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STEINZEUG Information 2006 - Fachverband Steinzeugindustrie eV

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<strong>Information</strong><br />

<strong>STEINZEUG</strong><br />

90% der EU-Bevölkerung<br />

am Kanalnetz<br />

Substanzwerterhalt<br />

in der Zwickmühle<br />

Kanalerneuerung im<br />

Stollenvortrieb<br />

<strong>2006</strong><br />

FV ST<br />

<strong>Fachverband</strong><br />

<strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

FVST <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />

Alfred-Nobel-Straße 17<br />

50226 Frechen<br />

Tel.: 02234/507-271<br />

Fax: 02234/507-204<br />

E-Mail: fachverband@steinzeug.com<br />

Internet: www.steinzeug.com<br />

Redaktion:<br />

Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />

Heiko Daun<br />

Dr. Gabriele Hahn<br />

Redaktionsbüro Dr. Hahn<br />

Ettighofferstraße 23<br />

53123 Bonn<br />

Tel.: 0228/464189<br />

Fax: 0228/4339261<br />

E-Mail: redaktion@hahn-bonn.de<br />

Satz:<br />

Satz+Layout Werkstatt Kluth GmbH<br />

Erftstadt<br />

Druck:<br />

Das Druckhaus<br />

Beineke Dickmanns GmbH, Kaarst-Büttgen<br />

Zum Abdruck angenommene Beiträge und Abbildungen gehen im Rahmen der gesetzlichen<br />

Bestimmungen in das Veröffentlichungs- und Verbreitungsrecht des Herausgebers über.<br />

Redaktionelle Überarbeitungen und Kürzungen liegen im Ermessen des Herausgebers.


Über die zu verwendenden Rohrwerkstoffe in unseren Kanalnetzen entscheiden<br />

die jeweiligen Betreiber. Grundlegend beeinflusst wird diese verantwortungsvolle<br />

Entscheidung von der Absicht, natürlich nur solche Bauteile einzusetzen,<br />

die auch eine möglichst lange und problemlose Nutzungsdauer<br />

ermöglichen. Ein weiterer Einfluss nehmender Aspekt ist auch die ökologische<br />

Relevanz der Bauteile. Aus Steinzeug werden solche Bauteile gefertigt,<br />

Steinzeugrohre und -systeme erfüllen alle diese Anforderungen, ja sie<br />

nehmen hier eine Spitzenstellung ein. Eigenlob, sagen Sie? Keineswegs! Die<br />

regelmäßigen, unermüdlichen Bemühungen der Wettbewerber, die technischen<br />

Eigenschaften ihrer Materialien mit denen von Steinzeug zu vergleichen,<br />

sprechen eine eindeutige Sprache. Aber der keramische Werkstoff ist<br />

weder vergleichbar mit Kunststoff noch ersetzbar durch Kunststoff; allein die<br />

vielen unterschiedlichen Kunststoffarten sprechen dagegen. Mit Steinzeug<br />

kommt keine zusätzliche Variable in die Entscheidungsfindung, sondern in<br />

Anlehnung an die unveränderten technischen Anforderungen aus Planung,<br />

Bau und Betrieb eine konstante und bekannte Größe.<br />

Normen und Arbeitsblätter unterstützen hilfreich Planung und Bau von<br />

Abwasserleitungen und -kanälen, die Verantwortung für die Materialentscheidung<br />

„übernehmen“ sie jedoch nicht. Allerdings müssen genormte<br />

Bauteile nicht immer auf die Interessen der Anwender stoßen. Europa hat andere<br />

