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WINI Holzwarenfabrik in Duingen - adam-duingen.de

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<strong>Holzwarenfabrik</strong><br />

<strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen<br />

- e<strong>in</strong>e Marke und<br />

ihre Geschichte<br />

1


Diese Veröffentlichung, ebenso wie die Ausstellung<br />

konnte nur durch die Unterstützung vieler Leihgeber,<br />

Mitarbeiter und Sponsoren realisiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Me<strong>in</strong> beson<strong>de</strong>rer Dank gilt Herrn Ernst-August<br />

Senne, <strong>de</strong>r im hohen Alter se<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerungen an<br />

die Firma <strong>WINI</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er umfassen<strong>de</strong>n Denkschrift<br />

zu Papier gebracht und damit die Grundlage für<br />

dieses Heft gelegt hat. Me<strong>in</strong> Dank geht aber auch<br />

an die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Heimatgruppe, die <strong>in</strong> zweijähriger<br />

Vorbereitungszeit für Informanten und Informationen,<br />

alte Fotografien und orig<strong>in</strong>ale Exponate<br />

gesorgt haben, und ohne die diese Ausstellung<br />

nicht hätte entstehen können.<br />

Du<strong>in</strong>gen im Juni 2011<br />

Stephanie L<strong>in</strong>k<br />

Töpfermuseum<br />

2<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>WINI</strong> <strong>Holzwarenfabrik</strong> <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen.......................................................................................... 3<br />

Anfänge ................................................................................................................................ 4<br />

E<strong>in</strong> Besuch bei <strong>de</strong>r Firma Wilhelm Niemeier ........................................................................... 5<br />

<strong>WINI</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>r NS- und Kriegszeit ............................................................................................. 9<br />

Holze<strong>in</strong>kauf ......................................................................................................................... 10<br />

Produkte ............................................................................................................................. 12<br />

Arbeitsschutz und Gesundheit ............................................................................................. 12<br />

Büroleben ........................................................................................................................... 14<br />

Beschäftigte........................................................................................................................ 15<br />

Wie ich die Firma <strong>WINI</strong> sah und erlebte .............................................................................. 18<br />

Walter Picker, e<strong>in</strong> Mitarbeiter im Außendienst ...................................................................... 22<br />

Gewerkschaft ...................................................................................................................... 24<br />

<strong>WINI</strong>-Werkskapelle ............................................................................................................. 26<br />

Familie Niemeier ................................................................................................................. 27<br />

Niemeier als „Vater von Du<strong>in</strong>gen“ ........................................................................................ 28<br />

Das En<strong>de</strong> <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen........................................................................................................... 30<br />

<strong>WINI</strong> Marienau ................................................................................................................... 31<br />

Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Heimatgruppe: Fritz Plätzer, Frie<strong>de</strong>l<br />

Heuer, Fritz Basse, Karl-He<strong>in</strong>z Schulz, Elke Joachim,<br />

Hubertus Welzel, Helmut Adam, Günter Jahns, Hartmut<br />

Kliem, Horst Witte, Hermann Nebel<strong>in</strong>g<br />

1. Auflage 500 Expl.<br />

© 2011 Töpfermuseum Du<strong>in</strong>gen<br />

Texte: Stephanie L<strong>in</strong>k<br />

Layout: Stephanie L<strong>in</strong>k,<br />

Karl-He<strong>in</strong>z Schulz,<br />

Helmut Adam<br />

Druck: Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>briefdruckerei


<strong>WINI</strong> <strong>Holzwarenfabrik</strong> <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen<br />

Der Ort Du<strong>in</strong>gen hat für se<strong>in</strong>e positive Entwicklung<br />

im 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt zu Wohlstand und Ge<strong>de</strong>ihen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Holzwarenfabrik</strong> von Wilhelm Niemeier viel zu verdanken.<br />

Das <strong>WINI</strong>-Werk (1908 – 1967), das Wilhelm Niemeier<br />

als Zweimannbetrieb grün<strong>de</strong>te und beständig<br />

ausbaute, versorgte mit <strong>de</strong>r Zeit immer mehr Menschen<br />

mit Brot und Arbeit.<br />

Nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r handwerklichen Töpferei vor<br />

1900 hatte es <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen kaum noch Arbeitsplätze<br />

gegeben. Abhilfe bot lediglich das Kalkwerk <strong>in</strong> Marienhagen,<br />

wo viele Männer Arbeit fan<strong>de</strong>n, wenn<br />

auch e<strong>in</strong>e sehr schwere. Je<strong>de</strong>n Morgen mussten sie<br />

früh zu Fuß über Weenzen nach Marienhagen wan<strong>de</strong>rn<br />

und abends ebenso zurück. Die Du<strong>in</strong>ger Volksschule<br />

schloss <strong>in</strong> diesen Jahren bereits um 11 Uhr,<br />

weil viele <strong>de</strong>r größeren K<strong>in</strong><strong>de</strong>r ihren Vätern im<br />

Ste<strong>in</strong>bruch das Mittagessen br<strong>in</strong>gen mussten. Da<br />

war es e<strong>in</strong> Segen, dass nun immer mehr Arbeitsplätze<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Du<strong>in</strong>ger Holz<strong>in</strong>dustrie entstan<strong>de</strong>n.<br />

Nach <strong>de</strong>m 2. Weltkrieg, als durch die Zuwan<strong>de</strong>rung<br />

aus <strong>de</strong>n Ostgebieten die Bevölkerungszahl im Ort<br />

anstieg, konnten viele <strong>de</strong>r Flüchtl<strong>in</strong>ge bei <strong>WINI</strong> Arbeit<br />

f<strong>in</strong><strong>de</strong>n und sich <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen bald häuslich nie<strong>de</strong>rlassen.<br />

Der Ort wuchs. Hatte Du<strong>in</strong>gen bis zum<br />

Ausbruch <strong>de</strong>s 1. Weltkriegs 184 Wohnhäuser umfasst,<br />

gab im Jahr 1962 schon 500 Häuser. Die<br />

wachsen<strong>de</strong>n Steuere<strong>in</strong>nahmen ermöglichten auch<br />

e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>de</strong>r Infrastruktur. Wenn auch die<br />

Firma <strong>WINI</strong> diese positive Entwicklung nicht ganz<br />

Die Firma um 1955<br />

– e<strong>in</strong>e Marke und ihre Geschichte<br />

alle<strong>in</strong> zu verantworten hat, so gebührt ihr doch <strong>de</strong>r<br />

Verdienst, zu e<strong>in</strong>em wesentlichen Teil dazu beigetragen<br />

zu haben.<br />

Das ver<strong>de</strong>utlicht am besten e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Anekdote,<br />

aufgeschrieben von Erw<strong>in</strong> Bauer 1962: “Als das<br />

Werk 1920 wegen günstiger Aufträge e<strong>in</strong>er Erweiterung<br />

bedurfte, wur<strong>de</strong> aus Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Realgeme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

E<strong>in</strong>spruch geltend gemacht, dass öffentliche<br />

Wege und Gräben, die an <strong>de</strong>n Gebäu<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Werkes grenzten... nicht freigegeben wer<strong>de</strong>n sollten.<br />

Bei <strong>de</strong>r Zusammenkunft <strong>de</strong>r Interessenten <strong>de</strong>r<br />

Realgeme<strong>in</strong><strong>de</strong> wusste <strong>de</strong>r damals amtieren<strong>de</strong> Landrat<br />

Beushausen <strong>in</strong> weiser Voraussicht... <strong>de</strong>n Vorsitz<br />

zu übernehmen. Auf se<strong>in</strong>e Frage nach Stellungnahme<br />

zu <strong>de</strong>r strittigen Angelegenheit trat e<strong>in</strong> Werksangehöriger<br />

auf und erklärte <strong>in</strong> unverfälschtem Du<strong>in</strong>ger<br />

Platt:<br />

„Herr Landrat, feifundtwistig Johre hebbet wei <strong>in</strong><br />

Marienhagen Tag for Tag arbeit. Morgens Klocke<br />

feiwe s<strong>in</strong>d wei losgegahn, abends Klocke sieben<br />

s<strong>in</strong>d wei trügge kumen. Sunne hebbet wei <strong>in</strong><br />

Daujen niche seihn, nur Sundags. Nun könnt wei <strong>in</strong><br />

Tuffeln no Neimar gahn. Schölln wei <strong>de</strong>nn heier nich<br />

mehr arbe<strong>in</strong>. Dat gifft et doch nicht.“<br />

So hatte sich die Situation für die Arbeiter geän<strong>de</strong>rt:<br />

Wo sie früher die Sonne <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen nur<br />

sonntags sahen, konnten sie nun <strong>in</strong> Pantoffeln zu<br />

Niemeier gehen!<br />

Die Firma <strong>WINI</strong> war Wilhelm Niemeier großes Lebenswerk,<br />

und als er im Jahr 1964 starb, g<strong>in</strong>g es<br />

auch mit <strong>de</strong>r Fabrik <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen zu En<strong>de</strong>.<br />

3


Die Drechslerei im Sacke 1913<br />

Wilhelm Niemeier, <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Firma <strong>WINI</strong>,<br />

führte se<strong>in</strong>en Holzverarbeitungsbetrieb bereits <strong>in</strong><br />

dritter Generation. Se<strong>in</strong> Großvater, <strong>de</strong>r Drechsler<br />

Christian Niemeier, kaufte am 10. März 1874 das<br />

Grundstück Reihestelle 12, jetzt Wilhelm-Niemeier-<br />

Str. 1 und 1a. Später übereignete er es gegen Leibzucht<br />

(Verpflichtung <strong>de</strong>r Versorgung auf Lebenszeit)<br />

se<strong>in</strong>em Sohn Wilhelm Niemeier <strong>de</strong>r am 18.8. 1853<br />

<strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen geboren wur<strong>de</strong> und ebenfalls das<br />

Drechslerhandwerk erlernt hatte.<br />

Die Niemeiers versorgten die Umgebung weit und<br />

breit mit Sp<strong>in</strong>nrä<strong>de</strong>rn und Haspeln zum Aufwickeln<br />

<strong>de</strong>s Garns.<br />

Wilhelm Niemeier sen. stattete se<strong>in</strong>en Betrieb mit<br />

damals als fortschrittlich zu bezeichnen<strong>de</strong>n Geräten<br />

aus, <strong>in</strong><strong>de</strong>m er als Antriebskraft e<strong>in</strong>en pfer<strong>de</strong>betriebenen<br />

Göpel aufstellen ließ und als dieser <strong>de</strong>n<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen nicht mehr genügte, beschaffte er<br />

e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Dampfmasch<strong>in</strong>e, die auch e<strong>in</strong> Sägegatter<br />

antrieb. Um die Jahrhun<strong>de</strong>rtwen<strong>de</strong> konnte er<br />

bereits e<strong>in</strong>e größere Dampfmasch<strong>in</strong>e mit liegen<strong>de</strong>m<br />

Kessel kaufen und ließ dafür e<strong>in</strong>en Schornste<strong>in</strong> errichten.<br />

Nun war es nur noch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Schritt, e<strong>in</strong>en<br />

Dynamo zu beschaffen um elektrischen Strom<br />

zu erzeugen, mit <strong>de</strong>m Niemeier auch e<strong>in</strong>ige Bauernhöfe<br />

<strong>de</strong>r Umgebung versorgte.<br />

Se<strong>in</strong> Sohn Wilhelm Niemeier kaufte im Jahr 1908<br />

von <strong>de</strong>m Hamelner Sanitätsrat Dr. Kyrieleis e<strong>in</strong>ige<br />

Morgen Gartenland am Ackerstieg vor <strong>de</strong>r „großen<br />

4<br />

Anfänge<br />

Brücke“ (heute Dr.-Bock-Brücke) das er zunächst als<br />

Holzlager nutzte. Er ließ e<strong>in</strong> Stromleitung dorth<strong>in</strong><br />

verlegen und grün<strong>de</strong>te noch am 8. August an dieser<br />

Stelle die <strong>WINI</strong> Werke, zunächst als Zweimannbetrieb.<br />

Der Bru<strong>de</strong>r Gustav betrieb die alte Drechslerei noch<br />

lange Zeit weiter.<br />

Als Wilhelm Niemeier und e<strong>in</strong> Teil se<strong>in</strong>er Mitarbeiter<br />

1914 als Soldaten <strong>in</strong> <strong>de</strong>n 1. Weltkrieg e<strong>in</strong>berufen<br />

wur<strong>de</strong>n, übernahm se<strong>in</strong>e Frau Karol<strong>in</strong>e Niemeier die<br />

Leitung <strong>de</strong>r Firma. Neben <strong>de</strong>r <strong>Holzwarenfabrik</strong>ation<br />

organisierte sie auch das Dreschen von Getrei<strong>de</strong> mit<br />

<strong>de</strong>r betriebseigenen Dreschmasch<strong>in</strong>e für die Bauern<br />

<strong>de</strong>r Umgebung.<br />

Nach<strong>de</strong>m er aus <strong>de</strong>m Ersten Weltkrieg zurückgekehrt<br />

war, setzte Wilhelm Niemeier se<strong>in</strong>e Pläne um,<br />

aus se<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Firma e<strong>in</strong>e <strong>Holzwarenfabrik</strong> zu<br />

machen.<br />

Im Zweiten Weltkrieg fungierte die Firma als kriegswichtiger<br />

Betrieb und <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Nachkriegszeit profitierte<br />

sie vom Wie<strong>de</strong>raufbau. <strong>WINI</strong> stellte nun <strong>in</strong><br />

großem Maßstab Schul- und Büromöbel her und<br />

entwickelte sich zu e<strong>in</strong>em Marktführer <strong>in</strong> diesem Bereich.<br />

Niemeier erweiterte die Firma kont<strong>in</strong>uierlich<br />

und erwarb Zweigwerke <strong>in</strong> Drakenburg, Braunschweig<br />

und Marienau, so dass die <strong>WINI</strong>-Gruppe<br />

zeitweise auf e<strong>in</strong>e Belegschaft von über 1.600 Mitarbeitern<br />

anwuchs.


E<strong>in</strong> Besuch bei <strong>de</strong>r Firma Wilhelm Niemeier<br />

von Ernst-August Senne, redaktionell bearbeitet<br />

E<strong>in</strong> Besuch bei <strong>de</strong>r Firma Wilhelm Niemeier <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

späten 1950 er Jahren begann beim Pförtner Hermann<br />

Zastrau. Nach e<strong>in</strong>er schweren Verwundung im<br />

2. Weltkrieg hatte er als Be<strong>in</strong>prothesenträger bei<br />

<strong>WINI</strong> e<strong>in</strong>en ihm angepassten Arbeitsplatz gefun<strong>de</strong>n.<br />

Das Pförtnerhaus (Lageplan [Seiten 16-17] Nr. 2)<br />

das r<strong>in</strong>gsum mit Fenstern versehen war, bot ihm e<strong>in</strong>en<br />

guten Überblick, z. B. auf kommen<strong>de</strong> und gehen<strong>de</strong><br />

Beschäftigte, die im Mittelgang an <strong>de</strong>r<br />

Stempeluhr Halt machten. Auch die Bedienung <strong>de</strong>r<br />

Schranke für <strong>de</strong>n Fahrzeugverkehr am Werkse<strong>in</strong>gang<br />

oblag <strong>de</strong>m Pförtner. H<strong>in</strong>ter <strong>de</strong>m Pförtnerhaus<br />

gab es e<strong>in</strong>e ganze Batterie Fahrradstän<strong>de</strong>r für die<br />

Mitarbeiter.<br />

Ferngespräche kamen zunächst hier an und wur<strong>de</strong>n<br />

dann zu <strong>de</strong>n Hausanschlüssen <strong>in</strong> die Büros weiter<br />

geleitet. Außer<strong>de</strong>m konnte <strong>de</strong>r Pförtner Büroangestellte,<br />

die nicht am Arbeitsplatz erreichbar waren,<br />

<strong>in</strong> wichtigen Fällen über Lautsprecher <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Werkshallen ausgerufen.<br />

Der h<strong>in</strong>tere Raum im Pförtnerhaus wur<strong>de</strong> vom<br />

Betriebsratsvorsitzen<strong>de</strong>n He<strong>in</strong>z Müller, <strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>n<br />

<strong>WINI</strong> um 1950<br />

Pförtner vertrat, als Büro genutzt.<br />

Rechts <strong>de</strong>r heutigen Industriestrasse stand das<br />

Wohngebäu<strong>de</strong> (1a) von Wilhelm Niemeier und Familie<br />

mit <strong>de</strong>m Bürotrakt im oberen Bereich.<br />

Das Büro (1b) hatte zwei E<strong>in</strong>gänge. Die Angestellten<br />

benutzten gewöhnlich e<strong>in</strong>e schmale hohe Treppe<br />

vom Hof aus, die direkt <strong>in</strong> die obere Büroetage<br />

führte.<br />

E<strong>in</strong> weiterer E<strong>in</strong>gang neben <strong>de</strong>m Wohnhaus, war<br />

Besuchern vorbehalten, und führte über e<strong>in</strong>e Treppe<br />

und e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Flur mit vier Türen zum<br />

Wohnhaus, <strong>in</strong> die Büros und das „Meisterzimmer“.<br />

Hier empf<strong>in</strong>g <strong>de</strong>r Chef se<strong>in</strong>e Gäste. Neben <strong>de</strong>r E<strong>in</strong>gangstür<br />

befand sich außen e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Terrasse,<br />

die etwas erhöht war, mit Blick auf das Pförtnerhaus.<br />

Dort saß <strong>de</strong>r Chef Niemeier manchmal.<br />

H<strong>in</strong>ter <strong>de</strong>m Büro-/Stallgebäu<strong>de</strong> (1c) befand sich das<br />

Haus von Niemeiers Bru<strong>de</strong>r Friedrich, <strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>m<br />

Krieg e<strong>in</strong>e Holzbaracke nebenan für die Produktion<br />

von Klappstühlen und Waschbrettern nutzte. Damit<br />

zog er jedoch an <strong>de</strong>n Warweg, wo sich heute die<br />

Firma Kuchenmeister bef<strong>in</strong><strong>de</strong>t und W<strong>in</strong>i nutzte die<br />

Baracke, um im 2. Weltkrieg kle<strong>in</strong>e Kästen für 8,8<br />

cm Granaten zusammenbauen zu lassen. Da das<br />

e<strong>in</strong>e leichte Arbeit war, nannten die Mitarbeiter die<br />

Baracke „Erholungsheim“.<br />

Nach <strong>de</strong>m Krieg war hier die Malerwerkstatt, wo z.<br />

B. bis 1953 die Schultafeln lackiert und l<strong>in</strong>iert wur<strong>de</strong>n.<br />

Später bespannte man sie mit e<strong>in</strong>er speziellen<br />

Folie. Die Baracke diente nun als Ausstellungsraum<br />

für die Erzeugnisse <strong>de</strong>r Fabrik.<br />

L<strong>in</strong>ks <strong>de</strong>r heutigen Industriestrasse befand sich<br />

etwa 40 m vom Pförtnerhaus entfernt die Schlosserei<br />

(3), wo <strong>de</strong>r Schmied Gottfried Becker an <strong>de</strong>r<br />

Esse stand und die Schlossermeister Gottfried Mellies,<br />

Wolfgang Hage, Frie<strong>de</strong>l Fricke mit mehreren<br />

Beschäftigten die Masch<strong>in</strong>en unterhielten. Viele Ersatzteile<br />

konnten sie selbst herstellen.<br />

Im Stockwerk über <strong>de</strong>r Schlosserei befand sich <strong>de</strong>r<br />

so genannte Leuteraum. Auswärtige Betriebsangehörige<br />

konnten hier die Frühstücks- und Mittagspausen<br />

verbr<strong>in</strong>gen. Die meisten Arbeiter nahmen<br />

die Mahlzeiten jedoch am Arbeitsplatz e<strong>in</strong>, im Sommer<br />

draußen, da das Betriebsgelän<strong>de</strong> groß war und<br />

<strong>de</strong>r Weg zum Leuteraum weit. Frau Breiter, die e<strong>in</strong>en<br />

Bierverkauf am Hohen Rott hatte, zog mit e<strong>in</strong>em<br />

Handwagen durch die Hallen.<br />

Im Leuteraum fan<strong>de</strong>n auch kle<strong>in</strong>ere Betriebsversammlungen<br />

statt und montags nach Feierabend<br />

übte hier die <strong>WINI</strong>-Werkskapelle.<br />

Auf <strong>de</strong>m gesamten Werksgelän<strong>de</strong> gab es Lorengleise,<br />

die bis zum Anschluss <strong>de</strong>r Kle<strong>in</strong>bahn Voldagsen-Du<strong>in</strong>gen-Delligsen<br />

führten. Damit wur<strong>de</strong>n<br />

schwere Güter wie Bohlen transportiert. Überall gab<br />

es Drehscheiben zum Wen<strong>de</strong>n.<br />

Am Anschlussgleis <strong>de</strong>r Kle<strong>in</strong>bahn wur<strong>de</strong>n Wagons<br />

ent- und mit Halbfertigprodukten und Büromöbeln<br />

wie<strong>de</strong>r bela<strong>de</strong>n. Beson<strong>de</strong>rs geschickt im Entla<strong>de</strong>n<br />

schwerer Lasten mittels Hebeltechnik waren die<br />

Brü<strong>de</strong>r He<strong>in</strong>rich und Fritz Habenicht, die <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Firma<br />

als Sägewerks- und Zimmereimeister arbeiteten.<br />

Wenn Kun<strong>de</strong>n, z. B. aus Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n und<br />

