in vielfältiger Weise mit ihrer Umgebung kommunizieren –<br />

mit der Architektur und mit den Menschen, für die sie geschaffen wurde. „Kunst am<br />

Bau“ ist nach seinem Verständnis eben keine Disziplin der Dekoration, sondern eine<br />

Form des visuellen Dialogs. Das nachfolgende Interview legt davon Zeugnis ab. Es<br />

dokumentiert in zahlreichen Beispielen die Arbeit eines Künstlers, der sich als „<strong>Zeit</strong><br />

genosse“ im besten Sinne begreift und als solcher die kühle Rationalität unserer Lebens-<br />

und Arbeitswelt mit mächtigen Bildkommentaren von großer Sinnlichkeit relativiert.<br />

DBZ: Herr von Grumbkow, Kunst am<br />

Bau trifft auf völlig andere Präsentationsbedingungen<br />

als Kunst, die in Museen<br />

oder Galerien gezeigt wird. Sie haben es<br />

im öffentlichen Raum nicht unbedingt<br />

mit einem kunstaffi nen Publikum zu tun.<br />

Beeinfl usst Sie dieses Ausgeliefertsein?<br />

Chr. v. Gr.: Ich fühle mich überhaupt nicht<br />

<strong>aus</strong>geliefert. Meine Projekte geben mir die<br />

Gelegenheit, den doch sonst sehr hermetischen<br />

Raum der Kunstszene zu verlassen. Das mag<br />

manch <strong>einer</strong> für riskant halten. Ich mache<br />

aber die Erfahrung, dass die Menschen sehr<br />

vorbehaltlos und offen mit meinen Arbeiten<br />

umgehen. Mehr noch: Ich erlebe in den<br />

Unternehmen immer <strong>wie</strong>der, dass Mit<br />

arbeiter und Besucher vor meinen Bildern<br />

innehalten und sich in die visuelle Erzählung<br />

<strong>aus</strong> Farbe und Struktur vertiefen. Es gibt<br />

offensichtlich ein großes Bedürfnis nach<br />

Kontemplation.<br />

DBZ: Kunst, die sich in den Dienst von<br />

Funktionsarchitektur stellt, wird vielfach<br />

der Vorwurf gemacht, sie habe eine rein<br />

dekorative Funktion und diene letztlich<br />

nur der Bemäntelung ziemlich profaner<br />

Interessen. Sind Sie ein Dekorateur der<br />

(Markt-)Macht?<br />

Chr. v. Gr.: Nein, so sehe ich das nicht. Ich<br />

bin ebenso wenig ein Dekorateur der Macht,<br />

<strong>wie</strong> Vermeer oder Rembrandt Lakaien ihrer<br />

bürgerlichen Auftraggeber gewesen sind. Ich<br />

will mich nicht mit diesen beiden Großen auf<br />

eine Stufe stellen – aber Kunst kann durch<strong>aus</strong><br />

„nach Brot gehen“, ohne kompromittiert zu<br />

werden. Um einen Begriff <strong>aus</strong> der Musik zu<br />

gebrauchen: Ich setze mit meinen Bildern<br />

die Kontrapunkte, die eine auf Effi zienz<br />

und Produktivität <strong>aus</strong>gerichtete Arbeitswelt<br />

lebensnotwendig braucht. „Kunst am Bau“<br />

hat eine psychohygienische und damit soziale<br />

Funktion. Ein Verzicht auf sie bedeute Verarmung<br />

und Verrohung.<br />

DBZ: Sie werden ja in der Regel vor<br />

vollendete architektonische Tatsachen<br />

gestellt. Der Raum, in dem sich ihre Kunst<br />

entfalten soll, ist vorgegeben. Wie nähern<br />

Sie sich <strong>einer</strong> architektonischen Situation?<br />

Chr. v. Gr.: Staunend. Sehend. Begreifend.<br />

Ich bin so etwas <strong>wie</strong> das Alter Ego des<br />

Architekten. Ich folge mit großer Empathie<br />

seinen Konzepten, ohne seinen Zwängen<br />

unterworfen zu sein. Auf diese Weise entsteht<br />

ein visueller Dialog zwischen Raum und Bild<br />

– eine Korrespondenz, die sich den Menschen<br />

unmittelbar erschließt. Davon kann übrigens<br />

auch die Architektur profi tieren. Sie wird im<br />

besten Falle unmittelbar sinnfällig.<br />

DBZ: Welchen Einfl uss hat die Nutzung<br />

eines Gebäudes auf Ihre Arbeit?<br />

Chr. v. Gr.: Die Funktion eines Gebäudes<br />

und s<strong>einer</strong> Räume ist mir immer bewusst.<br />

Das geht weit über die rein architektonische<br />

Dimension hin<strong>aus</strong>. Ich frage mich, welche<br />

Menschen meine Bilder sehen – und <strong>wie</strong> diese<br />

Menschen diese Bilder sehen. Ich beschäftige<br />

mich mit ihrer Arbeitswelt. Ich frage mich,<br />

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54<br />

Red Rain, 2008, Stadtsparkasse Wuppertal, Zweigstelle Loh<br />

was Besucher in das Gebäude führt. Das<br />

ist ein konzeptioneller Ansatz, der dazu<br />

beitragen will, dass sich die Architektur den<br />

Nutzern als Ausdruck <strong>einer</strong> unternehmerischen<br />

Identität kommuniziert.<br />

DBZ: Vielfach wird behauptet, „Kunst am<br />

Bau“ sei für die Unternehmen eher eine<br />

lästige Pfl ichtübung? Wie erleben Sie den<br />

Dialog mit den Auftraggebern?<br />

Chr. v. Gr.: Ich erlebe, dass meine<br />

Auftraggeber sehr fasziniert sind von dem<br />

Prozess, den ich gemeinsam mit ihnen und<br />

den Architekten anstoße. Das mag damit<br />

zusammenhängen, dass natürlich auch der<br />

Arbeitsalltag eines Managers von Routinen<br />

geprägt ist und häufi g wenig Spielraum lässt<br />

für Kreativität. Die Auseinandersetzung mit<br />

einem Kunstprojekt hat da geradezu etwas<br />

Therapeutisches.<br />

DBZ: Sie haben zahlreiche Kunstprojekte gemeinsam<br />

mit Architekten und Unternehmen<br />

realisiert. Besteht nicht die Gefahr, dass Sie<br />

sich irgendwann einmal selbst zitieren?<br />

Chr. v. Gr.: Das ist eher unwahrscheinlich.<br />

Und zwar deshalb, weil ich bei der<br />

Umsetzung m<strong>einer</strong> Konzepte sehr intuitiv<br />

agiere. Natürlich gibt es immer eine Idee.<br />

Aber das Malen im großen Format hat<br />

etwas R<strong>aus</strong>chhaftes. Das Bild entwickelt<br />

sich gewissermaßen <strong>aus</strong> sich selbst her<strong>aus</strong>.<br />

Dieser Prozess ist übrigens auch physisch sehr<br />

beanspruchend. Er zwingt mich, oft bis zur<br />

physischen Erschöpfung zu arbeiten. Ein<br />

Repetieren irgendwelcher Bildmuster ist dabei<br />

gar nicht möglich.<br />

DBZ: Eine Reihe Ihrer Kunstwerke in<br />

den Unternehmen besteht <strong>aus</strong> Installationen,<br />

die mehrere Bildtafeln neben- oder<br />

übereinander zeigen. Auch ganze Reihen,<br />

ja Serien wurden von Ihnen installiert.<br />

Gibt es außer den pragmatischen<br />

Erwägungen den Transport und die Handhabbarkeit<br />

betreffend noch andere Gründe<br />

für diesen Ansatz?<br />

Chr. v. Gr.: In meinem Werk gibt es schon<br />

sehr lange mehrteilige Arbeiten. Seit den 80er<br />

Jahren malte ich verstärkt – angeregt durch<br />

die damalige – mich sehr tief anrührende<br />

Auseinandersetzung mit der Malerei der<br />

Gotik - diverse Triptychen und Diptychen.<br />

Damit wurde eine horizontale Ausrichtung<br />

betont, aber auch so etwas <strong>wie</strong> ein in die<br />

Moderne weisender Entwicklungsgedanke. In<br />

dem Sinne, dass die Bilder bei aller Abstraktion<br />

doch unserer Leserichtung entsprechend<br />

– von links nach rechts – so etwas <strong>wie</strong> eine<br />

Metamorphose andeuten und damit auch<br />

einen <strong>Zeit</strong>-Aspekt beinhalten. Also etwa:<br />

linke Tafel: Vergangenheit, Mitte: Gegenwart,<br />

rechte Tafel: Zukunft.<br />

Bei meinen heutigen Arbeiten und gerade bei<br />

denen, die ich für Unternehmen male, greife<br />

ich gerne auf die Entwicklungs- und die <strong>Zeit</strong>-<br />

Thematik zurück. Titel, <strong>wie</strong> z.B. das 10 x 6<br />

Meter messende „LIVE-STREAMS“ (Dortmund,<br />

Foyer Volkswohl-Bund, Am Südwall)<br />

belegen das in dreifacher Weise: Für jede der<br />

drei Etagen habe ich ein Triptychon gemalt,<br />

die aber in einem klaren Zusammenhang<br />

stehen, der sich dem Betrachter <strong>aus</strong> den unterschiedlichen<br />

Perspektiven erschließt. Das Werk<br />

„Red Rain“ (Sparkasse am Loh, Wuppertal


Landschaft, 1997, Öl auf Leinwand, Seminarraum der Firma proviel GmbH, Wuppertal<br />

Unterbarmen, 5 x 2,5 Meter) betont die senkrechte<br />

Ausrichtung im Raum sehr stark, greift<br />

die Fließrichtung der Farbe auf und verstärkt<br />

so die Erfahrung von Bewegung. Andere Arbeiten,<br />

<strong>wie</strong> z.B. „20 Variations in Love“ (für<br />

das Foyer der Firma Salamander, Wuppertal)<br />

zeigen – <strong>wie</strong> der Titel ja <strong>aus</strong>drückt – mehr<br />

oder minder monochrome Variationen zur<br />

Farbe Rot-Orange. Bei „Appassionata“ ging<br />

es mir auch darum, die eigene Bewegung des<br />

Betrachters beim Entlangschreiten der ca. 13<br />

Bild-Meter zum Teil der Bilderfahrung zu<br />

machen. Dabei nehmen wir bewusst oder<br />

unbewusst die unterschiedlichen Nuancen<br />

der vertikal angelegten farbigen Streifen (mal<br />

grün, mal schwarz, meist rot) wahr – also<br />

Farbe als etwas Lebendiges, Dynamisches und<br />

Belebendes.<br />

Das Interview führte der Journalist<br />

Michael Schumacher<br />

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Marianne Ullmann<br />

geb. 1951 in Senden, lebt in Schwerte und<br />

auch gern lange und oft in Finnland.<br />

Studium Germanistik in Wuppertal.<br />

Übers. fi nn. Lyrik (Aila Meriluoto 1993).<br />

Veröffentl. in Lit.-<strong>Zeit</strong>schriften und<br />

Anthologien, u. a. zum Würth Literatur-<br />

Preis (1998) und Jugend Literaturpreis<br />

Landwirtschaftlicher Verlag Münster (2007).<br />

Zuletzt in „Karussell“ und „Versnetze_<br />

fünf“ (2012).<br />

Publikumspreis (Prosa) der Wuppertaler<br />

Literaturtage 1993<br />

Wiener Werkstattpreis für Prosa 2001<br />

Mitglied der GEDOK Wuppertal<br />

Generalprobe<br />

Marion trank im Stehen noch schnell eine<br />

Tasse Kaffee, schaute dabei auf die Uhr.<br />

„Almo, sag ruhig, dass ich <strong>wie</strong>der zu spät<br />

bin.“<br />

Sie biss noch in das Brötchen, wischte<br />

sich die Krümel von den Lippen, zog die<br />

Reisverschlüsse an den Stiefeln hoch und<br />

rief ihm zu:<br />

„Denk daran, den Fensterputzer anzurufen.<br />

Küsschen!“<br />

Durch die offene Tür wehte der Wind<br />

gelbe Blätter herein. Almo holte den<br />

Staubsauger und saugte den Steinfußboden<br />

ab. Er stand breitbeinig da <strong>wie</strong> seine<br />

Mutter immer gestanden hatte, wenn sie<br />

ihn schlug. Sie schlug ihn ohne Leidenschaft,<br />

aber mit <strong>einer</strong> gewissen zeitlichen<br />

Regelmäßigkeit, sachlich und nüchtern,<br />

manchmal auf Vorrat für einen Ungehorsam,<br />

der erst noch zu leisten war. Seinen<br />

Hund hatte sie erschossen, als Almo sich<br />

entschloss fürs Theater zu schreiben.<br />

In der Küche hing sein Papagei kopfüber<br />

an der Stange, knackte an den Sonnenblumenkernen<br />

herum und ließ die Schalen<br />

durch das Gitter fallen. Almo zog den<br />

Mülleimer unter der Spüle hervor, fegte<br />

den Dreck auf eine Kehrschaufel. Er kniete<br />

auf einem Bein und sah zu dem Vogel<br />

hoch.<br />

„Küsschen, du Geier.“<br />

Der Papagei drehte den Kopf und beobachtete<br />

ihn. Almo setzte sich an den<br />

Tisch und pickte mit den Fingern ein paar<br />

Krumen auf. Einige Futterkörner rieselten<br />

auf den Boden. Der Vogel setzte sich auf<br />

die Stange und krächzte:<br />

„Almo, Dummschwätzer.“<br />

Als Almo am Käfi g vorbei ins Schlafzimmer<br />

ging, hörte er es unter seinem Schuh


Unsere Kulturförderung<br />

ist gut für die Sinne.<br />

knirschen, im Vorbeigehen boxte er gegen<br />

die Käfi ggitter. Dann zog er <strong>aus</strong> dem Wäscheschrank<br />

die Metallkette hervor, legte<br />

sie dem Papagei um beide Füße und ließ<br />

den Vogel im Käfi g baumeln.<br />

Almo setzte sich an seinen Schreibtisch,<br />

beugte sich über sein Manuskript. Er fügte<br />

einen Brief in seinen halb fertigen Text ein,<br />

so als würde er an Marion schreiben. Er sei<br />

es leid, das Leben an ihrer Seite und was<br />

er denn für sie bedeute. Ob er nur noch<br />

ein Diminutiv verdiene, eilig hingehaucht<br />

durch den Spalt <strong>einer</strong> sich schließenden<br />

Tür. Küsschen. Ein Wort, das mit einem<br />

Ausatmen erledigt werden kann. Was<br />

er denn wäre, ein Bediensteter, der ihre<br />

Telefonate zu erledigen hätte? Sie lasse ihn<br />

spüren, was er in ihren Augen sei, jemand,<br />

der nicht teilhabe an ihrem Leben<br />

Almo versenkte sich in sein Bühnenstück,<br />

das von einem Ehepaar handelte, dessen<br />

anfängliche Liebe sich im Alltäglichen<br />

aufzulösen begann. Wenn die beiden Protagonisten<br />

miteinander redeten, bekamen<br />

ihre Worte jeweils eigene Bedeutungen, die<br />

den <strong>anderen</strong> verletzten.<br />

„Aber das trifft mich nicht“, ließ er die<br />

männliche Figur in seinem Text sagen. „Es<br />

sind nicht die Worte, die mich verletzen. Es<br />

sind die Sätze. Das, was sich bildet, wenn<br />

man Worte aneinanderfügt.“<br />

„So ein Quatsch! Das ist genau, was ich<br />

meine“, antwortete die weibliche Person.<br />

„Du weichst <strong>aus</strong>, stellst dich nicht, bist <strong>wie</strong><br />

ein Wurm, den man mit dem Spaten zerteilt<br />

hat.“<br />

„Nicht schlecht, deine Verteidigung, aber<br />

ohne Biss, das liegt schon an der schlecht<br />

<strong>aus</strong>gesuchten Metapher.“<br />

Almo deckte mit dem linken Arm das<br />

Blatt Papier ab, damit ihm niemand in<br />

den Text schaute. Der Papagei stützte<br />

sich mit dem Schnabel an s<strong>einer</strong> Stange<br />

ab und versuchte, die Füße <strong>aus</strong> der Kette<br />

zu ziehen. Metall schleifte gegen Metall<br />

und es hörte sich an, als würden Ketten in<br />

einem Verlies durch die Gänge schleifen.<br />

Almo störte sich nicht daran, er arbeitete<br />

konzentriert und fand sich in seinem Stück<br />

<strong>wie</strong>der. Er bedachte die Choreographie,<br />

<strong>wie</strong> die Beteiligten sich auf der Bühne<br />

anordneten, welche Wege sie zu gehen<br />

hätten, um deren Linien auf der Bühne als<br />

Muster nachzuzeichnen. Damit ließen sich<br />

Sparkassen-Finanzgruppe<br />

Kunst und Kultur prägen die gesellschaftliche Entwicklung. Die Sparkassen-Finanzgruppe ist der größte nicht-staatliche Kulturförderer<br />

Deutschlands. Auch die Stadtsparkasse Wuppertal ist ein wichtiger Partner für Kunst und Kultur in unserer Stadt. Das ist gut für<br />

die Kultur und gut für Wuppertal. www.sparkasse-wuppertal.de<br />

Sparkasse. Gut für Wuppertal.<br />

S<br />

ihre innere Aufgeregtheit, ihre Gefühlswelt<br />

aufdecken und Almo konnte ablesen,<br />

<strong>wie</strong> viel dramaturgische Fallhöhe er noch<br />

benötigte.<br />

Das Licht war das Sch<strong>wie</strong>rigste. Das<br />

bestimmte er, nicht der Techniker, der<br />

manchmal im falschen Moment die<br />

Vorbühne <strong>aus</strong>leuchtete und Personen<br />

hervorhob, die zwar gerade sprachen, aber<br />

nicht die Akteure waren. Nicht jeder, der<br />

spricht, zieht auch die Fäden des Geschehens.<br />

Er erinnerte sich an seinen Vater, der<br />

das Gewehr reinigte und den toten Hund<br />

wortlos begrub. Auch er war tatsächlich<br />

Akteur, er verwaltete den Tod. Als eine<br />

Kinderhand die Äste des Johannisbeerstrauchs<br />

umknickte, hob er nicht den<br />

Kopf. Vielmehr beugte sich der Vater noch<br />

tiefer und zurrte an dem Jutesack, um<br />

ihn in die Grube fallen zu lassen. Es blieb<br />

ein kl<strong>einer</strong> Hügel Erde übrig, den er mit<br />

dem Spaten schlug, um das Volumen des<br />

Tierkörpers unsichtbar zu machen. Dann<br />

bekreuzigte sich der Vater.<br />

Almo sägte <strong>aus</strong> dem Kirschbaum zwei Äste<br />

ab, um dar<strong>aus</strong> ein Kreuz zu bauen, das alle<br />

Büsche des jungen Gartens überragte. Die<br />

57


58<br />

Vögel benutzen es gern als Schlafbalken.<br />

Wo ihre Krallen das Holz berührten, waren<br />

Kratzspuren zu sehen.<br />

Es schellte. Almo erschrak. Der Papagei<br />

hing still herunter und starrte zum<br />

Eingang. Draußen stand ein Mann, der<br />

Bürsten und Wäscheklammern für ein<br />

Behindertenwerk verkaufte. Almo kam mit<br />

einigen Wäscheklammern in der Hand<br />

zurück, die er auf- und zuknipste, um sie<br />

zu prüfen. Er fand sie stramm genug und<br />

befestigte sie im Gefi eder des Vogels.<br />

Geschlossene Räume gibt es nicht im Theater,<br />

sogar Götter betreten die Bühne. Sie<br />

bringen ihre Himmel mit und bestimmen<br />

über das Schicksal der Menschen. Sie sind<br />

<strong>wie</strong> Gedanken, die überall sein können<br />

und doch Gefangene sind.<br />

Almo setzte Wasser für den Kaffee auf.<br />

Eine Prise Salz, ein wenig Kakao, das<br />

Rezept s<strong>einer</strong> Mutter. Auf dem Tisch stand<br />

noch immer das Frühstücksgeschirr. Eine<br />

letzte Fliege saß auf dem Zuckertopf und<br />

putzte sich nach einem <strong>aus</strong>giebigen Mahl.<br />

Almo beobachtete sie lächelnd, doch<br />

abwesend. Er befand sich mitten im Text<br />

auf dem Weg zum Ziel, kurz vorher, bevor<br />

man weiß, <strong>wie</strong> alles enden wird, man aber<br />

fürchtet, dass noch etwas Unverhofftes<br />

passieren kann.<br />

An diesem Punkt goss er das kochend heiße<br />

Wasser in die Kanne. Ein Kaffeeduft zog<br />

durch die Küche. Die Hoffnung, dass das<br />

sinnliche Erlebnis des Kaffeeaufbrühens<br />

ihn in einen Trancezustand versetzte, war<br />

zerplatzt. Er stand in der Küche und sah<br />

sich um. Die von Marion fl üchtig angelesene<br />

<strong>Zeit</strong>ung lag zerknickt auf dem Stuhl,<br />

der Leitartikel wirkte verstümmelt: ORD.<br />

Wie Ordnung, Lord oder Mord, oder<br />

Sport mit einem Druckfehler. Marion hinterließ<br />

ihm einige Buchstaben, <strong>aus</strong> denen<br />

er zwanghaft versuchte, etwas Sinnvolles<br />

<strong>wie</strong>derherzustellen. Sie war gedankenlos.<br />

Sie dachte nicht darüber nach, was sie<br />

anrichtete. Sie dachte nicht an die <strong>Zeit</strong>ung,<br />

nicht an die Buchstaben, die übrig bleiben<br />

würden und erst recht nicht an ihn.<br />

Er trug das Tablett mit dem Kaffee zum<br />

Schreibtisch und versuchte weiter zu<br />

schrei ben. Sein Blick wanderte zum Fenster,<br />

an dem draußen Herbstblätter klebten.<br />

Almo ging zum Telefon und rief den Fensterputzer<br />

an. Auf der Bühne könnte man<br />

auch ihn ins rechte Licht rücken und in<br />

Beziehung setzen zu den <strong>anderen</strong> Bühnen-<br />

fi guren. Vielleicht ließe sich ein Ehedrama<br />

daran entwickeln.<br />

Eine weitere männliche Person könnte<br />

das Geschehen voranbringen. Almo nahm<br />

sich vor, ihn zu fragen, was er von allem<br />

hielte. Er würde natürlich nicht wissen, um<br />

was es ging und was man von ihm wollte.<br />

Aber gerade diese Unbefangenheit würde<br />

Antworten hervorbringen, von denen Almo<br />

hoffte, dass sie ihn weiterbrächten mit<br />

seinem Manuskript. Eine Meinung müsste<br />

er aber äußern. Sogar der Papagei hatte eine<br />

Meinung.<br />

Almo ließ den Mann seine Arbeit tun und<br />

bot ihm an, sich zu setzen. Misstrauisch<br />

und widerwillig zog sich der Fensterputzer<br />

einen Stuhl heran und folgte der Bitte.<br />

„Lange habe ich keine <strong>Zeit</strong>“, sagte der Fensterputzer<br />

und zog gleichzeitig ein Päckchen<br />

Zigaretten hervor. „Darf ich?“<br />

Almo nickte und dachte an Marion, die die<br />

gleiche Marke rauchte. Er war sich plötzlich<br />

nicht mehr sicher, ob sich sein Besucher<br />

für eine tragische Figur in seinem Stück<br />

eignen würde. Wie er so dasaß in seinem<br />

blauen Kittel, schlecht rasiert, zwischen<br />

seinen dünnen Fingern die Zigarette. Leicht<br />

gebräunte Haut.<br />

„Wo verbringen Sie Ihren Urlaub?“<br />

„Im Sauerland“, war die Antwort.<br />

Almo war überrascht und begann, sich<br />

eifrig Notizen zu machen. Auch seine<br />

Protagonistin, die zufällig den Namen<br />

s<strong>einer</strong> Frau trug, hätte dort sein können.<br />

Bei einem Wellness-Wochenende in einem<br />

großen Hotel.<br />

Almo skizzierte weiter und baute das<br />

Bühnengeschehen <strong>aus</strong>. Der Fensterputzer<br />

wirkte nervös. Sein Blick suchte nach<br />

einem Aschenbecher, aber fand keinen. Mit<br />

dem Schuh rieb er die heiße Asche in den<br />

Teppich. Es roch leicht nach Kaminfeuer.<br />

Almo schaute auf und bat den Mann, es<br />

sich bequem zu machen, er wolle ihm nun<br />

Auszüge <strong>aus</strong> einem Bühnenstück vorlesen.<br />

Danach könne er sagen, <strong>wie</strong> es ihm gefalle.<br />

„Ich muss jetzt gehen“, sagte der Fensterputzer<br />

und scharrte unruhig mit seinen<br />

Arbeitsschuhen über den Teppich.<br />

Aber Almo schüttelte den Kopf. „Das<br />

können Sie nicht. Wir sind mitten in der<br />

Generalprobe und ich habe Sie gerade<br />

sterben lassen.“<br />

Marianne Ullmann<br />

Peter Krämer<br />

WP/StB<br />

Andreas Niemeyer<br />

WP/StB<br />

Thomas Pintzke<br />

StB<br />

Katrin Schoenian<br />

WP/StB<br />

Dr. Jörg Steckhan<br />

RA/WP/StB<br />

Peter Temmert<br />

WP/StB<br />

Anke Jagau<br />

RA/StB<br />

Susanne Schäfer<br />

StB<br />

Stephan Schmacks<br />

StB<br />

Matthias Aprath<br />

WP/StB<br />

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Wuppertaler als Kölner Musik-Legende<br />