Interessen und deshalb kommt es auf den Inhalt der Norm an und das,<br />

was die Hersteller daraus machen. In die Produktion von Steinzeugrohren<br />

und -systemen wurden und werden zielgerichtet die Anwender von Anbeginn<br />

an mit ihren Interessen berücksichtigt und eingebunden. Nicht nur<br />

national, sondern auch europäisch.<br />

Ingenieure sollten wieder wie Ingenieure entscheiden, Fakten bewerten,<br />

Berechnungen erstellen, Wissen einsetzen und vor allem Oberflächlichkeiten<br />

ausschließen. Das Bauwerk Kanalisation ist zu wertvoll, um aus dem Gefühl<br />

heraus gebaut und betrieben zu werden. Es geht um Verantwortung für die<br />

Zukunft.<br />

Mit der vorliegenden Ausgabe der <strong>STEINZEUG</strong> <strong>Information</strong> <strong>2006</strong> wünsche<br />

ich Ihnen eine interessante und nützliche Lektüre,<br />

Ihr<br />

Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />

Geschäftsführer <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />

Editorial<br />

Entscheidend ist der Werkstoff!<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

1


2<br />

Inhalt<br />

17 What’s new in<br />

Europe/Germany?<br />

Im nationalen und europäischen<br />

Regelwerk hat<br />

sich einiges getan.<br />

Dichtung im Muffenspalt<br />

aus elastifiziertem<br />

Epoxidharz<br />

Boden der Rohrzone<br />

bzw. Rohrauflager<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

10 Wie es um den derzeitigen Stand<br />

und die zukünftige Entwicklung der<br />

Kanalisation in Ungarn bestellt ist, zeigt<br />

ein Vergleich mit Deutschland. Dabei ist<br />

allerdings zu berücksichtigen, dass für<br />

die verschiedensten Parameter in<br />

Ungarn nur Schätz- und Erfahrungswerte<br />

und keine konkreten Daten vorliegen.<br />

63 „Paris par Moulin“ lautete die Wegbeschreibung<br />

für die Kugelpost in die 1870/71 belagerte Hauptstadt.<br />

Vorgegeben war damit der Transport über die Seine.<br />

Materialabtrag<br />

durch Vorfräsen<br />

definierter Muffenspalt<br />

12–20 mm<br />

Rest der Muffenabd.<br />

älterer Bauart<br />

51 Als traditionell,<br />

hochmodern und innovativ<br />

umriss Elk Eckert im Gespräch<br />

das Profil des Weltmarktführers<br />

<strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme<br />

in Frechen.<br />

28 Das EDS-Verfahren wird laut<br />

DIN EN 752-5 den Renovationsverfahren<br />

zugeordnet, woraus sich entsprechende<br />

Aspekte zur Wirtschaftlichkeit<br />

ableiten lassen.