Schulen, erwartet wur<strong>de</strong>n, stand immer e<strong>in</strong>e<br />

Flasche Ste<strong>in</strong>häger auf <strong>de</strong>m Tisch zum Begießen<br />

<strong>de</strong>s Geschäftsabschlusses.<br />

Als Tr<strong>in</strong>kspruch sagte Herr Niemeier „tucke,<br />

tucke“ und erklärte dann, warum er das sagte:<br />

„Man schmeckt <strong>de</strong>n Ste<strong>in</strong>häger, man sieht ihn,<br />

man riecht ihn, aber man hört ihn nicht Darum<br />

sage ich tucke, tucke.“.<br />

5


Leichtere Güter zogen zwei Männer mit Gummiwagen<br />

per Hand zu <strong>de</strong>n Hallen.<br />

Noch <strong>in</strong> <strong>de</strong>n 50 er<br />

Jahren holten die<br />

Rückeleute die<br />

Stämme im W<strong>in</strong>ter<br />

e<strong>in</strong>zeln mit Pfer<strong>de</strong>gespannen<br />

direkt<br />

aus <strong>de</strong>m Wald und<br />

lu<strong>de</strong>n sie vor <strong>de</strong>m<br />

Sägewerk ab.<br />

Seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 50 er<br />

gab es auf <strong>de</strong>m<br />

Werksgelän<strong>de</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Entla<strong>de</strong>kran (11) das<br />

„Bran<strong>de</strong>nburger Tor“<br />

genannt, mit <strong>de</strong>m<br />

Portalkran<br />

ganze Stämme abgela<strong>de</strong>n<br />

wur<strong>de</strong>n.<br />

Große Stämme, die mit <strong>de</strong>r Bahn kamen wur<strong>de</strong>n direkt<br />

am Werksanschluss <strong>de</strong>r Kle<strong>in</strong>bahn abgela<strong>de</strong>n.<br />

H<strong>in</strong>ter <strong>de</strong>m „Bran<strong>de</strong>nburger Tor“ befand sich <strong>de</strong>r im<br />

Krieg angelegte Feuerlöschteich. Dar<strong>in</strong> lagerten u. a.<br />

dicke Eichenstämme dicht an dicht zum Wässern.<br />

Außer<strong>de</strong>m kamen fast je<strong>de</strong>n 2. o<strong>de</strong>r 3. Tag Lastzüge<br />

mit bis zu 50 Kubikmetern Fichten/Tannenbretter<br />

aus Sägewerken <strong>in</strong> Bayern o<strong>de</strong>r Österreich, die bei<br />

<strong>WINI</strong> für die Herstellung von Tischlerplatten benötigt<br />

wur<strong>de</strong>n.<br />

An <strong>de</strong>r Triftstraße stand früher e<strong>in</strong> etwa 100 m langer<br />

Unterstand mit offenen Seiten. Im „langen Max“<br />

(8), wie man dies Holzlager nannte, lagerten E<strong>de</strong>lschnitthölzer<br />

wie Ahorn, Akazie, Nussbaum, Ha<strong>in</strong>buche/Weissbuche<br />

und Rüster (Ulme) sowie Tischfußkanteln.<br />

Das Holz blieb von oben trocken und wur<strong>de</strong><br />

durch die offenen Seiten gleichzeitig gut belüftet.<br />

Ca. 1950: Joachim Spen<strong>de</strong>, Wolfgang Degenhardt,<br />

August Marahrens und Gerhard Runge<br />

Der große Schnittholzplatz h<strong>in</strong>ter <strong>de</strong>m „langen Max“<br />

g<strong>in</strong>g bis an die Straße „Im Südfeld“. Fünf o<strong>de</strong>r<br />

sechs Lorengleise führten sogar bis über die Straße<br />

h<strong>in</strong>aus, wo weitere Holzstöße stan<strong>de</strong>n. Wer damals<br />

im Monat März über <strong>de</strong>n Platz g<strong>in</strong>g, konnte es<br />

allerorts knacken und reißen hören. Jetzt trockneten<br />

die im W<strong>in</strong>ter gestapelten Hölzer am meisten.<br />

6<br />

Unter <strong>de</strong>m Bürotrakt (1b), befand sich <strong>de</strong>r Pfer<strong>de</strong>stall,<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>m die Chef<strong>in</strong>, die man liebevoll „Tante<br />

L<strong>in</strong>a“ nannte, e<strong>in</strong>e Kuh hielt. Außer<strong>de</strong>m waren hier<br />

die Rückepfer<strong>de</strong> untergebracht. Zur Firma gehörten<br />

damals 22 Pfer<strong>de</strong>, die sich aber nie alle gleichzeitig<br />

auf <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong> befan<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn<br />

unterwegs waren.<br />

Rechts <strong>de</strong>r heutigen Industriestraße stand neben<br />

<strong>de</strong>m Büro das älteste Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Firma (4), an<br />

<strong>de</strong>ssen Stirnseite <strong>in</strong> grossen Lettern „Wilhelm Niemeier<br />

<strong>Holzwarenfabrik</strong>“ stand. Hier befand sich die<br />

Drechslerei. Meister Willi Schaper sen. fertigte hier<br />

mit se<strong>in</strong>en Leuten Schemel für Kasernen, Feilenhefte,<br />

Munitionskisten, Bombenkisten und Ähnliches<br />

an. Im Erdgeschoss stan<strong>de</strong>n mehrere schwere<br />

Fassondrehbänke und Fräsen (Halbautomaten) für<br />

Tischbe<strong>in</strong>e, Schemelbe<strong>in</strong>e und Treppendocken.<br />

Im Erdgeschoss auf <strong>de</strong>r l<strong>in</strong>ken Seite <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s<br />

befand sich die Elektrikerwerkstatt (4), die für die<br />

Instandsetzung und Wartung <strong>de</strong>r vielen Motoren <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Firma zuständig war. Dah<strong>in</strong>ter befand sich im<br />

Obergeschoss die Tischlerei (5). Während <strong>de</strong>s II.<br />

Weltkrieges wur<strong>de</strong>n hier Sp<strong>in</strong><strong>de</strong>, Betten, Schränke<br />

und <strong>de</strong>rgleichen für Kasernen <strong>de</strong>r Wehrmacht und<br />

<strong>de</strong>s Reichsarbeitsdienstes hergestellt. Nach Kriegsen<strong>de</strong><br />

lief das Programm <strong>in</strong> etwas verän<strong>de</strong>rter Form<br />

für ausgebombte Familien weiter, und mit E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>de</strong>r allgeme<strong>in</strong>en Wehrpflicht 1956 war die Bun<strong>de</strong>swehr<br />

e<strong>in</strong> neuer Kun<strong>de</strong>.<br />

Im Erdgeschoss <strong>de</strong>s langgestreckten Gebäu<strong>de</strong>s war<br />

das Sägewerk (5). Hier entlu<strong>de</strong>n Männer mit Hilfe<br />

e<strong>in</strong>es Krans (Foto) die LKW, die das Stammholz aus<br />

<strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn brachten. Sägewerker schnitten sie<br />

mit Hilfe von zwei Vertikalvollgattern und e<strong>in</strong>em<br />

Horizontalgatter zu Brettern, Bohlen o<strong>de</strong>r auch<br />

Eisenbahnschwellen für die Reichs- und spätere<br />

Bun<strong>de</strong>sbahn. Die Vertikalgatter hatten e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en<br />

Durchlass für Stämme mit etwa 50 cm Durchmesser,<br />

während auf <strong>de</strong>m Horizontalgatter sogar Überseehölzer<br />

von mehr als 100 cm Durchmesser gesägt<br />

wer<strong>de</strong>n konnten.<br />

Dazu legten die Sägewerker das Rundholz auf sogenannte<br />

Balkenpolter ,die sie bis vor die Gatter rollen<br />

konnten. E<strong>in</strong>e Klemmvorrichtung vor und h<strong>in</strong>ter<br />

<strong>de</strong>m Gatter verh<strong>in</strong><strong>de</strong>rte beim Sägen, dass die Bretter<br />

o<strong>de</strong>r Bohlen durch <strong>de</strong>n Hub <strong>de</strong>r Sägeblätter h<strong>in</strong>auf<br />

und herunter geschleu<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>n.<br />

Beim E<strong>in</strong>hängen <strong>de</strong>r Sägeblätter dienten Lehren aus<br />

harten Hölzern, wie Ha<strong>in</strong>buche/Weissbuche o<strong>de</strong>r eisenhartem<br />

Pockholz als Abstandhalter, die die Stärke<br />

<strong>de</strong>r Bretter und Bohlen bestimmten.<br />

Die Gatterwagen, die die Stämme bis vor das Gatter<br />

fuhren und das Schnittgut weitertransportierten liefen<br />

auf Schienen.<br />

Je nach Bestimmung wur<strong>de</strong>n die Bretter o<strong>de</strong>r Bohlen<br />

dann <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Kreissägenhalle weiter bearbeitet,<br />

o<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>n Holzlagern gefahren und erst e<strong>in</strong>mal<br />

e<strong>in</strong>gestapelt. Nach <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>schnitt bezeichnete man<br />

e<strong>in</strong>e Menge Rundholz <strong>in</strong> Kubikmetern, die man<br />

vorher <strong>in</strong> Festmetern gemessen hatte. Im Durch-


Anekdote: Wenn <strong>de</strong>r damalige Holze<strong>in</strong>kaufsleiter<br />

Willi Niemeier (Spitzname Pappen), Neffe<br />

<strong>de</strong>s Chefs, Me<strong>in</strong>ungsverschie<strong>de</strong>nheiten mit <strong>de</strong>m<br />

Sägewerksleiter Habenicht hatte, revanchierte<br />

sich Habenicht auf e<strong>in</strong>e listige Art: Er holte mit<br />

<strong>de</strong>m Kran die schlechtesten Stämme aus <strong>de</strong>n<br />

Rundholzpoltern heraus und legte sie nach vorn.<br />

Er wusste, dass Herr Niemeier auch am Wochenen<strong>de</strong><br />

das Sägewerk <strong>in</strong>spizierte und also fast über<br />

die herausgesuchten schlechten Stämme stolpern<br />

musste. Dann gab es am nächsten Montag<br />

für Pappen Niemeier e<strong>in</strong>e dicke Zigarre – wenn<br />

auch unberechtigt.<br />

schnitt lagerten etwa zwei- bis dreitausend Kubikmeter<br />

auf <strong>de</strong>n Schnittholzplätzen. Davon waren ca.<br />

70% Buche, 20% Eiche und 10% Rüster (Ulme) und<br />

an<strong>de</strong>re Holzarten.<br />

Von e<strong>in</strong>em Festmeter Stammholz blieb nach <strong>de</strong>m<br />

E<strong>in</strong>schnitt nur noch 0,70 - 0,75 m³ Schnittholz. Das<br />

heisst, dass <strong>de</strong>r Sägeschnittverlust durch das Abtrennen<br />

<strong>de</strong>r R<strong>in</strong><strong>de</strong>nschwarten 25-30 % betrug.<br />

Im Keller unter <strong>de</strong>m Gatter wur<strong>de</strong>n die Späne abgesaugt<br />

und über Rohre <strong>in</strong>s Heizungskesselhaus (17)<br />

transportiert wo man sie verbrannte. Die Absaugung<br />

<strong>de</strong>r Späne erfolgte über e<strong>in</strong>en Zyklon, d. h. e<strong>in</strong>en<br />

Fliehkraftstaubsammler. Solche Anlagen gab es<br />

für alle späneerzeugen<strong>de</strong>n Holzbearbeitungsmasch<strong>in</strong>en<br />

im Werk. Der fe<strong>in</strong>e Schleifstaub taugte<br />

allerd<strong>in</strong>gs nicht zur Verbrennung, son<strong>de</strong>rn musste<br />

entsorgt wer<strong>de</strong>n.<br />

Aus guten, fehlerfreien Stämmen fertigte man<br />

Sperrholzfurniere. Dafür wur<strong>de</strong>n die Dämpfgruben<br />

(6), große Behälter aus Beton, mit bis zu 20 Festmetern<br />

Holz gefüllt und dann mit dicken Betonplatten<br />

verschlossen. Die Stämme wur<strong>de</strong>n nun ca.<br />

acht Tage lang mit Heissdampf gedämpft, <strong>de</strong>r als<br />

Abdampf von <strong>de</strong>r Dampfmasch<strong>in</strong>e durch isolierte<br />

Rohre zur Dämpfgrube geleitet wur<strong>de</strong>. Das Holz bekam<br />

so die zum Schälen benötigte Elastizität. Sie<br />

wur<strong>de</strong>n nun auf Länge geschnitten, damit sie <strong>in</strong> die<br />

Schälmasch<strong>in</strong>en passten und entr<strong>in</strong><strong>de</strong>t. Das war nötig,<br />

damit <strong>in</strong> <strong>de</strong>r R<strong>in</strong><strong>de</strong> sitzen<strong>de</strong> Ste<strong>in</strong>chen nicht das<br />

Schälmesser <strong>de</strong>r Masch<strong>in</strong>e beschädigten.<br />

Zwei Schälmasch<strong>in</strong>en, e<strong>in</strong>e große mit e<strong>in</strong>er Schnittbreite<br />

von 2,70 m und e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere, verarbeiteten<br />

die zugeschnitten Stämme zu Furnier. E<strong>in</strong>e Kranlaufkatze<br />

beför<strong>de</strong>rte die zugeschnittenen Stammteile<br />

bis <strong>in</strong> die Krallen <strong>de</strong>r Schälmasch<strong>in</strong>e, die <strong>de</strong>n<br />

rotieren<strong>de</strong>n Stamm gegen das Schälmesser drückten.<br />

Die Stämme wur<strong>de</strong>n <strong>in</strong> die Masch<strong>in</strong>e gespannt<br />

und Schichten von 1 - 3,2 mm abgeschält bis auf e<strong>in</strong>en<br />

Kern von ca 20 cm Durchmesser. Aus diesen<br />

Resten konnte man noch Kanthölzer o<strong>de</strong>r Leisten<br />

schnei<strong>de</strong>n. Beim Schälen traten Fehler im Holz<br />

zutage, z. B. wenn vor 30 Jahren e<strong>in</strong> Hagelschlagwetter<br />

die R<strong>in</strong><strong>de</strong> beschädigt hatte, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r ungeliebte<br />

Rotkern die Qualität m<strong>in</strong><strong>de</strong>rte. Gängig war<br />

beim Sperrholz die Güteklasse I/III. Das be<strong>de</strong>utete<br />

Sichtseite gut - die Rückseite konnte farbliche Fehler<br />

haben.<br />

Das abgeschälte Furnier schnitt man <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Sperrholzabteilung (14) mit e<strong>in</strong>em Stanzmesser auf<br />

bestimmte Formate und beför<strong>de</strong>rte es dann <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Rollentrockner (gegenüber <strong>de</strong>r Schälmasch<strong>in</strong>e), <strong>de</strong>r<br />

mit Dampf geheizt wur<strong>de</strong>. Die Furniere liefen langsam<br />

h<strong>in</strong>durch und kamen ca. 10 M<strong>in</strong>uten später trocken<br />

heraus. E<strong>in</strong> 1 m breites Furnierstück, das langsam<br />

durch <strong>de</strong>n Rollentrockner lief, trocknete um 8 -<br />

10 cm Breite e<strong>in</strong>. Stammholz aus feuchten Wuchsgebieten<br />

wie <strong>de</strong>m Weenzer Bruch trocknete mehr<br />

e<strong>in</strong> als Holz aus Bergregionen wie <strong>de</strong>m Du<strong>in</strong>ger<br />

Berg.<br />

Trockenkammern (20) gab es an mehreren Stellen<br />

über das Gelän<strong>de</strong> verteilt. Man beheizte sie mit<br />

Dampf aus <strong>de</strong>m Kesselhaus. W. Bartels und He<strong>in</strong>rich<br />

Tönnies prüften die Feuchtigkeit <strong>de</strong>r Schnitthölzer.<br />

In <strong>de</strong>r Sperrholzabteilung stellte man außer Sperrholz<br />

auch Multiplex- und Tischlerplatten, sowie<br />

Zimmertüren her - entwe<strong>de</strong>r für die Weiterverarbeitung<br />

o<strong>de</strong>r zum direkten Verkauf.<br />

Für die Tischlerplatten, die <strong>WINI</strong> zur Herstellung<br />

von Möbeln brauchte, schnitten Arbeiter Na<strong>de</strong>lholz<br />

an Vielblattsägen zu Stäbchen, verleimten sie zu<br />

grossen Platten und beklebten diese von bei<strong>de</strong>n<br />

Seiten mit Furnier. Auch Sperrholz wur<strong>de</strong> hier <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />

Stärken produziert. Dazu leimten die<br />

Arbeiter mehrere Schichten Furnier kreuzweise<br />

übere<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r: 4 und 5 mm starke Platten wur<strong>de</strong>n<br />

dreifach verleimt, 6 mm und stärkere Sperrholzplatten<br />

fünffach. Dazu liefen die Furniere durch e<strong>in</strong>e<br />

Masch<strong>in</strong>e, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r mit Rollen Leim aufgetragen wur<strong>de</strong>.<br />

Anschließend presste e<strong>in</strong>e große Stempelpresse<br />

die Furniere unter hohem Druck und Hitze zu e<strong>in</strong>er<br />

stabilen Platte. Nach ca. 10 M<strong>in</strong>uten war <strong>de</strong>r Leim<br />

abgebun<strong>de</strong>n und wasserfest, und die Sperrholzplatten<br />

konnten geschliffen und besäumt wer<strong>de</strong>n.<br />

Anschließend stapelte man sie <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Verla<strong>de</strong>halle<br />

(20).<br />

Ganz am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Halle befand sich die Türenfertigung<br />

(16), wo Zimmertüren <strong>in</strong> verschie<strong>de</strong>nen<br />

Standardmaßen, auch mit Lichtausschnitten, hergestellt<br />

wur<strong>de</strong>n. Dazu verleimte man Fichtenrahmen<br />

Schälmasch<strong>in</strong>e, Messerbreite 2700 mm<br />

7


mit Deckfurnieren, hauptsächlich aus Limba, aber<br />

auch aus Buche und Eiche.<br />

In <strong>de</strong>r Weiterverarbeitung<br />

(Halle 23)<br />

wur<strong>de</strong>n Dübellöcher gebohrt<br />

und gefräst. Anstelle<br />

von Fließbän<strong>de</strong>rn<br />

gab es hier Rutschen<br />

aus gewachstem Holz,<br />

über die man die Werkstücke<br />

weiter schob und<br />

zu Büro- und Schulmöbeln<br />

(15) montierte.<br />

Von hier g<strong>in</strong>g es mit<br />

<strong>de</strong>m Handwagen zur<br />

Spritzerei (20).<br />

Dort waren nach <strong>de</strong>m<br />

Krieg 30 - 40 Leute be-<br />

schäftigt, die die Möbel abschliffen, grundierten,<br />

vorlackierten und schließlich hauptlackierten. He<strong>in</strong>i<br />

Thiedau war hier Vorarbeiter. Unter an<strong>de</strong>ren arbeiteten<br />

Hermann Basse und Hermann Gniesmer hier,<br />

<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs geschickt<br />

war und<br />

wenig Lack verbrauchte.<br />

Die gespritztenWerkstücke<br />

trockneten an<br />

<strong>de</strong>r Luft. Nach 5<br />

M<strong>in</strong>uten konnten<br />

sie schon angefasst<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Auch die Autos<br />

<strong>de</strong>r Firma wur<strong>de</strong>n<br />

hier gespritzt und<br />

8<br />

Sperrholzpresse,<br />

Pressdruck 1.240.000 Kg<br />

Sperrholzpresse<br />

Pressdruck 1 240 000 Kg<br />

Edmund Kle<strong>in</strong>, Walter Picker,<br />

Weigelt<br />

Hermann Gniesmer<br />

mit <strong>de</strong>n markanten<br />

Schriftzügen<br />

versehen.<br />

In <strong>de</strong>n Räumen <strong>de</strong>r Verladung (20) bekamen die<br />

fertig lackierten Möbel Griffe und Beschläge, später<br />

auch Polyesterplatten als Arbeitsflächen, und konnten<br />

dann verla<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Entwe<strong>de</strong>r per LKW o<strong>de</strong>r<br />

mit <strong>de</strong>r Kle<strong>in</strong>bahn wur<strong>de</strong>n die Möbel nun an die<br />