Es gibt Namen berühmter Komponisten,<br />

die sofort und unmittelbar mit ihrer<br />

Geburtsstadt in Verbindung gebracht<br />

werden. Populärste Beispiele sind Wolfgang<br />

Amadeus Mozart mit Salzburg<br />

und Bonn mit Ludwig van Beethoven.<br />

Was diese beiden Legenden der Musikgeschichte<br />

für ihre Städte bedeuten, das<br />

ist Willi Ostermann für Köln. Die Zahl<br />

s<strong>einer</strong> Lieder ist kaum zu zählen. Was der<br />

von 1876 bis 1936 lebende „Krätzchensänger“<br />

komponiert hat, lebt noch heute<br />

und wird von populären Kölner Gruppen<br />

immer <strong>wie</strong>der gespielt. Sogar Josephine<br />

Baker hat ein Ostermann-Lied gesungen.<br />

Eines dieser fast 200 Lieder ist so etwas<br />

<strong>wie</strong> die Hymne der Stadt Köln:<br />

„Wenn ich su an ming Heimat denke<br />

un sin d’r Dom su vör mir ston,<br />

mööch ich direk op Heim an schwenke,<br />

ich mööch zo Foß no Kölle gon.“<br />

Es gibt in Köln eine einfl ussreiche Willi<br />

Ostermann-Gesellschaft, einen Ostermann-Brunnen<br />

und natürlich Bühnenstücke<br />

um diesen bis heute populären<br />

Künstler. Im Jahre 2004/2005 brachte<br />

der gebürtige Pfälzer Walter Bockmayer<br />

als Liebeserklärung an sein Köln die<br />

gefeierte Revue „…ich mööch zo Foß<br />

noh Kölle gonn.“ auf die Bühne des<br />

Scala-Theater am Hohenzollernring 48.<br />

Es folgte das Stück „Zwischen Himmel<br />

und Ääd“. Bockmayer ist der Entdecker<br />

von Veronica Ferres, Ralph Morgen-<br />

Ungeschminkt: Markus Dietz Foto: Kl<strong>aus</strong> Göntzsche<br />

stern und auch des kürzlich verstorbenen<br />

Dirk Bach. Sie alle wurden von<br />

dem schrillen, seinen Sch<strong>aus</strong>pielern<br />

immer alles abfordernden Intendanten,<br />

Regisseur und Drehbuchautor gefördert,<br />

ehe die große Öffentlichkeit auf<br />

sie aufmerksam wurde. Bach begann als<br />

Plattenaufl eger in der „Filmdose“ und<br />

die <strong>aus</strong> Solingen stammende, mittlerweile<br />

reichlich abgedrehte Kartoffelhändler-Tochter<br />

Veronica Ferres war die<br />

Magd in Bockmayers preisgekröntem<br />

„Geilerwally“-Film im Jahre 1988.<br />

Doch zurück zu Willi Ostermann und<br />

den beiden über 500 Mal mit <strong>einer</strong><br />

Auslastung zwischen 83 und 94 Prozent<br />

gespielten Stücken. Was niemand im<br />

Publikum bemerkte und auch bei<br />

Befragungen nach den Aufführungen<br />

keine Trefferquote hatte: der bejubelte<br />

Darsteller des Willi Ostermann mit<br />

lupenreinem kölschen Dialekt war<br />

der Wuppertaler Sch<strong>aus</strong>pieler Markus<br />

Dietz. Der am Arrenberg lebende<br />

Künstler gehört mit <strong>einer</strong> kleinen Musical-Unterbrechung<br />

in München seit<br />

59


60<br />

Markus Dietz als Willi Ostermann mit Gigi Herr als Zilla Zimmermann Markus Dietz als Winnetunt<br />

18 Jahren zum Bockmayer-Team. Der<br />

privat eher scheue und total unaufdringliche,<br />

gelernte Betriebsschlosser hatte mit<br />

Gigi Herr eine kaum zu übertreffende<br />

Sprachlehrerin. Gisela „Gigi“ Herr ist<br />

die Nichte der unvergessenen Trude<br />

Herr („Niemals geht man so ganz“) und<br />

sie spielt in den jährlich wechselnden<br />

Bockmayer-Stücken stets die weibliche<br />

Hauptrolle. Komischer als Gigi kann<br />

ihre Tante Trude nie gewesen sein.<br />

„Wally“ Bockmayer kommt alljährlich<br />

<strong>aus</strong> seinem Miami-Urlaub mit einem<br />

neuen Stück zurück nach Kölle. Sein an<br />

Kuriositäten nur schwer zu übertreffendes<br />

Leben hat Bockmayer in der extrem<br />

unterhaltsamen Biographie „Flammende<br />

Herzen“ niedergeschrieben.<br />

Obwohl er in Köln arbeitet, wohnt<br />

Markus Dietz unverändert in Wuppertal:<br />

„Ich bin doch in 45 Minuten im<br />

Theater. Wuppertal ist meine Heimatstadt,<br />

hier fühle ich mich wohl. Es ist<br />

schade, dass sich Wuppertal nach außen<br />

viel zu schlecht verkauft.“ Seine musikalischen<br />

Anfänge waren Auftritte mit<br />

dem Wuppertaler Fanfarenkorps. Das<br />

Bockmayer-Ensemble ist auch für ihn<br />

längst ein große Familie und in s<strong>einer</strong><br />

Zusammensetzung allein eine Art Naturereignis,<br />

das man erleben muss. Zart<br />

besaitete Charaktere allerdings sind im<br />

Scala-Theater fehl am Platze.<br />

Premieren am Hohenzollerning nicht<br />

weit entfernt vom Friesenplatz sind<br />

stets ein Treffen Kölner Gesangs- und<br />

sonstiger Künstler <strong>wie</strong> Hella von Sinnen<br />

mit Christine Scheel, King Size Dick, der<br />

Geierwally-Darstellerin Samy Orfgen,<br />

Janus Fröhlich von der Höhnern und<br />

die schon jetzt unsterbliche Kölner<br />

Motto-Queen Marie-Luise Nikuta. Das<br />

aktuelle Bockmayer-Stück trägt den<br />

Titel „Puddelrüh durch die Prämie“. In<br />

dem „Tortellini-Western“ spielt Markus<br />

Dietz den schwulen „Winnetunt“ und<br />

seine Bühnenmutter Gigi Herr (wird im<br />

Dezember 70) hat mit Anneliese Kolvenbach<br />

<strong>aus</strong>nahmsweise einen eher normalen<br />

Namen. Ein Riesen-Kompliment gab<br />

es im Kölner „Express“ nach der Premiere<br />

für den Wuppertaler mit dem Kölner<br />

Arbeitsplatz: „Star des Abends ist Markus<br />

Dietz als Winnetunt. So super-saudoof,<br />

total lieb und stimmlich exzellent war<br />

noch nie eine Rothaut.“ Mehr „Sahne“<br />

geht wirklich nicht. Gespielt wird bis<br />

Ende März 2013.<br />

Kl<strong>aus</strong> Göntzsche<br />

Fotos: Wolfgang Weimer (2)<br />

www.scala-koeln.de<br />

Karten-Tel.: 0221-4207593<br />

Preise:<br />

von 27,50 (Ü60- Rabatt) bis 41,50 Euro.


Foto Björn Ueberholz<br />

Orte der Ruhe<br />

von Matthias Dohmen<br />

Der Beyenburger See<br />

Rund eine Stunde benötigt der Wanderer,<br />

um den Beyenburger See einmalig zu<br />

umrunden. Beyenburg ist ein Mekka nicht<br />

nur für Wassersportler, sondern auch für<br />

Wanderer und für Radfahrer. Auch wenn im<br />

Ort selbst die Infrastruktur in den letzten 20<br />

Jahren stark gelitten hat, ist die gastronomische<br />

Versorgung rund um den See im Lauf<br />

der letzten Jahre sogar besser geworden.<br />

Der See selbst stößt an die Städte Wuppertal,<br />

Ennepetal und Radevormwald. Das<br />

Gewässer wird vor allem von der Wupper<br />

gespeist und vom Wupperverband betrieben,<br />

dem es gelungen ist, mit der Schaffung <strong>einer</strong><br />

Fischtreppe eine echte, zusätzliche Attraktion<br />

für Touristen von nah und fern zu schaffen.<br />

Anfang bis Mitte der 1950er-Jahre ist der<br />

Beyenburger St<strong>aus</strong>ee in s<strong>einer</strong> heutigen<br />

Form entstanden und 1954 endgültig in<br />

Betrieb genommen worden. Er hat sich<br />

einem zu Eldorado für den Kanusport<br />

entwickelt: Am östlichen Ufer befi nden sich<br />

die Vereinsheime des Vereins für Kanusport<br />

Wuppertal, der Wuppertaler Paddler-Gilde,<br />

des Wuppertaler Kanu-Clubs und des<br />

Eisenbahner-Sportvereins Wuppertal-Ost<br />

so<strong>wie</strong> auf der gegenüberliegenden Seite des<br />

Wassersportvereins Ennepetal. Die drei<br />

erstgenannten Vereine bildeten mit der<br />

Kanu-Sportgemeinschaft Wuppertal die in<br />

den 1970er- und 1980er-Jahren erfolgreichste<br />

deutsche Kanusportgemeinschaft.<br />

Im neuen Jahrhundert machen vor allem die<br />

Drachenbootfahrer des VfK von sich reden,<br />

die zahlreiche Titel bei Deutschen und bei<br />

Weltmeisterschaften erringen konnten.<br />

Über die Aktivitäten des Drachenbootfahrens,<br />

wozu 20 Paddler, ein Steuermann und<br />

ein Trommler gehören, kann man sich auf<br />

der Internetseite www.dragattack.info schlau<br />

machen. Ein Drachenboot kann auch für<br />

Betriebs<strong>aus</strong>fl üge, Schulklassen oder Geburtstagsfeiern<br />

gebucht werden.<br />

Wen es beim Umrunden des Sees dürstet<br />

oder nach <strong>einer</strong> Bockwurst, <strong>einer</strong> bergischen<br />

Waffel oder sonstigen Speisen verlangt, der<br />

61


62<br />

kann seinen Bedürfnissen in dem Eiscafé<br />

Cortina nachkommen, das seine Angebotspalette<br />

erheblich erweitert hat, oder die<br />

Gaststätte „Zur alten Bruderschaft“ aufsuchen,<br />

die beide im Ort selber liegen. Am östlichen<br />

Seeweg haben die Paddler-Gilde und<br />

der VfK ihre „Kantinen“ für die Öffentlichkeit<br />

geöffnet respektive <strong>aus</strong>gebaut; beim VfK<br />

heißt die Einrichtung „Café Bootsh<strong>aus</strong>“, in<br />

dem es am ersten, zweiten und dritten Adventswochenende<br />

einen „Weihnachtsmarkt<br />

im altdeutschen Stil“ geben wird.<br />

Das erst mit der Gemeindereform 1929 zum<br />

neuen Wuppertal geschlagene Beyenburg hat<br />

eine wechselvolle Geschichte. Es ist erstmals<br />

1303 als Beyenborch urkundlich erwähnt.<br />

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts gründeten<br />

Mönche das Kloster. Etwas später ist die<br />

Klosterkirche St. Maria Magdalena gebaut<br />

worden – im „Beyenburger Dom“, der weithin<br />

zu sehen ist, bewahrt man heute Reliquien<br />

der heiligen Odilia von Steinh<strong>aus</strong> auf.<br />

Das 1399 gegründete Amt Beyenburg<br />

umfasste die Kirchspiele Bamen, Lüttringh<strong>aus</strong>en,<br />

Radevormwald, Remlingrade und<br />

Ronsdorf. 1816 kam die Ortschaft als Teil<br />

von Lüttringh<strong>aus</strong>en in den Kreis Lennep.<br />

Gegründet wurde das Kreuzherrenkloster<br />

1298, fünfhundert Jahre später im Rahmen<br />

der napoleonischen Neuordnung Europas<br />

säkularisiert und 1964 neu geweiht. Die<br />

Errichtung des einschiffi gen spätgotischen<br />

Klosterkirche geht auf das Jahr 1485 zurück.<br />

Im Museum des H<strong>aus</strong>es Martfeld (Schwelm)<br />

befi ndet sich heute ein wertvolles Messbuch<br />

<strong>aus</strong> dem 15. Jahrhundert, das noch erhalten<br />

ist. Die Kreuzherren, die mit der Säkularisierung<br />

Beyenburg verlassen hatten, sind seit<br />

Klosterkirche St. Maria Magdalena in Wuppertal-Beyenburg, Steinh<strong>aus</strong> ...Kanzel<br />

1963 <strong>wie</strong>der vor Ort. Klostergebäude und<br />

Kirche sind vorbildlich <strong>wie</strong>der instandgesetzt<br />

und lohnen auch eine längere Anfahrt oder<br />

einen <strong>aus</strong>gedehnten Fußmarsch.<br />

Die Altstadt, auch Alt Beyenburg geheissen,<br />

scheint <strong>wie</strong> <strong>aus</strong> der <strong>Zeit</strong> gefallen. Da die Enge<br />

der Gassen <strong>einer</strong> Ansiedlung von Industrie<br />

entgegenstand, ist die alte Struktur bis auf<br />

den heutigen Tag weitgehend erhalten, zumal<br />

die katholische Enklave vom Bombenhagel<br />

des Zweiten Weltkriegs verschont blieb. Grau<br />

geschieferte Häuser mit den für das Bergische<br />

so typischen grünen Fensterläden und<br />

weißen Fensterkreuzen fi ndet man in stolzer<br />

Reihe entlang der Beyenburger Freiheit. Am<br />

H<strong>aus</strong> Nr. 18 steht ein großes Holzkreuz, von<br />

dem die Legende sagt, dass Beyenburg vom<br />

Feuer verschont bleibe, so lange das Kreuz in<br />

Ehren gehalten wird.


Ein Kleinod bildet auch der alte, 1888<br />

eröffnete Bahnhof, der heute von der Akademie<br />

für Sozialtherapie betrieben wird. Züge<br />

verkehren schon lange nicht mehr zwischen<br />

Beyenburg und Ober barmen auf der einen<br />

und Radevormwald auf der <strong>anderen</strong> Seite.<br />

An <strong>einer</strong> Wieder belebung der Strecke arbeitet<br />

aber – zielstrebig und mit glücklicher<br />

Hand – der Bergische Ring.<br />

Ausfl ugtipp<br />

Wuppertals östlichsten Stadtteil, das idyllisch gelegene<br />

Beyenburg, fi ndet man auf der Wanderkarte „Wuppertal und<br />

Als ältesten Verein Beyenburgs darf sich mit<br />

Fug und Recht die Schützenbruderschaft St.<br />

Annae et Katharinae betrachten, als deren<br />

Gründungsjahr 1383 angegeben wird (www.<br />

bruderschaft-beyenburg.de). Bedeutendster<br />

Sportverein der zum Stadtbezirk Langerfeld-<br />

Beyenburg gehörigen Teilortschaft ist der<br />

Bergische Turnerbund Beyenburg 1900 e. V.<br />

Als rühriger Chronist hat sich Gerd Helbeck<br />

Am Untergraben in Wuppertal-Beyenburg<br />

mit s<strong>einer</strong> 2007 und 2011 erschienenen<br />

zweibändigen – im Übrigen vom Verein für<br />

Heimatkunde Schwelm her<strong>aus</strong>gegebenen –<br />

Arbeit „Beyenburg – Geschichte eines Ortes<br />

an der bergisch-märkischen<br />

Grenze und seines Umlands“<br />

er<strong>wie</strong>sen.<br />

Matthias Dohmen<br />

Umgebung“ von GeoMap im Maßstab 1:25.000, Stand 2010,<br />

mit allen markierten Wanderwegen.<br />

Ebenso gibt es auch verschiedene Wanderführer, in denen<br />

der eine oder andere Weg Beyenburg streift. Einer davon ist<br />

der im Droste-Verlag erschienene Wanderführer „Der Wupperweg“,<br />

der den ca. 126 km langen markierten Wanderweg<br />

an der Wupper von der Quelle bis zum Rhein in 12 Etappen<br />

beschreibt.<br />

Der Wanderführer „20 Wanderungen im Ennepe-Ruhr-Kreis“<br />

enthält eine Wanderung am Beyenburger St<strong>aus</strong>ee und noch<br />

andere in der näheren Umgebung, erschienen ebenfalls im<br />

Droste-Verlag.<br />

Die Karte zum Preis von 7,55 Euro und die Wanderführer<br />

für jeweils 9,95 Euro sind erhältlich bei der<br />

Buchhandlung Baedeker,<br />

Friedrich-Ebert-Straße 31,<br />

42103 Wuppertal,<br />

Telefon 0202/305011<br />

63


64<br />

Vor dem Untergang noch einmal:<br />

Theater à la bonheur<br />

Christian von Treskow inszeniert mit<br />

„Trilogie der Sommerfrische“<br />

ein Goldoni-Triple von rarer Güte<br />

Inszenierung: Christian von Treskow<br />

Bühne: Jürgen Lier<br />

Kostüme: Dorien Thomsen<br />

Musik: Bastian Wegner<br />

Licht: Fredy Deisenroth<br />

Dramaturgie: Sven Kleine<br />

Jakob Walser, Hanna Werth<br />

Das hat dir der Teufel gesagt!<br />

Die Abrißbirne in den Köpfen<br />

Hier ist Bestes aufgeboten: Noch-<br />

Intendant Christian von Treskow hat am<br />

Noch-Sch<strong>aus</strong>pielh<strong>aus</strong> der Noch-Kulturstadt<br />

Wuppertal mit einem brillanten<br />

Noch-Ensemble den Kulturverantwortlichen<br />

der möglicherweise in naher Zukunft<br />

kulturlosen Bergischen Großstadt<br />

gezeigt, was das Wuppertaler Sch<strong>aus</strong>piel<br />

zu leisten im Stande ist. Theater allererster<br />

Güte nämlich, Theater, <strong>wie</strong> es besser<br />

nicht zu machen ist, Theater von der<br />

Qualität, die der Theaterstadt Wuppertal<br />

einst einen führenden Rang unter<br />

den besten Häusern der Bundesrepublik<br />

eingebracht hat. Christian von Treskow,<br />

der sich im September 2007 als Regisseur<br />

mit seinem „Urf<strong>aus</strong>t“ für Wuppertal<br />

empfohlen und 2009 auch als Opernregisseur<br />

(„Die Zauberfl öte“) reüssiert<br />

hatte, wäre der richtige Mann, dieses<br />

Theater quasi im letzten Moment am<br />

eigenen Schopf <strong>aus</strong> dem von der fahrläs-<br />

sigen Kommunalpolitik zu verantwortenden<br />

Sumpf zu ziehen – wenn man<br />

ihn denn ließe. Doch die Messer sind<br />

gewetzt – insgeheim wohl schon lange<br />

– um die Sch<strong>aus</strong>pielsparte Wuppertals<br />

zu schlachten, die Abrißbirnen poliert,<br />

um das wunderbare, denkmalgeschützte<br />

Sch<strong>aus</strong>pielh<strong>aus</strong> niederzureißen und dem<br />

lebendigen Kulturleben den Gar<strong>aus</strong><br />

zu machen. Ob dann auch wohl am<br />

Personal der hoch bezahlten Kulturverwaltung<br />

gespart werden wird, wenn man<br />

dem Theater die Mittel streicht?<br />

Keine Minute Langeweile<br />

Aber zurück zu Goldoni und der<br />

„Trilogie der Sommerfrische“, denn da<br />

gibt es im Gegensatz zur verkorksten<br />

Kulturpolitik reichlich zu lachen. Und<br />

zu bewundern. Ich weiß nicht, ob Theo<br />

Lingen je Goldoni gespielt hat, doch<br />

die Bewunderung für das Theater, die<br />

er 1969 in seinen Erinnerungen an


die Bühne manifestiert hat, teile ich<br />

mit ihm, nicht zuletzt <strong>aus</strong>gelöst und<br />

manifestiert durch Theaterabende <strong>wie</strong><br />

diesen, der voller Überraschungen,<br />

burlesker Späße, gekonnter Clownerien,<br />

herrlicher Charaktere, voller Spaß am<br />

Spiel und subkutan von tiefer Dramatik<br />

ist. Dreieinhalb Stunden, Wagner-<br />

Freunde kennen das, unterbrochen von<br />

zwei P<strong>aus</strong>en, dauert die Aufführung, ein<br />

langer Theaterabend, doch ich wüßte<br />

keinen Zuschauer – ich sprach in den<br />

P<strong>aus</strong>en mit einigen - der sich auch nur<br />

eine einzige Minute gelangweilt hätte.<br />

Das verdanken der Zuschauer und die<br />

geneigte Zuschauerin einem Ensemble<br />

(s.o.), das sich in bester Spiellaune zeigte<br />

so<strong>wie</strong> einem Buch und Gesamtkonzept,<br />

mit dem Christian von Treskow, dem<br />

berühmten Konzept Giorgio Strehlers<br />

folgend, alle drei Teile der Gesellschaftskomödie<br />

an einem Abend aufführt.<br />

Paßgenau unterstützen Bühnen- (Jürgen<br />

Lier) und Kostümbild (Dorien Thomsen)<br />

die fi ligrane, ideenreiche Kunst des<br />

Sch<strong>aus</strong>pielintendanten, der alle Register<br />

zieht, um mit Habgier, Eitelkeiten, Liebeswirren,<br />

Lügen, Leidenschaften und<br />

(einem) Happy End sein Publikum zu<br />

unterhalten und die Gesellschaftskritik<br />

von 1761 á jour zu führen.<br />

Theater à la bonheur<br />

Hohes Tempo, karikaturistisch treffend<br />

überzeichnete Charaktere, viel<br />

zu niedrige Türen für viel zu hoch<br />

aufgetürmte gepuderte Perücken,<br />

opulente, wörtlich zu nehmen decouvrierende<br />

Garderoben, ein vergleichsweise<br />

einfaches Bühnenbild – es muß<br />

ja gespart werden – so<strong>wie</strong> die fl otte<br />

Sprache der aufs Essentielle gekürzten<br />

neuen Übersetzung von Achim Gebauer<br />

sorgen für das pointenreiche Feuerwerk,<br />

welches auch ein verwöhntes Publikum<br />

dreieinhalb Stunden bei Laune und der<br />

Lachfrequenz wegen unter Atemnot<br />

hält. Das läßt man sich gerne gefallen.<br />

Hanna Werth in der Schlüsselrolle der<br />

Giacinta ist eine hinreißende, glanzvolle<br />

Neuentdeckung, Maresa Lühle als<br />

ihre Zofe Brigida sprüht vor burleskem<br />

Humor, Anne-Catherine Studer gibt das<br />

Dummerle Rosina über<strong>aus</strong> bezaubernd,<br />

Juliane Pempelforts Vittoria spritzt das<br />

Temperament <strong>aus</strong> allen Poren. Markus<br />

Haase liefert in der Rolle des Schnorrers<br />

und Mitgiftjägers Ferdinando, vor allem<br />

im Ringen mit der notgeilen Witwe<br />

Sabina (Julia Wolff), ebenso ein Kabinettstückchen<br />

ab <strong>wie</strong> Thomas Br<strong>aus</strong> als<br />

intriganter Schacherer Fulgenzio. Mal<br />

ganz abgesehen von seinem artistischen<br />

Auftritt in der ersten Szene, der sogleich<br />

die Aufmerksamkeit auf ihn lenkt, zeigt<br />

sich Heisam Abbas als Leonardo, über<br />

dem sich das Damoklesschwert des<br />

Dalles immer tiefer senkt, als ein von<br />

gesellschaftlichen Zwängen und persönlicher<br />

Eitelkeit getriebener bankrotter<br />

Livorneser Großbürger in perfekter Zerrissenheit.<br />

Wie die Genannten gibt auch<br />

das übrige Personal <strong>aus</strong> Glücksrittern<br />

und Lakaien, Dämchen und Stenzen ein<br />

Lehrstück, <strong>wie</strong> wunderbar, <strong>wie</strong> wichtig<br />

und unabdingbar Theater als Teil der<br />

täglichen Kultur ist. Der im Anschluß<br />

an die Vorstellung verlesene Appell des<br />

Ensembles zum Erhalt der Wuppertaler<br />

Sch<strong>aus</strong>piels war Ausdruck der berechtig-<br />

links:<br />

Anne-Catherine Studer, Hendrik Vogt<br />

rechts:<br />

An Kuohn, Jochen Langner<br />

ten Empörung allein darüber, daß eine<br />

Stadt <strong>wie</strong> Wuppertal sich sein Sprechtheater<br />

künftig quasi nur noch als verstümmelten<br />

Appendix eines unter einem<br />

übermächtigen Leiter verschmolzenen<br />

Orchester- und Opern-Sparte „halten“<br />

will. Das klingt <strong>wie</strong> ein Scherz, ist aber<br />

bitterer Ernst.<br />

Jetzt zugreifen!<br />

Wer also in Wuppertal noch einmal in<br />

Theater à la bonheur schwelgen will,<br />

erwerbe fl ugs Eintrittskarten für Carlo<br />

Goldonis „Trilogie der Sommerfrische“.<br />

Es lohnt. Und mehr Goldoni <strong>aus</strong><br />

Christian von Treskows Hand bietet<br />

seit gestern die Wiederaufnahme s<strong>einer</strong><br />

turbulenten Inszenierung von „Diener<br />

zweier Herren“.<br />

Frank Becker<br />

Fotos Uwe Stratmann<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.wuppertaler-buehnen.de<br />