43 Unter einer besonderen<br />

Einkaufsmeile braucht<br />

es auch eine besondere<br />

Kanalsanierung. Ganz im<br />

Verborgenen wird in Stollenbauweise<br />

das Kanalnetz<br />

unter der Kölner Hohe<br />

Straße erneuert.<br />

Inhalt<br />

■ Editorial<br />

Entscheidend ist der Werkstoff! 1<br />

■ Verbandsnachrichten<br />

„Rohrleitungen – erfordern Fachkompetenz“ 4<br />

Nachwirkungen in die Zukunft 5<br />

DWA-Seminare/-Tagung: Der FVST „packt mit an“ 8<br />

■ Blickpunkt EU<br />

Kanalisation in Ungarn im Vergleich 10<br />

90 % der EU-Bevölkerung am Kanalnetz 12<br />

CEN – einer für alle … alle für einen – CEN 14<br />

■ Regelwerknews<br />

What’s new in Europe/in Germany? 17<br />

■ Forschung + Technik<br />

Substanzwerterhalt – Wirtschaftliche Notwendigkeit und Belastungsgrenze 19<br />

EDS-Verfahren – Aspekte zur Wirtschaftlichkeit 28<br />

Einsatz von selbstverdichtenden Materialien 33<br />

■ Baustellenbericht/-reportage<br />

Stadtbahnbau – Drei dicke Mädchen mit Tunnelblick beißen sich durch 38<br />

Kölner Hohe Straße – Kanalsanierung ganz im Verborgenen 43<br />

Weimar – Großherzögliche Grüße aus dem Erdreich 46<br />

■ Portrait/Interview<br />

Im Gespräch mit Jens Hölterhoff 48<br />

Zu Gast bei <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme 51<br />

Zu Gast bei Osmose Baukeramik 54<br />

■ Wirtschaft + Recht<br />

Beurteilung der Nutzungsdauer 57<br />

Die neue VOB <strong>2006</strong> 59<br />

■ Messen + Kongresse<br />

WASSER + GAS BERLIN <strong>2006</strong> 61<br />

Branchentermine im Überblick 62<br />

■ Last Minute<br />

Französische Zinkkugelpost 63<br />

Buchtipp: Kunststoffrohre „in der Mangel“ 64<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

3


4<br />

Verbandsnachrichten<br />

FVST beim IRO 2007<br />

„Rohrleitungen – erfordern<br />

Ingenieurkompetenz“<br />

Am 8. und 9. Februar 2007 öffnet<br />

zum 21. Mal das Institut<br />

für Rohrleitungsbau an der<br />

Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven<br />

seine Tore<br />

zum „Oldenburger Rohrleitungsforum“.<br />

Mit dem gewählten Leitmotiv<br />

„Rohrleitungen – erfordern Ingenieurkompetenz“<br />

haben die Verantwortlichen<br />

ein Thema aufgegriffen,<br />

das seit einiger Zeit an Brisanz und<br />

Sensibilität zugenommen hat, denn:<br />

In den letzten zehn Jahren war in der<br />

Bauwirtschaft ein dramatischer Stellenabbau<br />

zu verzeichnen. Parallel zu<br />

dieser miserablen Beschäftigungssituation<br />

sank verständlicherweise die<br />

Zahl der Studienanfänger in den<br />

Studiengängen des Bauwesens. Mit<br />

Beginn der allmählichen Konsolidierung<br />

der Baubranche wird der seit<br />

einiger Zeit befürchtete Fachkräftemangel<br />

im Ingenieurbereich nun<br />

sichtbar. Verbände, Ver- und Entsorgungsbetriebe,<br />

Hersteller, Ingenieurbüros<br />

und Bauunternehmen<br />

fordern daher für den Rohrleitungsbau,<br />

dass an den Hochschulen besonders<br />

qualifizierte Mitarbeiter mit<br />

Ingenieurkompetenz ausgebildet<br />

werden.<br />

Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />

e.V. wird wie gewohnt auch in 2007<br />

mit einem Vortragsblock zum Ol-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

denburger Rohrleitungsforum vertreten sein. Er greift darin das Leitmotiv des<br />

iro auf, da Kompetenz und Qualifikation auch und gerade in der Verwendung<br />

von Rohrmaterialien eine enorm wichtige Rolle spielen. So wird im Steinzeug-<br />

Vortragsblock das „Herzstück Bauausführung“ im Mittelpunkt stehen – aus<br />

der Sicht des Auftraggebers (Dipl.-Ing. Hartmut Schmidt, Stadtentwässerung<br />

Vortragsblock Steinzeug<br />

9. Februar 2007, 11:00 – 12:30 Uhr<br />

Immer auf der richtigen Seite<br />

„Herzstück Bauausführung“: Welche Anforderungen stellt<br />

der Auftraggeber an sein Planungsbüro?<br />

Referent: Dipl.-Ing. Hartmut Schmidt<br />

Stadtentwässerung Braunschweig GmbH,<br />

Braunschweig<br />

„Herzstück Bauausführung“: Wie erfüllt das Planungsbüro<br />

die Anforderungen des Auftraggebers?<br />

Referent: Dr.-Ing. Olaf Schulz<br />

GKE Consult GmbH, Braunschweig<br />

Wir machen kompetente Ingenieure – als Bachelor<br />

oder Master!<br />

Referent: Prof. Dr.-Ing. Jens Hölterhoff<br />

Hochschule Wismar, Wismar<br />

Moderation: Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />

<strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V., Frechen<br />

Weitere <strong>Information</strong>en zum 21. Oldenburger Rohrleitungsforum erhalten<br />

Sie unter den angegebenen Kontaktmöglichkeiten.