Auslieferungslager o<strong>de</strong>r direkt an die Kun<strong>de</strong>n versandt.<br />

Schwungrad <strong>de</strong>r Dampfmasch<strong>in</strong>e, ca.1958<br />

Der Rundgang durch das Firmengelän<strong>de</strong> führt weiter<br />

zum alten Kesselhaus (17), das während <strong>de</strong>s<br />

Krieges unter Schlossermeister Gottfried Mellies gebaut<br />

und 1946 <strong>in</strong> Betrieb genommen wur<strong>de</strong>. Den<br />

Schiffskessel mit Wan<strong>de</strong>rrost hatte <strong>WINI</strong> aus <strong>de</strong>r<br />

Ukra<strong>in</strong>e bekommen.<br />

Die Dampfmasch<strong>in</strong>e, die mit e<strong>in</strong>er Leistung von ca.<br />

5 Tonnen Dampf e<strong>in</strong>en Schwungradgenerator zur<br />

Stromerzeugung antrieb, wur<strong>de</strong> mit Kohle beheizt.<br />

Dazu kamen Holzspäne, die <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Produktion <strong>in</strong><br />

großen Mengen abfielen. E<strong>in</strong> Exhauster saugte sie<br />

direkt von Fräsen und Hobelmasch<strong>in</strong>en ab und <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n Spänebunker (18) über <strong>de</strong>m Kesselhaus. Bei<br />

Spitzenverbrauch im Werk konnte über e<strong>in</strong>en Trafo<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Anschlussgleises Fremdstrom dazugekauft<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Im Gebäu<strong>de</strong> gegenüber (19) befan<strong>de</strong>n sich unten<br />

Trockenkammern, die Holzbiegerei und Garagen.<br />

Während <strong>de</strong>s Krieges waren hier Unterkunftsräume<br />

für Zwangsarbeiter, die nicht <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Baracken wohnten,<br />

und e<strong>in</strong>e Küche, wo Lebensmittel für die polnischen<br />

Zwangsarbeiter ausgegeben wur<strong>de</strong>n. Nach<br />

<strong>de</strong>m Krieg kamen hier zunächst Flüchtl<strong>in</strong>ge unter.<br />

Später konnten auswärtige Beschäftigte, die weit<br />

von Du<strong>in</strong>gen entfernt wohnten, hier übernachten.<br />

Im oberen Stockwerk lag die Lehrwerkstatt <strong>de</strong>r<br />

Tischler. An 10 Hobelbänken, e<strong>in</strong>er Tischfräse, e<strong>in</strong>er<br />

Bandsäge und e<strong>in</strong>er Dicktenhobelmasch<strong>in</strong>e bil<strong>de</strong>te<br />

die Firma seit 1941 Lehrl<strong>in</strong>ge aus.<br />

Neben <strong>de</strong>r Lehrwerkstatt bef<strong>in</strong><strong>de</strong>t sich die Schlosserei,<br />

die dicht am Pförtnerhaus liegt, und <strong>de</strong>r Rundgang<br />

über das <strong>WINI</strong>-Werksgelän<strong>de</strong> schließt sich,<br />

wie die Schranke, die <strong>de</strong>r Pförtner Zastrau h<strong>in</strong>ter<br />

<strong>de</strong>n Besuchern herunterlässt.


<strong>WINI</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>r NS- und Kriegszeit<br />

Während <strong>de</strong>s 2. Weltkriegs stellten die Abteilungen<br />

von Drechslermeister Willi Schaper und Tischlermeister<br />

August Ahlswe<strong>de</strong> Munitionskisten her. Am<br />

Südfeld gab es e<strong>in</strong> großes Lager, wo tausen<strong>de</strong> von<br />

Kisten auf die Fertigstellung warteten. An die Wehrmacht<br />

wur<strong>de</strong>n außer<strong>de</strong>m Schemel und Sp<strong>in</strong><strong>de</strong> geliefert.<br />

Als Rüstungsbetrieb konnte Niemeier wichtige Arbeitskräfte<br />

„unabkömmlich“ stellen lassen. Dafür<br />

wur<strong>de</strong>n dann ersatzweise an<strong>de</strong>re Männer e<strong>in</strong>gezogen,<br />

die zum Teil an <strong>de</strong>r Front gefallen s<strong>in</strong>d.<br />

In <strong>de</strong>n Kriegsjahren arbeiteten viele Zwangsarbeiter<br />

bei <strong>WINI</strong>. Das Personalmerkbuch <strong>de</strong>r Jahre 1930-45<br />

verzeichnet <strong>in</strong>sgesamt etwa 1300 Mitarbeiter,<br />

darunter 247 Auslän<strong>de</strong>r:<br />

Russland: 71 Männer, 39 Frauen<br />

Polen: 58 Männer, 31 Frauen<br />

Tschechen: 17 Männer, 3 Frauen<br />

An<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r: 22 Männer, 6 Frauen<br />

Dabei wur<strong>de</strong>n jedoch nicht alle Zwangsarbeiter erfasst.<br />

Russische und polnische Deportierte waren am Heuweg<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ste<strong>in</strong>baracke an <strong>de</strong>n Nord<strong>de</strong>utschen<br />

Ste<strong>in</strong>zeugwerken untergebracht. Es gab außer<strong>de</strong>m<br />

e<strong>in</strong>e Holzbaracke am Hohen Rott, wo etwa 30 polnische<br />

Zwangsarbeiter lebten, darunter auch Frauen.<br />

Die Verwaltung <strong>de</strong>r Lager unterstand <strong>de</strong>m Du<strong>in</strong>ger<br />

Bürgermeister. Bei Anbruch <strong>de</strong>r Dunkelheit mussten<br />

sie <strong>in</strong> ihren Unterkünften se<strong>in</strong>.<br />

Französische Kriegsgefangene wohnten <strong>in</strong> Baracken<br />

und hatten auf <strong>de</strong>m Werksgelän<strong>de</strong> eigenen Toiletten.<br />

Sie hatten e<strong>in</strong>en durch e<strong>in</strong>en Zaun abgeteilten<br />

direkten Zugang zur Fabrik und wur<strong>de</strong>n von Soldaten<br />

<strong>de</strong>r Wehrmacht bewacht.<br />

Man achtete streng darauf, dass die unterschiedlichen<br />

Nationalitäten nicht zusammen kamen. Zu<br />

<strong>de</strong>utschen Mitarbeitern gab es jedoch sehr wohl<br />

Kontakte. E<strong>in</strong> Franzose arbeitete sogar als<br />

L<strong>in</strong>ienbusfahrer.<br />

Anekdote von E.-A. Senne:<br />

Vor Weihnachten 1943 besuchten e<strong>in</strong>ige hohe<br />

Wehrmachtsoffiziere <strong>de</strong>n Rüstungsbetrieb<br />

<strong>WINI</strong>. Als Weihnachtsaufmerksamkeit wollte<br />

Herr August Niemeier gedrechselte E<strong>de</strong>lholzteller,<br />

Schmuckdosen und ähnliches anfertigen<br />

lassen. Dazu g<strong>in</strong>g ich als kaufmännischer Lehrl<strong>in</strong>g<br />

mit <strong>de</strong>n Herren <strong>in</strong> „<strong>de</strong>n langen Max“, um<br />

nach <strong>de</strong>m geeigneten Holz zu suchen. Ich<br />

musste mit e<strong>in</strong>em Meterstab die Breite <strong>de</strong>r<br />

Bretter o<strong>de</strong>r Bohlen messen. Dabei stellte ich<br />

mit Schrecken fest, dass me<strong>in</strong> Zollstock e<strong>in</strong>e<br />

Macke hatte. Auf <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>en Seite <strong>de</strong>s Meterstabes<br />

war die Bohle 40 cm breit, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Seite 60 cm. Was wäre gewesen, wenn ich<br />

die Breite <strong>de</strong>r Bohle falsch angesagt hätte? Ich<br />

glaube, da wäre Herrn Niemeier die Hand ausgerutscht.


In <strong>de</strong>r Küche unter <strong>de</strong>r Lehrwerkstatt war die<br />

Essensausgabe für die Zwangsarbeiter aus Polen.<br />

Ausgebombte aus ganz Deutschland fan<strong>de</strong>n bei<br />

<strong>WINI</strong> während <strong>de</strong>s Krieges Arbeit und blieben<br />

oftmals viele Jahre <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen.<br />

In dieser Zeit bekam die Holz<strong>in</strong>dustrie ihr Material<br />

nur nach Vorlage staatlicher Berechtigungssche<strong>in</strong>e.<br />

Die Firma Niemeier hatte dafür e<strong>in</strong>en Verb<strong>in</strong>dungsmann<br />

bzw. Lobbyisten <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Paul Ackermann,<br />

mit besten Beziehungen zum Rüstungsm<strong>in</strong>isterium<br />

unter Albert Speer und zu hohen Wehrmachts- und<br />

Luftwaffenoffizieren. Nach Kriegsen<strong>de</strong> arbeitete er<br />

zeitweise bei <strong>WINI</strong> im Chefbüro.<br />

Die Sperrholzabteilung fertigte während <strong>de</strong>r NS-Zeit<br />

unter <strong>de</strong>r Leitung von Ing. Ludwig Klotz wasserfest<br />

verleimte Flugzeugober- und unterschalen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Holze<strong>in</strong>kauf<br />

von Ernst-August Senne, redaktionell bearbeitet<br />

<strong>WINI</strong> bezog das Buchenstammholz aus <strong>de</strong>n umliegen<strong>de</strong>n<br />

Staatswäl<strong>de</strong>rn und Forstgenossenschaften.<br />

Die Forstverwaltung ließ die Stämme schlagen,<br />

maß, klassifizierte und versah sie mit fortlaufen<strong>de</strong>n<br />

Stempelzahlen. Diese Angaben verschickte die Verwaltung<br />

dann an die Holzkäufer.<br />

Man verwen<strong>de</strong>tet die Güteklassen A, B und C.<br />

Stämme die kaum Fehler hatten, waren sogenannte<br />

A-Stämme; glatt, gera<strong>de</strong>, fast astlos. Die Größe <strong>de</strong>s<br />

Kerns war e<strong>in</strong> wesentlicher Faktor für die Gütebezeichnung,<br />

und es durften ke<strong>in</strong>e Holzschlagschä<strong>de</strong>n<br />

durch unsachgemäßes Fällen <strong>de</strong>r Waldarbeiter<br />

o<strong>de</strong>r Hagelschä<strong>de</strong>n entstan<strong>de</strong>n se<strong>in</strong>.<br />

C-Holz durfte alle möglichen Fehler haben: krumm,<br />

astig, kernig, verspannt, verdreht, Schlagschä<strong>de</strong>n<br />

und an<strong>de</strong>re Variationen. B-Holzstämme waren für A-<br />

Holz zu schlecht und C-Holz zu gut.<br />

Bis zu e<strong>in</strong>em bestimmten Term<strong>in</strong> konnten alle Kauf<strong>in</strong>teressenten<br />

Angebote abgeben. Die Angebotsbriefe<br />

wur<strong>de</strong>n geöffnet und vorgelesen, und <strong>de</strong>r<br />

Meistbieten<strong>de</strong> erhielt <strong>de</strong>n Zuschlag. Die leer ausgegangene<br />

Käuferschaft konnte so immerh<strong>in</strong> das<br />

Preisgefüge ertasten.<br />

In <strong>de</strong>r Regel legte die Holz<strong>in</strong>dustrie Wert darauf,<br />

langfristig Käufer <strong>in</strong> bestimmten Forstrevieren zu<br />

bleiben und sprach sich mit <strong>de</strong>r Konkurrenz ab, um<br />

die Preise nicht <strong>in</strong> die Höhe zu treiben. Für <strong>WINI</strong><br />

sollte das Holzrevier nicht weit von <strong>de</strong>n Unterkünften<br />

<strong>de</strong>r Rückepfer<strong>de</strong> liegen.<br />

speziellen Presse als Tragflächen <strong>de</strong>r Jagdflugzeuge<br />

vom Typ Focke-Wulf 190. Die Entwicklung <strong>de</strong>r Presse<br />

machte jedoch Schwierigkeiten, weil die unterschiedlich<br />

gewölbte Tragflächenform kompliziert<br />

war. Erst gegen En<strong>de</strong> Krieges lief die Fabrikation<br />

reibungslos, aber es gab weitere Schwierigkeiten<br />

mit <strong>de</strong>r Waggonverladung, so dass aus <strong>de</strong>m Projekt<br />

nichts mehr wur<strong>de</strong>.<br />

Nach <strong>de</strong>m Krieg musste <strong>WINI</strong> Schnittholz und<br />

Nachtschränke als Reparationszahlungen nach England<br />

liefern und <strong>de</strong>r Chef Wilhelm Niemeier durfte<br />

aus Entnazifizierungsgrün<strong>de</strong>n die Firma e<strong>in</strong>e Zeitlang<br />

nicht betreten. Sp<strong>in</strong><strong>de</strong> und Schemel wur<strong>de</strong>n<br />

weiterh<strong>in</strong> produziert, und En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 50 er Jahre bekam<br />

<strong>WINI</strong> e<strong>in</strong>en Großauftrag für die Bun<strong>de</strong>swehr,<br />

die wie<strong>de</strong>rum Schränke, Schemel und Tische bestellte.<br />

Die gekauften Stämme konnten nun aus <strong>de</strong>m Wald<br />

geholt wer<strong>de</strong>n. Anhand e<strong>in</strong>er auf <strong>de</strong>r Stirnseite e<strong>in</strong>geschlagen<br />

Nummer konnte man die Stämme i<strong>de</strong>ntifizieren,<br />

wenn diese nicht wie es häufig beim Rücken<br />

<strong>de</strong>r Stämme im Wal<strong>de</strong> geschah, verdreckt war<br />

und unlesbar wur<strong>de</strong>. Die Fahrer, die die Stämme mit<br />

<strong>de</strong>n betriebseigenen LKW <strong>in</strong>s Werk brachten, schrieben<br />

die Nummer je<strong>de</strong>s Stammes auf <strong>de</strong>n Holzabfuhrzettel,<br />

mit <strong>de</strong>ssen Hilfe die Buchhaltung verfolgen<br />

konnte, ob er auch im Werk angekommen war.<br />

1946 ist Joachim Spen<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m eigenem Motorrad<br />

<strong>in</strong> die Wäl<strong>de</strong>r gefahren und hat mit e<strong>in</strong>er <strong>WINI</strong>-<br />

Schablone die ausgesuchten Stämme markiert. Er<br />

Laufen<strong>de</strong>r E<strong>in</strong>gang von Import-Hölzern


kannte so je<strong>de</strong>n Waldweg und konnte die LKW-Fahrer<br />

über die Befahrbarkeit bei schlechter Witterung<br />

unterrichten.<br />

Noch <strong>in</strong> <strong>de</strong>n 50 er Jahren holten Pfer<strong>de</strong> die Stämme<br />

aus <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r näheren Umgebung. Morgens<br />

fuhren regelmäßig 4 bis 5 Pfer<strong>de</strong>gespanne mit<br />

jeweils 2 Pfer<strong>de</strong>n los und brachten die ausgesuchten<br />

Stämme <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Betrieb.<br />

In weiter entfernten Gebieten wur<strong>de</strong>n die Pfer<strong>de</strong> oft<br />

für e<strong>in</strong>ige Tage an <strong>de</strong>n jeweiligen Rückeorten im<br />

Stall <strong>de</strong>r Dorfschänke untergebracht, z. B. <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Gastwirtschaften Heipke <strong>in</strong> Fre<strong>de</strong>n und Weiberg <strong>in</strong><br />

Kaier<strong>de</strong>. Die Gespannführer Friedrich Knoke, He<strong>in</strong>rich<br />

Kothe und Hans Urban blieben zur Fütterung<br />

und Pflege bei <strong>de</strong>n Tieren.<br />

Die Hufe <strong>de</strong>r Rückepfer<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n beim Schmied<br />

August San<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Dr. Bock-Brücke 6 beschlagen.<br />

Wenn Ketten, die zum Bela<strong>de</strong>n verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n,<br />

gerissenen waren, warf man sie ihm noch am<br />

Abend vor die Werkstatt, und konnte sie schon am<br />

nächsten Tag wie<strong>de</strong>r mitnehmen.<br />

Auch Walter Sürig kannte sich mit Pfer<strong>de</strong>n aus und<br />

belud mit ihnen die Holzfahrzeuge. Mit zunehmen<strong>de</strong>r<br />

Motorisierung hatte er dann aber später als<br />

Fahrer e<strong>in</strong>es Hanomag LKW nicht mehr mit e<strong>in</strong>em,<br />

son<strong>de</strong>rn mit 100 PS zu tun.<br />

Hafen <strong>in</strong> Herne<br />

Überseeholz kam aus <strong>de</strong>n Hamburger und Herner<br />

Häfen, Fichtenholz aus Süd<strong>de</strong>utschland und Österreich.<br />

Verwendung <strong>de</strong>r Hölzer<br />

Buchenholz verwen<strong>de</strong>tet man für Schemel, Stuhlbe<strong>in</strong>e,<br />

konstruktive Teile im Möbelbau, und <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Drechslerei.<br />

Außer<strong>de</strong>m machte man Schälfurnier aus Buche und<br />

Limba zum Decken <strong>de</strong>r Tischlerplatten und benutzte<br />

Abachi für das Absperrfurnier <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Mittellagen <strong>de</strong>r<br />

Platten.<br />

Rüster (Ulme) verwen<strong>de</strong>te man für Direktionszimmermöbel<br />

als Furnier und massiv für Bekrönungen.<br />

Aus Fichtenholz wur<strong>de</strong>n die Stäbchen für die Mittellagen<br />

<strong>de</strong>r Tischlerplatten gesägt. Massiv verwen<strong>de</strong>te<br />

man Fichte für Klei<strong>de</strong>rschränke, Bettseiten im<br />

Verbund mit Buchensperrholz als Füllung.<br />

Eichenmesserfurnier wur<strong>de</strong> für edle Möbeloberflächen,<br />

z. B. Büromöbel dazugekauft.<br />

Sobald sich herumgesprochen hatte, dass die Pfer<strong>de</strong> beim Gastwirt<br />

Weiberg <strong>in</strong> Kaier<strong>de</strong> stationiert waren, kamen die ansässigen Bauern <strong>in</strong>s<br />

Gasthaus und baten He<strong>in</strong>rich Kothe um e<strong>in</strong>e Zirkusnummer mit se<strong>in</strong>em<br />

Pferd „Bello“. Dieses Brauereipferd, war auf Kommandos abgerichtet und<br />

führte alles aus, was er ihm zurief. E<strong>in</strong>es Tages beim Holzrücken an e<strong>in</strong>em<br />

sehr steilen Hang, <strong>de</strong>r bei Regenwetter glitschig war, rutschte e<strong>in</strong><br />

Buchenstamm talwärts und direkt auf das Pferd zu. Auf Zuruf spreizte<br />

„Bello“ se<strong>in</strong>e vier Be<strong>in</strong>e und ließ <strong>de</strong>n Stamm unter sich h<strong>in</strong>durch.<br />

11


Holzhandlung/ Dampfsägewerk: Kanthölzer, Bohlen,<br />

Bretter, Bahnschwellen<br />

Holzbiegerei:Stuhllehnen, Schaufelstiele<br />

<strong>Holzwarenfabrik</strong>: Türen, Sperrholz<br />

Drechslerei: Tischbe<strong>in</strong>e, Treppenstäbe, Werbegeschenke<br />

Möbelfabrik: Wohn- und Herrenzimmer, bis 1949<br />

e<strong>in</strong>fache Schlafzimmermöbel, Küchentische und -<br />

stühle<br />

Büromöbelproduktion ab 1949 (13% <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sproduktion):<br />

Schreibtische, Rollschränke, Aktenschränke,<br />

Gar<strong>de</strong>roben, Papierkörbe, Bürostühleund<br />

Sessel<br />

Schulmöbelproduktion ab 1951 (8 -10 Prozent<br />

Marktanteil): Schülertische und Stühle <strong>in</strong> 4 Größen,<br />

Tafeln, Klassenschränke, Kartenschränke, Aulastühle<br />

Kle<strong>in</strong>möbel: Nähtische, Blumentische, Ansatztische<br />

Fertighäuser: 2 Mo<strong>de</strong>lle<br />

Vertretungen und Auslieferungslager <strong>in</strong> Deutschland:<br />

Berl<strong>in</strong>, Bonn, Bremen, Frankfurt, Hamburg,<br />

Hannover, Fürth, Duisburg, M<strong>in</strong><strong>de</strong>n, Münster.<br />

12<br />

Arbeitsschutz und Gesundheit<br />

Von heutigen Wochenarbeitszeiten, von kaum mehr<br />

als 40 Stun<strong>de</strong>n, konnte man zu <strong>WINI</strong>-Zeiten nur<br />

träumen. So arbeitete die Normalschicht montags<br />

bis freitags von 6.00 – 16.00 Uhr und samstags bis<br />

13.00 Uhr mit e<strong>in</strong>er Frühstückspause von 15 M<strong>in</strong>.<br />

(früher 30 M<strong>in</strong>.) und e<strong>in</strong>er Mittagspause von 60 M<strong>in</strong>.<br />

Die Du<strong>in</strong>ger konnten so bequem nach Hause gehen<br />

und das Mittagessen dort e<strong>in</strong>nehmen.<br />

Die Firma hatte ke<strong>in</strong>e Kant<strong>in</strong>e, aber e<strong>in</strong>en sogenannten<br />

„Leuteraum“ <strong>in</strong> <strong>de</strong>m die auswärtigen Arbeiter<br />

Pause machen konnten. Viele brachten ihr Mittagessen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Henkeltopf mit.<br />

Es gab sogar Werksangehörige aus Coppengrave,<br />

die ihr Mittagessen mit <strong>de</strong>r Kle<strong>in</strong>bahn nach Du<strong>in</strong>gen<br />

gebracht bekamen. Dafür kaufte man e<strong>in</strong>e Esskorbkarte,<br />

und die Zugbegleiter nahmen die Körbe mit<br />

Produkte<br />

Verladung<br />

Arbeitszeiten<br />

nach Du<strong>in</strong>gen und stellten sie dort am Bahnhof ab,<br />

wo sie von <strong>de</strong>n Arbeitern abgeholt wur<strong>de</strong>n.<br />

Wer <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Tischlerei arbeitete, konnte das Essen<br />

auf <strong>de</strong>m Leimofen erwärmen. Im Betrieb wur<strong>de</strong>n<br />

immerh<strong>in</strong> Getränke wie Bier und Limo zum Kauf angeboten.<br />

Die auswärtigen Beschäftigten versuchten immer<br />

wie<strong>de</strong>r, die Mittagspause zugunsten e<strong>in</strong>es früheren<br />

Feierabends zu kürzen, wur<strong>de</strong>n aber immer von <strong>de</strong>r<br />

Mehrheit <strong>de</strong>r Du<strong>in</strong>ger überstimmt.<br />

In e<strong>in</strong>igen Arbeitsbereichen arbeitete man <strong>in</strong><br />

Schichten, wie z. B. <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Sperrholzabteilung und<br />

im Kesselhaus, wo das Feuer unterhalten wer<strong>de</strong>n<br />

musste, um die Beheizung <strong>de</strong>r Trockenkammern sicher<br />

zu stellen.