65


66<br />

Die Pasta Opera besucht Wuppertal<br />

Wer bei Konzerten gerne still sitzt und sich<br />

vielleicht sogar daran erfreut, den räuspernden<br />

Nachbarn mit bösen Blicken zur Ruhe<br />

zu stellen, der sollte bei der „Pasta Opera“<br />

lieber zu H<strong>aus</strong>e bleiben. Mit Schwung und<br />

Laune singt, tanzt und musiziert das<br />

Ensemble um Julia Regehr, während ihre<br />

Gäste festlich speisen.<br />

Schon mal bei Pina B<strong>aus</strong>ch die Stulle<br />

<strong>aus</strong>gepackt? Oder bei einem Haydn-<br />

Streichquartett das Forte für einen<br />

kräftigenden Schluck Wein benutzt? Was<br />

uns heute so ungebührlich vorkommen<br />

würde, war früher tatsächlich die Regel.<br />

Während die Musik spielte, wurde gegessen<br />

und getrunken. Man hat sich unterhalten,<br />

ist von Tisch zu Tisch spaziert:<br />

Zwischendurch wurde auch gern mal<br />

applaudiert, wenn der Cembalist mal<br />

<strong>wie</strong>der besonders virtuos extemporiert<br />

hatte. Zum stille Sitzen war die Kirche<br />

da. Bei der weltlichen Tafelmusik waren<br />

Musik und Musikanten stimmungsvolles<br />

Dekor, die <strong>wie</strong> der prunkvolle Raum<br />

oder das opulente Mahl dem Wohlleben<br />

der geniessenden Teilnehmer dienten.<br />

Erst mit der Konzertsaalreform<br />

vor gut hundert Jahren bürgerte sich<br />

unser heutiges bürgerlich-musikalisches<br />

Wohlverhalten ein: nicht kippeln, nicht<br />

schwätzen und die Hände auf den<br />

Schoß. Dieser Kodex gilt inzwischen<br />

recht strikt für alles, was wir zumindest<br />

in Deutschland unter die Ernste Musik<br />

einsortieren. Jazzhörer dagegen rauchen,<br />

bis der Saxofonist hustend umkippt. Der<br />

Punk der 80er Jahre wirft nicht nur Bierbecher,<br />

sondern darf auch dar<strong>aus</strong> trinken.<br />

Der elektronische Musikfreund nippt an<br />

mit Wodka versetzten Engery-Drinks,<br />

die von mächtigen Bässen geschüttelt<br />

werden, die dann <strong>wie</strong>derum auch ihn<br />

zum zappeln bringen.<br />

Opern- und sinfonische Freunde<br />

dagegen werden in ihre Schulzeit zurück<br />

versetzt: erst stundenlanges Ruhigsitzen<br />

mit Frontaldarstellung. Dann applaudiert<br />

man mit Freude der grossen P<strong>aus</strong>e.<br />

Nach längerem Anstellen gibt es gibt<br />

lauwarme Getränke und belegte Brötchen.<br />

Schon läutet ein lautes Klingeln die<br />

nächste Runde ein: weiter geht’s mit dem<br />

gebührenden Ernst des Lebens.<br />

Bei Hofe war eine solche Etikette<br />

überhaupt nicht gefragt. Konzerte waren<br />

Lust und Laune, Musik ein Teil des


Wohlergehens, und nicht Teil <strong>einer</strong> disziplinarischen<br />

Massnahme. Das Schicksal<br />

des hustenden Jazzers blieb den Hofmusikern<br />

zwar erspart. Aber auch nur, weil<br />

im 18. Jahrhundert der Tabak vor<strong>wie</strong>gend<br />

geschnupft wurde. Ludwig der XIV.<br />

war <strong>einer</strong>seits ein erklärter Tabaksfreund,<br />

andererseits Rauchgegner und zudem<br />

Vorbild für alle <strong>anderen</strong> Fürsten Europas.<br />

Und so zupsten bald Adel <strong>wie</strong> Volk mit<br />

spitzen Fingern den gerapselten Tabak<br />

<strong>aus</strong> mehr oder minder wertvollen Döschen<br />

<strong>aus</strong> Porzellan und Gold und Silber.<br />

Geraucht wurde erstmal nur in<br />

Spanien. Napoleonische Soldaten<br />

brachten die Zigarre später <strong>aus</strong> Spanien<br />

mit, argwöhnisch beobachtet von den<br />

herrschenden (und schnupfenden) Häusern.<br />

Bei den Preussen galt das Rauchen<br />

auf offener Strasse sogar als „Aufl ehnung<br />

gegen die herrschende Staatsgewalt“,<br />

war dementsprechend bei Strafe verboten.<br />

Heute ist es genau umgekehrt:<br />

wer raucht, muss sogar dr<strong>aus</strong>sen stehen.<br />

Insbesondere, wenn gleichzeitig gegessen<br />

werden soll.<br />

Es gilt keine Ausnahme, auch wenn<br />

die Musiken der berühmtesten Zigarrendreherin<br />

der Kulturgeschichte auf dem<br />

Spielplan steht. Während des „Toreadors“<br />

<strong>aus</strong> Carmen darf bei der „Pasta<br />

Opera“ gegessen, getrunken, geprostet<br />

und sogar geschnupft werden. Wer lieber<br />

rauchen geht, ist selber schuld. Er verpasst<br />

nämlich eines der vielen Kabinettstückchen<br />

(ohne jetzt zuviel zu verraten<br />

wollen).<br />

Die „Pasta Opera“ nimmt sich und<br />

das höfi sche Genussspektakel dabei so<br />

ernst, <strong>wie</strong> es für eine echte Komödie notwendig<br />

ist. Dabei bleibt dann auch kein<br />

Auge trocken. Sei es, weil im Sinne <strong>einer</strong><br />

anarchischen Opera Buffa schmetternde<br />

Tenöre durchs Publikum chargieren.<br />

Oder wenn bei „Una furtiva lacrima“<br />

<strong>aus</strong> Gaetano Donizettis „Liebestrank“<br />

<strong>aus</strong> unbändigem Spass tragischer Ernst<br />

her<strong>aus</strong>funkelt und das Klappern des<br />

Bestecks auf den Tellern zum Verstummen<br />

bringt. Manch <strong>einer</strong> muss schon<br />

zwischendurch mit s<strong>einer</strong> Serviette die<br />

feucht gewordenen Augen klären, damit<br />

er sein Weinglas <strong>wie</strong>der fi ndet.<br />

Es ist ein Top of the Pops der Opernwelt,<br />

das Julia Regehr und ihr Ensemble<br />

für den Genussmenschen von heute<br />

neu zubereiten. Was ganz der höfi schen<br />

Konzertpraxis von damals entspricht.<br />

Sollte sich ein König, Herzog oder eine<br />

<strong>wie</strong> auch immer geartete Nobilität etwa<br />

den Kaprizien eines subalternen, meist<br />

bürgerlichen Komponisten oder Konzertmeisters<br />

unterwerfen? Erlaubt ist, was<br />

gefällt. Nämlich, dem Publikum (und<br />

Publikum <strong>wie</strong> Staat, c‘est moi, sprach<br />

schon der große Ludwig).<br />

Derart frei im Ablauf waren denn<br />

auch die Vorstellungen angelegt. Die<br />

Uraufführung von Georg Friedrich<br />

Haendels „Wassermusik“ etwa beschrieb<br />

der „Daily Courant“ am 19. Juli 1717<br />

folgendermaßen: „Am Mittwoch abend,<br />

67


68<br />

ungefähr um acht, begab sich der König in<br />

einem offenen Schiff auf eine Bootsfahrt …<br />

und fuhr, von vielen <strong>anderen</strong>, mit Standespersonen<br />

besetzten Booten, begleitet, fl ussauf<br />

nach Chelsea. Ein Schiff der Stadtgilde<br />

trug die Musiker, die über 50 Instrumente<br />

jeglicher Art verfügten. Sie spielten die<br />

ganze <strong>Zeit</strong> die schönsten, besonders für diese<br />

Lustfahrt von Mr. Händel komponierten<br />

Sinfonien, welche S<strong>einer</strong> Majestät derart<br />

gefi elen, dass sie auf dem Hin- und Herweg<br />

dreimal <strong>wie</strong>derholt werden mussten.„<br />

Hätte ein Gewitter damals den<br />

Ausfl ug abgekürzt, wäre zwar die Bootsfahrt<br />

ins Wasser gefallen gewesen. Dem<br />

Musikgenuss hätte dies nicht geschadet.<br />

Ob die drei Suiten mit ihren insgesamt<br />

19 Sätzen ihr ein dreimaliges Da Capo<br />

bekommen hätten, oder nach Satz zwölf<br />

die Landfl ucht begonnen hätte: Haendels<br />

Werk ist kein durchkomponiertes,<br />

abgeschlossenes Gesamtkunstwerk -<br />

sondern eben schmückendes Beiwerk <strong>einer</strong><br />

prachtvollen Bootspartie. Das Schiff<br />

voller Musiker diente dem Herrscher<br />

dabei als <strong>einer</strong> Art barockes Autoradio.<br />

Ganz in Haendels Sinne pfl ückt<br />

Julia Regehr für ihre „Pasta Opera“<br />

deshalb einen eklektizistischen Str<strong>aus</strong>s<br />

schönster Opernblumen. Komplettiert<br />

das Menü auf den Tellern mit <strong>aus</strong>gewählten<br />

Zutaten <strong>aus</strong> der Welt der Oper.<br />

Die Rokoko-Kostüme, die schönen<br />

Stimmen, das grosse Essen, die <strong>aus</strong>serordentliche<br />

Umgebung - alles zusammen<br />

reisst den Gast <strong>aus</strong> seinem Alltag. An<br />

Stelle von CD-Spieler und „Essen ist<br />

fertig“ öffnet sich eine Phantasiewelt<br />

unschuldiger Pläsiere. Mehr Hollywoodschaukel<br />

als harter Konzertklappstuhl,<br />

mehr Neuschwanstein und Disneyland<br />

als Musikarchäologie auf Originalinstrumenten.<br />

Denn die „Pasta Opera“ greift zwar<br />

die höfi sche Aufführungspraxis des Rokoko<br />

auf, ist aber alles andere als mühselig<br />

rekonstruierte Historie. Schliesslich<br />

wollen wir ja auch keine Schwanenschenkel<br />

auf dem Teller haben, bloß<br />

weil das damals auf der fürstlichen<br />

Tageskarte stand (von den barocken<br />

Hygieneunsitten ganz zu schweigen).<br />

„Pasta Opera“ ist ansteckende Freude<br />

am Genuss. Hier wird nicht nur mit<br />

Verdi, Puccini und Rossini gefeiert und<br />

getrunken, gesungen und gespielt. Man<br />

sitzt mittendrin, isst und trinkt und<br />

l<strong>aus</strong>cht und lacht. Und wenn der Abend<br />

dann vorbei ist, bitte nicht vergessen: egal,<br />

ob „Così fan tutte“, „Traviata“ oder „La<br />

Bohème“. Beim nächsten Konzertbesuch<br />

ploppt der Sektkorken <strong>wie</strong>der nur im Foyer,<br />

ist jedes Hüsteln ein Kapitalverbrechen<br />

und wer zu früh klatscht, hat verloren.<br />

Hubert Gertis<br />

Fotos: Bernd Schönberger<br />

Restaurant Rossini<br />

Historische Stadthalle Wuppertal<br />

Johannisberg 40, 42103 Wuppertal<br />

Telefon 0202 - 455903<br />

www.culinariacatering.de<br />

Termine:<br />

Donnerstag, 13. 12. 2012, 19:30 Uhr<br />

Donnerstag, 24. 01. 2013, 19:30 Uhr<br />

Tickets:<br />

Telefon 030 - 7886644<br />

www.pastaopera.de


…am Umzugskarton !<br />

Das Heft, das keine Stimme hatte<br />

Dorothea Renckhoff<br />

Studium Theater- u. Literaturwissenschaft,<br />

Theorie des Films Ruhr-Universität Bochum;<br />

Praktika an Theatern u. als Kulturjournalistin<br />

Erstes Engagement am Sch<strong>aus</strong>pielh<strong>aus</strong><br />

Bochum bei Peter Zadek (Assistentin Regie/<br />

Dramaturgie), später Dramaturgin Freie<br />

Volksbühne Berlin, Regieassistentin u. Autorin<br />

WDR-Fernsehen, Leitende Dramaturgin<br />

Rheinisches Landestheater, Chefdramaturgin<br />

Städtische Bühnen Münster.<br />

Beendigung der Theaterkarriere, da eine<br />

führende Position am Theater mit den<br />

familiären Anforderungen (verheiratet, zwei<br />

Kinder) nicht mehr vereinbar war.<br />

Seitdem freischaffend in Köln als Autorin<br />

und literarische Übersetzerin.<br />

Seit 2008 Mitglied im PEN-Club.<br />

Dorothea Renckhoff, Foto: Frank Becker<br />

Horch doch mal… Plötzlich fi ng das Liederalbum neben ihm<br />

‚Passen Sie doch auf!’ rief das Telefonbuch,<br />

als der Bildband ihm auf den Deckel fi el.<br />

‚Sie sehen doch, dass ich keinen festen<br />

Einband habe!’<br />

Es wurde jetzt ziemlich voll im Umzugskarton.<br />

Unten drin langweilten sich schon<br />

seit Stunden eine Wolldecke und ein paar<br />

dicke Sofakissen miteinander, und jetzt<br />

hatte man noch ein paar Bücher oben<br />

drauf gepackt, unsortiert, <strong>wie</strong> es grade<br />

kam. Bücher, die ständig benutzt wurden<br />

- darum landeten sie zuletzt in der Kiste<br />

– und andere, die beim Ausräumen der<br />

Wohnung <strong>aus</strong> irgendwelchen verstaubten<br />

Winkeln ans Licht gekommen waren.<br />

Der Bildband gab dem Telefonbuch keine<br />

Antwort; er war sehr vornehm, aber ebenso<br />

schweigsam: in seinem Innern waren viele<br />

berühmte Gemälde abgedruckt, aber wenig<br />

Text. Das Telefonbuch schimpfte hastig<br />

weiter vor sich hin; es sprach immer ganz<br />

schnell und leise, weil es so furchtbar viele<br />

winzig klein gedruckte Zeilen enthielt.<br />

Aber weil es so dick war, geriet es dabei<br />

leicht außer Atem und musste husten.<br />

an zu singen. ‚Was soll das jetzt <strong>wie</strong>der!’<br />

empörte sich das Telefonbuch. ‚Ein<br />

Gesang geht auf uns nieder!’ quiekte ein<br />

kl<strong>einer</strong> Band mit abgewetztem hellblauem<br />

Leinendeckel, ‚hört, das ist ein Seifensieder!’<br />

‚Ach lassen Sie doch den Quatsch!’<br />

schalt das Telefonbuch. ‚Sonst machen Sie<br />

wohl Patsch, und ich fl ieg in den Matsch?’<br />

kicherte das kleine Buch.<br />

‚Wie herrlich, <strong>wie</strong>der unter Seinesgleichen<br />

zu sein!’ jubelte jetzt jemand von der<br />

<strong>anderen</strong> Seite. Dort lag ein ramponiertes<br />

Kochbuch mit abwaschbarem Umschlag.<br />

Seit Jahren hatte es mit k<strong>einer</strong> Seele reden<br />

können, weil es ganz allein auf einem<br />

Regal in der Küche gestanden hatte, neben<br />

den Kaffeebechern, und die redeten in<br />

<strong>einer</strong> <strong>anderen</strong> Sprache, wenn sie überhaupt<br />

