2012. - ZEITUNG AM SAMSTAG
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Samstag, 12. Mai 2012 STADTGESPRÄCH F R E I B U R G 3<br />
Francois Hollande gewann in<br />
Frankreich die Wahlen gegen<br />
Nicolas Sarkozy. Der Sozialist<br />
wird bereits kommende Woche in<br />
Berlin erwartet, wohin ihn Kanzlerin<br />
Angela Merkel eingeladen hat, die ja<br />
zuvor Sarkozy im Wahlkampf unterstützte.<br />
Was von Francois Hollande<br />
als neuem französischem Präsidenten<br />
zu erwarten ist, weshalb er die Wahl<br />
gewann, ob Europa von ihm eher<br />
profitieren, oder unter ihm leiden<br />
wird - darüber sprach Michael Zäh<br />
mit Professor Dr. Udo Kempf, einem<br />
langjährigen Frankreichkenner, der<br />
unter anderem Mitglied des Frankreich-Zentrums<br />
der Albert-Ludwigs-<br />
Universität Freiburg ist.<br />
Zeitung am Samstag: Herr Professor<br />
Kempf, was waren die wesentlichen<br />
Gründe für den Wahlsieg von<br />
Francois Hollande über Sarkozy?<br />
Prof. Dr. Udo Kempf: Es scheint<br />
mittlerweile bei allen französischen<br />
Kollegen Übereinstimmung zu herrschen,<br />
dass dies ganz eindeutig eine<br />
Referendum gegen Sarkozy gewesen<br />
ist. Ich will nicht so weit gehen, dass<br />
wer auch immer gegen Sarkozy angetreten<br />
wäre auch gewählt worden<br />
wäre. Das wäre wohl überzogen.<br />
ZaS: Womit hat Nicolas Sarkozy<br />
denn die Franzosen so sehr gegen<br />
sich aufgebracht?<br />
Kempf: Es war dessen Sprunghaftigkeit,<br />
es war dessen zur Schau gestelltes<br />
Familienleben, auch dessen<br />
verbale Entgleisungen und dessen<br />
Hyperaktivität – das alles hat die<br />
Franzosen doch sehr abgestoßen.<br />
Das begann ja schon beim Feiern<br />
seines Wahlsieges 2007, als er sich<br />
auf dem monumentalen Pariser Concorde-Platz<br />
bejubeln ließ, um dann<br />
mit den Superreichen im Restaurant<br />
Fouquet`s auf den Champs-Elysée<br />
zu essen. Und es ging weiter über<br />
seine Ferien auf einer Yacht eines<br />
Milliardärs. Dieser ständige Umgang<br />
mit den Superreichen des Landes<br />
hat jene Wähler aus einfacheren<br />
Verhältnissen, die ihm 2007 zum<br />
Wahlsieg verhalfen, doch verprellt.<br />
ZaS: Haben demnach die politischen<br />
Programme, die hinter Sarkozy und<br />
Hollande standen, eine eher untergeordnete<br />
Rolle gespielt?<br />
Kempf: Natürlich hat auch die poli-<br />
tische Situation eine Rolle gespielt,<br />
insbesondere die hohe Arbeitslosigkeit,<br />
die wiederum besonders die<br />
jungen Menschen betrifft. Denn die<br />
Jugendarbeitslosigkeit liegt ja in<br />
Frankreich bei rund 25 Prozent; in<br />
den Problemvorstädten liegt sie bei<br />
Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
bei 40 bis 50 Prozent. Das hat<br />
eine wesentliche Rolle gespielt. Und<br />
ebenso die Angst vieler Menschen<br />
vor einem sozialen Abstieg.<br />
ZaS: Waren es nicht auch die Sparprogramme,<br />
die Nicolas Sarkozy in<br />
Anlehnung an die deutsche Position<br />
angeschoben hat?<br />
Kempf: Diese Sparprogramme haben<br />
wohl die meisten Franzosen schon<br />
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Foto: privat<br />
Nur bitte nicht bei mir<br />
Professor Udo Kempf über den Wahlsieg von Francois Hollande<br />
über Nicolas Sarkozy, Frankreichs Strukturprobleme und Europa<br />
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2 x in der Freiburger Innenstadt<br />
PRAXIS 1 AUGUSTINERPLATZ 2, ATRIUM-PASSAGE, TELEFON: 0761 - 59 57 98 87<br />
PRAXIS 2 GRÜNWÄLDERSTR. 10-14, DIETLER-PASSAGE, TELEFON: 0761 - 20 56 97 90<br />
eingesehen. Aber das Problem in<br />
Frankreich ist: Man ist zweifellos für<br />
Reformen – nur bitte nicht bei mir!<br />