Arbeitsschutz<br />

In <strong>de</strong>r Firma wur<strong>de</strong>n zahlreiche Stoffe verwen<strong>de</strong>t,<br />

die heute als gesundheitsschädlich gelten. Früher<br />

nahm man das nicht so ernst. So litten manche Beschäftigte,<br />

die <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Plattenfertigung mit Kauritleim<br />

(Holzleim aus Leim und e<strong>in</strong>er chemischen Härterkomponente)<br />

<strong>in</strong> Kontakt kamen, unter Hautausschlag<br />

an <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r “Leimkrätze“ genannt<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Die Furnierpressen setzten beim Verkleben unter<br />

hohem Druck und Wärme, Ausdünstungen frei, von<br />

<strong>de</strong>nen manchen Mitarbeitern übel wur<strong>de</strong>. Die <strong>in</strong>stallierten<br />

Absauganlagen waren nicht <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Lage, alle<br />

giftigen Gase aus <strong>de</strong>n Produktionsstätten zu transportieren.<br />

Konrad Flügner, Erw<strong>in</strong> Brandt, Walter Wulf,<br />

He<strong>in</strong>rich Bormann, Alfred Palandt<br />

Arbeiter<strong>in</strong>nen beizten die Möbelstücke und trugen<br />

die Grundlackierung mit lackgetränkten Lappen auf.<br />

Die Frauen atmeten die Ausdünstungen <strong>de</strong>r getränkten<br />

Lappen e<strong>in</strong> und re<strong>in</strong>igten die verklebten<br />

Hän<strong>de</strong> mit Verdünnung.<br />

Die so vorbereiteten Möbel wur<strong>de</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kab<strong>in</strong>e,<br />

die nur durch e<strong>in</strong>e Jalousie vom Arbeitsplatz <strong>de</strong>r<br />

Frauen abgetrennt war, gespritzt.<br />

Beim Schleifen <strong>de</strong>s Holzes entstand Staub, <strong>de</strong>r sich<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Lunge festsetzte. Die Staublunge wur<strong>de</strong><br />

damals schon als Berufskrankheit anerkannt, wenn<br />

man nachweisen konnte, dass sie durch die Arbeiten<br />

verursacht wor<strong>de</strong>n war.<br />

Die Beschäftigten an beson<strong>de</strong>rs belasteten Arbeitsplätzen<br />

erhielten - vom Gesundheitsamt verordnet -<br />

täglich e<strong>in</strong>en halben Liter Milch, die <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Pause<br />

verteilt wur<strong>de</strong>.<br />

Obwohl Arbeitsschutz e<strong>in</strong> ständiges Thema bei<br />

Betriebsratssitzungen und Versammlungen war, passierte<br />

wenig. Es gab we<strong>de</strong>r Sicherheitsschuhe, Helme,<br />

Arbeitskleidung noch Gehörschutz.<br />

Die Auswirkungen von gesundheitsschädlichen Stoffen<br />

auf <strong>de</strong>n menschlichen Organismus waren<br />

damals noch wenig erforscht, und Alternativen stan<strong>de</strong>n<br />

nur selten zur Verfügung. Arbeitsschutzkleidung<br />

war bis <strong>in</strong> die Mitte <strong>de</strong>s vorigen Jahrhun<strong>de</strong>rts kaum<br />

verbreitet. <strong>WINI</strong> setzte erst <strong>in</strong> <strong>de</strong>n 60 er Jahren<br />

Atemschutzmasken e<strong>in</strong>. Die Beschäftigten, die<br />

größtenteils froh waren, bei <strong>WINI</strong> e<strong>in</strong>en Arbeitsplatz<br />

zu haben, mussten die gesundheitlichen Gefahren<br />

wegen fehlen<strong>de</strong>r Gesundheitsvorschriften und Gesetzen,<br />

<strong>in</strong> Kauf nehmen.<br />

Unfälle<br />

Kle<strong>in</strong>ere Unfälle wie Schnittwun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r auch abgesägte<br />

F<strong>in</strong>ger gab es, aufgrund fehlen<strong>de</strong>r Schutzkleidung-<br />

o<strong>de</strong>r Maßnahmen an <strong>de</strong>n Masch<strong>in</strong>en,<br />

immer wie<strong>de</strong>r zu beklagen.<br />

Durch die Arbeit mit Nitrolacken und gefährlichen<br />

Beizen kam es neben <strong>de</strong>n Staubexplosionen zu häufigen<br />

Brän<strong>de</strong>n im Werk. E<strong>in</strong>e solche Situation bestand<br />

<strong>in</strong> vielen Betrieben <strong>de</strong>r Holz<strong>in</strong>dustrie.<br />

Im Sommer 1949 gab es im Schleifstaubbunker e<strong>in</strong>e<br />

Explosion, e<strong>in</strong> tragisches Unglück, bei <strong>de</strong>m drei<br />

Männer ums Leben kamen: Friedrich Dasser, Gerhard<br />

Baumann und Paul Langner.<br />

In <strong>de</strong>n 50 er Jahren gab es e<strong>in</strong>en großen Brand <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Spritzerei. Dort war <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Nacht e<strong>in</strong> Lackbehälter<br />

explodiert, und das Feuer richtete großen<br />

Scha<strong>de</strong>n an. E<strong>in</strong> an<strong>de</strong>res großes Brandrisiko <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Spritzerei waren die Ventilatoren <strong>de</strong>r Absaugung,<br />

auf <strong>de</strong>nen sich <strong>de</strong>r Lackstaub ansammelte. Obwohl<br />

sie täglich gere<strong>in</strong>igt wur<strong>de</strong>n, konnte es doch passieren,<br />

dass sie sich zusetzten und sich die Lackschicht<br />

durch Reibung entzün<strong>de</strong>te.<br />

Nach <strong>de</strong>m Krieg ba<strong>de</strong>ten K<strong>in</strong><strong>de</strong>r oft unerlaubterweise<br />

im Feuerlöschteich.<br />

Anfang <strong>de</strong>r 50 er Jahre verunglückte Jürgen Schulz<br />

beim Spielen auf <strong>de</strong>n Baumstämmen im Löschteich<br />

tödlich.<br />

Mitte <strong>de</strong>r 50 er Jahre verunglückte Fritz Hölscher<br />

tödlich, als er bei Re<strong>in</strong>igungsarbeiten durch e<strong>in</strong><br />

Dach brach.<br />

Anekdote von Horst Witte:<br />

Nach e<strong>in</strong>em Großbrand <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Spritzerei/Lackiererei<br />

berichtete <strong>de</strong>r Chef <strong>in</strong> <strong>de</strong>r nächsten<br />

Betriebsversammlung <strong>de</strong>r Belegschaft: „ Da<br />

weckt mich doch me<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>a und sagt: Wilhelm<br />

bei dich brennt es. Da b<strong>in</strong> ich mit nacktem<br />

A… über <strong>de</strong>n Hof gelaufen.“<br />

13


14<br />

Büroleben<br />

von Karl-He<strong>in</strong>z Schulz, redaktionell bearbeitet<br />

Im E<strong>in</strong>gangsbereich <strong>de</strong>s Betriebsgelän<strong>de</strong>s war das<br />

Hauptbüro <strong>in</strong> <strong>de</strong>m 2010 abgerissenen Fachwerkgebäu<strong>de</strong><br />

nebst Anbau untergebracht (1,1b). Der<br />

Chef residierte - zusammen mit se<strong>in</strong>em Bru<strong>de</strong>r und<br />

Stellvertreter August Niemeier, Leiter <strong>de</strong>r kaufmännischen<br />

Abteilung - <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Veranda <strong>de</strong>s Fachwerkhauses<br />

mit rundum laufen<strong>de</strong>n Fenstern und freiem<br />

Blick auf <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>gang <strong>de</strong>s Betriebes und die ganze<br />

Triftstraße.<br />

August Marahrens, Joachim Spen<strong>de</strong>, ca. 1953<br />

Etwa 20 – 25 Angestellte waren um 1965 zuständig<br />

für die kaufmännische Verwaltung, Personalwesen,<br />

Buchhaltung, Holz-und Materiale<strong>in</strong>kauf und <strong>de</strong>n Verkauf<br />

von Büro- und Schulmöbeln. Man arbeitete von<br />

7 bis 17 Uhr.<br />

Außer<strong>de</strong>m befand sich hier die Poststelle, das<br />

Besucherzimmer und e<strong>in</strong> spezieller Raum für das<br />

mo<strong>de</strong>rnste Kommunikationsmittel Anfang <strong>de</strong>r 60 er<br />

Jahre, <strong>de</strong>n Fernschreiber. Er erzeugte Texte als gestanzte<br />

Lochstreifen und konnte die Informationen<br />

durch telefonische Anwahl und Aktivierung e<strong>in</strong>es<br />

Empfängergerätes absen<strong>de</strong>n. Beim Empfänger wur<strong>de</strong><br />

damit ebenfalls e<strong>in</strong> Lochstreifen erzeugt, <strong>de</strong>r<br />

wie<strong>de</strong>rum über e<strong>in</strong> Lesegerät <strong>in</strong> Text umgewan<strong>de</strong>lt<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Das Fotokopieren damaliger Art war e<strong>in</strong> aufwändiges<br />

Unterfangen, mit Belichten, <strong>in</strong> Entwickler- und<br />

Fixierflüssigkeit ba<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong>e feuchte Angelegenheit,<br />

die man tunlichst mit Handschuhen erledigen sollte.<br />

Für e<strong>in</strong>e Seite konnte man m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens e<strong>in</strong>e Viertelstun<strong>de</strong><br />

ansetzen.<br />

Vervielfältigungen <strong>in</strong> überschaubarer Anzahl wur<strong>de</strong>n<br />

mit e<strong>in</strong>em Umdrucker von e<strong>in</strong>er sogenannten Matrize<br />

im Handkurbelverfahren erstellt; auch hier kamen<br />

Alkohol, Spiritus o<strong>de</strong>r ähnliche Mittel zu E<strong>in</strong>satz.<br />

E<strong>in</strong> nicht übler Geruch, <strong>de</strong>n man nie wie<strong>de</strong>r<br />

vergisst.<br />

Der Leiter <strong>de</strong>r Buchhaltung, Otto Birnbaum, o<strong>de</strong>r<br />

Fritz Kaufhold fuhren mit e<strong>in</strong>em Fahrer oft bis <strong>in</strong> das<br />

Rhe<strong>in</strong>land zu säumigen Zahlern, um Geld zu kassieren.<br />

Sie blieben meist mehrere Tage unterwegs und<br />

bere<strong>in</strong>igten auf diesem Wege auch Kun<strong>de</strong>nreklamationen.<br />

Diese Fahrten kosteten <strong>WINI</strong> viel<br />

Geld.<br />

Das Betriebsbüro (13) war ab 1958 <strong>in</strong>mitten <strong>de</strong>s<br />

Firmengelän<strong>de</strong>s untergebracht. Hier waren etwa 10<br />

– 12 Leute mit <strong>de</strong>r Lohnbuchhaltung beschäftigt,<br />

wie die Refa-Abteilung, die Arbeitsvorbereitung für<br />

Akkordvorgaben machte und die Akkordabrechnung<br />

versah sowie <strong>de</strong>n daraus resultieren<strong>de</strong>n Lohnzettel<br />

erstellte zur Weitergabe an die Lohnabrechnung.<br />

Außer<strong>de</strong>m befand sich hier das sogenannte Magaz<strong>in</strong><br />

als Lager für Werkzeuge und Verbrauchsmaterial.<br />

Hier fand auch <strong>de</strong>r Kle<strong>in</strong>verkauf von Holzresten,<br />

Leisten etc. statt.<br />

Der Lohn wur<strong>de</strong> Mitte <strong>de</strong>r sechziger Jahre wöchentlich<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Lohntüte bar mit e<strong>in</strong>em Abschlag gezahlt.<br />

Die Lehrl<strong>in</strong>ge im Lohnbüro waren eigentlich nur damit<br />

beschäftigt, die über 1.000 Lohntüten zu beschriften<br />

und Lohnzettel nachzurechnen. Kopfrechnen<br />

war wichtig, <strong>de</strong>nn die masch<strong>in</strong>elle Hilfe war<br />

noch dürftig: Mit Zahlen versehene Knöpfe drücken<br />

und Kurbel drehen - so konnte man wenigstens umfangreiche<br />

Zahlenreihen addieren, natürlich noch<br />

ohne Tippstreifen.


Geld bekamen die Lehrl<strong>in</strong>ge nicht <strong>in</strong> die Hand. Für<br />

das E<strong>in</strong>tüten <strong>de</strong>s Abschlags war die Lohnbuchhalter<strong>in</strong>,<br />

Fräule<strong>in</strong> L<strong>in</strong>a Grupe (die Anre<strong>de</strong> war so gewünscht)<br />

persönlich zuständig. Den handgeschrieben<br />

Lohnstreifen gab es mit <strong>de</strong>r Restzahlung<br />

am Monatsen<strong>de</strong>.<br />

Das Geld für die Löhne musste je<strong>de</strong> Woche aus <strong>de</strong>r<br />

Hamelner Commerzbank geholt wer<strong>de</strong>n, wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

weil die Du<strong>in</strong>ger Banken ke<strong>in</strong>e so großen<br />

Mengen Bargeld zur Verfügung stellen konnten. Viele<br />

Ehefrauen <strong>de</strong>r Arbeiter holten freitags die Lohntüten<br />

ihrer Männer am Pförtnerhäuschen ab. Den<br />

beschäftigten Frauen brachten die Meister o<strong>de</strong>r Vorarbeiter<br />

diese direkt an <strong>de</strong>n Arbeitsplatz.<br />

Vom Zweimannbetrieb im Gründungsjahr<br />

1908 stieg die Zahl <strong>de</strong>r Beschäftigten<br />

auf etwa 1.600 (mit allen Zweigwerken)<br />

zur Blütezeit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 50 er Jahre an,<br />

als <strong>WINI</strong> e<strong>in</strong>er <strong>de</strong>r Marktführer von Büromöbeln<br />

<strong>in</strong> Deutschland war.<br />

Zum Schluss, im Jahr 1967, arbeiteten<br />

immer noch 1.160 Menschen bei <strong>WINI</strong> <strong>in</strong><br />

Du<strong>in</strong>gen.<br />

Auswärtige Beschäftigte kamen nicht nur<br />

aus <strong>de</strong>m umliegen<strong>de</strong>n Dörfern, son<strong>de</strong>rn<br />

Dank <strong>de</strong>r Bahnverb<strong>in</strong>dung auch aus<br />

Lauenste<strong>in</strong> und Coppenbrügge. In <strong>de</strong>n<br />

50 er Jahren war morgens, nach<strong>de</strong>m die<br />

Kle<strong>in</strong>bahn <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen Halt gemacht hatte,<br />

die Bahnhofstraße schwarz vor Leuten<br />

die zur Fabrik liefen. Und aus Salzhemmendorf<br />

kam je<strong>de</strong>n Morgen e<strong>in</strong><br />

Kle<strong>in</strong>bus.<br />

In <strong>de</strong>n 60 er Jahren kamen Gastarbeiter<br />

aus Italien und Spanien nach Du<strong>in</strong>gen. In <strong>de</strong>r Firma<br />

waren sie die erste Zeit notdürftig <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Räumen<br />

über <strong>de</strong>m Betriebsbüro und im Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Lehrwerkstatt<br />

untergebracht.<br />

Viele Frauen aller Altersgruppen arbeiteten nach<br />

<strong>de</strong>m Krieg bei <strong>WINI</strong>, weil die Familie e<strong>in</strong> Haus gebaut<br />

hatte und sie dazuverdienen mussten.<br />

Beschäftigte<br />

Aus verlässlicher Quelle wird berichtet, dass die<br />

„dröge“ Arbeit im Betriebsbüro ab und an schon<br />

mal mit e<strong>in</strong>er verlängerten Mittagspause ausgeglichen<br />

wur<strong>de</strong>, die freitags auch e<strong>in</strong>mal bis zum Feierabend<br />

dauern konnte. Zu Brötchen und e<strong>in</strong>e or<strong>de</strong>ntliche<br />

Portion Mett gab es auch das e<strong>in</strong>e o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Bierchen und die Run<strong>de</strong>n vergrößerten sich im Laufe<br />

<strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>n. Smalltalk, för<strong>de</strong>rlich für das kollegiale<br />

Mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r, hob die Stimmung und wirkte sich<br />

leistungsför<strong>de</strong>rnd aus - so sah das zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st die<br />

Run<strong>de</strong>. Im Betrieb unter <strong>de</strong>n Arbeitern sah man das<br />

sicher an<strong>de</strong>rs, aber so ganz trocken g<strong>in</strong>g es dort<br />

auch nicht zu. Striktes Alkoholverbot war damals<br />

noch e<strong>in</strong> Fremdwort.<br />

Anekdote von E.-A. Senne<br />

Herr Niemeier saß manchmal auf e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en erhöhten Terrasse neben<br />

<strong>de</strong>r E<strong>in</strong>gangstür zum Büro, die e<strong>in</strong>en Blick auf das Pförtnerhaus<br />

bot. E<strong>in</strong>es Tages w<strong>in</strong>kte er mich zu sich und bat mich zu setzen.<br />