ein Wort <strong>aus</strong> ihren sauber gespülten Mündern<br />

brachten. Jetzt verlor das Kochbuch<br />

beinah die Seiten vor Freude darüber, dass<br />

es endlich s<strong>einer</strong> Einsamkeit entronnen<br />

war. ‚Sollten wir uns nicht miteinander bekannt<br />

machen, wenn wir schon zusammen<br />

69


70<br />

verreisen?’ fragte es und klappte höfl ich<br />

den Deckel auf, so dass man seine erste<br />

Seite sah, und auf der stand gar nichts, da<br />

waren nur ein paar eingetrocknete Spritzer<br />

Tomatensauce. Aber das ist eben die Art,<br />

<strong>wie</strong> Bücher sich untereinander begrüßen<br />

– so eine Mischung <strong>aus</strong> Winken und Verbeugung.<br />

Ein schmuddeliges Taschenbuch<br />

mit einem Segelschiff als Umschlagbild<br />

erwiderte den Gruß, und dann stellten die<br />

Beiden sich in aller Form vor, indem sie<br />

das leere Vorsatzblatt umwendeten und die<br />

nächste Seite mit ihrem Titel zeigten, und<br />

dazu nannten sie ihren Namen. ‚Kochen<br />

für jeden Tag,’ sagte das Kochbuch, und<br />

‚Schatzinsel’ antwortete das schmuddelige<br />

Taschenbuch. ‚Insel?’ piepste das kleine<br />

Blaue dazwischen, ‚wo hab ich meinen<br />

Pinsel?’<br />

Plötzlich schwirrte der Karton von<br />

Stimmen und Namen. ‚Robinson Crusoe!’<br />

– ‚Niels Holgerssohn!’ – ‚Gifte und<br />

Vergiftungen!’ klang es durcheinander, und<br />

das Liederalbum sang dazu mit schallender<br />

Stimme. Die Sofakissen hörten neidisch<br />

zu, denn sie konnten weder singen noch<br />

sprechen.<br />

‚Andersen-Märchen’, sagte ein heller Band.<br />

Auf seinem Deckel schlief ein kleines<br />

Mädchen in <strong>einer</strong> Nussschale unter einem<br />

Rosenblatt. ‚Dich kenn ich ein paar Jährchen,’<br />

kicherte das kleine Blaue. Es war<br />

auf dem Rücken mit braunem Klebeband<br />

gefl ickt, aber dennoch gut gelaunt. ‚Ich bin<br />

das Reimlexikon,’ fügte es hinzu, ‚ich war<br />

noch nie im Stadion!’ ‚Reimlexikon?’ fragte<br />

das Telefonbuch, ‚was soll das denn sein?’ –<br />

‚Schau doch mal in mich hinein,’ jauchzte<br />

das Reimlexikon, ‚schreibst du jemals ein<br />

Gedicht, und du weißt die Reime nicht,<br />

dann schlag einfach in mir nach – Reime<br />

weiß ich t<strong>aus</strong>endfach! Flinker – Trinker –<br />

linker – Stinker…’<br />

Doch da hörte man plötzlich jemand<br />

weinen. Ganz leise, als weinte da jemand,<br />

der eigentlich gar keine Stimme hatte.<br />

Und doch musste sein Kummer so groß<br />

sein, dass alle Bücher dieses Weinen hören<br />

konnten. Sogar das Reimlexikon verstummte<br />

und l<strong>aus</strong>chte. Und dann sahen sie es. Das<br />

Weinen kam <strong>aus</strong> einem leeren Heft, das<br />

raschelte mit den unbeschriebenen Seiten,<br />

und fast klang es <strong>wie</strong> ein Flüstern. Aber es<br />

konnte nichts sagen, denn es war ja leer.<br />

Und dann klappte es ganz weit <strong>aus</strong>einander,<br />

<strong>wie</strong> ein Mensch, der die Arme <strong>aus</strong>breitet,<br />

wenn er jemanden kommen sieht, den er<br />

sehr lieb hat und der lange fort war. Man<br />

konnte es ganz deutlich erkennen, das Heft<br />

hatte Sehnsucht. Und die Bücher hörten<br />

das Weinen im Rascheln der leeren Seiten,<br />

und ein ganz leises, fast tonloses Flüstern:<br />

’Ich will auch eine Stimme haben und<br />

sprechen <strong>wie</strong> ihr!’<br />

Es wurde still in der Kiste. Nur das Reimlexikon<br />

suchte leise murmelnd nach einem<br />

Reim auf Stimme, und das Liederalbum<br />

summte etwas Beruhigendes, aber das war<br />

nur ein Zeichen dafür, dass k<strong>einer</strong> einen Rat<br />

wusste. Aber alle dachten verzweifelt nach.<br />

Sogar der schweigsame Bildband suchte<br />

nach einem Trost: ‚Es ist gar nicht schlimm,<br />

wenn man nicht sprechen kann,’ erklärte er,<br />

‚es wird so<strong>wie</strong>so viel zuviel Unsinn geredet,’<br />

und alle stellten erstaunt fest, was für eine<br />

wunderschöne tiefe Stimme er hatte. Aber<br />

das Heft raschelte immer bitterlicher, sogar<br />

sein Umschlag fi nd an zu zittern.<br />

Plötzlich klappte das Märchenbuch sich auf<br />

und zeigte ein Bild von einem Mädchen<br />

mitten im Meer. ‚Es gibt einen Weg;’ sagte<br />

es zu dem Heft, ‚du kannst eine Stimme<br />

bekommen,’ und das Heft hörte auf zu<br />

rascheln und l<strong>aus</strong>chte gespannt. ‚Du kannst<br />

eine Stimme bekommen,’ <strong>wie</strong>derholte das<br />

Märchenbuch. ‚Wenn ein Mensch dein<br />

Freund wird und mit einem Stift oder mit<br />

Tinte in dich hineinschreibt, oder Bilder auf<br />

deine Seiten zeichnet, dann bekommst auch<br />

du eine Stimme, dann kannst du sprechen<br />

<strong>wie</strong> wir.’<br />

Und jetzt redeten alle durcheinander, denn<br />

jeder wollte einen Vorschlag machen, <strong>wie</strong><br />

das Heft am besten einen menschlichen<br />

Freund bekommen könnte. Das Kochbuch<br />

wollte es mit in die Küche nehmen,<br />

‚vielleicht kriegst du ein paar Fettfl ecke,<br />

aber sie schreiben bestimmt Rezepte in dich<br />

rein!’ rief es aufgeregt. Das Reimlexikon<br />

kannte einen Herrn, der immer Gedichte<br />

auf gebrauchte Papierservietten schrieb, der<br />

würde sich bestimmt über ein schönes Heft<br />

freuen. Jeder hatte eine bessere Idee, und<br />

schließlich legte das Märchenbuch das Heft<br />

auf eines der Sofakissen und strich ihm<br />

noch mal mit der Umschlagklappe über den<br />

Rücken, und das Heft zuckte nur noch kurz<br />

mit den Seiten, als müsste es ein letztes Mal<br />

aufschluchzen, und dann schlief es getröstet<br />

ein, denn es war vom vielen Weinen furchtbar<br />

müde geworden.<br />

Die Bücher aber unterhielten sich nur noch<br />

mit gedämpfter Stimme, um das Heft nicht<br />

zu wecken.<br />

Freunde wirft man nicht zum Altpapier<br />

‚Wie lange müssen wir denn jetzt hier drin<br />

sitzen?’ fragte der dicke Wälzer, der sich<br />

als Nils Holgersson vorgestellt hatte, ‚man<br />

kriegt ja kaum Luft in diesem Karton!’<br />

‚Ja,’ sagte jemand <strong>aus</strong> der Ecke der Kiste, ‚du<br />

bist mit den Wildgänsen gereist, vielleicht<br />

leidest du in dieser Enge fast so sehr <strong>wie</strong> ich.’<br />

Alle reckten sich, um zu sehen, wer da<br />

sprach. Es war eine große alte Weltgeschichte<br />

mit wunderbar verziertem Einband. Bis<br />

jetzt hatte sie still für sich auf einem eigenen<br />

Kissen gelegen, und man merkte sofort,<br />

dass sie sehr vornehm sein musste, denn die<br />

Ränder ihrer Seiten waren vergoldet. Darum<br />

duzte sie auch alle <strong>anderen</strong> Bücher, ohne<br />

um Erlaubnis zu fragen. ‚Ich bin nämlich<br />

an einen Ehrenplatz im Schrank gewöhnt,<br />

ganz für mich allein,’ erklärte sie, und dann<br />

erhob sie sich und zeigte die goldenen<br />

Blumenranken auf ihrem schönen Rücken.<br />

Die Bücher waren sehr beeindruckt. Nur<br />

das Telefonbuch lachte in sich hinein, denn<br />

es hatte als einziges den vorderen Deckel der<br />

Weltgeschichte gesehen, wo ein hässlicher<br />

dunkler Ring von einem feuchten Glas auf<br />

dem feinen Leder zurückgeblieben war.<br />

‚Ich hätte wohl auch beim Umzug Anspruch<br />

auf bevorzugte Unterbringung,’ fuhr die<br />

Weltgeschichte fort, ‚aber es hat keinen<br />

Sinn, sich deswegen aufzuregen, das wirbelt<br />

nur den Staub auf. Morgen ist es geschafft,<br />

und jeder kommt an den Platz, wo er<br />

hingehö….’<br />

Doch da fl og ihr mit lautem Klatschen etwas<br />

auf den Rücken. Es war ein Computer-<br />

Lehrbuch, das gellend schrie. Man konnte<br />

es kaum verstehen, es klang <strong>wie</strong> ‚Wiiiiill<br />

niiiicht’ - - und ‚Papiiiiiiiier’ - -, und dabei<br />

zuckte es vor Angst und fl atterte mit allen<br />

Seiten. ‚Es will nicht in den Papier-Container,’<br />

übersetzte ein kleines Wörterbuch,<br />

denn zum Übersetzen war es ja gemacht.<br />

– ‚Ich hab Aaaaangst!’ heulte das Computer-<br />

Lehrbuch, ‚meine ganze Familie ist im<br />

Papier-Container gelandet, und jetzt bin ich<br />

dran! Es ist ein schrecklicher Tod, man wird<br />

mit dem Lastwagen abgeholt und zerrissen<br />

und zerfetzt!’ Und dann blieb ihm vor Angst<br />

die Stimme weg.<br />

‚Papier-Container?’ fragte das Kochbuch<br />

mitleidig, ‚aber das ist ja furchtbar! Habt<br />

ihr das gehört?’ wandte es sich an die


andern, aber die gaben keine Antwort,<br />

einige rückten sogar ein bisschen von<br />

dem Computer-Buch ab, als hätte es eine<br />

ansteckende Krankheit. Nur die Schatzinsel<br />

sah sich um und überlegte, ‚können Sie sich<br />

nicht irgendwo verstecken?’ schlug sie vor,<br />

‚vielleicht unter den Sofakissen?’<br />

‚Versteck dich bei den Sofakissen,’ alberte<br />

das Reimlexikon, ‚sonst wirst du morgen<br />

früh zerrissen! Darauf weiß ich noch einen<br />

Reim,’ fügte es hinzu und lachte über seinen<br />

eigenen Witz, ‚aber den kann ich in so vornehmer<br />

Gesellschaft nicht benutzen,’ und es<br />

schielte zu der Weltgeschichte hinüber, die<br />

sich gerade angeekelt unter dem Computer-<br />

Lehrbuch wegzuwälzen suchte. Aber das<br />

fand gerade seine Stimme <strong>wie</strong>der: ‚Ja, habt<br />

ihr denn alle keine Ahnung, was los ist?’<br />

fragte es ungläubig. ‚Meint ihr, ich bin als<br />

einziger fürs Altpapier bestimmt? Die ganze<br />

Kiste hier wird morgen zum Container<br />

gebracht! Die andern Bücherkartons sind<br />

alle längst fort; die Wohnung ist leer; wir<br />

sind mit dem Müll zurückgeblieben, mit<br />

uns ist es <strong>aus</strong>!’<br />

Niemand sagte etwas. Plötzlich schien es<br />

eisig kalt im Karton zu sein. Alle starrten<br />

einander in panischem Entsetzen an.<br />

‚Ich dachte, wir ziehen bloß um,’ fl üsterte<br />

das Liederalbum. ‚Ich hab ja befürchtet,<br />

dass es eine lange, unbequeme Reise<br />

wird…’ nickte das Wörterbuch. ‚Oder dass<br />

man einen schlechteren Platz im Schrank<br />

bekommt,’ ergänzte der Bildband. – ‚Aber<br />

zum Altpapier??’ Dem Liederalbum war die<br />

Lust zum Singen vergangen.<br />

‚Was machen wir denn jetzt?’ fragte das<br />

Kochbuch verzweifelt. ‚Das können wir<br />

uns doch nicht so einfach gefallen lassen!’ –<br />

‚Was sollen wir denn machen!’ antwortete<br />

die Schatzinsel resigniert, ‚es sind schon<br />

hübschere Bücher als ich in den Container<br />

gewandert,’ und sie zeigte betrübt ihren<br />

schmuddeligen Einband. – ‚Das mag ja für<br />

dich gelten,’ bemerkte die Weltgeschichte<br />

verärgert, ‚aber seht mich doch an, Lederband,<br />

Goldschnitt, so was wirft man doch<br />

nicht weg!’<br />

‚Die Leute werfen heutzutage noch ganz<br />

andere Sachen weg,’ widersprach das Kochbuch,<br />

‚ganze Braten habe ich schon in den<br />

Mülleimer wandern sehen, nicht nur alte<br />

Schwarten <strong>wie</strong> Sie!’ Die Weltgeschichte sah<br />

sich empört um, aber niemand sagte etwas;<br />

die Todesgefahr machte die vornehme Vergoldung<br />

plötzlich wertlos. Nur der Bildband<br />

mischte sich ein, ‚keinen Streit!’ kommandierte<br />

er streng, ‚wir müssen überlegen, <strong>wie</strong><br />

wir uns wehren können.’<br />

‚Eins und zwei und drei und vier,’ quiekte<br />

das Reimlexikon, ‚wir wollen nicht ins<br />

Altpapier!’<br />

‚Das hilft nichts,’ sagte das Telefonbuch<br />

düster, ‚meine Eltern und meine Großeltern<br />

sind auch dort gelandet, dagegen kann<br />

man nichts machen, die Menschen sind<br />

stärker. Ich dachte ja, ich hätte noch ein paar<br />

Monate zu leben…’ und eine dicke Träne<br />

quoll <strong>aus</strong> seinem gelben Deckel. – ‚Nun<br />

wein doch nicht!’ rief Nils Holgerssohn, und<br />

seine Stimme zitterte.<br />

Nur das Märchenbuch mit dem kleinen<br />

Mädchen in der Nussschale auf dem<br />

Einband war zuversichtlich geblieben. ‚Ich<br />

glaube das nicht,’ sagte es, ‚der Professor<br />

liebt uns mehr als alles andere auf der Welt,<br />

ich kenne ihn seit s<strong>einer</strong> Kinderzeit. Der hat<br />

noch nie im Leben ein Buch weggeworfen,<br />

das weiß ich genau!’<br />

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‚Dann fängt er vielleicht heute damit an,’<br />

murrte das Liederalbum fi nster. – ‚Der hat<br />

ja auch als kl<strong>einer</strong> Junge sein Limonadenglas<br />

auf mir abgestellt,’ petzte die Weltgeschichte,<br />

‚seht euch den hässlichen Ring an! Wer<br />

so was tut, dem ist alles zuzutrauen!’ und die<br />

vergoldeten Kanten ihrer Seiten bebten vor<br />

Entrüstung.<br />

‚Aber da war er ja noch klein,’ begütigte das<br />

Märchenbuch, ‚das würde er doch heute<br />

nicht mehr tun. Nein, nein, er lässt uns nicht<br />

im Stich!’ – ‚Was macht dich da so sicher?’<br />

fragte das Kochbuch mit einem kleinen Bisschen<br />

Hoffnung in der Stimme. ‚Wir waren<br />

Freunde,’ antwortete das Märchenbuch und<br />

nickte zuversichtlich mit dem Deckel, und<br />

das kleine Mädchen in der Nussschale nickte<br />

unter seinem Rosenblatt mit.<br />

‚Und deshalb meinen Sie, uns passiert<br />

nichts?’ fragte das Computer-Lehrbuch<br />

zweifelnd. ‚Ja!’ rief das Märchenbuch,<br />

‚Freunde wirft man doch nicht zum Altpapier!’<br />

– ‚Glaubst du!’ lachte die Weltgeschichte<br />

höhnisch.<br />

‚Ja!’ sagte das Märchenbuch sehr bestimmt,<br />

‚man muss seinen Freunden auch vertrauen!’<br />

und dann hörte man die Stimme des Professors.<br />

‚Diese Kiste schaffe ich später selber<br />

hinüber,’ sagte er, ‚es war mir zu riskant, sie<br />

den Möbelpackern zu überlassen, sie enthält<br />

meine wichtigsten und meine liebsten Bücher,<br />

davon darf keines verloren gehen!’<br />

Die Bücher sahen einander stumm an. Erst<br />

ganz langsam begann die Angst sich zu lösen.<br />

Doch dann fi ng sogar die Weltgeschichte<br />

an zu lächeln. Aber das Märchenbuch<br />

seufzte so tief, als bräche die Nussschale auf<br />

seinem Deckel in Stücke, und das Rosenblatt<br />

wehte fort.<br />

Dorothea Renckhoff<br />

71


72<br />

Kann ich<br />

mit Musik Steuern sparen ?<br />

Susanne Schäfer, Steuerberaterin<br />

Geschäftsführerin der Rinke Treuhand GmbH<br />

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft/<br />

Steuerberatungsgesellschaft<br />

Paragraphenreiter<br />

Grundsätzlich schon – wenn ich damit<br />

auch Geld verdiene.<br />

Wenn ich zum Beispiel Konzertgeiger<br />

und in der Lage bin, mit m<strong>einer</strong> Musik<br />

meinen Lebensunterhalt zu verdienen,<br />

unterliegt die Differenz zwischen meinen<br />

Einnahmen <strong>aus</strong> dieser Tätigkeit und den<br />

Ausgaben, die ich tätigen muss, um diese<br />

Einnahmen überhaupt zu erzielen, der<br />

Einkommensteuer.<br />

Zu diesen Ausgaben zählen auch diejenigen<br />

für den Erwerb <strong>einer</strong> Geige. Und<br />

da so eine Geige gemeinhin ein paar Jahre<br />

hält, darf ich die Ausgaben für sie nicht<br />

sofort bei Zahlung, sondern nur über die<br />

vor<strong>aus</strong>sichtliche Nutzungsdauer der Geige<br />

verteilt als Absetzung für Abnutzung dieser<br />

Geige von meinen Auftrittshonoraren<br />

abziehen.<br />

Da ich ein richtig guter Geiger bin,<br />

brauche ich natürlich auch eine richtig<br />

gute Geige. Da traf es sich gut, dass<br />

letztes Jahr in London eine Stradivari<br />

mit dem schönen Namen „Lady Blunt“<br />

versteigert wurde, für die ich für umgerechnet<br />

12.070.000 Euro den Zuschlag<br />

erhielt. Jetzt frage ich mich nur: <strong>wie</strong><br />

lange hält die Lady vor<strong>aus</strong>sichtlich noch?<br />

Schließlich wurde sie schon im Jahr<br />

1721 gebaut. Das kann <strong>einer</strong>seits darauf<br />

hindeuten, dass sie bei guter Pfl ege uralt<br />

wird. Möglicherweise macht sie´s aber<br />

auch nicht mehr lange. Wieviele Jahre<br />

kann ich meine Stradivari nun vor<strong>aus</strong>sichtlich<br />

noch nutzen?<br />

TANZ ANZ TRÄUME<br />

TRÄUM<br />

Jugendliche tanzen „Kontakthof“ von Pina B<strong>aus</strong>ch.<br />

Das Buch zum Film von Anne Linsel und Ulli Weiss<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal, 2011<br />

120 Seiten, 23 x 17 cm, Softcover<br />

ISBN 978-3942043-81-6, 19,80 Euro<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong><br />