ZaS: Ist Sarkozy also mit richtigen<br />
Maßnahmen am Unwillen seines<br />
Volkes gescheitert?<br />
Kempf: Man darf nicht vergessen,<br />
dass Sarkozy etliche Reformen durchgeführt<br />
hat, die nicht nur sinnvoll<br />
waren, sondern Frankreich durchaus<br />
weitergebracht hätten. Ich erinnere<br />
an Verfassungsreform, an die Universitätsreform,<br />
an die Einführung der<br />
Rente mit 62, die Hollande jetzt ja<br />
wieder rückgängig machen will – das<br />
muss man sich mal vorstellen! Aber<br />
auch der Abbau des übermäßigen<br />
Staatsapparates war sinnvoll. Jeder<br />
Foto: Keller<br />
fünfte, nach gewissen Berechnungen<br />
sogar jeder vierte Franzose arbeitet<br />
bei irgendeiner staatlichen Einrichtung<br />
und das heißt natürlich, dass es nicht<br />
gerade zu Begeisterungsstürmen in<br />
diesen Kreisen führte, wenn Sarkozy<br />
jede zweite freiwerdende Beamtenstelle<br />
einsparen wollte. Das ließ sich<br />
auch eindeutig beim Wahlergebnis<br />
feststellen. Es waren eben die 25- bis<br />
55-Jährigen, die jetzt für Hollande<br />
stimmten, während Sarkozy halt nur<br />
bei den über 60-Jährigen punkten<br />
konnte.<br />
ZaS: Hat eigentlich die Wahlhilfe<br />
von Angela Merkel Sarkozy eher<br />
geschadet als geholfen?<br />
Kempf: Ich glaube, das war am Ende<br />
...auch eine tolle<br />
GESCHENKIDEE:<br />
bedeutungslos. Es ist natürlich nicht<br />
gut, wenn Deutschland als Vorbild<br />
hingestellt wird. Und genau das hat<br />
Sarkozy ja mehrfach gemacht. Das<br />
mögen die Franzosen nicht.<br />
ZaS: Hollande hat sich im Wahlkampf<br />
gegen die europäischen Sparkonzepte<br />
gewandt. Gibt es jetzt eine<br />
Kehrtwende?<br />
Kempf: Hollande wird auf jeden Fall<br />
bis zu den Parlamentswahlen am<br />
10. und 17. Juni nicht von seinen<br />
Wahlversprechen abweichen. Er<br />
wird weiterhin darauf pochen, dass<br />
er Frau Merkel unmissverständlich<br />
entgegenhalten wird, dass es nicht<br />
nur um Sparen geht, sondern dass<br />
man auch ausgeben müsse. Frau<br />
Merkel wird ihn fragen: Wo nimmst<br />
du das Geld dafür her? Frankreich<br />
ist ja höchstverschuldet.<br />
ZaS: Was schwebt Hollande vor?<br />
Kempf: Er hat ja schon gesagt, dass<br />
er Benzinpreise einfrieren will. Und<br />
ab September will er einkommensschwachen<br />
Familien dann höhere<br />
Beihilfen für Schulanfänger gewähren.<br />
Er will den Mindestlohn, der in<br />
Frankreich ja schon sehr hoch ist,<br />
weiter erhöhen, er will die Rente mit<br />
62 wieder rückgängig machen. Wie<br />
er das alles finanzieren will – da hat<br />
er wohl selbst noch keine klare Vorstellung<br />
davon. Außer halt, dass er<br />
die Steuern erhöhen will.<br />
ZaS: Kann er dem Land schaden?<br />
Kempf: Fatal wäre, wenn er die Abgabenlast<br />
für die Unternehmen noch<br />
weiter erhöht. Darunter ächzen die<br />
französischen Unternehmen ja heute<br />
schon. Insbesondere die kleinen<br />
und mittelständischen Betriebe. Von<br />
denen gibt es in Frankreich ja viel<br />
zu wenig. Der noch amtierende Industrieminister<br />
hat mal gesagt:<br />
Deutschland hat 500.000 mittelständische<br />
Unternehmen, Italien hat<br />
300.000 und Frankreich weniger als<br />
100.000. Es ist aber der Mittelstand,<br />
der Arbeitsplätze schafft.<br />
ZaS: Schadet Hollande Europa?<br />
Kempf: Mal abwarten. Hier ist die<br />
Politik in allen europäischen Staaten<br />
phantasiereich genug, auch dafür<br />
zu sorgen, dass Hollande sein Gesicht<br />
wahren kann. Frau Merkel<br />
kann keine Interesse daran haben,<br />
dass Hollande mit leeren Händen<br />
aus Berlin zurück kommt.<br />
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