Im Betrieb war Feierabend o<strong>de</strong>r Schichtwechsel und die Leute mussten<br />

durch <strong>de</strong>n Mittelgang <strong>de</strong>s Pförtnerhauses, um ihre Stempelkarte<br />

mit Uhrzeit zu stempeln. Manche Mitarbeiter hatten Taschen bei sich.<br />

Da sagte <strong>de</strong>r Chef zu mir:“ Wenn alle Nägel <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen plötzlich<br />

heraus fallen wür<strong>de</strong>n, die bei mir geklaut wor<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d, dann wür<strong>de</strong><br />

halb Du<strong>in</strong>gen zusammenbrechen.“<br />

?, Edmund Kle<strong>in</strong>, Re<strong>in</strong>hold Hoffmann,<br />

He<strong>in</strong>rich Thiedau, Hermann Gniesmer<br />

Ihre Arbeitsplätze waren bevorzugt beim Fügen <strong>de</strong>s<br />

Deckfurniers, beim Schleifen, Lackieren und Nacharbeiten<br />

<strong>de</strong>r Möbel, aber auch an <strong>de</strong>n Masch<strong>in</strong>en, wo<br />

sie Werkstücke annahmen und zum Weitertransport<br />

auf Rutschen o<strong>de</strong>r Wagen legten - und natürlich im<br />

Büro.<br />

15


1a. Wohnhaus<br />

1b. Büros, dah<strong>in</strong>ter Pfer<strong>de</strong>stall<br />

1c. Ausstellungsraum<br />

2. Pförtner<br />

3. Schmie<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Schlosserei, oben Leuteraum<br />

4. Drechslerei, dah<strong>in</strong>ter Elektrikerwerkstatt<br />

5. Sägewerk, oben Tischlerwerkstatt<br />

6. Dämpfgruben<br />

16<br />

7. Holzlager, Zwischenlager für Bohlen und Kanthölzer<br />

8. Kantelschuppen (Langer Hans)<br />

9. Spritzraum/Lager, dah<strong>in</strong>ter Toiletten,<br />

10. Oberflächenbehandlung, Hauptspritzraum nach<br />

<strong>de</strong>m Krieg<br />

11. Entla<strong>de</strong>kran „Bran<strong>de</strong>nburger Tor“ seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

50 er<br />

12. Autowerkstatt


13. Betriebsbüro<br />

14. Sperrholzabteilung<br />

15. Büromöbelabteilung<br />

16. Verla<strong>de</strong>raum für Türen und Sperrholz<br />

17. Kesselhaus<br />

18. Spänebehälter<br />

19. Trockenkammern, Dampfbiegerei und Küche,<br />

oben Lehrwerkstatt<br />

20. Spritzerei<br />

21. Trocknung und Verladung<br />

22. Lager, Trockenkammer<br />

23. Holzschuppen<br />

24. Spänebunker für Schleifstaub<br />

25. Gleisanschluss <strong>de</strong>r Kle<strong>in</strong>bahn<br />

17


18<br />

Wie ich die Firma <strong>WINI</strong> sah und erlebte<br />

von Ernst-August Senne, redaktionell bearbeitet<br />

Ich b<strong>in</strong> <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen geboren, getauft, konfirmiert<br />

und vermählt. E<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Teil me<strong>in</strong>er Biografie<br />

habe ich hier e<strong>in</strong>fließen lassen, weil diese am En<strong>de</strong><br />

immer wie<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Firma <strong>WINI</strong> lan<strong>de</strong>te.<br />

Me<strong>in</strong>e Beschäftigung bei <strong>de</strong>r Firma <strong>WINI</strong> dauerte<br />

vom 1.4.1943 bis 31.3. 1954<br />

und vom 1.7. 1962 bis 31.5.1964.<br />

Man sollte me<strong>in</strong>en, dass es während <strong>de</strong>s II. Weltkriegs<br />

Lehrstellen <strong>in</strong> Hülle und Fülle gab. Zwei<br />

Wunschberufe blieben mir jedoch versagt: Zuerst<br />

wollte ich Fahrdienstleiter bei <strong>de</strong>r Deutschen Reichsbahn<br />

wer<strong>de</strong>n und hatte die Prüfung <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Reichsbahndirektion <strong>in</strong> Hannover schon mit „Gut“<br />

bestan<strong>de</strong>n, als ich bei <strong>de</strong>r augenärztlichen Untersuchung<br />

<strong>in</strong> Hameln durchfiel - me<strong>in</strong>e Sehkraft entsprach<br />

nicht <strong>de</strong>n Ansprüchen.<br />

In Gronau bewarb ich mich um e<strong>in</strong>e Ausbildung als<br />

technischer Zeichner bei <strong>de</strong>r Firma West<strong>in</strong>ghouse-<br />

Bremsen. Es gab jedoch ke<strong>in</strong>e Verkehrsverb<strong>in</strong>dung<br />

nach Du<strong>in</strong>gen, sodass me<strong>in</strong> Vater und ich nach <strong>de</strong>r<br />

persönlichen Vorstellung <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Firma <strong>de</strong>n Weg nach<br />

Haus zu Fuss gehen mussten.<br />

Me<strong>in</strong>e Mutter entschied dann: „Jetzt gehe ich zu<br />

Herrn August Niemeier und frage, ob es bei <strong>WINI</strong><br />

e<strong>in</strong>e Ausbildungsmöglichkeit gibt.“ Es war schon<br />

März 1943, und er sagte, er habe bereits e<strong>in</strong>en<br />

Lehrl<strong>in</strong>g aus Coppengrave – Albert Gniesmer. Aber<br />

ich solle mal morgen um 18 Uhr privat kommen. Er<br />

musterte mich. Mit se<strong>in</strong>em Sohn Gerhard, <strong>de</strong>r zwei<br />

Jahre älter war als ich, hatte ich schon als K<strong>in</strong>d gespielt.<br />

Nun ließ mich Niemeier e<strong>in</strong>en Aufsatz über<br />

<strong>de</strong>n Beruf me<strong>in</strong>es Vaters bei <strong>de</strong>r hiesigen Eisenbahn<br />

schreiben, <strong>de</strong>r ihn wohl zufrie<strong>de</strong>n stellte. Er entließ<br />

mich mit <strong>de</strong>n Worten: „Ich lasse e<strong>in</strong>en Lehrvertrag<br />

im Büro erstellen, du kannst am 1. April 1943 bei<br />

mir anfangen.“<br />

Herr August Niemeier war<br />

e<strong>in</strong> strenger Lehrherr. Ich<br />

wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Versandabteilung<br />

zugeteilt. Me<strong>in</strong> unmittelbarer<br />

Vorgesetzter war Herr<br />

Gustav Kyrieleis.<br />

E<strong>in</strong>es Tages holte mich Herr<br />

August Niemeier, <strong>de</strong>r bei<br />

<strong>WINI</strong> Prokurist war und <strong>de</strong>n<br />

ich auch als <strong>de</strong>n Architekten<br />

August Niemeier<br />

<strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>WINI</strong>-<br />

Werkes sehe, zum Diktat e<strong>in</strong>es<br />

Briefes. Da Herr Nie-<br />

meier rauchte, die Zigarre im Mund, verstand ich<br />

manchmal nicht, was er sagte. Als ich e<strong>in</strong>mal nachfragte,<br />

merkte ich, dass er ungnädig reagierte. So<br />

musste ich zwangsläufig Wörter o<strong>de</strong>r kle<strong>in</strong>e Sätze<br />

auslassen. Als ich me<strong>in</strong>em Abteilungsleiter Kyrieleis<br />

das erzählte, sagte er : „Wir schreiben <strong>de</strong>n Brief<br />

nach Feierabend geme<strong>in</strong>sam“, weil er das Thema<br />

kannte. An<strong>de</strong>rntags unterzeichnete Herr Niemeier<br />

das Schreiben und ich war froh.<br />

Neben <strong>de</strong>r Büroarbeit gehörte das Aufschreiben von<br />

Vermessungsdaten bei Holzverladungen zu me<strong>in</strong>en<br />

Aufgaben - auch bei Kälte und Schnee - sowie das<br />

Kopieren von Berichten an Heeres- und Luftwaffenämter,<br />

für die spätere Rechnungsstellung von geliefertem<br />

Material. Es kam fast je<strong>de</strong>n Tag vor, dass<br />

Waggons noch nachmittags <strong>in</strong> das Anschlussgleis<br />

geschoben wur<strong>de</strong>n und bela<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n sollten. Da<br />

ich die Aufgabe hatte, die Frachtbriefe zur<br />

Eisenbahnverwaltung zu br<strong>in</strong>gen, musste ich oft bis<br />

19/20 Uhr abends <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Firma bleiben.<br />

Ilse Lange, E. A. Senne, ca. 1952<br />

Als Lehrl<strong>in</strong>g arbeitete ich zuerst mit Fritz Koch zusammen,<br />

<strong>de</strong>r das Holz vermaß, während ich notierte.<br />

Im W<strong>in</strong>ter hatten wir e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Schil<strong>de</strong>rhäuschen<br />

zum Schutz gegen Regen, Schnee und<br />

Kälte. Später durfte ich die verkauften Holzmengen<br />

dann schon selbst vermessen. Zum Aufschreiben<br />

<strong>de</strong>r Messergebnisse, wur<strong>de</strong> öfter e<strong>in</strong> <strong>in</strong>telligenter<br />

Lehrl<strong>in</strong>g <strong>de</strong>r Tischlerwerkstatt abgestellt. Darunter<br />

war auch Horst Witte, <strong>de</strong>r später viele Jahre Bürgermeister<br />

<strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen war.<br />

Während <strong>de</strong>s II. Weltkrieges habe ich die Vermessungs-<br />

und Verla<strong>de</strong>arbeiten am liebsten mit französischen<br />

Kriegsgefangenen gemacht. Die Franzosen<br />

konnten teilweise <strong>de</strong>utsch sprechen und haben mir<br />

schon <strong>de</strong>utlich gemacht, dass Deutschland <strong>de</strong>n<br />

Krieg nicht gew<strong>in</strong>nen wür<strong>de</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e me<strong>in</strong>er körperlich schwersten Arbeiten war die<br />

Abnahme von Buchentisch-Fußkanteln <strong>in</strong> verschie<strong>de</strong>nen<br />

Sägewerken z. B. <strong>in</strong> Sehlem o<strong>de</strong>r <strong>in</strong> Uslar.<br />

Die Maße <strong>de</strong>r Kanteln waren 80x80x800 mm. Ich<br />

stand am Anfang <strong>de</strong>r Kette <strong>de</strong>r LKW-Bela<strong>de</strong>r und<br />

musste die Kanteln nicht nur weiter reichen, son<strong>de</strong>rn<br />

sie zum Prüfen <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Hand umdrehen, sodass<br />

ich alle vier Seiten sah. Kanteln mit braunem<br />

Kern sortierte ich aus. Weil diese dann auf kle<strong>in</strong>ere


Maße gesägt wer<strong>de</strong>n mussten, taten mir die Sägewerker<br />

leid.<br />

E<strong>in</strong> Kantel wog je nach Trockenheitsgrad 4-6 kg.<br />

Wenn unser Lastzug fertig bela<strong>de</strong>n war, war ich<br />

auch fertig.<br />

E<strong>in</strong>mal machte ich zusammen mit Herrn Hänisch<br />

e<strong>in</strong>e Fahrt mit <strong>de</strong>r Reichsbahn nach Dessau und<br />

Halle, um dort Munitionskisten für Granaten verschie<strong>de</strong>ner<br />

Kaliber bei <strong>de</strong>r Heeresverwaltung für<br />

Rüstung zur Überprüfung abzugeben. In <strong>de</strong>n vollen<br />

Zügen waren unsere Granatkisten sehr h<strong>in</strong><strong>de</strong>rlich<br />

für die Mitreisen<strong>de</strong>n.<br />

Im 2. Lehrjahr, ich war gera<strong>de</strong> seit e<strong>in</strong> paar Tagen<br />

16 Jahre alt, bekam ich mit an<strong>de</strong>ren Du<strong>in</strong>gern <strong>de</strong>n<br />

E<strong>in</strong>berufungsbefehl als Luftwaffenhelfer zur fe<strong>in</strong>dlichen<br />

Fliegerabwehr, zuerst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sche<strong>in</strong>werferbatterie<br />

<strong>in</strong> Hannover.<br />

Nach e<strong>in</strong>igen Wochen, wur<strong>de</strong>n wir ans Ste<strong>in</strong>hu<strong>de</strong>r<br />

Meer versetzt. Dort bil<strong>de</strong>te man uns an e<strong>in</strong>er 3,7 cm<br />

Fliegerabwehrkanone aus.<br />

Im August 1944 wur<strong>de</strong> ich abgestellt zu e<strong>in</strong>em<br />

Segelfliegerlehrgang von 14 Tagen auf <strong>de</strong>r Weper<br />

bei Fre<strong>de</strong>lsloh/Northeim. Da kam mir me<strong>in</strong>e Erfahrung<br />

durch die Du<strong>in</strong>ger Fliegerhitlerjugend auf <strong>de</strong>m<br />

Ith zugute.<br />

Am 22. März 1945 stand ich bei <strong>WINI</strong> auf <strong>de</strong>m<br />

Beobachtungsturm, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Flachdach <strong>de</strong>r<br />

Tischlerei aufgebaut wor<strong>de</strong>n war, um Kriegsschä<strong>de</strong>n<br />

schnell ent<strong>de</strong>cken zu können, als Bomberverbän<strong>de</strong><br />

Hil<strong>de</strong>sheim angriffen. Es war mittags mit strahlen<strong>de</strong>m<br />

Sonnensche<strong>in</strong>, als ich die Detonationen von<br />

Bomben <strong>in</strong> Hil<strong>de</strong>sheim hörte. Wenige M<strong>in</strong>uten später<br />

flog e<strong>in</strong> Bomberverband <strong>in</strong> niedriger Höhe zwischen<br />

Du<strong>in</strong>gen und Coppengrave gen Westen. Es<br />

waren m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens 20 Masch<strong>in</strong>en, die sich sicher<br />

fühlten, von <strong>de</strong>utschen Jagdflugzeugen nicht angegriffen<br />

zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Zwei Tage nach <strong>de</strong>m Angriff auf Hil<strong>de</strong>sheim musste<br />

ich mit <strong>de</strong>r Hitlerjugend zu Aufräumarbeiten nach<br />

Hil<strong>de</strong>sheim. In <strong>de</strong>n zerbombten Häusern im Keller<br />

kochten fast noch die E<strong>in</strong>machgläser, überall rauchte<br />

es. Vier Plün<strong>de</strong>rer h<strong>in</strong>gen erhängt an e<strong>in</strong>em Galgen.<br />

Am Morgen <strong>de</strong>s 7. Aprils g<strong>in</strong>g ich durch Du<strong>in</strong>gen.<br />

Am Marienhäger Berg hörte man schon die US-Panzer<br />

rollen. Aus <strong>de</strong>n Fenstern h<strong>in</strong>gen weiße Tücher;<br />

das längste Tuch bei Hermann Albrecht am Balkon.<br />

Als ich vor <strong>de</strong>r Apotheke stand, fuhr <strong>de</strong>r erste amerikanische<br />

Jeep vorbei, um festzustellen ob es <strong>in</strong><br />

Du<strong>in</strong>gen Wi<strong>de</strong>rstand gab.<br />

Mit Rüstungsgeschäften war es <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Firma Niemeier<br />

jetzt also erstmal vorbei.<br />

Ich habe me<strong>in</strong>e unterbrochene Lehre zu Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Jahres 1945 bei <strong>de</strong>r Firma <strong>WINI</strong> fortgesetzt. Kurze<br />

Zeit erledigte ich Registraturarbeiten und wur<strong>de</strong><br />

dann <strong>in</strong> die Abteilung Holze<strong>in</strong>kauf versetzt. Me<strong>in</strong> unmittelbarer<br />

Vorgesetzter war nun Herr Wilhelm Hänisch<br />

und etwas später Herr Willi Niemeier, <strong>de</strong>r Neffe<br />

<strong>de</strong>s Chefs. Hier fühlte ich mich sehr wohl und<br />

brauchte jetzt nur bis zum offiziellen Feierabend <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Firma zu bleiben.<br />

Ich wuchs mit zunehmen<strong>de</strong>m Alter <strong>in</strong> grössere Aufgaben<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, bzw. wur<strong>de</strong> damit betraut. Am<br />

30.09.1946 erhielt ich me<strong>in</strong>en Kaufmannsgesellenbrief.<br />

Willi Niemeier nahm mich manchmal zur Kontaktpflege<br />

zu <strong>de</strong>n Hauptversammlungen <strong>de</strong>r Forstgenossenschaften<br />

aus <strong>de</strong>n umliegen<strong>de</strong>n Orten Rott,<br />

Marienhagen, Lübbrechtsen, Wallensen, Thüste mit.<br />

Außer<strong>de</strong>m begleitete ich ihn zu e<strong>in</strong>em Kauf von<br />

Überseeholz (Okoumé, Limba und Abachi) nach<br />

Hamburg-Waltershof, wo das Überseeholz anlan<strong>de</strong>te.<br />

Nach <strong>de</strong>m geschäftlichen Part machten wir e<strong>in</strong>en<br />

Abstecher auf die Reeperbahn und nahmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Amüsierlokal an e<strong>in</strong>em Tisch nahe e<strong>in</strong>er run<strong>de</strong>n<br />

Mess<strong>in</strong>gtanzfläche platz. H<strong>in</strong>ter <strong>de</strong>r Tanzfläche<br />

saßen drei Animierdamen. „Tanz doch mal“, sagte<br />

Herr Niemeier. Das tat ich auch und bat e<strong>in</strong>e <strong>de</strong>r<br />

Damen zum Tanz. Ich bedankte mich nach <strong>de</strong>m<br />

Tanz artig und g<strong>in</strong>g zu me<strong>in</strong>em Tisch zurück. Da<br />

sagte Herr Niemeier zu mir, dass ich die Dame an<br />

unseren Tisch hätte bitten müssen, so wür<strong>de</strong> sie<br />

merken, dass wir vom Lan<strong>de</strong> kommen. Ich antwortete<br />

etwas beschämt, dass er mir das vorher hätte<br />

sagen müssen. Ich schätze, das war 1952.<br />

Ich wollte mich gerne noch weiterbil<strong>de</strong>n und e<strong>in</strong><br />

Studium zum Innenarchitekten an <strong>de</strong>r<br />

Kunstgewerbeschule <strong>in</strong> Hil<strong>de</strong>sheim beg<strong>in</strong>nen. Da ich<br />

aber nur <strong>de</strong>n Volksschulabschluss hatte, musste ich<br />

e<strong>in</strong>e Gewerbeausbildung nachweisen. Der leichteste<br />

Weg für mich war e<strong>in</strong>e Sägewerkerlehre, die ich parallel<br />

zur Arbeit <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Firma machen konnte und die<br />

von <strong>de</strong>r Kunstgewerbeschule anerkannt wur<strong>de</strong>. Ich<br />

schloss also mit <strong>de</strong>r Firma <strong>WINI</strong> wie<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>en Lehrvertrag<br />

ab. Die als Sägewerker Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n<br />

3 Monate pro Jahr im Blockunterricht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Berufserziehungsstätte <strong>in</strong> Berleburg geschult. Das<br />

kam für mich nicht <strong>in</strong> Frage, weil ich bei <strong>WINI</strong><br />

weiterh<strong>in</strong> als Kaufmann arbeitete. Ich konnte mir<br />

aber anhand von Büchern das nötige Wissen aneignen<br />

und arbeitete nach Feierabend und <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Ferien<br />

im Sägewerk mit. Mit <strong>de</strong>r Schule konnte ich e<strong>in</strong>e<br />

Son<strong>de</strong>rregelung aushan<strong>de</strong>ln, bei <strong>de</strong>r ich lediglich die<br />

Hausaufgaben machte. Diese bekam ich per Post<br />

19


zugeschickt und sandte sie ausgearbeitet <strong>de</strong>r<br />

Sägewerkerschule zurück. Dazu habe ich die<br />

<strong>WINI</strong>-Registratur durchforstet nach Prospekten<br />

über Sägewerksmasch<strong>in</strong>en und Zubehör. Fast ke<strong>in</strong>e<br />

me<strong>in</strong>er Hausaufgaben wur<strong>de</strong> schlechter als Note 2<br />

zensiert.<br />

Zur Facharbeiterprüfung am 25.9.1950 fuhr ich<br />

nach Berleburg und blieb dort für mehrere<br />

Prüfungstage im Internat. Die an<strong>de</strong>ren Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

waren meist Sägewerkersöhne, die die Materie<br />

von K<strong>in</strong>dheit an kannten, während mir die<br />

praktische Prüfung schwerfiel. Sie fand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Na<strong>de</strong>lholzsägewerk mit über 10 Gattern stattfand.<br />

Das <strong>WINI</strong> Sägewerk dagegen arbeitete nur mit<br />

Laubholz. Me<strong>in</strong>en Facharbeiterbrief bekam ich von<br />

<strong>de</strong>r Han<strong>de</strong>lskammer Siegen. Nach me<strong>in</strong>er<br />

Sägewerkerprüfung habe ich die Kunstgewerbeschule<br />

nicht besucht, weil ich als Innenarchitekt<br />

hier im ländlichen Raum ke<strong>in</strong>e Existenzmöglichkeit<br />

sah. Ich blieb also <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Firma Niemeier.<br />