Friedrich-Engels-Allee 122<br />

42285 Wuppertal -<br />

Telefon 0202 - 28 10 40<br />

verlag@hpnackekg.de<br />

Das wissen die Finanzbehörden nicht.<br />

Sie wissen allerdings, <strong>wie</strong> lang eine von<br />

Jean-Baptiste Rogerius im Jahre 1693 in<br />

Brescia gebaute Geige vor<strong>aus</strong>sichtlich noch<br />

hält. Die ist zwar nicht ganz so wertvoll<br />

(sie wurde im Jahr 1988 für damals nur<br />

247.280 DM erworben), aber immerhin<br />

schon einmal Gegenstand eines Verfahrens<br />

vor dem Bundesfi nanzhof gewesen. Und<br />

der hat entschieden, dass für im Konzertalltag<br />

regelmäßig bespielte über 300 Jahre<br />

alte Meistergeigen eine typisierte Restnutzungsdauer<br />

von 100 Jahren angesetzt<br />

werden darf. So eine Geige ist nämlich<br />

ein (in der Tat) langlebiges Wirtschaftsgut,<br />

das – auch wenn es wirtschaftlich<br />

möglicherweise sogar einem Wertzuwachs<br />

unterliegt (wovon ich für meine Stradivari<br />

doch <strong>aus</strong>gehe) – bei regelmäßiger Nutzung<br />

technisch verschleißt.<br />

Im Ergebnis darf ich damit meine<br />

Einkünfte als Musiker für die nächsten 100<br />

Jahre um eine steuerliche Abschreibung von<br />

120.700 Euro im Jahr mindern.<br />

Das setzt allerdings vor<strong>aus</strong>, dass ich<br />

überhaupt dauerhaft Einnahmen in mindestens<br />

dieser Höhe erziele. Denn wenn<br />

meine Betriebs<strong>aus</strong>gaben über einen längeren<br />

<strong>Zeit</strong>raum meine Einnahmen übersteigen,<br />

geht das Finanzamt davon <strong>aus</strong>, dass ich<br />

keine Einkunftserzielungsabsicht verfolge<br />

und mein Geigen nur eine sogenannte<br />

„Liebhaberei“ ist. Und die soll nun wirklich<br />

nicht noch steuerlich gefördert werden.<br />

www.rinke.eu


GEDOK – Lobby für Künstlerinnen<br />

Kunstförderer<br />

– das tragende Fundament<br />

Drs. Renate und<br />

Helmut J. Massmann<br />

„Und wenn Sie es nur für ein Jahr machen“!<br />

sagte die von mir so sehr geschätzte Sängerin<br />

und Pianistin Friedel Becker-Brill.<br />

Aus einem Jahr wurden acht Jahre Gedok<br />

Wuppertal und noch einmal 13 Jahre Bundes<br />

Gedok Deutschland und Österreich,<br />

Mauerfall – 5 NBL (fünf neue Bundesländer)<br />

und Europa !<br />

Die Gedok- Verband der Gemeinschaften<br />

der Künstlerinnen und Kunstförderer e. V.,<br />

so ihr jetziger Name, wurde 1926 von Ida<br />

Dehmel in <strong>einer</strong> Blitzaktion in Hamburg<br />

gegründet; damals unter dem Namen<br />

„Gemeinschaft Deutscher und Oesterreichischer<br />

Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen“,<br />

auf den heute noch gültige das<br />

Kürzel zurückgeht. Die Gründung erfolgte<br />

<strong>aus</strong> der Notwendigkeit und der Weitsicht,<br />

Künstlerinnen ein Forum zu schaffen in der<br />

bis dato männer- und künstlerdominierten<br />

Welt. In den 20er Jahren herrschten für<br />

Künstlerinnen denkbar schlechte Vor<strong>aus</strong>setzungen.<br />

Nachdem die Weimarer Verfassung<br />

Frauen den Zugang zu allen Hochschulen<br />

und Akademien garantiert hatte, begann<br />

die Gedok sich für die Realisierung dieser<br />

Ausbildungsgarantie und Chancengleichheit<br />

für Künstlerinnen aller Sparten einzusetzen.<br />

Doch das von Ida Dehmel gefällte Urteil,<br />

die Frauenbewegung habe ihr Ziel erreicht,<br />

war vorschnell. Trotz formal erreichter<br />

Gleichberechtigung hat sich in den Jahren<br />

seit Gründung der Gedok die Situation<br />

für Künstlerinnen in k<strong>einer</strong> Weise zufrie-<br />

denstellend verbessert. Damals <strong>wie</strong> heute<br />

lavieren sie am Existenzminimum – bis auf<br />

wenige Ausnahmen. Für die meisten ist die<br />

partielle Förderung durch die Gedok von<br />

existenzieller Bedeutung.<br />

Zahlreiche bedeutende Künstlerinnenpersönlichkeiten<br />

schlossen sich der Gedok an:<br />

Jenny Wiegmann, Luise Dumont, Gertrud<br />

von le Fort, Ina Seidel, Ricarda Huch, Grete<br />

von Zieritz, Li Stadelmann, Elly Ney, Ida<br />

Kerkovius, Charlotte Behrendt-Corinth (die<br />

maßgeblich an der Gründung der Gedok<br />

Gruppe Wuppertal, 24. 11. 1931, beteiligt<br />

war), Klara Westhoff-Rilke, Grete Jürgens,<br />

Käthe Kollwitz, Leni Matthaei, Alma Mahler,<br />

Ruth Zechlin, Hilde Dominn, (zu deren<br />

90. Geburtstag hielt ich die Laudatio im<br />

Heidelberger Zimmertheater).<br />

1932 erfolgte die Umbenennung in „Reichs-<br />

Gedok“. Das bedeutete: Weiterführen der<br />

Aktivitäten der Gedok, unter zunehmend<br />

erschwerten Bedingungen. Es gehört zu<br />

ihrem historischen Hintergrund, dass Käthe<br />

Kollwitz, die sich auch für die sch<strong>wie</strong>rige<br />

Lage der meist doppelt belasteten Künstlerinnen<br />

engagierte, an der ersten großen<br />

Verkaufs<strong>aus</strong>stellung in der Hamburger Galerie<br />

Commeter mit 500 Exponaten vertreten<br />

war. In der Nazi-Ära erhielt sie Berufsverbot.<br />

Die Gedok dankte ihr diese Haltung, als<br />

sie 1936 und 1942 mit Zivilcourage je eine<br />

Ausstellung in Frankfurt am Main präsentierte.<br />

Erlaubnis hierzu musste speziell bei der<br />

Reichskulturkammer erbeten werden. Die<br />

Kollwitz konnte alle Werke verkaufen.<br />

Diktaturen sind gr<strong>aus</strong>am ! Im April 1933<br />

wurde Ida Dehmel bei <strong>einer</strong> Gedok-<br />

Sitzung im Hamburger Hof von mit<br />

73


74<br />

Gummiknüppeln bewaffneten SA-Leuten<br />

gezwungen, den Vorsitz der Gedok<br />

niederzulegen, sie wurde her<strong>aus</strong>geprügelt.<br />

So brutal endete die erste Phase dieser<br />

aufblühenden inzwischen 7000 Mitglieder<br />

zählenden Frauen-Künstlerinnenvereinigung.<br />

Ida Dehmel schied 1942 freiwillig<br />

<strong>aus</strong> dem Leben.<br />

Die Schwere des Krieges ließ 1944 und<br />

1945 – es bestanden 15 Gedok Gruppen<br />

! – keine Gedok Aktivitäten mehr zu.<br />

Dennoch half die „Reichs“-Gedok ihren<br />

Mitgliedern mit Geld und Material.<br />

Ab 1948 bezeichnete sich die Gedok<br />

als: Verband der Gemeinschaften der<br />

Künstlerinnen und Kunstfreunde e. V. Wieder-<br />

und Neugründungen erfolgen, 1989<br />

nach dem Mauerfall auch in den 5NBL.<br />

Ab sofort galten hier marktwirtschaftliche<br />

Gesichtspunkte. Hatten doch die Künstlerinnen<br />

der Ex-DDR keine Materialsorgen,<br />

ihre Werke wurden vom Staat angekauft !<br />

Ab 1992 galt es, die Entwicklung<br />

der kulturpolitischen Gegebenheiten auf<br />

dem sich konstituierenden europäischen<br />

Binnenmarkt für die Möglichkeiten von<br />

Künstlerinnen wachsam zu verfolgen. Die<br />

wirtschaftlichen und die individuellen<br />

künstlerischen Interessen mussten grenzüberschreitend<br />

vertreten werden.<br />

Ab 2000 die Bezeichnung: Gedok-Verband<br />

der Gemeinschaften der Künstlerinnen<br />

und Kunstförderer e.V.<br />

Die Gedok heute ist das größte<br />

und traditionsreichste interdisziplinäre<br />

Netzwerk für Künstlerinen, die in allen<br />

Kunstsparten speziell die Interessen von<br />

Künstlerinnen vertritt. Die Gedok hat<br />

die wichtige Aufgabe, die künstlerische<br />

Arbeit der Frau so<strong>wie</strong> junge, talentierte<br />

Künstlerinnen zu fördern, ihnen den<br />

Weg in die Öffentlichkeit zu erleichtern,<br />

Werk und Leistung publik zu machen, die<br />

Verbindung zwischen Künstlerinnen und<br />

Kunstfreunden zu festigen. In der Gedok<br />

sind spartenübergreifend alle künstlerischen<br />

Disziplinen zusammengeschlossen.<br />

Sie umfasst die Fachgruppen Bildende<br />

und Angewandte Kunst, Musik, Literatur,<br />

Rezitation, Darstellende Kunst und Performance,<br />

die sich gegenseitig im Aust<strong>aus</strong>ch<br />

befruchten. Die fachlichen Interessen der<br />

Künstlerinnen werden auf Bundes- und<br />

Regionalebene durch Fachbeirätinnen<br />

vertreten. Über die Aufnahme als Künstlerin<br />

entscheidet eine unabhängige Jury nach<br />

professionellen Maßstäben zur Sicherung<br />

der Qualität.<br />

23 Gruppen mit ihren ca. 4000<br />

Mitgliedern sind in der Gedok zusammengeschlossen,<br />

arbeiten als selbständige regionale<br />

Gruppen in der Bundesrepublik und<br />

Wien, bleiben aber dem gemeinsamen Ziel<br />

verpfl ichtet. Jährlich organisiert die Gedok<br />

etwa 1200 bis 1500 Veranstaltungen.<br />

Das tragende Fundament der Gedok ist<br />

die bedeutende Gruppe der Kunstförderer /<br />

Innen, die die Künstlerinnen durch ideelle,<br />

aktive Mitarbeit und fi nanzielle Hilfe unterstützt.<br />

Allen Kunstinteressierten steht die<br />

Mitgliedschaft in dieser Gruppe offen. Die<br />

Einzigartigkeit der Gedok besteht in dem<br />

Dialog der Kunstfreunde/Innen mit den persönlichen<br />

Begegnungen von Künstlerinnen.<br />

Die Gedok ist als gemeinnützig anerkannte<br />

Organisation politisch und konfessionell<br />

ungebunden, die ihre ehrenamtliche<br />

Arbeit <strong>aus</strong> Beiträgen, Spenden so<strong>wie</strong><br />

projektgebundenen Mitteln zur Förderung<br />

der Kunst tätigt. Die Gedok setzt sich stetig<br />

für die Festigung der gesellschaftlichen und<br />

sozialen Stellung der Frau als Künstlerin<br />

ein, um deren besondere Lebens- und<br />

Arbeitssituation zu verbessern, besonders<br />

auf die geschlechtergerechte Gestaltung aller<br />

Bereiche künstlerischen Schaffens.<br />

Die Gedok gehört mit dem Deutschen<br />

Künstlerbund (DKB) und dem Bundesverband<br />

Bildender Künstlerinnen und Künstler<br />

(BBK) der Internationalen Gesellschaft<br />

der Bildenden Künste (IGBK) – Sektion<br />

Bundesrepublik Deutschland e. V. (IAA/<br />

AIAP-UNESCO) an.<br />

Die Gedok ist Mitglied im Deutschen<br />

Musikrat, Deutschen Frauenrat, Deutschen<br />

Kulturrat. Die Gedok ist Gründungsmitglied<br />

des Kunstfonds, vertreten in der<br />

VG-Bildkunst -Verwertungsgesellschaft<br />

Bildkunst. Die Gedok ist Gründungsmitglied<br />

der Künstlersozialkasse (KSK), und des<br />

Künstlersozialwerks. Die Gedok kooperiert<br />

europaweit mit dem European Forum For<br />

The Arts And Heritage (EFAH), dem European<br />

Council OF Artists (ECA) und der<br />

International Society For Music Education<br />

(ISME).<br />

Bundesweite Aktivitäten der Gedok<br />

Die Gedok vergibt Preise für her<strong>aus</strong>ragende<br />

Leistungen auf den Gebieten der bildenden<br />

Kunst, der angewandten Kunst, der Musik,<br />

der Literatur. Die Gedok fördert interdisziplinäre<br />

Symposien, veranstaltet Podiumsdis-<br />

kussionen und internationale Symposien, sie<br />

publiziert Kataloge, Dokumentationen, so<strong>wie</strong><br />

Anthologien, gibt CDs und Videos her<strong>aus</strong>.<br />

Der 1968 gestiftete Ida-Dehmel-Literaturpreis<br />

wird alle drei Jahre an eine deutschsprachige<br />

Autorin für deren Gesamtwerk verliehen<br />

als Anerkennung von Spitzenleistungen<br />

innerhalb des deutschen Sprachraumes.<br />

Bisherige Preisträgerinnen: Hilde Domin,<br />

Erika Burkart, Margot Scharpenberg,<br />

Rose Ausländer, Ingeborg Drewitz, Barbara<br />

Frischmuth, Eva Zeller, Helga M. Novak,<br />

Kerstin Hensel, Doris Runge, Ulla Hahn.<br />

Während m<strong>einer</strong> Präsidentschaft habe ich<br />

den Ida-Dehmel-Literaturpreis an Brigitte<br />

Kronauer, Sarah Kirsch, Elke Erb verliehen.<br />

Als Sternstunde, in Vorreiterrolle, gilt meine<br />

Verleihung dieses Preises 1998 an Herta<br />

Müller in Leipzig im H<strong>aus</strong> des Buches, und<br />

die freudige Erregung als Herta Müller 2009<br />

den Nobelpreis für Literatur erhielt !<br />

Gleichzeitig wird seit 1971 der Gedok-<br />

Literaturförderpreis an eine junge Autorin<br />

vergeben. Hilde Domin hat immer mahnend<br />

auf die Sch<strong>wie</strong>rigkeiten hinge<strong>wie</strong>sen, die<br />

junge Autorinnen haben, um veröffentlicht<br />

zu werden und diesen Förderpreis angeregt.<br />

Gleichzeitig mit Herta Müller habe ich Kathrin<br />

Schmidt diesen Förderpreis verliehen,<br />

die 2009 den Deutschen Buchpreis erhielt.<br />

Darauf habe ich den Vortrag: „Die Nobelpreisträgerin<br />

2009 Herta Müller und die<br />

Preisträgerin Deutscher Buchpreis 2009<br />

Kathrin Schmidt, Vita und Werk in Wort<br />

und Bild“ erstellt.<br />

Die Darstellung der Gedok-PreiseWerk-<br />

Wechsel, Fantasie und Form und weitere<br />

bleibt zukünftigem Beitrag vorbehalten.<br />

Auch im 86. Jahr ihres Bestehens hat die<br />

Gedok nichts an Aktualität verloren.<br />

Das Interesse der Künstlerinnen an der<br />

Gedok ist ungebrochen.<br />

Kein anderer Künstlerverband bietet<br />

seinen Mitgliedern vergleichbare Unterstützung<br />

und Förderung. Die Kunst der<br />

Gedok liegt in der Bündelung der Interessen<br />

der einzelnen künstlerischen Sparten zu<br />

<strong>einer</strong> Strategie des Gemeinsamen. Diese<br />

Gemeinsamkeit ist ein Forum, ein Bündnis,<br />

eine Lobby für Künstlerinnen und Frauen,<br />

das nicht selbstherrliche Monaden züchtet,<br />

sondern Neugierde, Begeisterung, und Kreativität<br />

entwickeln und erhalten hilft.<br />

Denn Kunst ist ein Stück Lebensqualität!<br />

Dr. Renate Massmann


Fünf Jahrzehnte Entwicklungshelfer<br />

Annäherungen an ein Porträt von<br />

Kl<strong>aus</strong> Dieter Peters<br />

Die Entwicklungshilfeorganisationen,<br />

für die Kl<strong>aus</strong> Dieter Peters tätig war,<br />

sind christlich geprägt oder stehen <strong>wie</strong> die<br />

Ebert-Stiftung der SPD nahe. Bei der<br />

Welthungerhilfe handelt es sich um eine<br />

Nichtregierungsorganisation,<br />

bei der GIZ um eine Einrichtung der<br />

Bundesregierung.<br />

Kl<strong>aus</strong> Dieter Peters in <strong>einer</strong><br />

Dorfunterkunft für Durcheisende,<br />

Grenze Kenia<br />

Kl<strong>aus</strong> Dieter Peters, 76, ist vor einigen<br />

Wochen <strong>aus</strong> Äthiopien heimgekehrt.<br />

Dort, schreibt er, „ist alles anders: die<br />

Schrift, die Uhrzeit, die Kalendertage<br />

und das Datum unserer christlichen<br />

Feiertage“. Schon bei der Ankunft<br />

werden alltagskulturelle Unterschiede<br />

sichtbar, so stromern zum Beispiel<br />

überall in der Hauptstadt Addis Abeba<br />

auf den Straßen Kinder herum, viele<br />

sind kleine Diebe, andere schlagen sich<br />

als Schuhputzer oder als Verkäufer von<br />

Telefonkarten, Kaugummi und anderer<br />

Utensilien durchs Leben. Doch Peters<br />

ist auf der Durchreise ins Borana-Land,<br />

wo ihn ein Nomadenvolk erwartet,<br />

dessen demokratische Tradition älter<br />

ist als in dem Land, <strong>aus</strong> dem er<br />

kommt. Was er dort erlebt hat, schildert<br />

er in einem Bericht, den wir in<br />

dieser Ausgabe nachfolgend abdrucken.<br />

Mehr als sein halbes Leben hat er mit<br />

Unterbrechung in Asien und Afrika<br />

verbracht. Seinen letzten runden<br />

Geburtstag feierte er 2011 in Myanmar,<br />

dem früheren Burma. Wenn der am<br />

Katernberg lebende gebürtige Wuppertaler<br />

eines nicht kennt, dann ist es,<br />

sich zur Ruhe zu setzen und Däumchen<br />

zu drehen. Irgend<strong>wie</strong> schade, denn auf<br />

Sumatra oder in Neu-Guinea, in Sambia<br />

oder Sierra Leone kam er bislang nicht<br />

dazu, weiter am Manuskript über seine<br />

Erinnerungen zu arbeiten, und zu erzählen,<br />

hat er eine ganze Menge.<br />

Aus <strong>einer</strong> achtköpfi gen Familie stammen,<br />

hat er selbst vier Kinder und sieben<br />

Enkel. Bauingenieur war der Vater,<br />

Mitglied des Rates der Stadt Wuppertal<br />

am Ende der Weimarer Republik<br />

und nach dem Zweiten Weltkrieg mit<br />

Johannes Rau und Gustav Heinemann<br />

in der Gesamtdeutschen Volkspartei, die<br />

später in der SPD aufging. Kl<strong>aus</strong> Dieter<br />

zog es früh aufs Land und in die weite<br />

Welt: Nach der Volksschule absolvierte<br />

er eine Gärtnerlehre in der Wuppertaler<br />

Stadtgärtnerei und später ein Praktikum<br />

bei einem Bergbauern in der Schweiz,<br />

rückblickend gesehen „mit die härteste<br />

Prüfung“ seines Lebens. Nach weiteren<br />

Wanderjahren zurück in Deutschland,<br />

brachte er es zum Diplomagraringenieur.<br />

75


76<br />

Sein Bruder Jürgen Peters hatte sich<br />

s<strong>einer</strong>zeit entschlossen, seine Kariere<br />

zurückzustellen und als junger Maschinenbauingenieur<br />

für den heutigen<br />

Evangelischen Entwicklungsdienst und<br />

für die Rheinische Mission, heute Vereinte<br />

Evangelischen Mission, zu arbeiten<br />

und in Sumatra eine technische Schule<br />

aufzubauen. Von ihm erfuhr Kl<strong>aus</strong> Dieter,<br />

dass man dringend einen landwirtschaftlichen<br />

Fachmann für Neu-Guinea<br />

suchte. Er meldete sich umgehend für<br />

diese Arbeit und reiste 1962 für Dienste<br />

in Übersee und die Rheinische Mission<br />

als Landwirt in dieses Land, wo er mit<br />

Missionar und Linguist Siegried Zöllner<br />

<strong>aus</strong> Schwelm und dem holländischen<br />

Arzt Wim Vriend zusammenarbeitete. In<br />

Neu-Guinea bestand seine Aufgabe in<br />

erster Linie darin, durch geeignete landbautechnische<br />

und ernährungsphysiologische<br />

Maßnahmen den akuten Eiweißmangel<br />

der Eingeborenen zu beheben.<br />

Weitere Arbeitgeber in dem folgenden<br />

halben Jahrhundert waren die GTZ,<br />

heute Gesellschaft für internationale<br />

Entwicklung (kurz GiZ genannt), die<br />

Christlichen Fachkräfte, die Welthungerhilfe,<br />

die Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

und die Hoechst AG. Zwischendurch<br />

unterbrach er seine s<strong>einer</strong> Auslandstätigkeit<br />

zweimal, um auch in Deutschland<br />

Arbeitserfahrung zu sammeln, zuerst bei<br />

der deutschen Kraftfutterindustrie und<br />

danach bei der Bayer AG.<br />

Die Menschen, bei denen er seinen ersten<br />

Einsatz in Übersee hatte, lebten noch in<br />

der Steinzeit, vollkommen isoliert von<br />

der übrigen Welt. Häufi g kam es bei<br />

ihnen zu kriegerischen Auseinanderset-<br />

Christliche Fachkräfte<br />

www.gottes-liebe-weltweit.de<br />

Deutsche Welthungerhilfe<br />

www.welthungerhilfe.de<br />

Evangelischer Entwicklungsdienst<br />

www.eed.de<br />

Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

www.fes.de<br />

Gesellschaft für<br />

internationale Zusammenarbeit,<br />

www.giz.de<br />

Vereinte Christliche Mission<br />

www.vemission.org<br />

zungen und nicht selten auch zum „Verzehr“<br />

der getöteten verhassten Feinde.<br />

„Angst haben wir auch gehabt, besonders<br />

in der Luft in unseren kleinen Missionsfl<br />

ugzeugen, zum Beispiel bei extremen<br />

Schönwetterturbulenzen oder riskanten<br />

Landungen“, sagt Peters heute. Die Verbindung<br />

mit der Außenwelt war nur über<br />

Kurzwellenradio und die kleinen Flugzeugen<br />

der Missionary Aviation Fellowship<br />

möglich. „Yali war noch unbekannt, und<br />

wir mussten versuchen uns langsam hineinzufi<br />

nden.“ Diese Erfahrung half ihm<br />

auch beim Erlernen anderer Sprachen<br />

<strong>wie</strong> Indonesisch oder der in Westafrika<br />

gesprochenen Idiome Krio oder Mende.<br />

Sein entwicklungspolitisches Credo<br />

lautet: Immer die zumutbare Eigenbeteiligung<br />

einfordern und nie etwas verschenken.<br />

Ob ein Brunnen gebohrt oder eine<br />

neue Süßkartoffelsorte eingeführt werden<br />

soll: Die Menschen müssen der Überzeu-<br />

gung sein, dass ihnen die neue Herangehensweise<br />

persönlich nutzt. Wenn sie<br />

einmal Feuer gefangen haben, setzt das<br />

erworbene Wissen ungeahnte Energien<br />

frei. Oberlehrer und Besserwisser bleiben<br />

besser zu H<strong>aus</strong>e.<br />

Die beste Theorie nützt niemandem,<br />

wenn sie nicht umsetzbar ist. Peters: „Wir<br />

arbeiten an angepassten Problemlösungen,<br />

nicht an einem Zivilisationsobjekt.“<br />

Erarbeitete Lösungen beziehen sich<br />

hauptsächlich auf die Verminderung von<br />

Armut, die Sicherung von Ernährung,<br />

berufl iche Qualifi kationen und die Erhaltung<br />

<strong>einer</strong> menschengerechten Umwelt.<br />

Alles Projekte, die <strong>Zeit</strong> brauchen. Anders<br />

sieht es bei der immer häufi ger notwendig<br />

werdenden Katastrophenhilfe <strong>aus</strong>, bei der<br />

schnelles Handeln und Organisationstalent<br />

gefragt sind.<br />

Matthias Dohmen<br />

www.occhio.de<br />

Frank Marschang e.K., Karlstrasse 37, 42105 Wuppertal<br />

Tel 0202-24 43 440, www.lichtbogen-wuppertal.de<br />

Di – Fr 10 –18 Uhr und 14 –18.30 Uhr, Sa 11–16 Uhr


von Kl<strong>aus</strong> Dieter Peters<br />

Am 8. Januar feiern die orthodoxen<br />

Christen in Äthiopien offi ziell Weihnachten.<br />

Für ein solches Fest reicht natürlich<br />

ein Sonntag nicht <strong>aus</strong> und deshalb wird<br />

vier Tage lang gefeiert, was jeder hier,<br />

auch die Muslime, von ganzem Herzen<br />

begrüßt. In Äthiopien ist alles anders, die<br />

Schrift, die Uhrzeit, die Kalendertage<br />

und eben auch das Datum unserer<br />

christlichen Feiertage.<br />

Addis Abeba<br />

10 Std. Fahrt über Stock und Stein<br />

Weihnachtsgrüße <strong>aus</strong> Sooderee<br />

Ich habe mich in ein an <strong>einer</strong> heißen Vulkanquelle<br />

gelegenes Hotelchen zurückgezogen<br />

und nehme jeden Tag zweimal ein<br />

heißes Bad. Das tut den alten Knochen<br />

gut, denn sie mussten in den letzten zwei<br />

Monaten mehr runde 8000 km Fahrt im<br />

Geländewagen über sich ergehen lassen.<br />

Unten am Schwimmbad mit heißem<br />

Wasser erholen sich die einheimischen<br />

Gäste bei extrem lauter Pop-Musik. Diese<br />

Dauerberieselung mit Musik wird von<br />

neun Uhr morgens bis fünf Uhr Nachmittags<br />

gratis vom Hotel zur allgemeinen<br />

Freude der Äthiopier angeboten. Daneben<br />

gibt es noch die Gruppe der frechen<br />

Kapuziner-Affen welche auf dem Baum<br />

vor meinem Balkon auf eine günstige Gelegenheit<br />

lauern, um in meinem Zimmer<br />

Inventur zu machen.<br />

Aber jetzt der Reihe nach. Von Frankfurt<br />

nach Addis Abeba sind es nur gute sieben<br />

Stunden Tagesfl ug mit der Lufthansa und<br />

man muss nur 2 Stunden <strong>Zeit</strong>differenz<br />

verdauen. Das ist verglichen mit den Asienfl<br />

ügen eine <strong>aus</strong>gesprochen angenehme<br />

Sache.<br />

Die Millionen-Stadt Addis Abeba 2400<br />

Meter über dem Meer gelegen, wächst in<br />

einem atemlosen Tempo. Rasant breitet<br />

sie sich <strong>wie</strong> eine Spinne mit vielen Armen<br />

jeden Tag schneller zwischen grünen Hügeln<br />

<strong>aus</strong>. Überall wird gebaut und gebaut,<br />

so dass die Stadtverwaltung ernste Sch<strong>wie</strong>rigkeiten<br />

hat, mit dem Bau der erforderlichen<br />

Basis-Infrastruktur nachzukommen.<br />

Allerdings hat sie in weiser Vor<strong>aus</strong>sicht<br />

bereits ein Schnellstraßensystem geplant<br />

und auch schon zu einem erheblichen<br />

Teil gebaut. Trotzdem gibt es schon eine<br />

Menge Verkehrsengpässe in denen man im<br />

Stau ein Feinstaub- oder CO2-Bad nehmen<br />

kann. Auf den Nebenstraßen trifft<br />

77


78<br />

man noch auf eine Ziegen- und Rinderherde<br />

oder auch auf ein paar vollbepackte<br />

Eselchen, die sich zielstrebig durch die<br />

Autokolonnen bewegen.<br />

Die Baugerüste der Hochhäuser bestehen<br />

<strong>aus</strong> dünnen Eukalyptus-Stangen. Wenn<br />

ich die Bauarbeiter an den Außenwänden<br />

der Wolkenkratzer in schwindelnder Höhe<br />

auf diesen wackeligen Hölzern herumspazieren<br />

sehe, bekomme ich es mit der Angst<br />

zu tun. Wenn ich dann noch etwas genauer<br />

hingucke und sehe, <strong>wie</strong> hier manchmal<br />

gebaut oder besser gesagt gepfuscht wird,<br />

kann ich nur hoffen, dass dieser Stadt ein<br />

ernstes Erdbeben erspart bleibt. In meinem<br />

Hotelchen kann ich die Billigbauweise<br />

direkt von innen studieren. Auch die Einrichtung<br />

der Bruchbude ist von zweifelhafter<br />

Qualität. Der Wasserhahn klebt an<br />

m<strong>einer</strong> Hand, wenn ich ihn benutze; am<br />

rechten Eck des Kleiderschrankes fehlen<br />

vier Schrauben und er droht bald umzufallen.<br />

Das Licht im Badezimmer brennt Tag<br />

und Nacht, man kann es nicht <strong>aus</strong>schalten.<br />

Das Waschbecken leckt und die Br<strong>aus</strong>e<br />

funktioniert nicht. Alles kleine Sachen,<br />

die mit wenig Aufwand zu beheben sind.<br />

Von <strong>einer</strong> Maintanace-Kultur ist das Land<br />

Äthiopien aber noch meilenweit entfernt.<br />

Immerhin. Für das fehlende Frühstücksbuffet<br />

produziert der junge Egg-Master<br />

mit strahlendem Lachen jeden Morgen in<br />

<strong>einer</strong> Rekordzeit von zwanzig Minuten ein<br />

<strong>aus</strong>gezeichnetes Omelett in s<strong>einer</strong> kleinen<br />