E<strong>in</strong>es Tages, im Jahr 1952, bekam ich von Herrn<br />

Wilhelm Niemeier e<strong>in</strong>en persönlichen Auftrag. Herr<br />

Niemeier war zu dieser Zeit 71 Jahre alt.<br />

Er wollte wissen, wie hoch die Ausnutzung von ca.<br />

20 Festmetern Buchenstammholz bis zum fertigen<br />

verkaufsfähigen Sperrholz ist. Ich sollte die Herstellung<br />

vom Rohholz bis zum verkaufsbereiten<br />

Sperrholz begleiten und überwachen. In <strong>de</strong>r<br />

Sperrholzhalle liefen drei Schichten Tag und Nacht.<br />

Da ich permanent dabei se<strong>in</strong> sollte, be<strong>de</strong>utete das<br />

für mich, fünf bis sechs Tage und Nächte ke<strong>in</strong>en<br />

Schlaf zu bekommen. Damals war ich 24 Jahre alt.<br />

Um e<strong>in</strong>en Überblick zu behalten, markierte und<br />

nummerierte ich die Stapel mit <strong>de</strong>n Furnieren mit<br />

Krei<strong>de</strong>. Wenn ich nachts mal e<strong>in</strong>e Stun<strong>de</strong> auf e<strong>in</strong>em<br />

Furnierstapel schlief o<strong>de</strong>r sonst wie an e<strong>in</strong>em<br />

an<strong>de</strong>ren Hallenort war, wur<strong>de</strong> von e<strong>in</strong>em mir Unbekannten<br />

das markierte Furnierstück umgedreht.<br />

Das war e<strong>in</strong> unschöner Akt, bzw. Sabotage me<strong>in</strong>er<br />

Arbeit. E<strong>in</strong>er wollte wahrsche<strong>in</strong>lich me<strong>in</strong>en Auftrag<br />

verfälschen. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n während <strong>de</strong>r<br />

Nachtschicht heimlich verschnittene Platten mit<br />

Karren <strong>in</strong> die Feuerung gebracht. Me<strong>in</strong>e Eltern versorgten<br />

mich <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Tagen mit Essen und Tr<strong>in</strong>ken.<br />

Vom vielen Stehen waren me<strong>in</strong>e Be<strong>in</strong>e und Füße<br />

zuletzt ganz angeschwollen.<br />

Am Freitagmorgen war die Aktion been<strong>de</strong>t, das<br />

letzte Sperrholz lag im Lager. Mit <strong>de</strong>r Auswertung<br />

im Büro hatte ich dann nicht mehr so viel Arbeit.<br />

Als ich <strong>de</strong>m Chef am Samstag <strong>de</strong>n Bericht brachte,<br />

sagte er: „Ich habe gestern schon Ihren Bericht<br />

haben wollen. Dafür wollte ich Ihnen 100 Mark geben,<br />

weil heute aber schon Sonnabend ist, gebe<br />

ich Ihnen nur 50 Mark.“ Das ist e<strong>in</strong>e Seite <strong>de</strong>r<br />

<strong>WINI</strong>-Medaille. Herr Niemeier war immer krumm,<br />

wenn er sich bückte. Mit viel Geld warf er nicht<br />

gera<strong>de</strong> um sich.<br />

1954 bewarb ich mich bei <strong>de</strong>r Firma Ferd<strong>in</strong>and<br />

Sch<strong>in</strong>k AG Bochum, e<strong>in</strong>er Holzhandlung für Grubenholz.<br />

In diese Zeit fiel die Hochzeit mit me<strong>in</strong>er<br />

20<br />

Frau, die sich nach Du<strong>in</strong>gen zurück sehnte. Als ich<br />

e<strong>in</strong>en Arbeitsplatz bei <strong>de</strong>r Firma Schütt & Cie, Holzgrosshandlung<br />

<strong>in</strong> Hameln bekam, zogen wir nach<br />

Du<strong>in</strong>gen zurück. Mit <strong>de</strong>m für mich angeschafften<br />

Firmenwagen war ich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gegend um Du<strong>in</strong>gen<br />

unterwegs um neue Kun<strong>de</strong>n zu gew<strong>in</strong>nen, als ich<br />

von <strong>WINI</strong> e<strong>in</strong> verlocken<strong>de</strong>s Angebot bekam. Am<br />

1.7.1962 begann me<strong>in</strong> zweites Arbeitsverhältnis bei<br />

<strong>de</strong>r Firma Wilhelm Niemeier, das bis zum 31.5.1964<br />

dauerte. Nach <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>stellungsgespräch im Privatbüro<br />

von Herrn Niemeier wollte er mich verabschie<strong>de</strong>n.<br />

Ich bat jedoch darum, die Vere<strong>in</strong>barungen<br />

noch schriftlich zu fixieren. Ich musste doch Sicherheiten<br />

haben, wenn ich bei me<strong>in</strong>em bisherigen Arbeitgeber<br />

das Arbeitsverhältnis kündigen will. Er<br />

ließ mir nur wenige M<strong>in</strong>uten, <strong>de</strong>n Arbeitsvertrag zu<br />

formulieren.<br />

Ich sollte nun als Reisen<strong>de</strong>r <strong>WINI</strong>-Erzeugnisse wie<br />

Laubschnittholz, Türen, Sperrholz u.a. an Tischlereien<br />

verkaufen. Um e<strong>in</strong> breiteres Angebot anbieten<br />

zu können wollte ich aber noch Fichtenblockware<br />

für Fenster neben <strong>de</strong>n <strong>WINI</strong>-Erzeugnissen haben.<br />

Das musste ich aber erst <strong>in</strong> Süd<strong>de</strong>utschland<br />

dazukaufen, was unrentabel war.<br />

Mir wur<strong>de</strong> e<strong>in</strong> überdachter Lagerschuppen zwischen<br />

<strong>de</strong>r Sperrholzhalle und <strong>de</strong>r letzten Halle mit u. a.<br />

Spritzerei und Magaz<strong>in</strong> zur Verfügung gestellt. Wilhelm<br />

Fricke, <strong>de</strong>r zuvor auswärts bei <strong>de</strong>n Rückepfer<strong>de</strong>n<br />

<strong>in</strong> Ställen die Pfer<strong>de</strong> versorgte, nannte <strong>de</strong>n<br />

Holzlagerschuppen „Sennelager“.<br />

Etwa viermal im Jahr machte ich e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>wöchige<br />

Holze<strong>in</strong>kaufsfahrt für die Firma.<br />

Der Holzhan<strong>de</strong>l mit Tischlereien ließ sich jedoch<br />

nicht so führen, wie Herr Niemeier gedacht hatte.<br />

Es gab Schwierigkeiten, weil ich <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n ke<strong>in</strong>en<br />

exakten Lieferterm<strong>in</strong> für die Waren nennen konnte.<br />

Wenn e<strong>in</strong> Lkw zur Verfügung stand, fehlte oft e<strong>in</strong><br />

Fahrer o<strong>de</strong>r sogar die Verla<strong>de</strong>kolonne. Irgen<strong>de</strong>twas<br />

fehlte meistens. So liess man dieses Han<strong>de</strong>lsprojekt<br />

sukzessive fallen.<br />

1964 wur<strong>de</strong> ich dann mit Aufgaben für <strong>de</strong>n<br />

Fertighausverkauf betraut und bekam e<strong>in</strong> eigenes<br />

Büro zugewiesen. In Du<strong>in</strong>gen hatte <strong>WINI</strong> 2 Musterhäuser<br />

gebaut. Die Produktion erwies sich jedoch <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Folge als zu aufwändig, da viel Fremdarbeiten


wie Maurer und Installateure bezahlt wer<strong>de</strong>n mussten.<br />

In jenem Sommer und W<strong>in</strong>ter stand ich fast je<strong>de</strong>s<br />

Wochenen<strong>de</strong> von 14.00 - 18.00 Uhr zur Verfügung,<br />

um Kauf<strong>in</strong>teressenten durch das Musterfertighaus<br />

am Löschteich zu führen. Dabei gab ich Auskünfte<br />

über Preise, Kellerbau, Tapeten, Anstriche und<br />

F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten. Manchmal vertrat mich<br />

Frau Käthe Teichmann, die Ehefrau <strong>de</strong>s früheren<br />

Arztes Paul Teichmann.<br />

Zunächst hatte ich im Fokus, dass die zwei Typen<br />

<strong>de</strong>r Fertighäuser von <strong>WINI</strong> <strong>in</strong> das bun<strong>de</strong>sweite<br />

Fertighausverzeichnis e<strong>in</strong>getragen wer<strong>de</strong>n sollten,<br />

e<strong>in</strong>e Art Qualitätsnachweis <strong>de</strong>n die f<strong>in</strong>anzieren<strong>de</strong>n<br />

Banken als Nachweis benötigten, um schneller Darlehen<br />

für die Hauskäufer bereit stellen zu können.<br />

Dafür wäre es nötig gewesen, Musterwän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />

Deckenprofile von e<strong>in</strong>em Materialprüfungsamt untersuchen<br />

zu lassen und Wärme- o<strong>de</strong>r Kälteschutz<br />

nachzuweisen. Daraus wur<strong>de</strong> aber wegen <strong>in</strong>terner<br />

Fuhrpark um 1950<br />

Querelen nichts mehr.<br />

Neben <strong>de</strong>m damaligen Betriebsleiter Walter Reuter<br />

hatte Fritz Habenicht e<strong>in</strong>e wichtige Position im<br />

Fertighausbau. Vom Typ her war er e<strong>in</strong> etwas zurückhalten<strong>de</strong>r<br />

Mann und sparsam mit Worten. Für<br />

mich als wesentlich jüngeren Angestellten hiess es,<br />

se<strong>in</strong> Vertrauen erst zu gew<strong>in</strong>nen. Um für me<strong>in</strong>e Arbeit<br />

gute Auskünfte zu bekommen, hielt ich es mit<br />

<strong>de</strong>r Lebensweisheit: mit <strong>de</strong>m Hute <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Hand<br />

kommt man durch das ganze Land.<br />

Diese Jahre waren me<strong>in</strong>e eigentliche Kampf- und<br />

Krampfzeit bei <strong>de</strong>r Firma <strong>WINI</strong>. Der Chef sagte, <strong>de</strong>r<br />

Senne verdiene zu viel, das könne er an<strong>de</strong>ren Angestellten<br />

gegenüber nicht vertreten. Ich solle me<strong>in</strong>en<br />

Teil zur Kostensenkung beitragen und wur<strong>de</strong> nun<br />

entlassen und zu e<strong>in</strong>em niedrigeren Gehalt wie<strong>de</strong>r<br />

e<strong>in</strong>gestellt. Dabei machte ich schon monatlich 40-50<br />

Überstun<strong>de</strong>n. Als es für mich untragbar wur<strong>de</strong> verließ<br />

ich die Firma <strong>WINI</strong> im Mai 1964.<br />

21


22<br />

Walter Picker, e<strong>in</strong> Mitarbeiter im Außendienst<br />

Walter Picker, 60er Jahre<br />

Walter Picker wur<strong>de</strong> 1926 <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen geboren. Nach<br />

se<strong>in</strong>er Konfirmation und Abschluss <strong>de</strong>r Volksschule<br />

im Jahr 1941 begann er am 1. April <strong>de</strong>s Jahres e<strong>in</strong>e<br />

Lehre als Möbeltischler bei <strong>de</strong>r Firma „Wilhelm Niemeier,<br />

Du<strong>in</strong>ger <strong>Holzwarenfabrik</strong>“, wo <strong>in</strong> diesem Jahr<br />

zum ersten Mal Lehrl<strong>in</strong>ge ausbil<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n. Zusammen<br />

mit Walter Picker traten vier weitere Jungen<br />

ihre Lehrzeit an. Ausbil<strong>de</strong>r war <strong>de</strong>r Tischlermeister<br />

Ahlswe<strong>de</strong> aus Föhrste, <strong>de</strong>r während <strong>de</strong>r Kriegszeit<br />

bei <strong>WINI</strong> dienstverpflichtet war. Außer<strong>de</strong>m gab es<br />

e<strong>in</strong>en Gesellen, Karl Bartels, <strong>de</strong>r aber bald zu Wehrmacht<br />

e<strong>in</strong>gezogen wur<strong>de</strong>, und im Krieg gefallen ist.<br />

Als kriegswichtiger Betrieb stellte <strong>WINI</strong> Tische, Hocker<br />

und Sp<strong>in</strong><strong>de</strong> für die Wehrmacht her. In <strong>de</strong>r<br />

Lehrwerkstatt wur<strong>de</strong>n aber auch außergewöhnliche<br />

D<strong>in</strong>ge hergestellt, wie das Parkett und die Wandvertäfelungen<br />

für die Wohnungen <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>s<br />

Chefs.<br />

E<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Woche musste Walter Picker zur Berufsschule<br />

nach Alfeld <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Kalandstrasse. Der<br />

Busfahrer war zu dieser Zeit e<strong>in</strong> französischer<br />

Kriegsgefangener. Der Unterricht dauerte von 8 -12<br />

Uhr, und um 13 Uhr mussten die Lehrl<strong>in</strong>ge wie<strong>de</strong>r<br />

im Betrieb se<strong>in</strong> und wie gewöhnlich bis 16 Uhr arbeiten.<br />

Walter Picker verdiente als Lehrl<strong>in</strong>g 11 RM<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Woche.<br />

Am 24. November 1943 been<strong>de</strong>te er se<strong>in</strong>e Lehrzeit -<br />

die eigentlich 3 Jahre gedauert hätte- vorzeitig, weil<br />

er zur Wehrmacht e<strong>in</strong>berufen wur<strong>de</strong>. Bereits während<br />

<strong>de</strong>s letzten Lehrjahres war er e<strong>in</strong>mal für e<strong>in</strong>ige<br />

Wochen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Wehrertüchtigungslager bei Salzgitter-Lebenstedt<br />

e<strong>in</strong>gezogen wor<strong>de</strong>n sowie später für<br />

e<strong>in</strong> halbes Jahr zum Reichsarbeitsdienst im Straßenbau<br />

nach Posen.<br />

Walter Picker, Otto Kühne<br />

Se<strong>in</strong>e Gesellenprüfung absolvierte er <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Uslarer<br />

Möbelfabrik Ilse &Co. In <strong>de</strong>r Nacht vor <strong>de</strong>r Prüfung,<br />

die er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum über <strong>de</strong>r Fabrik verbrachte,<br />

bombardierten die Alliierten Kassel und zerstörten<br />

große Teile <strong>de</strong>r Stadt. Die Erschütterungen <strong>de</strong>r Detonationen<br />

waren noch <strong>in</strong> Uslar zu spüren, und so<br />

kam zu <strong>de</strong>r Angst vor <strong>de</strong>r Prüfung am nächsten Tag<br />

noch die Angst vor e<strong>in</strong>em Bombenabwurf auch über<br />

Uslar h<strong>in</strong>zu. Nichts<strong>de</strong>stotrotz verlief die Prüfung am<br />

an<strong>de</strong>ren Tag erfolgreich.<br />

Als 17 jähriger Soldat wur<strong>de</strong> Walter Picker nun<br />

zunächst zu e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heit nach Graz verlegt und<br />

später nach Südtirol. Während e<strong>in</strong>es Heimaturlaubes<br />

Anfang 1945 brach er sich das Fußgelenk<br />

und musste e<strong>in</strong>ige Zeit im Gronauer Lazarett verbr<strong>in</strong>gen.<br />

Nach <strong>de</strong>r Entlassung wur<strong>de</strong> er im März<br />

wie<strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Krieg geschickt, diesmal nach Berl<strong>in</strong>,<br />

wo er 6 Wochen im Häuserkampf gegen die Russen<br />

stand. Er kam <strong>in</strong> russische Gefangenschaft,<br />

zunächst <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Sammellager im Donezcbecken, wo<br />

viel Menschen durch Hunger und Krankheiten starben.<br />

Picker wur<strong>de</strong> aufgrund e<strong>in</strong>er falschen Anschuldigung<br />

zu 15 Jahren Zwangsarbeit <strong>in</strong> Sibirien verurteilt<br />

und nach Workuta am Eismeer gebracht, wo er<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bergwerk <strong>in</strong> 1200 m Tiefe arbeiten musste.<br />

E<strong>in</strong>em russischen Arzt, <strong>de</strong>r sich für se<strong>in</strong>e Freilassung<br />

e<strong>in</strong>gesetzt hatte, verdankte er, dass er zu Ostern<br />

1950 zusammen mit 350 weiteren Männern<br />

nach Hause entlassen wur<strong>de</strong>.<br />

Nach<strong>de</strong>m er sich e<strong>in</strong> halbes Jahr von <strong>de</strong>n Entbeh-


ungen erholt hatte, arbeitete er nun erst e<strong>in</strong>mal<br />

stun<strong>de</strong>nweise <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Tischlerei Nixdorf, Du<strong>in</strong>gen.<br />

1951 konnte Picker wie<strong>de</strong>r bei <strong>WINI</strong> anfangen und<br />

arbeitete dort bis 1967 für die Schul- und<br />

Büromöbelabteilungen im Kun<strong>de</strong>ndienst. Schulmöbel<br />

wur<strong>de</strong>n über verschie<strong>de</strong>ne Vertreter hauptsächlich<br />

<strong>in</strong> Nord<strong>de</strong>utschland verkauft. In <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s Wie<strong>de</strong>raufbaus<br />

gab es zahlreiche neu auszustatten<strong>de</strong><br />

Klassenräume. Die Firma produzierte Tische und<br />

Bänke <strong>in</strong> 4 Größen für die kle<strong>in</strong>en Erstklässler bis zu<br />

<strong>de</strong>n ausgewachsenen Schülern.<br />

Walter Picker war nun meistens von montags bis<br />

samstags unterwegs, um Schulen <strong>in</strong> Schleswig-<br />

Holste<strong>in</strong>, im Alten Land, im Harz und <strong>in</strong> Hessen zu<br />

besuchen. Er reparierte Tische und Stühle, richtete<br />

neue Klassenzimmer e<strong>in</strong> und stellte Tafeln auf o<strong>de</strong>r<br />

befestigte Wandtafeln, die vorher noch mit <strong>de</strong>r gewünschten<br />

L<strong>in</strong>eatur versehen wur<strong>de</strong>n. Für solche<br />

Arbeiten nahm er manchmal e<strong>in</strong>en Lackierer mit auf<br />

se<strong>in</strong>e Tour o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>en Schlosser, wenn Metallteile zu<br />

reparieren waren. Zuweilen begleiteten ihn auch<br />

Edmund Kle<strong>in</strong>, Konrad Fliegner, Gerd Abbetmeier<br />

o<strong>de</strong>r seltener Gerd Bock. Meistens war er jedoch alle<strong>in</strong><br />

unterwegs.<br />

Se<strong>in</strong>e Touren plante er so, dass er von e<strong>in</strong>em Ort, <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>m er sich für die Woche e<strong>in</strong>quartiert hatte, die<br />

Schulen <strong>de</strong>r Umgebung besuchte. Die Arbeitszeiten<br />

mussten sich nach <strong>de</strong>m Schulbetrieb richten, so<br />

dass er oft erst mittags anfangen konnte, und<br />

dafür bis <strong>in</strong> die Nacht arbeitete. Samstags kam er<br />

zurück nach Du<strong>in</strong>gen und bevor es <strong>in</strong>s Wochenen<strong>de</strong><br />

g<strong>in</strong>g, füllte er noch se<strong>in</strong>en Vorrat an Kle<strong>in</strong>teilen und<br />

Material auf, um für die nächste Tour am Montag<br />

gerüstet zu se<strong>in</strong>.<br />

Höhepunkte se<strong>in</strong>er Arbeit bei <strong>WINI</strong> waren für Walter<br />

Picker e<strong>in</strong>e Dienstreise <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>stag nach<br />

Bonn, wo die Schlösser von Büromöbeln ausgetauscht<br />

wer<strong>de</strong>n mussten, e<strong>in</strong>e Fahrt nach Belgien<br />

und die Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er hannoverschen Polizeistation,<br />

wo <strong>WINI</strong>-Rollschränke repariert wer<strong>de</strong>n<br />

mussten. Se<strong>in</strong>e Auslagen für Übernachtung und<br />

Verpflegung bekam er zu Anfang gegen Vorlage von<br />

Rechnungen erstattet, später erhielt er e<strong>in</strong>en festen<br />

Auslösungsbetrag von 12 Mark pro Nacht.<br />

Stand e<strong>in</strong>mal ke<strong>in</strong>e Tour an, so half Picker <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Spritzerei aus.<br />

Feuerwehr<br />

1952 trat Walter Picker <strong>de</strong>r freiwilligen Werksfeuerwehr<br />

bei.<br />

Da <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Fabrik mit leichtendzündlichen Stoffen wie<br />

Lacken, Lösungsmitteln und Holzstaub gearbeitet<br />

wur<strong>de</strong>, kam es öfter zu kle<strong>in</strong>en Brän<strong>de</strong>n. Beson<strong>de</strong>rs<br />

anfällig war <strong>de</strong>r Spänebunker, <strong>in</strong> <strong>de</strong>n durch e<strong>in</strong>en<br />

sogenannten Zyklon die Säge- und Hobelspäne von<br />

<strong>de</strong>n Masch<strong>in</strong>en abgesaugt wur<strong>de</strong>n. Dabei konnte es<br />

passieren, dass sich die Späne selbst entzün<strong>de</strong>ten.<br />

Hatte jemand dann <strong>de</strong>n Rauch ent<strong>de</strong>ckt, wur<strong>de</strong>n die<br />

Feuerwehrmänner von ihren Arbeitsplätzen gerufen.<br />

Etwa 11 Männer übten unter <strong>de</strong>r Leitung von Brandmeister<br />

Albert Rennemann etwa alle 14 Tage freitags<br />

nach Feierabend. Außer<strong>de</strong>m nahmen die Feuerwehrmänner<br />

von <strong>WINI</strong> an <strong>de</strong>n Übungen <strong>de</strong>r Freiwilligen<br />

Feuerwehr Du<strong>in</strong>gen teil, um auf <strong>de</strong>m Laufen<strong>de</strong>n<br />

zu bleiben. Die Geselligkeit mit <strong>de</strong>n Kollegen<br />

spielte e<strong>in</strong>e große Rolle und wur<strong>de</strong> durch Feste gepflegt,<br />

z. B. im Gasthaus Schütte <strong>in</strong> Weenzen, bei<br />

<strong>de</strong>nen Wilhelm Niemeier auch schon mal e<strong>in</strong>en ausgab.<br />

W. Niemeier auf e<strong>in</strong>er Feier<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gastwirtschaft Schütte, Weenzen<br />

Nach<strong>de</strong>m die Firma <strong>WINI</strong> 1967 geschlossen wur<strong>de</strong>,<br />

arbeitete Walter Picker noch 22 Jahre bei Dr. Bock,<br />

wo er Sand und Ton fuhr. E<strong>in</strong> Angebot von <strong>WINI</strong><br />

Marienau, weiterh<strong>in</strong> im Kun<strong>de</strong>ndienst tätig zu se<strong>in</strong>,<br />

hatte er ausgeschlagen, um endlich mehr Zeit mit<br />

se<strong>in</strong>er Familie verbr<strong>in</strong>gen zu können.<br />

23


Schon 1921 gab es <strong>de</strong>n sogenannten Holzarbeiterverband,<br />

bei <strong>de</strong>m <strong>WINI</strong>-Mitarbeiter Mitglie<strong>de</strong>r waren.<br />

Nach <strong>de</strong>m 2. Weltkrieg hatte sich <strong>de</strong>r Deutscher<br />

Gewerkschaftsbund gebil<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r festlegte, welche<br />

Betriebe <strong>in</strong> welcher Gewerkschaft zu organisieren<br />

waren. Für die Firma <strong>WINI</strong> war es die damalige Gewerkschaft<br />

Holz, <strong>in</strong> die fast alle Mitarbeiter e<strong>in</strong>traten.<br />

Mit <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>zug von verschie<strong>de</strong>nen Kunststoffen <strong>in</strong><br />

die Produktion <strong>de</strong>s Holzverarbeiten<strong>de</strong>n Handwerks<br />

und <strong>de</strong>r Holzverarbeiten<strong>de</strong>n Industrie wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Name <strong>de</strong>r Gewerkschaft im Jahre 1966 <strong>in</strong> Gewerkschaft<br />

Holz und Kunststoff abgeän<strong>de</strong>rt.<br />

Im Oktober 1946 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r erste Betriebsrat nach<br />

<strong>de</strong>m 2. Weltkrieg mit 15 Mitglie<strong>de</strong>rn gewählt mit<br />

<strong>de</strong>m Vorsitzen<strong>de</strong>n He<strong>in</strong>z Müller, <strong>de</strong>r als Pförtner arbeitete.<br />

Er war <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen gelan<strong>de</strong>t nach<strong>de</strong>m er im<br />

Krieg <strong>in</strong> Köln ausgebombt wor<strong>de</strong>n war. 1953 folgte<br />

ihm Willi Qua<strong>de</strong> als Vorsitzen<strong>de</strong>r. Für die Lehrl<strong>in</strong>ge<br />

gab es damals schon e<strong>in</strong>e Lehrl<strong>in</strong>gsvertretung aus 3<br />

Mitglie<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>ren Sprecher 1954 Horst Witte wur<strong>de</strong>.<br />

Der hohe Anteil weiblicher Mitarbeiter bei <strong>WINI</strong><br />

schlug sich im Betriebsrat mit etwa 40 bis 45%<br />

Frauen nie<strong>de</strong>r.<br />

Die Sitzungen fan<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>mal monatlich statt, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Regel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em separaten Raum <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Pförtnerei.<br />

Themen gab es <strong>in</strong> Hülle und Fülle. Die Gesundheitsprobleme,<br />

die durch fehlen<strong>de</strong> Schutzmaßnahmen an<br />

<strong>de</strong>n Masch<strong>in</strong>en, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Spritzerei wegen <strong>de</strong>r giftigen<br />

Dämpfe o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Pressen durch <strong>de</strong>n Leim auftraten,<br />

waren allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> Dauerbrenner.<br />

Außer<strong>de</strong>m waren die Verdienstmöglichkeiten kurz<br />

nach <strong>de</strong>m Weltkrieg stets Diskussionsstoff. Da <strong>de</strong>r<br />

Betriebsrat <strong>in</strong> <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rsächsischen Tarifkommissi-<br />

24<br />

Anekdote<br />

Im Sommer saß <strong>de</strong>r Chef gern <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em sehr<br />

kle<strong>in</strong>en Vorgarten am run<strong>de</strong>n Tisch und rauchte<br />

se<strong>in</strong>e Zigarre. Wenn e<strong>in</strong> bekannter Vertreter<br />

kam musste dieser erst e<strong>in</strong>en Schluck mit ihm<br />

tr<strong>in</strong>ken. Auch viele Jagdgenossen wur<strong>de</strong>n so<br />

empfangen. Wenn Betriebsversammlungen anstan<strong>de</strong>n,<br />

wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Chef unruhig. Er lief fast<br />

ständig zwischen Haus und Pförtnerei h<strong>in</strong> und<br />

her. Sobald <strong>de</strong>r VW <strong>de</strong>s Bezirksleiters <strong>de</strong>r Gewerkschaft<br />

auf <strong>de</strong>n Hof kam, eilte <strong>de</strong>r Chef zu<br />

<strong>de</strong>m Parkplatz und holte se<strong>in</strong>en Kontrahenten<br />

ab. Er legte ihm se<strong>in</strong>en Arm um die Schulter<br />

und zog <strong>de</strong>n Arbeitnehmervertreter mit sich<br />

zum run<strong>de</strong>n Tisch. Dort gab es erst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong><br />

paar „Lütje“ für bei<strong>de</strong> und dann g<strong>in</strong>g es zur<br />

Versammlung wo bei<strong>de</strong> sich mit lieber Max<br />

und lieber W<strong>in</strong>i ansprachen.<br />

Gewerkschaft<br />

von Horst Witte, redaktionell bearbeitet<br />

on <strong>de</strong>r Holzverarbeiten<strong>de</strong>n Industrie vertreten war,<br />

konnten die Vorstellungen <strong>de</strong>r Belegschaft direkt <strong>in</strong><br />

die Verhandlungen mit <strong>de</strong>n Arbeitgebern e<strong>in</strong>gebracht<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Vielfältigkeit <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Tarifen sorgte<br />

vor Ort <strong>in</strong> allen Betrieben für Gesprächsthemen,<br />

und die starken sozialen Probleme jener Zeit spielten<br />

oft e<strong>in</strong>e große Rolle <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Sitzungen.<br />

Löhne und Gehälter<br />

Im Verhältnis zu <strong>de</strong>n Ste<strong>in</strong>zeugbetrieben <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen<br />

und <strong>de</strong>r Sandgrube, aber auch <strong>de</strong>r Ziegel<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong><br />

Coppengrave, Hohenbüchen und <strong>de</strong>r Hohen Warte<br />

waren die Tarife bei <strong>WINI</strong> wesentlich niedriger. Sie<br />

richteten sich nach <strong>de</strong>r sogenannten Ortsklasse, die<br />

nach <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>r Städte und Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r<br />

Häufung von Holzbetrieben <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Region abhängig<br />

war. Du<strong>in</strong>gen gehörte zu <strong>de</strong>r niedrigsten Ortsklasse<br />

3. Zusätzlich waren die Tarifverträge für Arbeiter<br />

und Angestellte getrennt erstellt. In ihnen gab es<br />

weitere Abstufungen vom so genannten Eckgehalt<br />

o<strong>de</strong>r Ecklohn. Die Abstufungen erfolgten für angelernte,<br />

ungelernte und sonstige Arbeitnehmer herab<br />

bis auf 67% e<strong>in</strong>es Ecklohns, <strong>de</strong>n e<strong>in</strong> Facharbeiter <strong>in</strong><br />

voller Höhe verdiente.<br />

Paul Figulla<br />

Hermann Gniesmer


Edmund Kle<strong>in</strong>, Walter Picker<br />

Akkord gab es für bestimmte Tätigkeiten wie z. B.<br />

das Nachputzen <strong>de</strong>r Möbel vor <strong>de</strong>m Spritzen. Alle<br />

regelmäßigen Arbeiten wur<strong>de</strong>n durch Masch<strong>in</strong>en<br />

taktiert. E<strong>in</strong> „Refamann“ rechnete <strong>de</strong>n Akkord aus,<br />

d. h. die durchschnittliche Zeit, die für <strong>de</strong>n jeweiligen<br />

Arbeitsgang angemessen war aus. Wer schneller<br />

arbeitete, bekam mehr Lohn. Lag die Leistung<br />

jedoch 35% über <strong>de</strong>m Akkord, so musste <strong>de</strong>r Akkord<br />

neu bewertet wer<strong>de</strong>n.<br />

Verdienstbeispiele:<br />

E<strong>in</strong> Lehrl<strong>in</strong>g im 1. Lehrjahr bekam 1953 e<strong>in</strong>e Ausbildungsbeihilfe<br />

<strong>in</strong> Höhe von 32,00 DM monatlich,<br />

im 2. Lehrjahr betrug sie 42,00 DM und im 3. Lehrjahr<br />

63,00 DM.<br />

Als Geselle im 1. Gesellenjahr wur<strong>de</strong>n 1953 74 Pf.<br />

je Stun<strong>de</strong> gezahlt, 1954 waren es 80 Pf und 1956<br />

86 Pf pro Stun<strong>de</strong> bei 48 –Wochenstun<strong>de</strong>n.<br />

E<strong>in</strong>e Frau verdiente zu dieser Zeit <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Spritzerei<br />

59 Pf.<br />

E<strong>in</strong> guter Arbeiter konnte bei <strong>WINI</strong> im Akkord nur<br />

73% e<strong>in</strong>es durchschnittlichen Arbeitsverdienstes <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik verdienen.<br />

Anekdote<br />

He<strong>in</strong>rich Hölscher war viele Jahre Betriebsratsvorsitzen<strong>de</strong>r.<br />

Wenn Jubiläen anstan<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Betriebsrat oft beauftragt, für <strong>de</strong>n Betrieb<br />

und die Belegschaft e<strong>in</strong> Präsent zu übereichen.<br />

Er bekam dann vom Chef folgen<strong>de</strong>n Auftrag:<br />

„Hölscher hol dich mal ´nen Präsi<strong>de</strong>ntenkorb<br />

und br<strong>in</strong>g <strong>de</strong>n zu…“<br />

Der Chef, Wilhelm Niemeier, war auch aus Sicht e<strong>in</strong>es<br />

Gewerkschafters sozial e<strong>in</strong>gestellt. Das machte<br />

sich aber fast ausschließlich bemerkbar, wenn er<br />

persönlich auf e<strong>in</strong>e beson<strong>de</strong>re Lage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Familie<br />

angesprochen wur<strong>de</strong>, o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>e Sache dr<strong>in</strong>gend<br />

erledigt wer<strong>de</strong>n musste, weil sie für großen Unmut<br />

sorgte. Der Mann war, wie man so sagte „vom Lan<strong>de</strong>“.<br />

Se<strong>in</strong>e Art war hemdsärmelig und direkt. Er<br />

sprach <strong>in</strong> verschie<strong>de</strong>nen Situationen auch e<strong>in</strong>mal<br />

Platt<strong>de</strong>utsch.<br />

An Verhandlungsergebnisse hat W<strong>in</strong>i sich gehalten.<br />

Dabei gab es oft Ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rsetzungen mit „se<strong>in</strong>en<br />

Herren“ wie er se<strong>in</strong>e Führungskräfte nannte.<br />

Trotz<strong>de</strong>m war er ke<strong>in</strong> Gewerkschaftsgegner.<br />

E<strong>de</strong>lgard Schaper<br />

25


Bei <strong>de</strong>r Feier von Wilhelm Niemeiers 56. Geburtstag<br />

am 30.9. 1937 entstand die I<strong>de</strong>e, e<strong>in</strong>e Blaskapelle<br />

zu grün<strong>de</strong>n. Schon im Oktober stellte <strong>de</strong>r Alfel<strong>de</strong>r<br />

Kapellmeister August Krome aus <strong>in</strong>teressierten<br />

Belegschaftsmitglie<strong>de</strong>rn und 16 Instrumenten die<br />

<strong>WINI</strong>-Werkskapelle zusammen. Gustav Röhrig übernahm<br />

h<strong>in</strong>fort die Ausbildung <strong>de</strong>r Hobbymusiker und<br />

die Leitung <strong>de</strong>r Kapelle, so dass man schon bald an<br />

öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen konnte.<br />

Durch <strong>de</strong>n Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s 2. Weltkriegs entstan<strong>de</strong>n<br />

dann allerd<strong>in</strong>gs bald Lücken <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Reihen <strong>de</strong>r Spieler.<br />

Vier Gründungsmitglie<strong>de</strong>r waren gefallen und<br />

konnten erst nach und nach ersetzt wer<strong>de</strong>n. Erst<br />

im W<strong>in</strong>ter 1951 gab es wie<strong>de</strong>r e<strong>in</strong> Konzert im Saal<br />

<strong>de</strong>r Gastwirtschaft Jahns, (Am Tie 4) nach<strong>de</strong>m e<strong>in</strong>ige<br />

junge Holzarbeiter sich entschlossen hatten, mitzuspielen.<br />

1956 gab Gustav Röhrig <strong>de</strong>n Taktstock an se<strong>in</strong>en<br />

Sohn He<strong>in</strong>rich weiter, <strong>de</strong>r seit Jahren als Musiker<br />

dabei gewesen war.<br />

Im Frühjahr 1957 beabsichtigte auch die Freiwillige<br />

Feuerwehr Du<strong>in</strong>gen die Gründung e<strong>in</strong>er Musikkapelle.<br />

Nach Verhandlungen mit Wilhelm Niemeier entschloss<br />

man sich, geme<strong>in</strong>same Sache zu machen<br />

und nannte die neue Kapelle am 1.4.1957 <strong>in</strong> <strong>WINI</strong>-<br />

Werks-und-Feuerwehrkapelle um. Die musikalische<br />

Leitung übernahm Richard Greve; Wilhelm Habenicht<br />

wur<strong>de</strong> erster Musikzugführer, während He<strong>in</strong>rich<br />

Röhrig nach Wallensen wechselte. H<strong>in</strong>- und<br />

wie<strong>de</strong>r gab es geme<strong>in</strong>same Konzerte. Geübt wur<strong>de</strong><br />

im Leuteraum <strong>de</strong>r Firma, und nach <strong>de</strong>r Probe lud<br />

Wilhelm Niemeier die Männer dann manchmal <strong>in</strong><br />

26<br />

<strong>WINI</strong>-Werkskapelle<br />

das sogenannte Meisterzimmer e<strong>in</strong>, wo er e<strong>in</strong>e Run<strong>de</strong><br />

Zigarren spendierte.<br />

1966 konnten neue Instrumente angeschafft wer<strong>de</strong>n<br />

und weitere Mitspieler gewonnen wer<strong>de</strong>n, so<br />

dass es nun 25 Aktive gab.<br />

Nach <strong>de</strong>r Auflösung <strong>de</strong>r Firma <strong>WINI</strong> im Jahr 1967<br />

musste es e<strong>in</strong>en neuen Namen geben. Die Musiker<br />

entschie<strong>de</strong>n sich für Musikzug <strong>de</strong>r Freiwilligen Feuerwehr<br />

Du<strong>in</strong>gen. Die mittlerweile etablierte Gruppe<br />

war <strong>in</strong>zwischen auch bei auswärtigen Wettbewerben<br />

sehr erfolgreich. Dr. Bock steuerte weitere Instrumente<br />

bei. Diese Holzblas<strong>in</strong>strumente sorgten dafür,<br />

dass das Klangbild <strong>de</strong>r Kapelle vielfältiger wur<strong>de</strong>,<br />

und nun durfte <strong>de</strong>r Musikzug bei ke<strong>in</strong>er Veranstaltung<br />

mehr fehlen: Die beliebten Nachmittagskonzerte<br />

im Gasthaus Jahns, Konzerte und Tanzveranstaltungen,<br />

Schützenfeste, Pöttjerfeste, Umzüge,<br />

E<strong>in</strong>weihungen und Jubiläen wer<strong>de</strong>n bis heute<br />

vom Musikzug Du<strong>in</strong>gen musikalisch umrahmt.<br />

Anekdote<br />

Wilhelm Niemeier stand mit <strong>de</strong>r hoch<strong>de</strong>utschen<br />

Sprache auf Kriegsfuß, weil <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen<br />

damals noch überall Platt gesprochen wur<strong>de</strong>.<br />

Legendär wur<strong>de</strong> e<strong>in</strong> Satz, <strong>de</strong>n er begeistert<br />

ausrief, als die neu gegrün<strong>de</strong>te Werkskapelle<br />

zu se<strong>in</strong>em Geburtstag e<strong>in</strong> Ständchen gab. Am<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Konzertes stand er auf und sagte:<br />

„Und nun spielt mich mal das schöne Lied aus<br />

me<strong>in</strong>er Frau se<strong>in</strong>er Heimat: An die Weser“.<br />

<strong>WINI</strong> -Werkskapelle 1938: Georg Bönisch, Arthur Wen<strong>de</strong>nburg, Fritz Behre, Wilhelm Meier, Walter Ste<strong>in</strong>hoff,<br />

Wilhelm Helmer, Wilhelm Palandt, Otto Düwel, Gustav Röhrig, Albert Möhle, Walter Kreth, Bernhard<br />

Grote, Karl Saalfeld, Wilhelm Habenicht, Richard Grote


Familie Niemeier<br />

Die Eltern Wilhelm Niemeier und Engel Carol<strong>in</strong>e, geb. Niehoff, hatten sechs K<strong>in</strong><strong>de</strong>r:<br />

Gustav (7.6.1879 - 7.12.1952)<br />

heiratete Auguste Hasper, geb. 8.11.1878.<br />

Er führte <strong>de</strong>n väterlichen Betrieb im Sacke weiter<br />

während se<strong>in</strong> Bru<strong>de</strong>r die Firma <strong>WINI</strong> grün<strong>de</strong>te.<br />

Nachkommen:<br />

Gustav jun. (25.8. 1904 –1949), führte das Gipswerk<br />

<strong>in</strong> Weenzen.<br />

Louise (5.3.1908 - ?)<br />

Wilhelm (genannt Pappen, 20.2. 1910 - ?), kaufmännischer<br />

Angestellter im Holze<strong>in</strong>kauf bei <strong>WINI</strong>.<br />

Wilhelm (30.9.1881 – 19.7. 1964)<br />

heiratete am 16. April 1906 Karol<strong>in</strong>e „L<strong>in</strong>a, geb.<br />

Helmert (22.2.1878 – 13.12.1966). Das Paar blieb<br />

k<strong>in</strong><strong>de</strong>rlos.<br />

1922 nahmen sie L<strong>in</strong>as fünfjährige Nichte M<strong>in</strong>na<br />

Meier (17.4. 1917 - 26.10.1997) auf, weil <strong>de</strong>ren<br />

Mutter erkrankte. M<strong>in</strong>na blieb im Haus <strong>de</strong>r Niemeiers<br />

und wur<strong>de</strong> schließlich von <strong>de</strong>n Pflegeeltern<br />

adoptiert. Als junge Frau erhielt sie e<strong>in</strong>e Ausbildung<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Firma und arbeitete im Büro. Dort lernte sie<br />

ihren späteren Mann Georg Schmidt (8.10.1903 –<br />

30.1. 1986) kennen. Schmidt übernahm die Leitung<br />

<strong>de</strong>s Werkes <strong>in</strong> Marienau und grün<strong>de</strong>te En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 50<br />

er Jahre dort e<strong>in</strong>e eigene Firma. Das Paar hatte<br />

zwei Töchter:<br />

Ulrike Schmidt (23.9.1953 - 20.10.1976)<br />

Carol<strong>in</strong>a (geb. 11.9.1955) heiratete Hans-Friedrich<br />

Karsch (6.10.1959).<br />

Bei<strong>de</strong> führen die heutige Firma <strong>WINI</strong> <strong>in</strong> Marienau.<br />