Hotelküche. Außerdem trifft man interessante<br />

Leute beim Frühstück im Hotel. Am<br />

meisten imponieren mir die Gäste <strong>aus</strong> dem<br />

Süd-Sudan, baumlange Kerle, ehemalige<br />

Freiheitskämpfer, die jetzt in ihre Heimat<br />

zurückkehren. Sie sind kohlrabenschwarz,<br />

so schwarz <strong>wie</strong> die Nacht und weit über 2<br />

Meter groß.<br />

In Addis gibt es auch eine sehr aktive evangelische<br />

deutsche Gemeinde, die mir sehr<br />

in Yabello fehlt. Die Menschen in Addis<br />

und auch im äthiopischen Hochland verstehen<br />

sich nicht als Afrikaner und sie sind<br />

in der Tat auch anders als die Leute die ich<br />

in Südost-Afrika und noch andersartiger<br />

als die Westafrikaner, die ich kennengelernt<br />

habe. Fleißig sind sie alle, die<br />

Kellner im Hotel erledigen ihren Dienst<br />

im Dauerlauf, aber es fehlt an einem<br />

effi zienten Management. Äthiopien ist das<br />

Ursprungsland des Kaffees und man ist<br />

stolz auf die traditionelle Kaffee-Zeremonie<br />

die ein stundenlanges Palaver vorsieht,<br />

denn reden tun sie alle gerne und lange<br />

und laut, ganz besonders dann wenn sie in<br />

ihr geliebtes Handy sprechen. Je länger sie<br />

reden um so lauter und unkontrollierter<br />

wird ihre Stimme. Abends sind die Cafés<br />

der Stadt überfüllt mit diskutierenden<br />

Gästen. Die jungen Mädchen verstehen es,<br />

sich nach der letzten Mode zu kleiden, die<br />

sie durch gekonnte Kombinationen mit<br />

traditionellen Tüchern noch attraktiver<br />

machen. Die Damen der älteren Generation<br />

tragen dagegen meist noch ihre langen<br />

traditionellen Kleider und Kopftücher und<br />

ab und zu kann man auch eine voll verschleierte<br />

Muslimfrau in schwarzer Burka<br />

Nomadenhütte mit Boranafrau Tierarzt Major<br />

sehen. Es sind alles freundliche Leute die<br />

das Leben auch mit wenig Geld bei <strong>einer</strong><br />

Tasse Kaffee zu genießen verstehen, nur<br />

leider sind 80 Millionen Menschen mehr<br />

als das Land gegenwärtig ernähren kann<br />

und jedes Jahr kommen noch über zwei<br />

Millionen neu geborene dazu.<br />

Die Föderation Äthiopiens ist etwas<br />

einmaliges, denn in jedem Bundesstaat<br />

wird in den Schulen in der Stammessprache<br />

unterrichtet die dann auch die<br />

offi zielle Amtssprache in dem jeweiligen<br />

Bundesstaat ist. In diesem schönen Land<br />

kann ich mich, anders als letztes Jahr in<br />

Myanmar, frei bewegen. Es gibt überall<br />

gut sichtbar Militär und Polizei die für<br />

Ordnung und Sicherheit sorgen. Auch das<br />

ist anders als in Myanmar wo die Staatsgewalt<br />

unsichtbar aber trotzdem überall<br />

rigide präsent war. Das Land ist so etwas<br />

<strong>wie</strong> eine pseudo-demokratisch funktionierende<br />

Entwicklungsdiktatur die nach<br />

dem chinesischen Prinzip funktioniert:<br />

Konzentriere dich auf die Entwicklung<br />

der Infrastruktur, lass das Kapital privat<br />

arbeiten aber behalte die Macht fest in d<strong>einer</strong><br />

Hand. Diese Konzeption führt leider<br />

unweigerlich zu <strong>einer</strong> immer größer werdenden<br />

Kluft zwischen Arm und Reich.<br />

Allerdings sind die Häuser der Reichen in<br />

Addis lange nicht so protzig <strong>wie</strong> die Paläste<br />

der Reichen in Rangun und die Einkommensverteilung<br />

ist immer noch sehr viel<br />

besser als in Myanmar obwohl Äthiopien<br />

sehr viel ärmer an natürlichen Ressourcen<br />

ist. In vielen Städten des Landes gibt es


sogar einen sozialen Wohnungsbau für die<br />

untere Mittelklasse. Ohne Zweifel hat die<br />

Regierung in Addis einen wirtschaftlichen<br />

Aufschwung in Gang gesetzt dem aber<br />

noch ein fi nanzierbares Sozialkorset fehlt,<br />

für welches die kurzsichtigen Investoren<br />

<strong>aus</strong> Indien, China und den arabischen<br />

Ländern wenig Verständnis haben. Auch<br />

hemmt eine zu starre Bürokratie, ein Relikt<br />

<strong>aus</strong> der sozialistischen Vergangenheit<br />

und eine immer mehr <strong>aus</strong>ufernde Infl ation<br />

die nachhaltige Entwicklung des Landes.<br />

Vor allem die wuchernde Infl ation mit steil<br />

ansteigenden Lebenshaltungskosten führt<br />

zu dem Paradox <strong>einer</strong> rapid wachsenden<br />

Wirtschaft mit zunehmender Verarmung<br />

weiter Bevölkerungskreise..<br />

Von Addis braucht man gute 10 Stunden<br />

mit dem Auto bis nach Yabello in<br />

das Projektgebiet der Welthungerhilfe.<br />

Nachdem man die industriellen Vororte<br />

von Addis verlassen hat fährt man durch<br />

eine Landschaft, die von Linsen, Weizen,<br />

Gerste und Teff anbauenden kleinbäuerlichen<br />

Betrieben geprägt ist. Teff ist<br />

eigentlich kein richtiges Getreide sondern<br />

noch eine Gras-Art deren Samen jeden<br />

Tag zur Herstellung des Nationalgerichtes<br />

Injera verwendet wird. Injera <strong>wie</strong>derum<br />

ist ein Teig, welcher nach dem Backen als<br />

Unterlage für rohes oder gegrilltes Fleisch,<br />

Bohnen und Linsen, manchmal auch<br />

Rührei, dient. Teff schmeckt etwas säuerlich,<br />

soll aber sehr gesund sein.<br />

Nach etwa fünf Autostunden durchquert<br />

man eine Hochebene mit <strong>einer</strong> Riesenfarm,<br />

auf welcher während der Getreideernte<br />

eine Armada von Mähdreschern der Firma<br />

Claas <strong>aus</strong> Gütersloh operiert. Der Mann,<br />

dem diese Farm gehört, soll in Amerika<br />

wohnen. Auch kann man in einiger<br />

Entfernung mehrere große Seen erspähen.<br />

Etwas später, nachdem man die kleine<br />

aber saubere Stadt Awassa passiert hat,<br />

geht es <strong>wie</strong>der hinauf in die Berge, wo die<br />

Kleinbauern vom Kaffee- und Chat-Anbau<br />

leben. Die Droge Chat wird überall fl eißig<br />

konsumiert und dazu in großen Mengen<br />

in die arabischen Länder exportiert.<br />

Wieder ein paar Stunden später dominiert<br />

eine Bananenart die landwirtschaftlichen<br />

Flächen, deren Stamm und Wurzel und<br />

nicht die Früchte als Grundnahrungsmittel<br />

dienen. Und dann endlich öffnet sich, soweit<br />

das Auge sehen kann, die unendliche<br />

dünn besiedelte Weite des Borana-Noma-<br />

denlandes mit seinen welligen Hügeln und<br />

bizarren Höhen.<br />

Yabello ist ein kl<strong>einer</strong> Ort mit <strong>einer</strong><br />

Ansammlung von hässlichen Lehmhütten<br />

und ein paar unschönen Ziegelbauten. Für<br />

Schönheit und Ordnung hat in schwarz<br />

Afrika meist niemand ein Auge und im<br />

Büro der Nichtregierungsorganisation welche<br />

ich beraten soll herrscht das absolute<br />

Chaos. Die Organisation arbeitet gleichzeitig<br />

für mehr als 10 Geber, hat etwa<br />

20 Projekte zu bedienen und ist in ihrer<br />

Kapazität restlos überfordert. Ich habe<br />

in meinem ganzen Leben noch nie ein<br />

solches Durcheinander erlebt. Ein Büro<br />

für mich und meinen Kollegen Ralph<br />

Heeschen, welcher der Wasserkomponente<br />

des Projektes als Berater zugeordnet ist,<br />

gibt es nicht und so habe ich mein Büro<br />

in mein Hotelzimmer verlegt. Nach <strong>einer</strong><br />

Anfangszeit in einem dunklen Loch ohne<br />

Licht und Wasser und <strong>einer</strong> durchgelegenen<br />

Schaumgummimatratze habe ich<br />

jetzt ein sauberes Hotelzimmerchen in<br />

welchem es zum Glück auch meist Wasser<br />

und Elektrizität gibt. Das Hotel liegt etwa<br />

7 Kilometer vor dem Ort Yabello an <strong>einer</strong><br />

Kreuzung, wo sich die einzige Asphaltstraße<br />

in unserem Projektgebiet, die an die<br />

Grenze von Kenia führt, mit <strong>einer</strong> Straße<br />

<strong>aus</strong> dem Westen in der Gegend des Nils<br />

trifft und auf welcher regelmäßig Abenteuertouristen<br />

reisen. Die Touristen brauchen<br />

nach maximal 300 Kilometern Piste Schlaf<br />

und deshalb gibt es an der Kreuzung zwei<br />

annehmbare Hotelchen. Außerdem gibt es<br />

an der Kreuzung zwei Tankstellen und eine<br />

Menge Chatbuden. Abends bestimmen<br />

die Hirten mit ihren Herden von Rindern,<br />

Ziegen und Schafen, die von weit entfernten<br />

Weiden zurückkehren, das Leben an<br />

der Kreuzung; so ist immer etwas los an<br />

unserer Junction.<br />

Morgens um 5 Uhr weckt mich kein<br />

Hundegebell <strong>wie</strong> in Myanmar sondern<br />

ein vielstimmiges Eselgeschrei. Dann<br />

mache ich einen Spaziergang damit mein<br />

künstliches Knie nicht <strong>aus</strong> der Übung<br />

kommt. Um 7.30 holt mich mein Fahrer<br />

am Hotel ab. Mein erster Fahrer hieß<br />

Major Wandemu. Den Titel Major habe<br />

ich ihm verliehen, den er war unter dem<br />

sozialistischen Megistu Regime Offi zier<br />

in der äthiopischen Armee und als solcher<br />

auch für drei Jahre zur Ausbildung in der<br />

Sowjetunion. Unter der neuen Regierung<br />

Ziegenverteilung<br />

Alter Nomade<br />

Kamelhirte mit Herde<br />

Nomadenversammlung unter einem Akazienbaum<br />

in der Steppe.<br />

Tempel/Pagode<br />

79


80<br />

wurde er mit 50.000 <strong>anderen</strong> Soldaten der<br />

Megistu-Armee entlassen ohne dass er sich<br />

als Zivilist seine laute Kommandosprache<br />

abgewöhnen konnte. Das Kommando<br />

über den Einsatz des Fahrzeugs konnte ich<br />

ihm zwar entreißen, von seinem Kommandoton<br />

aber war er nicht abzubringen. Einmal,<br />

als wir zusammen die beeindruckende<br />

alte Kirche von Haila Selasi in Addis<br />

besichtigten, klingelt plötzlich sein Handy<br />

und schon donnert er im Kommandoton<br />

los als stände er auf einem Kasernenhof<br />

und nicht in <strong>einer</strong> ehrwürdigen Kirche.<br />

Ein anderes Mal krachten kurz vor uns<br />

zwei Autos zusammen. Ein kl<strong>einer</strong> weißer<br />

Mann lag blutend neben s<strong>einer</strong> blutüberströmten<br />

zierlichen äthiopischen Frau und<br />

fünf junge Männer liefen ziellos unter<br />

Schock hin und her und um die Fahrzeugwracks<br />

herum. Major Wandemu herrscht<br />

mich an: Du bleibst sitzen, soll heißen das<br />

machen wir schon. Das ist keine Arbeit für<br />

einen Franchi (Europäer). Wir haben dann<br />

trotzdem zusammen die Schwerverletzten<br />

eingeladen und in die Krankenstation der<br />

nächsten kleinen Stadt gebracht von wo sie<br />

ein UN Hubschrauber nach Addis in die<br />

Klinik brachte.<br />

Ich kann es einfach nicht fassen, obwohl<br />

unsere wenig befahrene schnurgerade<br />

Asphaltstraßen über viele Kilometer<br />

überschaubar ist, bringen es vor allem die<br />

jungen Fahrer der wenigen Minibusse und<br />

Kleinlastwagen immer <strong>wie</strong>der fertig auf<br />

dieser Straße frontal zusammenzustoßen,<br />

sich zu überschlagen oder andere Unfälle<br />

mit vielen Toten zu produzieren.<br />

Major Wandemu hat nach vier Wochen<br />

seinen Dienst quittiert, mit dem Argument<br />

vier Wochen Staub schlucken auf<br />

den Pisten im Boranaland ohne Badewasser<br />

in Yabello, sein genug für einen Major.<br />

Jetzt ruft er mich jede Woche an und fragt<br />

ob es mir in Yabello immer noch gut geht.<br />

Nach Major Wandemu wurde Abdulah<br />

mein Fahrer, ein kl<strong>einer</strong> Muslim und Casanova<br />

dem ich zuerst einmal das Chatkauen<br />

während des Dienstes verbieten musste,<br />

der aber trotz s<strong>einer</strong> Jugend überlegt und<br />

vorsichtig fährt. Im Gelände fährt er sogar<br />

besser als Major Wandemu. Arbeitswütig<br />

ist er nicht. Nach einem langen Tag auf<br />

der Piste beklagt er sich über zu kurze und<br />

unregelmäßige Essensp<strong>aus</strong>en, zu viel Stress<br />

und Rückenschmerzen.<br />

Bei den Nomaden im Boranaland.<br />

Weihnachten ist schon lange vorbei aber<br />

der Rundbrief ist immer noch nicht weg.<br />

Über Äthiopien habe ich von Sooderee genug<br />

berichtet, denn ich habe ja nur wenig<br />

von diesem großen Land gesehen. Heute<br />

ist <strong>wie</strong>der ein Feiertag und zum Schreiben<br />

werde ich so schnell nicht <strong>wie</strong>der<br />

kommen, deshalb schnell noch einiges zu<br />

m<strong>einer</strong> Arbeit unter den Nomaden.<br />

Es ist <strong>wie</strong> an einem heißen Hochsommertag<br />

in Deutschland. Ich liege mittags<br />

unter einem Akazienbaum so <strong>wie</strong> vor fast<br />

siebzig Jahren als Sechsjähriger unter dem<br />

Apfelbaum im Garten m<strong>einer</strong> Großmutter<br />

und sehe verträumt in das endlose,<br />

tiefblaue Firmament über mir. Ein Bussard<br />

zieht hoch oben seine erhabenen Kreise.<br />

Kein Krach, keine Hektik sondern Ruhe<br />

und Zufriedenheit. Ich strecke und recke<br />

mich mit unendlichem Wohlgefühl. Wie<br />

Felsen„burg“ Termitenhügel Borana-Kind<br />

heißt es doch so schön in einem altem<br />

Gedicht: Es ist so ruhig die Heide liegt<br />

im warmen Mittags Sonnenstrahle ein<br />

rosaroter Schimmer liegt über den alten<br />

Grabmälern, kein Ton der aufgeregten <strong>Zeit</strong><br />

drang je in diese Einsamkeit.<br />

Schrill unterbricht mein Handy die Stille.<br />

Aus der Traum. Die Mittagsp<strong>aus</strong>e ist vorbei.<br />

Der Bussard über mir ist kein Bussard<br />

sondern ein Geier und Braunfels und der<br />

Garten m<strong>einer</strong> Großmutter liegen in weiter<br />

Ferne. Wir leben zudem in Jahr 2012<br />

und da funktioniert das Handy sogar in<br />

der Savanne. Dr. Kassim, <strong>einer</strong> der jungen<br />

Veterinäre, mit denen ich 24.000 Geißen<br />

in einem Gebiet so groß <strong>wie</strong> der Freistaat<br />

Bayern verteilen soll will wissen wo ich<br />

stecke. Er hat Recht, schließlich sind wir<br />

nicht hier um Urlaub zu machen. Heute<br />

haben wir 800 Ziegen prophylaktisch gegen<br />

Parasiten und Krankheiten zu behandeln<br />

und dann an 160 Nomadenfamilien<br />

zu verteilen. Das muss in Gegenwart von<br />

Regierungsvertretern mit einem Fingerabdruck<br />

6-mal dokumentiert werden, denn<br />

die meisten Nomaden können nicht lesen<br />

oder schreiben. Dabei gibt es manchmal<br />

hitzige Auseinandersetzungen. Ein Mann<br />

will Ziegen holen, aber nicht er sondern<br />

seine Frau ist registriert und die ist nicht<br />

da, also bekommt er die Tiere nicht. Alles<br />

schreit durcheinander, jeder übertönt den<br />

<strong>anderen</strong>. Ich habe einen Vorschlag, aber<br />

niemand hört auf mich. Mit asiatischer<br />

Höfl ichkeit komme ich hier nicht weiter,<br />

also schreie ich überlaut auf Deutsch,<br />

Ruhe! Alles hört erschreckt auf zu lamentieren<br />

und starrt mich mit offenem Mund


ungläubig an. Jetzt kann ich über Kassim<br />

der selber ein Borana ist, schnell in Ihrer<br />

Sprache ein paar Fragen stellen und siehe<br />

da die ist Sache ist zum Erstaunen aller in<br />

5 Minuten zur allgemeinen Zufriedenheit<br />

geregelt.<br />

In 2010 und 2011 hat eine lang anhaltende<br />

Trockenzeit die Herden vieler Nomaden<br />

dezimiert zur Freude der Geier und<br />

Hyänen die es hier überall gibt. Vor allem<br />

die Ärmsten der Armen haben oft alle ihrer<br />

wenigen Tiere verloren. Deshalb wurden<br />

die Ziegen von Leuten gekauft die<br />

einigermaßen glimpfl ich durch die Dürre<br />

gekommen sind und danach an solche Familien<br />

verteilt, welche nicht alles verloren<br />

haben. Die 4.800 bedürftigen Familien<br />

der Aktion müssen zunächst zusammen<br />

mit <strong>einer</strong> Kommission von Regierungs-<br />

und Nichtregierungsvertretern registriert<br />

werden. Die Aktivität wird von der deutschen<br />

Regierung daher dem Ministerium<br />

für Entwicklung und Zusammenarbeit<br />

(BMZ)fi nanziert. Die Welthungerhilfe<br />

arbeitet dabei als Unterauftragnehmer der<br />

GiZ. Anfangs hatten alle Beteiligten etwas<br />

Bammel vor dieser Aufgabe, denn k<strong>einer</strong><br />

von uns brachte Erfahrung auf diesem<br />

Gebiet mit sich, aber zwischenzeitlich haben<br />

wir die Sache fest im Griff auch wenn<br />

es mit dem lokalen Partner immer <strong>wie</strong>der<br />

Sch<strong>wie</strong>rigkeiten gibt.<br />

Ja, ja die Boranas sind ein besonderes<br />

Völkchen. Sie wohnen zufrieden in<br />

erbärmlichen Rundhütten ohne jeden<br />

Komfort, schlafen wenn sie unterwegs<br />

sind auf Ziegenhäuten im Freien und<br />

wandern mit ihren Herden hunderte von<br />

Kilometern durch die Savanne. Gerne<br />

würde ich öfters mit ihnen unter freiem<br />

Himmel schlafen, aber leider kann ich<br />

keinen vernünftigen Schlafsack auftreiben<br />

und ohne einen solchen ist es in 1.800<br />

Meter Höhe nachts zu kalt für einen<br />

empfi ndlichen Franchi.<br />

Die Frauen der Boranas lieben bunte Tücher<br />

und Kleider und reiben Ihre Haare<br />

mit Fett oder Milch ein. Die Männer<br />

laufen herum <strong>wie</strong> die Strauchdiebe und<br />

sind mit uralten, zerrissenen Klamotten<br />

und wilden Kopftüchern bekleidet. Im<br />

Augenblick geht es ihnen gut denn es hat<br />

im Oktober und November geregnet <strong>wie</strong><br />

seit langem nicht mehr, das Gras wächst<br />

<strong>wie</strong>der und das Vieh erholt sich von den<br />

mageren Jahren. Außerdem gibt es bis zur<br />

nächsten Ernte im Februar noch Nahrungsmittelhilfe<br />

für die Ärmsten. Dazu<br />

werden Brunnen rehabilitiert oder neu<br />

gebohrt, kurzum es passiert eine ganze<br />

Menge zu ihren Gunsten.<br />

Die Boranas haben schon vor hundert<br />

Jahren lange vor der ersten deutschen<br />

Republik ein demokratisches System<br />

entwickelt welches heute noch funktioniert<br />

und auch in <strong>Zeit</strong>en der Dürre und<br />

knappen Ressourcen für Frieden innerhalb<br />

des Stammes sorgt. Alles erinnert<br />

mich hier an die Geschichten im Alten<br />

Testament, denn Abraham war auch ein<br />

Nomade und sagte schon vor viert<strong>aus</strong>end<br />

Jahren zu Lot: Lass doch nicht Zank<br />

sein zwischen mir und Dir und zwischen<br />

meinen Hirten und Deinen Hirten, denn<br />

wir sind Brüder. Allerdings fi nden doch<br />

immer <strong>wie</strong>der kriegerische Auseinandersetzungen<br />

mit den benachbarten Somaliern<br />

oder Gabras statt, welche nach weniger<br />

friedlichen Gesetzen leben. In der Regel<br />

geht es dabei um Zugang zu Wasserstellen<br />

oder Weideplätzen Da beide Seiten<br />

mit Kalaschnikows bewaffnet sind gibt<br />

es dabei Tote und Verletzte. Manchmal<br />

können wir deshalb nicht, <strong>wie</strong> geplant, in<br />

ein bestimmtes Gebiet fahren wo gerade<br />

<strong>wie</strong>der Unruhen <strong>aus</strong>gebrochen sind. Über<br />

die Grenze nach Kenia konnten wir aber<br />

sogar ohne Pass und Visum reisen. Wir<br />

waren gerade in Moyale, <strong>einer</strong> kleinen<br />

Grenzstadt im Boranaland. Diese Stadt<br />

wird in der Mitte von <strong>einer</strong> geraden,<br />

asphaltierten Straße durch eine Distriktgrenze<br />

geteilt. Links von der Straße liegt<br />

Somali-Land und rechts von der Straße<br />

Boranaland. Da bleibt es nicht <strong>aus</strong>, dass<br />

immer <strong>wie</strong>der Unruhen zwischen den zwei<br />

feindlichen Brüdern <strong>aus</strong>brechen. Außerdem<br />

setzt sich die Stadt über die äthiopische<br />

Grenze nach Kenia hinein fort. Es<br />

gibt also ein Moyale in Äthiopien und ein<br />

Moyale in Kenia. Die Grenze nach Kenia<br />

wird nur durch ein Seil, welches über der<br />

Straße hängt, gesperrt. Fußgänger von<br />

hüben und drüben passieren die Grenze<br />

unkontrolliert aber ein Auto braucht eine<br />

Sondergenehmigung will es denn die<br />

Grenze passieren. Wir hatten Glück und<br />

brauchten den Grenzwächter, der oft nicht<br />

vor Ort ist, nicht suchen, er saß in einem<br />

kleinen Schildwachen-Häuschen und las<br />

in <strong>einer</strong> <strong>Zeit</strong>ung. Der Mann hatte Verständnis<br />

für meinen Wunsch einmal das<br />

kenianische Moyale zu besuchen. Zu Fuß<br />

und ohne meinen Reisepass den ich nicht<br />

dabei hatte, kein Problem, aber mit dem<br />

Auto verboten. Nach kurzer Diskussion<br />

erreichte Major Wandemu einen geeigneten<br />

Kompromiss. Wir versprachen dem<br />

Grenzposten in ein paar Stunden zurück<br />

zu sein und überließen ihm unsere zwei<br />

Laptops als Garantie und fuhren mit dem<br />

Auto über die verbotene Grenze. Auf der<br />

kenianischen Seite gab es nur freundliche<br />

Grenzer, welche ebenfalls volles Verständnis<br />

für meinen Wunsch hatten den kenianischen<br />

Teil von Moyale kennen zu lernen.<br />

So einfach ist es einen Auslandsbesuch zu<br />

machen wenn man Major Wandemu als<br />

Fahrer dabei hat.<br />

Einmal, ich hatte schon tagelang einen<br />

ordentlichen Dünnpiff und wir hatten<br />

gerade eine Gruppe bewaffneter Männer<br />

in Uniform und Halbuniform getroffen<br />

bekam ich, in the middle of nowhere,<br />

böse Koliken so dass mir schwarz vor<br />

den Augen wurde. Zum Glück waren es<br />

keine Nierenkoliken sondern eine heftige<br />

Amöbenruhr. Sonst aber freue ich mich<br />

über die großartige Landschaft, die vielen<br />

kleinen Dik diks, das sind zierliche kleine<br />

Zwergrehe, so groß <strong>wie</strong> bei uns ein Feldhase.<br />

Manchmal sehen wir auch ein Rudel<br />

Gazellen, Paviane oder Schakale und vor<br />

zwei Wochen hatten sich hunderte von<br />

Störchen bei uns in der Savanne ein Winterquartier<br />

<strong>aus</strong>gesucht. Wenn dann abends<br />

das Licht bei der Heimkehr funktioniert<br />

und ein paar Tropfen <strong>aus</strong> der Br<strong>aus</strong>e fallen<br />

ist mein Glück vollkommen.<br />

Neben dem Geißen-Projekt soll ich noch<br />

einen Vorschlag für eine langfristige nachhaltige<br />

Entwicklung draften. Denn alles<br />

was bisher passiert ist, war Nothilfe, die<br />

wichtig zum Überleben war und ist, aber<br />

nicht vor den Folgen der nächsten Dürre<br />

bewahren kann. Das ist eine interessante<br />

Aufgabe die mir viel Freude macht und<br />

bei welcher ich viele interessante Leute bei<br />

den Behörden, Instituten, Universitäten,<br />

traditionellen und zivilen Organisationen<br />

kennen lerne. Aber davon zu schreiben<br />

würde zu weit führen.<br />

81


82<br />

Neue Kunstbücher<br />

Meisterwerke<br />

in der Emanzipation der Kunst<br />

vorgestellt von Thomas Hirsch<br />

Es hat in der Geschichte der Menschheit<br />

lange gedauert, bis sich die Bildende Kunst<br />

als eigene Disziplin emanzipiert und in der<br />

Folge personalisiert hat. Die Maler und<br />

Bildhauer hatten zunächst rein dienende<br />

– vermittelnde, moralische – Funktion.<br />

Im Abendland veranschaulichten sie<br />

mythologische Szenen und porträtierten<br />

her<strong>aus</strong>ragende Persönlichkeiten der sakralen<br />

und der weltlichen Sphären, häufi g<br />

als Auftragsarbeiten, oft im Kontext von<br />

Architektur. Mithin waren die Künstler<br />

hochspezialisierte Handwerker. Familienbetriebe,<br />

Werkstätten und Schulen bildeten<br />

sich her<strong>aus</strong>, die große Meister hervorbrachten.<br />

Ein Indiz für die Tragweite, die der<br />

Zuordnung und Individualisierung der<br />

Werke beigemessen wird, ist die Findung<br />

von Notnamen. Mit der Etablierung der<br />

Kunstgeschichte als Fachdisziplin erfolgen<br />

die Zuschreibungen anhand von stil- und<br />

materialanalytischen Maßnahmen.<br />

Konrad Witz, 392 S. mit 287 über<strong>wie</strong>gend<br />

farbigen Abb., gebunden mit Schutzumschlag,<br />

31,2 x 25,5 cm, Hatje Cantz, 68,-<br />

Euro<br />

Einer der frühen Meister des deutschsprachigen<br />

Raumes, dessen Biographie nur<br />

ansatzweise bekannt ist, ist Konrad Witz.<br />

Belegt ist Konrad Witz erst in Rottweil<br />

und ab 1434 in der Zunft in Basel. Sein<br />

Hauptwerk ist der Genfer Altar (um<br />

1444), und der glückliche Sonderfall, dass<br />

die Rahmungen mit ihren Beschriftungen<br />

erhalten blieben, ermöglicht die Zuschreibung<br />

auf ihn. Auf den beiden Flügeln ist<br />

der Fischzug des Petrus zu sehen, eingefügt<br />

in die reale Umgebung des Genfer<br />

Sees – damit handelt es sich um die erste<br />

topografi sch konkrete Landschaftsdarstellung<br />

der deutschen Malerei. Aber Konrad<br />

Witz gilt überhaupt als Neuerer der<br />

Kunst. Indem die Lichtquellen außerhalb<br />

des Bildes stammen und die Schatten in<br />

dieses fallen, erweitert sich der Illusionsraum<br />

über die Darstellung hin<strong>aus</strong>. Bei<br />

all dem ist Konrad Witz ein Meister des<br />

Realismus, der unterschiedliche Stoffl ichkeiten<br />

virtuos evoziert. Er lädt Mimik<br />

und Gesten expressiv auf und erfüllt die<br />

alten, biblischen Geschichten mit neuem<br />

Leben. Um so bedauerlicher ist, dass sein<br />

Werk nur in Teilen bekannt ist; immerhin<br />

befi nden sich 14 Tafelbilder im Kunstmuseum<br />

Basel – soviel <strong>wie</strong> sonst nirgendwo.<br />

Es war also konsequent, dass das Basler<br />

H<strong>aus</strong> im vergangenen Jahr eine Ausstellung<br />

mit Konrad Witz durchgeführt hat.<br />

Das dazu erarbeitete Buch schafft den<br />

Spagat zwischen ästhetischer Berührung<br />

und wissenschaftlicher Analyse. Und<br />

es dokumentiert sämtliche Bilder von<br />

Konrad Witz, teils im Gegenüber mit den<br />

Infrarot-Refl ektografi en. Die Kunst von<br />

Konrad Witz ist aufrüttelnd, symbolisch<br />

und voller mutiger Neuerungen und<br />

Hinweisen auf das gesellschaftliche und<br />

kulturelle Umfeld, das teilt diese umfangreiche<br />

Monographie mit.<br />

Weniger attraktiv wirkt die Werkübersicht<br />

zu dem Bildschnitzer Hans Brüggemann,<br />

die Jan Friedrich Richter vorgelegt hat.<br />

Das liegt (<strong>aus</strong> unserer Perspektive) im<br />

Wesen des künstlerischen Mediums.<br />

Hans Brüggemann hat Altarretabel<br />

geschnitzt und deren Holz teils belassen,<br />

also nicht bemalt. Der Figurenkanon war<br />

vorgegeben. Aber das ändert nichts an<br />

der Bedeutung und dem Eindrucksvollen<br />

s<strong>einer</strong> Kunst auch nach 600 Jahren – und<br />

daran, dass dieser Überblick ein Desiderat<br />

war. Tatsächlich ist sein Hauptwerk<br />

bekannter als Brüggemann selbst, der<br />

Bordesholmer Altar, der 1521 vollendet<br />

wurde und sich heute im Schleswiger<br />

Dom befi ndet. Mit <strong>einer</strong> Höhe von<br />

12,60 m ist er das größte erhaltene<br />

Schnitzretabel auf deutschem Boden und<br />

mithin ein Hauptwerk der Spätgotik.<br />

Jan Friedrich Richter, Hans Brüggemann,<br />

266 S. mit rund 200 s/w-Abb., geb. mit<br />

Schutzumschlag, 30,5 x 23,5 cm, Deutscher<br />

Verlag f. Kunstwissenschaft Berlin, 79,- Euro<br />

Hans Brüggemann war zunächst am Niederrhein<br />

und in den Niederlanden tätig;<br />

mit dem Wechsel nach Norddeutschland,<br />

an den Hof von Herzog Friedrich<br />

von Schleswig-Holstein in Gottorf (ab<br />

1514) entwickelten sich Kontakte insbesondere<br />

nach Dänemark. Jan Friedrich<br />

Richter zeigt nun die Beeinfl ussung<br />

durch Albrecht Dürer und das Klima am<br />

Niederrhein auf. Er betont, <strong>wie</strong> wenig<br />

norddeutsch sein Stil doch war und<br />

scheidet Hans Brüggemann von seinen<br />

Gesellen. Hilfreich für das Verständnis<br />

dieser Analysen sind die vergleichenden<br />

fotografi schen Reproduktionen. Die<br />

Detailabbildungen schreiten sukzessive<br />

das Bordesholmer Retabel ab und<br />

arbeiten die plastische Staffelung und das<br />

Gestenreiche der Figuren her<strong>aus</strong>, gerade<br />

in den harten s/w-Kontrasten erschließt<br />

sich seine Kunst. Und die ist großartig.<br />

Ein weiteres bildnerisches Medium, das<br />

ebenso an der moralischen Vermittlung<br />

orientiert ist, ist die Druckgraphik. Die<br />

Kupferstiche und Holzschnitte waren<br />

erschwinglich und handlich, kamen zu der<br />

Bevölkerung und dienten der Textillustration.<br />

Frühe Meister sind die Brüder Sebald<br />

und Barthel Beham, die, <strong>aus</strong> Nürnberg<br />

stammend und dort wohl in der Werkstatt<br />

von Albrecht Dürer unterrichtet, in der<br />

ersten Hälfte des 16. Jahrhundert gelebt<br />

haben. Ihre jeweiligen Werke greifen gesellschaftliche<br />

und religiöse Themen auf und


J. Müller, Th. Schauerte (Hg.), Sebald<br />

und Barthel Beham – Die gottlosen Maler<br />

von Nürnberg, 284 S. mit ca. 130 üwg.<br />

s/w-Abb., Broschur, 29,5 x 20 cm, Edition<br />

Imorde, Gebr. Mann Verlag, 39,90 Euro<br />

wenden sich gerade gegen Konventionen.<br />

Eine wichtige Rolle für die Brüder spielten<br />

Luther, die Reformation und Thomas<br />

Müntzer. Selbst schlossen sie sich dem radikalen<br />

Flügel der Täufer an; 1525 wurden sie<br />

wegen Ketzertum <strong>aus</strong> der Stadt Nürnberg<br />

verbannt, wohin sie später nur kurzzeitig<br />

zurückkehrten. Während Sebald, der mit<br />

s<strong>einer</strong> Kunst noch der Pornographie angeklagt<br />

wurde, über Umwege nach Frankfurt<br />

zog und dort mit seinen Kupferstichen und<br />

Holzschnitten ein gutes Auskommen hatte,<br />

ließ sich der jüngere Barthel in München<br />

nieder und etablierte sich neben der<br />

Tätigkeit als Kupferstecher als Porträtist im<br />

Bereich der Malerei. Aber <strong>wie</strong> radikal waren<br />

die frühen Druckgraphiken tatsächlich? Das<br />

zu <strong>einer</strong> Ausstellung im Albrecht-Dürer-<br />

H<strong>aus</strong> erschienene Buch vermittelt mit über<br />

100 druckgraphischen Blättern die Dimensionen<br />

hinter den Darstellungen und die<br />

Brisanz für die damalige <strong>Zeit</strong>. Die Blätter<br />

sind in der Tat erstaunlich, mitunter von<br />

<strong>einer</strong> prallen Drastik – man spürt sofort,<br />

dass es sich hier um freie Kunst handelt, die<br />

ihrer Botschaft verpfl ichtet bleibt. Das Buch<br />

wurde vom SFB 804 „Transzendenz und<br />

Gemeinsinn“ der Technischen Universität<br />

Dresden erarbeitet, wobei man allerdings<br />

nicht erfährt, was es damit auf sich hat.<br />

Egal, die Aufmachung des Buches ist engagiert<br />

und hingebungsvoll. Nur darf man<br />

sich nicht wundern, dass viele der Werke so<br />

klein reproduziert sind: Sie sind so klein.<br />

Total druckfrisch ist das vierte Buch, das<br />

am weitesten in die Vergangenheit zurückreicht:<br />

Im Hirmer Verlag ist eine hochkarätige<br />

Einführung zum Mosaik erschienen.<br />

Heute eher illustrativ und kunsthandwerklich<br />

begriffen, handelt es sich dabei im<br />

Altertum und in der Frühzeit der Kunst<br />

um hoch geschätzte, wertvolle Kunstwerke<br />

im Kontext von Architektur, die offen für<br />

die verschiedenen künstlerischen Genres<br />

waren. Das vermittelt nun der Prachtband<br />

anschaulich mit vielen Farbabbildungen. In<br />

s<strong>einer</strong> Systematik, mit der er in das Thema<br />

einführt und dann wichtige erhaltene<br />

Mosaike (und deren Umgebung) zeigt, hat<br />

er etwas von einem Schulbuch, und das ist<br />

nicht negativ gemeint. Der Überblick reicht<br />

vom Hellenismus bis in die Spätantike,<br />

vorgestellt werden etwa das Nilmosaik in<br />

Palestrina, die Casa del Fauno in Pompeji<br />

oder die römische Basilika des Junius<br />

Bassus und San Vitale in Ravenna. Immer<br />

tragen die Darstellungen etwas Deutliches,<br />

Direktes in <strong>einer</strong> für uns vielleicht überzogenen<br />

Dramatik, schon in der Mimik der<br />

Gottheiten – könnte man von <strong>einer</strong> frühzeitlichen<br />

Pop-Art sprechen? Die Mosaike<br />

referieren auf Gemälde, die längst verschollen<br />

sind, ihre Schöpfer bleiben namenlos.<br />

Aber daran, dass wir es auch hier nicht nur<br />

mit Kulturgütern, sondern auch mit Kunstwerken<br />

zu tun haben, ändert das nichts.<br />

U. Pappalardo, R. Ciardiello, Griechische<br />

und römische Mosaiken, 320. S. mit 250<br />

Farbabb., Leinen mit Schutzumschlag im<br />

Schuber, 33 x 26,5 cm, Hirmer, 118,- Euro<br />

83


84<br />

4<br />

Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />

Vorgestellt von Matthias Dohmen<br />

Schriftenreihe der<br />

Deutschen Gesellschaft für Polizeigeschichte e. V.<br />

Band 14<br />

Manfred Reuter<br />

„In Treue fest“<br />

Eine Studie über<br />

<strong>aus</strong>gewählte Polizeigewerkschaften und<br />

Polizeigewerkschafter in der Weimarer Republik<br />

Verlag für Polizei wissenschaft<br />

Über die Weimarer Republik ist schon<br />

viel geschrieben worden, ihre Parteien,<br />

Regierungen, das demokratische und das<br />

undemokratische Potential. Zu Letzterem<br />

gehörte die Polizei, die bislang kaum<br />

Gegenstand von Untersuchungen war.<br />

Manfred Reuter, der vor Aufnahme seines<br />

Studiums einige Jahre im Vollzugsdienst<br />

gearbeitet hat, legt eine Studie über<br />

Polizeigewerkschafter in der Weimarer<br />

Republik vor. Die große Mehrheit und<br />

vor allem das Führungskorps stand<br />

traditionell „In Treue fest“ zum Kaiser<br />

und verhielt sich nach 1918/19 der neuen<br />

demokratischen Republik gegenüber<br />

abwartend, wenn nicht feindlich. Was es<br />

an Vorläufern der heutigen Gewerkschaft<br />

der Polizei gab, fi el <strong>wie</strong> die Otto-Braun-<br />

Regierung dem 1932 „Preußenschlag“<br />

zum Opfer.<br />

Manfred Reuter, „In Treue fest“. Eine Studie<br />

über <strong>aus</strong>gewählte Polizeigewerkschaften<br />

und Polizeigewerkschafter in der Weimarer<br />

Republik, Frankfurt am Main: Verlag für<br />

Polizeiwissenschaft 2012 (= Schriftenreihe<br />

der Deutschen Gesellschaft für Polizeigeschichte,<br />

14). 132 S., 16,90 Euro<br />

Eine außergewöhnliche Veröffentlichung<br />

stellen Horst Lademachers „Grenzüberschreitungen“<br />

dar, in denen er seinen<br />

„Weg zur Geschichtswissenschaft“<br />

beschreibt. Lademacher, im Sauerland geboren,<br />

wo er heute <strong>wie</strong>der lebt, als Neunjähriger<br />

auf der NS-Eliteschule Napola,<br />

Abitur, Studium u. a. der Geschichte und<br />

der Niederlandistik, an niederländischen<br />

und deutschen Universitäten lehrend,<br />

zuletzt Chef des Niederlande-Instituts der<br />

Uni in Münster: In einem überdimensionalen<br />

Interview mit Burkhard Dietz<br />

und Helmut Gabel resümiert er seine<br />

Erfahrungen in einem noch lange Jahre<br />

nach der Befreiung verminten Gelände.<br />

Die deutsche Geschichtswissenschaft war<br />

traditionell konservativ bis stockkonservativ,<br />

hatte wenig Probleme, sich im Dritten<br />

Reich einnorden zu lassen und kämpfte<br />

auch im Kalten Krieg an vorderster Linie.<br />

Wenige hielten dagegen, der in kleinen<br />

Verhältnissen aufgewachsene mittlerweile<br />

81-jährige Historiker der Arbeiterbwegung<br />

ist <strong>einer</strong> davon. Dem Buch ist<br />

weiteste Verbreitung zu wünschen – nur<br />

der Peis ist etwas üppig.<br />

Horst Lademacher, Grenzüberscheitungen.<br />

Mein Weg zur Geschichtswissenschaft –<br />

Erinnerungen und Erfahrungen im Gespräch<br />

mit Burkhard Dietz und Helmut Gabel,<br />

Münster/New York/München/Berlin: Waxmann<br />

2012. 347 S., 42,00 Euro<br />

„Nur Geduld“ lautet das Motto des „Kinderzimmerkalenders<br />

2013“ von Wolf Erlbruch.<br />

Die 13 Blätter bevölkern Katzen und<br />

Mäuse, aber auch Hunde, ein Geweihträger,<br />

Federvieh, Hasen, eine Eule und ein Pferd.<br />

Sie alle befi nden sich in komischen Situationen,<br />

sind überfordert oder versuchen das<br />

Unmögliche. Und manchmal haben sie nur<br />

Angst <strong>wie</strong> das Häschen, das sich nicht traut,<br />

vom Drei-Meter-Brett herunterzuspringen.<br />

Es geht den Tieren <strong>wie</strong> den Menschen,<br />

lautet die Botschaft. Umgedreht: Es geht<br />

den Menschen <strong>wie</strong> den Tieren. Das <strong>aus</strong><br />

Sicht des Rezensenten schönste Motiv: Eine<br />

Katze liegt mit gebrochenem und eingeschienten<br />

Bein im Krankenh<strong>aus</strong>bett, und<br />

auf der Fußspitze turnt eine M<strong>aus</strong> herum,<br />

die auf den Gips geschrieben hat: „Nur<br />

Geduld! M<strong>aus</strong>i“. Der Stubentiger hat zwar<br />

die Krallen <strong>aus</strong>gefahren, aber dem grau<br />

Gefellten kann er damit nicht imponieren.<br />

Etwas ratlos schaut die Katze auf eine Portion<br />

Käse, die auf dem Nachttisch steht und<br />

geradezu darauf wartet, dass sich die M<strong>aus</strong><br />

darüber hermacht.<br />

Erlbruchs Kalender ist einmal mehr zu<br />

wünschen, dass er in vielen Kinder- und<br />

Erwachsenenzimmern hänge. Mit Ungeduld<br />

wartet man schon auf die Ausgabe ...<br />

von 2014.<br />

Wolf Erlbruch, Kinderzimmerkalender<br />

2013, Wuppertal: Peter Hammer 2012.<br />

13 Blätter, 19,90 Euro


Neue Wuppertal-Kalender<br />

Bjørn Ueberholz – Fotografi e<br />

2013 Wuppertal<br />

In Zusammenarbeit mit Wuppertal Touristik<br />

und der Wuppertaler Rundschau hat Bjørn<br />

Ueberholz den Wuppertal Kalender 2013<br />

erstellt. Er beleuchtet die schönen Seiten unserer<br />

Stadt und erhofft sich die gemeinsame<br />

Bewerbung aller dargestellten Besonderheiten<br />

unserer Stadt nach innen und außen.<br />

The art of tool making<br />

Er ist bei den Reisebüros der Wuppertaler<br />

Rundschau und den Niederlassungen des<br />

Wuppertal Touristik, im Museum, am<br />

Döppersberg und demnächst auch in der<br />

Schloßbleiche zu haben. 13 hochwertige<br />

Vierfarb-Reproduktionen zzgl. 1 Übersichtsblatt.<br />

Format 33 x 30 cm. Er kostet 14,80<br />

Euro.<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong><br />

Die Wuppertaler Schwebebahn<br />

Sechs Fotografen und ihre Sicht auf die<br />

Wuppertaler Schwebebahn<br />

Die Wuppertaler Fotografen Andreas<br />

Fischer, Karl-Heinz Kr<strong>aus</strong>kopf, Jörg Lange,<br />

Bettina Osswald, Uwe Schinkel und Bjørn<br />

Ueberholz lieferten interessante Motive <strong>aus</strong><br />

teils ungewöhnlichen Perspektiven, die die<br />

Schwebebahn in faszinierenden Bildern<br />

darstellen. 13 hochwertige Vierfarb-Reproduktionen<br />

zzgl. 1 Übersichtsblatt. Format<br />

36,5 x 30 cm. ISBN 978-3-942043-89-2,<br />

Preis im Buchhandel 14,90 Euro.<br />

Pina B<strong>aus</strong>ch Tanztheater Wuppertal<br />

mit Fotografi en von Jochen Viehoff<br />

im Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal<br />

Pina B<strong>aus</strong>ch lebt ! Die aktuellen Fotografi<br />

en von Jochen Viehoff im neuen Pina<br />

B<strong>aus</strong>ch-Kalender 2013 zeigen die überraschende<br />

Lebendigkeit, die in den weltweiten<br />

Aufführungen des Wuppertaler Ensembles<br />

auch drei Jahre nach dem Tod der berühmten<br />

Choreografi n noch auf die Bühne kommt.<br />

13 hochwertige Vierfarb-Reproduktionen<br />

in Staccato-Rasterung, Fotos<br />

glänzend lackiert, zzgl. 1 Übersichtsblatt.<br />

Format 30 x 48 cm auf 200 g/m 2 , matt<br />

Kunstdruck. ISBN 978-3-942043-88-5,<br />

Preis im Buchhandel 18.90 Euro<br />

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86<br />

Kulturnotizen<br />

Vorschau<br />

Fr., 25. Januar 2013, 19 Uhr, Pavillon<br />

...<strong>einer</strong> Amsel zupfeifend<br />

Mit Werken von Claude Debussy, Elliott<br />

Carter, Wolfgang Rihm, Salvatore Sciarrino,<br />

Maurice Ravel, Huw Watkins.<br />

Atmosphäre und Stimmungen in der<br />

Musik des 20. Jahrhunderts, <strong>aus</strong>gehend<br />

von den beiden Impressionisten Debussy<br />

und Ravel, stehen im Vordergrund. Flöte<br />

und Harfe sind zwei Instrumente, die ganz<br />

besonders für den Klangfarbenreichtum des<br />

Impressionismus stehen. Beide Instrumente<br />

haben aber auch hundert Jahre später<br />

Komponisten <strong>wie</strong> Salvatore Sciarrino und<br />

Wolfgang Rihm zu Werken mit ähnlichen<br />

Intentionen, jedoch in einem ganz neuen<br />

Stil, inspiriert. Bei Sciarrino ist es ein Gemälde<br />

Arnold Böcklins (Faun, <strong>einer</strong> Amsel<br />

zupfeifend), das hinter einem klangvollen<br />

Werk für Flöte und Harfe steht. Rihm greift<br />

ganz bewusst auf die Besetzung von Ravels<br />

Introduction et Allegro zurück und evoziert<br />

schon mit dem Titel En plein air eine ganze<br />

Reihe impressionistischer Bilder. Elliott<br />

Carter bleibt auch mit seinem Alter von<br />

104 Jahren der sympathische amerikanische<br />

Komponist, des-sen Werke Vielschichtigkeit<br />

und Gleichzeitigkeit von Charakteren <strong>aus</strong>zeichnen.Esprit<br />

rude / Esprit doux I könnte<br />

man auch als ein komplexes Gespräch<br />

zwischen Klarinette und Flöte bezeichnen –<br />

gleichzetitig abstrakt <strong>wie</strong> emotional.<br />

Sa., 23. Februar 2013, 19 Uhr, Pavillon<br />

So., 24. Februar 2013, 18 Uhr, Pavillon<br />

differing movements<br />

Es kommt Bewegung in den Pavillon –<br />

zeitgenössische Musik und Tanz fi nden<br />

zueinander.<br />

Mit Werken von Gabriel Prokofi ev, Joe<br />

Cutler, Tan Dun, Detlev Glanert, Arvo<br />

Pärt, John Adams<br />

Ausstellung Didier Vermeiren<br />

Noch bis So, 17. 2. 2013<br />

Das gesamte Oeuvre Didier Vermeirens<br />

(geb. 1951 in Brüssel) entwickelte sich in<br />

einem steten Aust<strong>aus</strong>ch zwischen Vergangenheit<br />

und Gegenwart, zwischen <strong>einer</strong><br />

Interpretation der Geschichte der Bild-<br />

hauerei <strong>einer</strong>seits und der zeitgenössischen<br />

Erforschung ihrer Essenz andererseits.<br />

Die Inkorporation des Raumes<br />

durch die Skulptur - des ganzen Raumes,<br />

einschließlich des Firmamentes - ist, so<br />

verstanden, eine der charakteristischen<br />

Eigenschaften der Bildhauerei des 20.<br />

Jahrhunderts. Carl Andre sagte einmal in<br />

Bezug auf Brancusis Unendliche Säule, dass<br />

seine eigenen Skulpturen, die so gänzlich<br />

horizontal, fl ach <strong>aus</strong>gebreitet und ebenerdig<br />

sind, dennoch „eine Säule <strong>aus</strong> Luft“ über<br />

ihrer Oberfl äche erzeugen, die man sich<br />

„endlos“ ansteigend über die Werke hin<strong>aus</strong><br />

oder begrenzt durch den Himmel oder das<br />

Gewölbe des Gebäudes vorstellen kann.<br />

Öffnungszeiten:<br />

März – November: Di – So 10 – 18 Uhr<br />

Dezember – Februar: Fr – So 10 – 17 Uhr<br />

An Feiertagen geöffnet.<br />

Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal<br />

0202-3172989<br />

www.skulpturenpark-waldfrieden.de<br />

Literarisch-musikalische Forschungsreise<br />

durch das Bergische<br />

Am Donnerstag, den 10. Jan. 2013 um<br />

20 Uhr lädt kreativ50plus an der Akademie<br />

Remscheid zur Lesung „…ins blaue…“<br />

ein. In 15 erfolgreichen Lesungen hat das<br />

Trio „literaturprogramme.de“ bereits Aspekte<br />

des Lebens und Wohnens im Bergischen<br />

Land mit Musik und Literatur beleuchtet.<br />

Im Rahmen von kreativ50plus resümieren<br />

die Sch<strong>aus</strong>pieler Caroline Keufen & Olaf<br />

Reitz, begleitet von der Akkordeonistin Ute<br />

Völker, in einem „best-of“-Programm <strong>aus</strong><br />

den Reisen in die Vergangenheit und in die<br />

Zukunft. Mit viel Spielfreude und Humor<br />

lesen sie <strong>aus</strong> regionalen Texten, Fachberichten,<br />

Journalen, rezitieren Lyrik und Prosa<br />

verschiedener Jahrhunderte und Autoren.<br />

Damit ziehen sie eine anregende Bilanz zum<br />

Thema Heimat. – Kosten 5,- Euro<br />

Literaturprogramme.de ist ein Trio für<br />

musikalische Lesungen. Die Sch<strong>aus</strong>pieler<br />

Caroline Keufen und Olaf Reiz lesen, Ute<br />

Völker improvisiert mit Akkordeon.<br />

Digitalfotografi e/Internet mit Apple<br />

Kreativ50plus an der Akademie Remscheid<br />

bietet im Januar zwei Seminare für alle, die<br />

ihren Mac besser für sich nutzen möchten.<br />

Im OP 251 Apple Spezial: Digitalkamera<br />

und Applecomputer - leicht<br />

gemacht I können Interessierte mit Digitalkamera<br />

hier praktisch erkunden, <strong>wie</strong><br />

die kleinen Technikwunder funktionieren<br />

und sich mit den grundlegenden Einstellmöglichkeiten<br />

beschäftigen. Sie können<br />

her<strong>aus</strong>fi nden, was ein Foto <strong>aus</strong>sagekräftig<br />