Willi Meier (23.6.1914 – 17.3.1967) <strong>de</strong>r Bru<strong>de</strong>r von<br />

M<strong>in</strong>na Meier, war Maurer und Kaufmann und übernahm<br />

die Leitung <strong>de</strong>s Werkes <strong>in</strong> Drakenburg.<br />

L<strong>in</strong>a und Wilhelm<br />

Friedrich (25. 1.1884 - ? )<br />

Se<strong>in</strong> Wohnhaus stand neben <strong>de</strong>m se<strong>in</strong>es Bru<strong>de</strong>rs<br />

Wilhelm an <strong>de</strong>r heutigen Triftstraße. Nebenan produzierte<br />

se<strong>in</strong>e eigene kle<strong>in</strong>e Firma FriNi <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Holzbaracke Rechen, Werkzeugstiele, Waschbretter<br />

und Klappstühle.<br />

Die Produktion verlegte er noch vor <strong>de</strong>m 2. Weltkrieg<br />

an <strong>de</strong>n heutigen Warweg, wo sich jetzt die<br />

Firma Kuchenmeister (vormals Lady Cake) bef<strong>in</strong><strong>de</strong>t.<br />

Auguste (23.6.1887 – 5.11.1960)<br />

heiratete August Sührig.<br />

Hermann (8.8.1889 – 30.10.1918)<br />

<strong>in</strong> Russland gefallen<br />

August (20.9.1897 – 10.8 1949)<br />

heiratete Herm<strong>in</strong>e, geb. Hermes, (18.4.1895 –<br />

9.1.1968), aus Coppengrave.<br />

Gustav Niemeier leitete die Firma se<strong>in</strong>es Bru<strong>de</strong>rs als<br />

Prokurist. Die Familie wohnte <strong>in</strong> <strong>de</strong>r heutigen Eckhardtstrasse<br />

Nr 18.<br />

Se<strong>in</strong>e Söhne Helmut (29.1.1923 – 24.5.1988), und<br />

Gerhard Niemeier (geb. 15.9.1926), übernahmen<br />

die Führung <strong>de</strong>s Werks <strong>in</strong> Marienau. Unter <strong>de</strong>m Namen<br />

„Wilhelm Niemeier Nachfolger KG“ wuchs die<br />

Firma <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Kriegs- und Nachkriegszeit auf e<strong>in</strong>e<br />

Größe von über 600 Mitarbeitern heran. Neben e<strong>in</strong>em<br />

Sägewerk und e<strong>in</strong>er Sperrholzfabrik konzentrierte<br />

man sich auf die Büromöbelproduktion.<br />

27


28<br />

Niemeier als „Vater von Du<strong>in</strong>gen“<br />

Wilhelm Niemeier bezeichnete sich gern als Vater<br />

von Du<strong>in</strong>gen, aber er war auch <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong><br />

Sohn Du<strong>in</strong>gens, <strong>de</strong>ssen Familie seit Generationen<br />

hier ansässig war, und er fühlte sich se<strong>in</strong>er Heimat<br />

verbun<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong>e beson<strong>de</strong>re Liebe hegte er für <strong>de</strong>n<br />

Wald, aus <strong>de</strong>m er se<strong>in</strong> Arbeitsmaterial bezog und<br />

<strong>de</strong>n er als Waidmann schätzte.<br />

Der 70. Geburtstag von Wilhelm Niemeier am 30.<br />

September 1951 wur<strong>de</strong> feierlich begangen und von<br />

<strong>de</strong>r <strong>WINI</strong>-Werkskapelle unterstützt. Es gab e<strong>in</strong>en<br />

Volksauflauf vor se<strong>in</strong>em Wohnhaus Niemeier. In se<strong>in</strong>er<br />

Ansprache an die Gratulanten sagte er: „Ich<br />

fühle mich als Vater von Du<strong>in</strong>gen.“<br />

Anekdote, von E.-A. Senne:<br />

Noch vor <strong>de</strong>r Währungsreform 1948 stand e<strong>in</strong>es<br />

Tages vor <strong>de</strong>m Pförtnerhaus e<strong>in</strong> grau/<br />

schwarzes Auto mit e<strong>in</strong>em Holzvergaser am<br />

Heck, ähnlich e<strong>in</strong>em Eisenofen. E<strong>in</strong> junger und<br />

e<strong>in</strong> älterer Herr entstiegen <strong>de</strong>m Auto. Sie kamen<br />

über die h<strong>in</strong>tere hohe Treppe <strong>in</strong>s Büro.<br />

Herr August Niemeier, <strong>de</strong>r sehr dick war,<br />

sprang plötzlich auf, zog die Pen<strong>de</strong>ltür <strong>de</strong>s<br />

Chefzimmers ganz auf, machte e<strong>in</strong>e Verbeugung<br />

um ca. 90 Grad und sagte „Habe die<br />

Ehre königliche Hoheit!“<br />

Es war <strong>de</strong>r Herzog Ernst August zu Braunschweig-Lüneburg<br />

mit Sohn von <strong>de</strong>r Marienburg.<br />

Die Herren mussten wohl gewusst haben,<br />

dass Herr August Niemeier e<strong>in</strong> Welfenanhänger<br />

war. Sie brauchten je<strong>de</strong>nfalls Holz und<br />

Möbel.<br />

Wilhelm Niemeiers Wahlspruch:<br />

Ich kannt´ nur e<strong>in</strong>s <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben<br />

Me<strong>in</strong> Ziel war: Arbeit, Vorwärtsstreben<br />

Und mit <strong>de</strong>m Bru<strong>de</strong>r Hand <strong>in</strong> Hand<br />

E<strong>in</strong> Wille stets uns nur verband:<br />

Durch Mut und Kraft und Gottvertrau´n<br />

Hier dieses große Werk erbau´n.<br />

Etwas Wahres war schon daran. Er hatte vielen<br />

Menschen Brot und Arbeit gegeben. Der ganze Ort<br />

profitierte von se<strong>in</strong>er Fabrik von <strong>de</strong>r Infrastruktur<br />

über die Stromversorgung und die Kle<strong>in</strong>bahn bis<br />

zum Zuzug neuer E<strong>in</strong>wohner.<br />

E<strong>in</strong> so wichtiger Arbeitgeber hatte natürlich auch<br />

E<strong>in</strong>fluss auf die örtliche Politik. W<strong>in</strong>i war mehrere<br />

Jahre lang auswärts Abgeordneter <strong>de</strong>s Kreistages <strong>in</strong><br />

Alfeld.<br />

Hatte <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>e Ratssitzung stattgefun<strong>de</strong>n,<br />

kam <strong>de</strong>r Ratsherr August Witte (Mitarbeiter bei<br />

<strong>WINI</strong>) an<strong>de</strong>rntags <strong>in</strong> das Meisterzimmer um zu berichten.<br />

Die gleiche Funktion hatte e<strong>in</strong> an<strong>de</strong>rer<br />

Ratsherr für Dr. Bock.<br />

1955/56 ließ er 33 mo<strong>de</strong>rne<br />

Neubauwohnungen für<br />

Betriebsangehörige <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Muhlestrasse bauen. Er<br />

sorgte für se<strong>in</strong>e Mitarbeiter,<br />

aber er verlangte auch E<strong>in</strong>satz<br />

und Diszipl<strong>in</strong> von ihnen<br />

wie von sich selbst.<br />

Anläßlich se<strong>in</strong>es 80 sten Geburtstages<br />

am 30.9.1961<br />

stiftete <strong>WINI</strong> <strong>de</strong>m Bürgermeister<br />

Du<strong>in</strong>gens, damals<br />

Gottfried Ste<strong>in</strong>s, e<strong>in</strong>e Amtskette.<br />

Anekdote, von F. Becker<br />

Conrad Bock und Wilhelm Niemeier waren sehr<br />

verfe<strong>in</strong><strong>de</strong>t. Sie stritten sich vor <strong>de</strong>m Kriege<br />

hauptsächlich um zwei dreieckige Grundstücke,<br />

von <strong>de</strong>nen das Niemeiersche auf <strong>de</strong>r<br />

Bock´schen Seite <strong>de</strong>r Bahngleise und das<br />

Bock´sche auf <strong>de</strong>r Niemeierschen Seite lag.<br />

Der von Niemeier gewünschte Tausch wur<strong>de</strong><br />

von Bock hartnäckig verweigert. Darüber kam<br />

es zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n zu öffentlichen Streitgesprächen,<br />

die sie auf Du<strong>in</strong>ger Platt lautstark<br />

austrugen. Als <strong>WINI</strong> Rüstungsbetrieb gewor<strong>de</strong>n<br />

war, konnte sich Bock, <strong>de</strong>r selbst auch<br />

davon profitierte, <strong>de</strong>m Tausch nicht mehr wi<strong>de</strong>rsetzen.


Am 19. Juli 1964 starb Wilhelm Niemeier.<br />

Er wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Ausstellungshalle<br />

für Büro- und Schulmöbel aufgebahrt.<br />

Belegschaftsmitglie<strong>de</strong>r hielten<br />

abwechselnd am Sarg die Totenwache<br />

und begleiteten beim Trauerzug<br />

<strong>de</strong>n von Pfer<strong>de</strong>n gezogenen Leichenwagen<br />

über das Werksgelän<strong>de</strong><br />

und durch <strong>de</strong>n Ort zum Friedhof.<br />

29


En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 50 er Jahre, als <strong>de</strong>r erste Aufschwung <strong>de</strong>r<br />

Nachkriegsjahre vorbei war, geriet die Firma <strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielle<br />

Schwierigkeiten. Niemeier verkaufte die<br />

Werke <strong>in</strong> Drakenburg und Marienau an die dortigen<br />

Geschäftsführer Willi Meier und Georg Schmidt. Das<br />

Werk <strong>in</strong> Braunschweig wur<strong>de</strong> aufgelöst.<br />

Über die neu gegrün<strong>de</strong>te „<strong>WINI</strong>“-Vertriebsgesellschaft,<br />

<strong>de</strong>ren Geschäftsführer um 1958 Georg<br />

Schmidt war, blieb e<strong>in</strong> Verbund <strong>de</strong>r Werke jedoch<br />

weiterh<strong>in</strong> erhalten.<br />

Die Gläubiger setzten Georg Schmidt auch als Geschäftsführer<br />

<strong>de</strong>s <strong>WINI</strong>-Werkes <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>.<br />

Nach wenigen Jahren g<strong>in</strong>gen die Geschäfte wie<strong>de</strong>r<br />

besser und Wilhelm Niemeier übernahm wie<strong>de</strong>r die<br />

Verantwortung. Se<strong>in</strong>e Vorstellungen von <strong>de</strong>r Geschäftsführung<br />

unterschie<strong>de</strong>n sich wesentlich von<br />

<strong>de</strong>nen Schmidts, so dass es oft Me<strong>in</strong>ungsverschie<strong>de</strong>nheiten<br />

darüber gab und Schmidt sich nach Marienau<br />

zurückzog. Gerhard Runge, als Leiter <strong>de</strong>r<br />

F<strong>in</strong>anzbuchhaltung, fuhr <strong>in</strong> dieser Zeit oft nach<br />

dorth<strong>in</strong> und vermittelte zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n.<br />

aufgenommen am: 08.07.2009<br />

30<br />

Das En<strong>de</strong> <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen<br />

03.08.2009<br />

Nach Niemeiers Tod am 19. Juli 1964 übernahm<br />

se<strong>in</strong> Neffe Willi Meier aus Drakenburg die Leitung<br />

<strong>de</strong>r <strong>Holzwarenfabrik</strong>. Es fehlte nun jedoch die Leitung<br />

e<strong>in</strong>er starken Hand und die Zusammenarbeit<br />

mit <strong>de</strong>r Verwaltung <strong>de</strong>s Du<strong>in</strong>ger Werkes funktionierte<br />

nicht. Außer<strong>de</strong>m g<strong>in</strong>gen die Geschäfte mit Schulund<br />

Büromöbeln schlecht. Man versuchte, mit Fertighäusern<br />

e<strong>in</strong>en neuen Markt zu erobern, und <strong>in</strong>vestierte<br />

viel Geld, was sich nicht rentieren konnte,<br />

weil <strong>WINI</strong> für die Produktion von Fertighäusern<br />

nicht gut ausgestattet war und mit Okal <strong>in</strong> Lauenste<strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n Marktführer als Konkurrenten direkt <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Nachbarschaft hatte. Willi Meier war zu dieser Zeit<br />

bereits zuckerkrank und konnte <strong>de</strong>n Betrieb auch<br />

aus gesundheitlichen Grün<strong>de</strong>n nicht mehr leiten.<br />

1967, als die Du<strong>in</strong>ger <strong>WINI</strong>-Gruppe vor <strong>de</strong>m Konkurs<br />

stand, erwarb Georg Schmidt <strong>de</strong>n Markennamen<br />

<strong>WINI</strong>, grün<strong>de</strong>te <strong>in</strong> Marienau die „<strong>WINI</strong>-Vertriebsgesellschaft“<br />

und übernahm neben <strong>de</strong>m<br />

Standort Du<strong>in</strong>gen auch das Zweigwerk <strong>in</strong> Drakenburg.<br />

Noch im Jahr 1967 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Du<strong>in</strong>ger Betrieb<br />

liquidiert.<br />

Dr. Bock kaufte das gesamte Du<strong>in</strong>ger Gelän<strong>de</strong><br />

und richtete e<strong>in</strong> Spanplattenvere<strong>de</strong>lungswerk<br />

dort e<strong>in</strong>. Die Leuchtschrift<br />

se<strong>in</strong>es jahrelangen Kontrahenten<br />

„<strong>WINI</strong>“ am Schornste<strong>in</strong> <strong>de</strong>s Werkes ersetzt<br />

er nach kurzer Zeit durch „BOCK“.<br />

Die Nachfolgefirma <strong>in</strong> Marienau, die <strong>de</strong>n<br />

Markennamen <strong>WINI</strong> übernommen hatte,<br />

arbeitete noch etwa zehn Jahre lang mit<br />

<strong>de</strong>r Tischlerei Nixdorf <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen zusammen<br />

und ließ dort Bil<strong>de</strong>rtruhen, Papierkörbe<br />

und Schränke für Schulen nach <strong>de</strong>n alten<br />

Mustern herstellen. Dazu verwen<strong>de</strong>te<br />

die Tischlerei <strong>in</strong> <strong>de</strong>n ersten Jahren noch<br />

Materialien und Halbzeuge, die sie aus <strong>de</strong>r<br />

Konkursmasse gekauft hatte. Auch zwei<br />

Mitarbeiter konnten hier weiterarbeiten:<br />

Konrad Fliegener und Hermann Gniesmer.


Schon bevor Wilhelm Niemeier das Zweigwerk Marienau<br />

im Jahre 1936 erwarb, existierte hier seit <strong>de</strong>r<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rtwen<strong>de</strong> e<strong>in</strong>e Holzverarbeitungsfabrik, die<br />

1929 während <strong>de</strong>r Wirtschaftskrise ihren Betrieb<br />

e<strong>in</strong>gestellt hatte.<br />

M<strong>in</strong>na Schmidt,<br />

geb. Meier<br />

Georg Schmidt<br />

Verantwortlich für dieses<br />

Zweigwerk war August Niemeier, <strong>de</strong>r es nach se<strong>in</strong>em<br />

Tod im Jahr 1949 an se<strong>in</strong>e Söhne Helmut und<br />

August vererbte. 1953 mussten sie jedoch Konkurs<br />

anmel<strong>de</strong>n und Georg Schmidt, <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m 2.<br />

Weltkrieg bei <strong>WINI</strong> <strong>in</strong> Du<strong>in</strong>gen als Betriebsleiter <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Fertigung war, ersteigerte die Produktionsstätte.<br />

Zusammen mit se<strong>in</strong>er Frau M<strong>in</strong>na, <strong>de</strong>r Adoptivtochter<br />

von L<strong>in</strong>a und Wilhelm Niemeier, grün<strong>de</strong>te er hier<br />

die „Ith-Möbelfabrik“ und produzierte E<strong>in</strong>bauküchen<br />

und Deckenabhängungen für Okalfertighäuser.<br />

Als die Du<strong>in</strong>ger <strong>WINI</strong>-Gruppe 1967 vor <strong>de</strong>m Ru<strong>in</strong><br />

stand, wagte Georg Schmidt im Alter von 63 Jahren<br />

<strong>de</strong>n großen Wurf. Er erwarb <strong>de</strong>n Markennamen<br />

„<strong>WINI</strong>“ und formte aus <strong>de</strong>n verbliebenen Standorten<br />

Drakenburg und Marienau das neue Unternehmen<br />

<strong>WINI</strong>. Der Standort Marienau blühte rasch<br />

wie<strong>de</strong>r auf. Nördlich <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sstraße entstand<br />

e<strong>in</strong>e neues Verwaltungsgebäu<strong>de</strong> und neue<br />

Produktionshallen. Arbeiter aus Du<strong>in</strong>gen fuhren<br />

noch e<strong>in</strong>ige Jahre mit <strong>de</strong>m <strong>WINI</strong>-Bus zur Arbeit<br />

nach Marienau.<br />

<strong>WINI</strong> Marienau<br />

Die Tochter, Carol<strong>in</strong>a Schmidt-Karsch und ihr Mann<br />

Hans F. Karsch strebten seit ihrem E<strong>in</strong>stieg als Geschäftsführer<br />

im Jahre 1985 danach, die Tradition<br />

<strong>de</strong>r Firma mit Mo<strong>de</strong>rnisierung und neuen Visionen<br />

zu verb<strong>in</strong><strong>de</strong>n. 1994 zentralisierten sie die Produktion<br />

<strong>in</strong> Marienau und schlossen <strong>de</strong>n Standort Drakenburg.<br />

Heute gehört <strong>WINI</strong> zu <strong>de</strong>n 100 <strong>in</strong>novativsten mittelständischen<br />

Unternehmen Deutschlands und hat<br />

sich mit hochwertigen modularen Produktsystemen<br />

e<strong>in</strong>en Namen gemacht. Für die ergonomisch gestalteten<br />

Büromöbel hat die Firma <strong>in</strong> <strong>de</strong>n letzten Jahren<br />

wie<strong>de</strong>rholt <strong>in</strong>ternationale und nationale Design- und<br />

Innovationspreise gewonnen.<br />

Ralf Raetzer (Techn. Gesamtleiter), Thomas Brühl<br />

(Gesamtverkaufsleiter), Carol<strong>in</strong>a Schmidt-Karsch<br />

(Geschäftsführen<strong>de</strong> Gesellschafter<strong>in</strong>), Rudolf Bandick<br />

(Kaufm. Geschäftsführer), Dirk Hölscher (Leiter<br />

Produktentwicklung u. Produktmanagement)<br />

31


Töpfermuseum Du<strong>in</strong>gen<br />

Töpferstraße 8 - 31089 Du<strong>in</strong>gen<br />

Stephanie L<strong>in</strong>k<br />

Tel.: 0170 706 9219<br />

Stephanie.L<strong>in</strong>k@t-onl<strong>in</strong>e.<strong>de</strong><br />

www.toepfermuseum-du<strong>in</strong>gen.<strong>de</strong><br />

32<br />

Quellen: Ernst-August Senne, Du<strong>in</strong>gen, <strong>WINI</strong><br />

Denkschrift 2010/2011,<br />

Ludwig Böker, Du<strong>in</strong>gen, Friedrich Becker, Du<strong>in</strong>gen,<br />

Erw<strong>in</strong> Bauer, Du<strong>in</strong>gen, „Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r<br />

<strong>WINI</strong>-Werke für <strong>de</strong>n Flecken Du<strong>in</strong>gen“, „Die<br />

Amtskette <strong>de</strong>s Bürgermeisters von Du<strong>in</strong>gen“<br />

Broschüre „50 Jahre <strong>WINI</strong>“ 1958, Internetseite<br />

<strong>de</strong>r Firma <strong>WINI</strong>, www.w<strong>in</strong>i.<strong>de</strong><br />

Mündlich: Hans-Jürgen Koch, Anita Düwel, Hannelore<br />

Bartels, Carol<strong>in</strong>a Schmidt-Karsch, Rudolf<br />

Bandick, Walter Picker, Gerhard Runge, Bernd<br />

Suerland<br />

Wir bedanken uns bei <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Firmen und Institutionen für die f<strong>in</strong>anzielle<br />

Unterstützung bei <strong>de</strong>r Herausgabe dieser Broschüre:<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mi. und So. 15 - 17 Uhr<br />

und nach Vere<strong>in</strong>barung

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