macht: Überzeugende Motive, wirkungsvolle<br />

Ausschnitte und Perspektiven, spannende<br />

Farben, Bildaufteilungen und vieles mehr.<br />

Im Workshop steht das lustvolle und kreative<br />

Fotografi eren im Vordergrund. Inhalte<br />

sind aber auch, <strong>wie</strong> man die Bilder von der<br />

Kamera auf den Apple-Computer überträgt,<br />

sie sortiert und von da <strong>aus</strong> zum Fotolabor<br />

weitergibt.<br />

Termin: Fr., 11. 1., 15 Uhr – So. 13. 1.<br />

2013, 13 Uhr Dozentin: Sonja Wessel<br />

Heute fi ndet man fast alles im Internet.<br />

Nur <strong>wie</strong>? Im OP 252 Apple Spezial: Mit<br />

dem Applecomputer im Internet lernen<br />

Sie, mit Ihrem Apple Computer im Internet<br />

zu recherchieren. Sie erfahren, <strong>wie</strong> Sie interessante<br />

Inhalte herunterladen, Lesezeichen<br />

setzen. Sie beschäftigen sich mit der für Sie<br />

passenden Einrichtung Ihres Webrowsers,<br />

der Weitergabe von Links an Freunde und<br />

vielem mehr, um den riesigen Informationspool<br />

Internet sinnvoll nutzen zu können.<br />

Sie lernen außerdem, über das Web kostenlos<br />

mit Freunden in aller Welt zu telefonieren<br />

oder ortsunabhängig von Bildschirm<br />

zu Bildschirm Computerhilfe zu bekommen.<br />

Bringen Sie ihre Fragen mit und probieren<br />

Sie alles Gehörte im Kurs gleich <strong>aus</strong>.<br />

Termin: Mo., 14. 1. 15 Uhr –Mi. 16. 1.<br />

2013, 13 Uhr Dozentin: Sonja Wessel<br />

www.kreativ50plus.de


Müllers Marionetten-Theater<br />

Im Dschungel(buch) sind die Affen los!<br />

Die Elefanten singen, die Affen tanzen<br />

und Schlangen und Tigern wird gehörig<br />

der Marschgeblasen. Mit der Wiederaufnahme<br />

von „Das Dschungelbuch“ am<br />

11. Dezember 2012 zeigt sich Müllers<br />

Marionetten-Theater kurz vor Jahresende<br />

noch einmal von s<strong>einer</strong> komischsten<br />

Seite.<br />

Diese Gemütlichkeit kennen wir! Herzerfrischend<br />

und urkomisch heizen Mogli<br />

und seine Freunde mit heißen Urwald-<br />

Songs in der kalten Jahreszeit ordentlich<br />

ein. Ein heiteres Stück nach der berühmten<br />

Geschichte von Rudyard Kipling für<br />

Theater- und Dschungelfreunde von 3 bis<br />

99 Jahren. Mit Songs von Uwe Rössler,<br />

Terry Gilkyson, Richard M. Sherman und<br />

Robert B. Sherman.<br />

Aufführungstermine:<br />

11., 12., 13., 14. Dezember 2012, jeweils<br />

um 11 Uhr, 15. und 16. Dezember 2012,<br />

jeweils um 16 Uhr<br />

Märchenhafte Winterzeit<br />

Müllers Marionetten-Theater spielt<br />

Klassiker und Neuerscheinungen<br />

In diesem Winter geht es in Müllers<br />

Marionetten-Theater wahrhaft märchenhaft<br />

zu. Für eine klassische Weihnacht<br />

zeigen Ursula und Günther Weißenborn<br />

im Dezember „Frau Holle“ und „Hänsel<br />

und Gretel“, im Januar kommt dann „Die<br />

kleine Meerjungfrau“ gleichsam mitreißend<br />

<strong>wie</strong> modern daher.<br />

Knusper knusper knäuschen, wer knuspert<br />

an meinem Häuschen? Grimms Märchen<br />

kennen und lieben Klein und Groß. Zum<br />

Abschluss der Jubiläums-Spielzeit und im<br />

Rahmen des Grimm-Jahres zeigt Müllers<br />

Marionetten-Theater zwei weitere Klassiker<br />

des berühmten Märchen-Brüder-Paares.<br />

Ebenso betörend ist auch Andersens Märchen<br />

von der kleinen Meerjungfrau. Die<br />

berührende Bühnenfassung von Günther<br />

Weißenborn lässt den Zuschauer für eine<br />

Stunde eintauchen in die schönste Unterwasserwelt<br />

– bunte Fische, die Hip-Hop-<br />

Lieder singen, bildschöne Nixen, die in<br />

paillettenbestickten Kostümen um die<br />

Wette glänzen, ein zartfarbiges Bühnenbild<br />

und eine Geschichte, die sowohl Kindern<br />

als auch Erwachsenen auf besondere Weise<br />

an die Herzen geht. Untermalt ist das<br />

Stück mit der bewegenden Musik von Uwe<br />

Pferdler.<br />

Aufführungstermine:<br />

Frau Holle<br />

4., 5., 6., 7. Dezember 2012 jeweils um<br />

11 Uhr, 8. und 9. Dezember 2012 jeweils<br />

um 16 Uhr<br />

Hänsel und Gretel<br />

18., 19., 20. Dezember jeweils um 11<br />

Uhr, 19., 22., 23., 26., 27., 29., 30. Dezember<br />

2012 jeweils um 16 Uhr<br />

Eine kleine Meerjungfrau<br />

13., 19., 20., 26., 27. Januar jeweils um<br />

16 Uhr<br />

Zauberhafte Flötentöne<br />

Müllers Marionetten-Theater zeigt am<br />

11. Januar 2013 um 19:30 Uhr „Die<br />

Zauberfl öte“, ein anspruchsvolles Kulturerlebnis<br />

für Erwachsene. Damit auch die<br />

Kleinen die virtuose Marionetten-Oper<br />

erleben können, hat Günther Weißenborn<br />

eine verkürzte kindgerechte Fassung inszeniert,<br />

die ebenso <strong>wie</strong> das Original durch<br />

seinen hohen musikalischen Anspruch<br />

überzeugt. Kleine Operngäste erwartet<br />

am 12. Januar 2012 um 17 Uhr eine<br />

Vorführung, die lustig und anrührend,<br />

spannend und lehrreich zugleich ist. Sie ist<br />

alles zusammen: Abenteuergeschichte,<br />

Liebesromanze, Schauermärchen. Sie ist<br />

spannend, anrührend und lustig und sie<br />

stellt eine wertvolle Sammlung der<br />

schönsten Melodien dar. Diese Oper<br />

enthält Lieder, die über Jahrhunderte bis<br />

heute aktuell empfunden werden – nicht<br />

nur von Erwachsenen, sondern auch von<br />

Kindern, die dem einnehmenden Gesang<br />

und der Musik erfahrungsgemäß gebannt<br />

l<strong>aus</strong>chen. Müllers Marionetten-Theater<br />

hat sich erlaubt, neben der Original-Oper<br />

für Erwachsene, die seit Jahren erfolgreich<br />

läuft, mit der „Zauberfl öte für Kinder“<br />

eine Oper so einzurichten, dass Kindern<br />

nach dem Theaterbesuch noch <strong>Zeit</strong> zum<br />

Abendessen und Spielen bleibt. Her<strong>aus</strong>gekommen<br />

ist eine Inszenierung, die Klein<br />

und Groß in ihren Bann zieht, neunzig<br />

beglückende Minuten lang.<br />

Termine:<br />

Zauberfl öte: 11. Januar 2013 um 19:30<br />

Uhr Zauberfl öte für Kinder ab 8 Jahren:<br />

12. Januar 2013 um 17 Uhr, Eintritt: 11,–<br />

Euro/ermäßigt 8,– Euro<br />

Ein Varieté der besonderen Art<br />

Marionetten tanzen Striptease, Rap<br />

und „in the rain“<br />

In ihrem Jubiläums-Varieté präsentieren<br />

Ursula und Günther Weißenborn von<br />

Müllers Marionetten-Theater am 31.<br />

Dezember 2012 um 18 und um 20:30 Uhr<br />

die komplette Spannbreite ihres puppenspielerischen<br />

Könnens. Mit den schönsten<br />

Szenen ihrer Stücke und noch nie gezeigten<br />

Showeinlagen <strong>wie</strong> einem aufregenden<br />

Marionetten-Striptease zeigen die Wuppertaler<br />

Puppenspieler an Silvester das, was mit<br />

Marionetten eigentlich nicht möglich ist.<br />

Es ist die hohe Schule des Marionettenspiels,<br />

der in den Varieté-Programmen in<br />

kurzen, knackigen Szenen gehuldigt wird:<br />

Es sind Maler, Tänzer, Sängerinnen, Rapper,<br />

Stepper und Äquilibristen am Werk,<br />

wenn es darum geht, die Schwerkraft zu<br />

überlisten und die Herzen zu erobern. Der<br />

kunstvolle Rap <strong>aus</strong> „Die kleine Meerjungfrau“,<br />

eine der anrührenden Szenen<br />

zwischen Papageno und Papagena <strong>aus</strong> der<br />

„Zauberfl öte“, ein Ballettsolo <strong>aus</strong> dem<br />

Schwanensee, ein tolldreister Marionetten-<br />

Striptease und noch vieles mehr verbinden<br />

87


88<br />

Kulturnotizen<br />

Ursula und Günther Weißenborn zu einem<br />

facettenreichen Varieté-Abend, mit dem<br />

sie ihren Gästen in der Jubiläums- Spielzeit<br />

einmal mehr eine wundervolle Marionetten-Vorführung<br />

bieten. Denn obgleich<br />

Marionetten ja nur Holzstücke an Fäden<br />

sind, transformiert sich die tote Materie im<br />

Theater ins Wunderbare, sodass der Heitere<br />

beglückt und der Verstockte befl ügelt wird!<br />

Termine:<br />

31. Dezember 2012 18 und 20:30 Uhr<br />

Bitte beachten Sie, dass ab sofort Vormittagsvorstellung<br />

auch für kleine Gruppen<br />

jederzeit möglich sind!<br />

Wuppertaler Bühnen<br />

Vom guten Ton. Die Welt ist voll<br />

Geplapper<br />

Musiktheater für vier Singstimmen, vier<br />

Bläser & Zupforchester. Text: Cornelie<br />

Müller, Komposition: Thomas Beimel<br />

Dorothea Brandt (Sopran), Michaela<br />

Mehring (Mezzosopran), Jud Perry<br />

(Tenor), John Jannsen (Bariton), Bläser<br />

der Wuppertaler Sinfoniker, Mandolinen-<br />

Konzertgesellschaft Wuppertal<br />

Ltg. Detlef Tewes<br />

Bühne + Inszenierung: Cornelie Müller<br />

Uraufführung: 21. 10.<br />

weitere Aufführungen: 27. 10. / 30. 11. /<br />

7. 12. / 9. 12. / 16. 12.<br />

www.wuppertaler-buehnen.de<br />

Weitere Aufführungen der Wuppertaler<br />

Bühnen:<br />

Musiktheater<br />

Bluthochzeit<br />

Lyrische Tragödie in zwei Akten von Federico<br />

García Lorca //// deutsch von Enrique<br />

Beck, Musik von Wolfgang Fortner.<br />

Ein junger Mann möchte heiraten. Seine<br />

Mutter hat aber schlimme Vorahnungen.<br />

Sie erfährt, dass die Braut schon einmal<br />

verlobt war mit Leonardo, einem Mitglied<br />

der »Mörderfamilie«, die ihren Mann und<br />

ihren ältesten Sohn getötet haben. Ihre<br />

Visionen werden Realität, die Logik der<br />

Blutrache lässt keinen Ausweg. Während der<br />

Hochzeitsfeier verschwindet die Braut. Sie<br />

fl ieht mit Leonardo, denn er hat sie, sie hat<br />

ihn nie vergessen können. Der Bräutigam<br />

setzt ihnen nach, und als er sie stellen kann,<br />

kommt es zur Tragödie.Wolfgang Fortner<br />

hat 1951 das Theaterstück von Federico<br />

García Lorca vertont, der 25 Jahre zuvor<br />

während des spanischen Bürgerkrieges von<br />

der faschistischen Falange ermordet wurde.<br />

Premiere 13. Januar 2013 – Opernh<strong>aus</strong><br />

Inszenierung / Bühne: Christian von Götz<br />

Musikalische Leitung: Hilary Griffi ths<br />

Sch<strong>aus</strong>piel<br />

Leonce und Lena<br />

ein Lustspiel von Georg Büchner<br />

Büchners Lustspiel von 1836 wirkt leichtfüßig,<br />

und ist gespickt mit satirischen<br />

Anspielungen und versteckten Boshaftigkeiten,<br />

die das Duodezfürstentum und<br />

die Gedankenlehre des herrschenden<br />

Adels aufs Korn nahm. Es erzählt von<br />

Gemütszuständen <strong>einer</strong> jungen Generation:<br />

Antriebslosigkeit, Unsicherheit, Zukunftsangst,<br />

Verweigerung und Aufl ehnung<br />

gegen Strukturen und Autoritäten.<br />

Kommt einem irgend<strong>wie</strong> bekannt vor…<br />

Premiere 25. Januar 2013 – Opernh<strong>aus</strong><br />

Inszenierung: Markus Lobbes<br />

Dramaturgie: Oliver Held<br />

Szenenfoto <strong>einer</strong> Aufführung des Backstage-<br />

Klubs des Münchner Volkstheaters.<br />

Zweite Haut<br />

Ausstellung von BBK Bergisch Land<br />

und Gästen<br />

in OLGA – Raum für Kunst – Ludwigstr.<br />

14, 42105 Wuppertal, www.o-l-g-a.de<br />

Von 17. 11. 2012 bis 15. 12. 2012<br />

Vernissage: Sa.17. 11. 2012, 18.00 Uhr<br />

Finissage: Sa. 15. 12. 2012, 17.00 Uhr<br />

Erika Windemuth, Hände. Foto: S. Steinprinz<br />

Teilnehmerinnen: Barbara Held, Sylvie<br />

Hauptvogel, Zahra Hassanabadi, Sabine<br />

Kreiter, Birgit Litsch, Doris Oberschachtsiek,<br />

Petra Pfaff, Maria Pienkowski, Birgit<br />

Reinhardt, Ulla Schenkel, Jule Steinbach,<br />

Ruth Velser, Erika Windemuth, Teresa<br />

Wojciechowska<br />

Gemeint ist die zivilisatorische Hülle zwischen<br />

ICH und NICHT-ICH: Schmuck,<br />

Schutz, Käfi g? Erfahrungen <strong>aus</strong> diesem<br />

Zwischenbereich werden mit den Mitteln<br />

der Kunst geformt, gebündelt und auf einen<br />

Punkt gebracht. Der schmale Steg dieser<br />

Defi nition führt ins Reich der Poesie, der<br />

Verführung, des Protestes, des Spotts und der<br />

Ironie. So fokussieren die KünstlerInnen das<br />

Thema auf ganz unterschiedliche Weise: Es<br />

wird mit verschiedenen Materialien gearbeitet:<br />

weichen, organischen, harten, transparenten,<br />

abweisenden und anderem. Gezeigt<br />

werden Performances, Video, Objekte, Bilder,<br />

Kostüme, Skulpturen.<br />

Öffnungszeiten: Mi. 15 –19 Uhr,<br />

Sa. 11 –15 Uhr, So. 11–15 Uhr<br />

Termine Literaturh<strong>aus</strong><br />

Wuppertal e.V.<br />

12.12.2012 - 19:30 Uhr<br />

Jan Brandt liest <strong>aus</strong> „Gegen die Welt“<br />

<br />

Schauplatz der Romanhandlung ist das<br />

ostfriesische Dorf Jericho, in das Mitte


der 1970er Jahre der schüchterne Daniel<br />

Kuper hineingeboren wird. Jan Brandt<br />

schrieb ein Epos über das Erwachsenwerden<br />

in der Provinz, über Freundschaft,<br />

Pop und Außerirdische.<br />

23.01.2013 - 19:30 Uhr<br />

Leif Randt: „Schimmernder Dunst<br />

über CobyCounty“<br />

<br />

In seinem zweiten Roman entwirft Leif<br />

Randt eine kunststoffschöne Welt am Abgrund,<br />

die ebenso utopisch <strong>wie</strong> greifbar<br />

nah scheint. Doch die goldenen Tage von<br />

CobyCounty sind gezählt.<br />

Johnny Cash Show<br />

Well, you’re my friend<br />

Von Johnny Cash und Weggefährten<br />

Von 1969 bis 1971 moderierte Johnny<br />

Cash im amerikanischen Fernsehen jeden<br />

Samstag die „Johnny Cash Show“. Getreu<br />

seinem Motto „Do the Right Thing“<br />

versammelte er die spannendsten Künstler<br />

s<strong>einer</strong> <strong>Zeit</strong> vor der Kamera und überwand<br />

dabei spielend leicht alle sozialen, rassistischen<br />

und politischen Grenzen, die Amerika<br />

in diesen Jahren zerrissen. Es war immer<br />

<strong>wie</strong>der überraschend, wer vorbeischaute und<br />

zum unnachahmlichen Sound der Sendung<br />

beitrug: Louis Armstrong spielte Country<br />

Songs, Ray Charles machte „Ring of Fire“<br />

zum ultimativen Blues, Bob Dylan, Neil<br />

Young und Anita Carter sangen ihre großen<br />

Songs, Dennis Hopper rezitierte Gedichte,<br />

Andy Kaufman verwandelte sich in Elvis<br />

und Cash selbst sang mit allen im Duett.<br />

Nach über 80 erfolgreichen „A Tribute<br />

to Johnny Cash“-Abenden im Sch<strong>aus</strong>pielh<strong>aus</strong><br />

führt das Team um Thomas<br />

Anzenhofer und Torsten Kindermann<br />

nun die „Johnny Cash Show“ in die<br />

zweite Runde.<br />

31. Dezember 2012, 16 Uhr und 20 Uhr,<br />

Karten nur an der Kasse<br />

www.sch<strong>aus</strong>pielh<strong>aus</strong>bochum.de<br />

August Macke-H<strong>aus</strong> Bonn<br />

Im Garten der Kunst<br />

Hommage an Hans Thuar zum 125.<br />

Geburtstag<br />

Ausstellungsdauer: bis zum 27. Jan. 2013<br />

Hans Thuar, Reh in Berglandschaft, 1914,<br />

Öl auf Leinwand, 55 x 90 cm, Privatbesitz<br />

Mit seinen leuchtenden Landschaften,<br />

farbintensiven Stillleben und psychologisch<br />

feinsinnigen Porträts gehört Hans<br />

Thuar zum inneren Kreis der rheinischen<br />

Expressionisten. Geboren 1887 bei<br />

Lübben im Spreewald, verbrachte er seine<br />

Kindheit in Köln und war nach einem<br />

schrecklichen Unfall im Alter von elf<br />

Jahren an den Rollstuhl gefesselt. Inspiriert<br />

durch seinen besten Freund, August<br />

Macke, wandte sich Hans Thuar früh der<br />

Kunst zu und entwickelte in der Auseinandersetzung<br />

mit der Avantgardekunst s<strong>einer</strong><br />

<strong>Zeit</strong> noch vor Ausbruch des Ersten<br />

Weltkrieges eine seinem Naturell entsprechende,<br />

kraftvolle, expressive Malerei.<br />

Ein dynamischer Pinselstrich, ein<br />

pastoser Farbauftrag und die Zerlegung<br />

der Bildgegenstände in ein kubistisch<br />

inspiriertes Formenkonglomerat charakterisieren<br />

seine Bilder der Zwanziger Jahre.<br />

Hans Thuar, Gefällter Baum (Flodeling),<br />

1912, Öl auf Leinwand, 51 x 80 cm,<br />

Kunstmuseum Bonn<br />

Anlässlich seines 125. Geburtstages<br />

widmet ihm nun das August Macke<br />

H<strong>aus</strong> eine umfangreiche Schau seines<br />

eindrucksvollen Werkes mit zahlreichen<br />

Arbeiten <strong>aus</strong> Privatbesitz.<br />

www.august-macke-h<strong>aus</strong>.de<br />

Siza-Pavillon – Forum für räumliches<br />

Denken – Raketenstation Hombroich<br />

Aus den Beständen der Insel Hombroich:<br />

Bruno Goller. Bilder & Zeichnungen<br />

noch bis 6. Januar 2013<br />

Bruno Goller gilt als <strong>einer</strong> der bedeutendsten<br />

Maler Deutschlands im 20.<br />

Jahrhundert. Sein Werk entzieht sich<br />

weitgehend künstlerischen Strömungen<br />

und kunsthistorischen Zuweisungen; es<br />

ist zwingend sich selbst verpfl ichtet. Dem<br />

Kunstbetrieb verweigerte sich Bruno Goller<br />

lebenslang zunehmend; er ist „eine der<br />

authentischsten Figuren der Kunst vor<br />

und nach der Jahrhundertmitte“ (Werner<br />

Schmalenbach).<br />

In der Ausstellung im Siza-Pavillon auf der<br />

Raketenstation Hombroich sind mehr als<br />

40 exemplarische Werke <strong>aus</strong> sieben Jahrzehnten<br />

(1922–1993) zu sehen, darunter einige,<br />

die bisher noch nicht gezeigt wurden.<br />

Ergänzt wird sie durch ein Porträt Gollers,<br />

das sein prominentester Schüler, Konrad<br />

Klapheck, gezeichnet hat.<br />

„Bruno Goller. Bilder und Zeichnungen“<br />

weist vor<strong>aus</strong> auf eine geplante Reihe<br />

Aus den Beständen der Insel Hombroich<br />

mit hochkarätigen Ausstellungen etwa zu<br />

Hans (Jean) Arp, Bernd und Hilla Becher,<br />

Gotthard Graubner, Konrad Klapheck, August<br />

Sander oder Oskar Schlemmer. Durch<br />

<strong>aus</strong>gewählte bildende Kunst, Fotografi e und<br />

Literatur werden die weiterhin im Siza-<br />

Pavillon auf der Raketenstation Hombroich<br />

stattfi ndenden Ausstellungen im Grenzbereich<br />

Architektur und Skulptur ergänzt.<br />

Stiftung Insel Hombroich<br />

Raketenstation 4, D-41472 Neuss,<br />

Tel. 02182/887-4000<br />

Öffnungszeiten der Ausstellung<br />

jeweils Mi, Sa, So, 12–18 Uhr<br />

so<strong>wie</strong> am 26. Dezember von 12–18 Uhr<br />

www.inselhombroich.de<br />

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Tagesnotiz<br />

Am Nachmittag zuh<strong>aus</strong>e trete ich einmal<br />

auf die Terrasse. Oma sitzt dort, ganz<br />

eingepackt in Bademantel, Schal und<br />

Zipfelmütze. Nur das kleine Gesicht ist<br />

zu sehen.<br />

Über uns spannt sich ein wunderbarer<br />

Herbsthimmel, zartblau mit hellgrauen<br />

Wolken. Nach den Therapiebüchern<br />

über Imaginations-Therapie, die mir in<br />

letzter <strong>Zeit</strong> begegnet sind, wäre das die<br />

perfekte Vorstellung von Gesundheit.<br />

Man muss sich diesen Himmel vorstellen<br />

und wird gesünder.<br />

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Ich setze mich zu Oma auf die Bank.<br />

Vor uns im Garten steht der hilfsbereite<br />

Marek auf der Leiter und fuhrwerkt in<br />

unserem Kirschbaum herum. Die Äste<br />

werden geschnitten.<br />

„Schau dir diesen Himmel an, Elisabeth“,<br />

sage ich zu Oma. „Dabei werden<br />

selbst Kranke gesund.“<br />

Oma beginnt zu singen, und ich falle ein:<br />

Und in den Schneegebirgen,<br />

da fl ießt ein Brünnlein kalt.<br />

Und wer das Brünnlein trinket,<br />

und, wer das Brünnlein trinket,<br />

wird jung und nimmer alt.<br />

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Ich hab dar<strong>aus</strong> getrunken<br />

So manchen frischen Trunk.<br />

Ich bin gesund geworden,<br />

ich bin gesund geworden,<br />

ich bin noch immer jung.<br />

Oma beherrscht den Text. Ich kannte die<br />

zweite Strophe nicht.<br />

Ich packe meine Sachen zusammen.<br />

Der Nachmittag kann beginnen. Wenn<br />

man immer nur an den gegenwärtigen<br />

Augenblick denken würde, wäre alles in<br />

Ordnung.<br />

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