Braunschweig GmbH) und aus der Sicht des Planungsbüros (Dr.-Ing. Olaf<br />

Schulz, GKE Consult, Braunschweig). Im Klartext heißt das: Welche Anforderungen<br />

stellt der Auftraggeber an sein Planungsbüro und wie wiederum erfüllt<br />

das Planungsbüro die Anforderungen des Auftraggebers.<br />

Auf beiden Seiten müssen dafür kompetente Fachleute stehen. Prof. Dr.-Ing.<br />

Jens Hölterhoff, Hochschullehrer im Fachbereich Bauingenieurwesen in Wismar,<br />

sorgt dafür. Er bildet praxisorientierte, kompetente Ingenieure – als Bachelor<br />

oder Master – aus und beschreibt in seinem Vortrag die Ausbildungsinhalte.<br />

Im Gedenken an den Gründer des<br />

KERAMION, Dr. Gottfried Cremer,<br />

dessen Geburtstag sich am 3. Oktober<br />

zum hundertsten Mal jährte, erinnerte<br />

die Stiftung KERAMION/VZK<br />

Frechen e.V. vom 20. August bis 29.<br />

Oktober <strong>2006</strong> mit einer Ausstellung<br />

und einer begleitenden Festschrift an<br />

das Leben und Wirken eines großen<br />

Industriellen, Sammler, Mäzen und<br />

Stifter. Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />

e.V. hat mit einem Beitrag in<br />

dieser Festschrift die „Nachwirkungen“<br />

aus dem Lebenswerk Cremers<br />

auf die Gegenwart und Zukunft aufgespürt.<br />

Steinzeugrohre wurden zu allen Zeiten mit dem Ziel eingebaut, möglichst<br />

lange und störungsfreie Betriebszeiten zu ermöglichen. Mit keinem anderen<br />

Werkstoff hat die moderne Kanalisationstechnik eine solche Bandbreite an Erfahrung<br />

gesammelt, kein Bauteil aus Steinzeug hat so regelmäßig seine Planer<br />

und Baumeister überlebt und wechselnde und zum Zeitpunkt seiner Herstellung<br />

zum Teil unbekannte und unvorhersehbare Betriebsbedingungen erfahren.<br />

Diese enormen Leistungen wurden erreicht, da in ständigem Dialog<br />

mit den Bauherren die Produkte angepasst, modernisiert und neu entwickelt<br />

wurden.<br />

Dr. Gottfried Cremer hat die Entwicklung des Werkstoffs Steinzeug unermüdlich<br />

vorangetrieben, die Produktionstechnik mit profunden Fachkenntnissen<br />

modernisiert und damit seitens der Industrie Voraussetzungen geschaffen,<br />

Kontakt<br />

Verbandsnachrichten<br />

Institut für Rohrleitungsbau an der<br />

Fachhochschule Oldenburg e.V.<br />

Ofener Straße 18<br />

26121 Oldenburg<br />

Tel.: 04 41/36 10 39-0<br />

Fax: 04 41/36 10 39-10<br />

E-Mail: ina.kleist@iro-online.de<br />

Zum 100. Geburtstag von Dr. Gottfried Cremer<br />

Nachwirkungen in die Zukunft<br />

Einer Töpferscheibe nachempfunden: das Keramion. Foto: W. Stapelfeldt<br />

Steinzeugrohre und Formstücke erfolgreich<br />

im Abwassermarkt zu positionieren.<br />

Technisches, wirtschaftliches<br />

und umweltpolitisches<br />

Umfeld im<br />

Jahre <strong>2006</strong><br />

Die Abwassertechnik ist ein wesentliches<br />

Element des Umweltschutzes,<br />

weil das Wasser, unser unverzichtba-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

5


6<br />

Verbandsnachrichten<br />

Kanalisationsnetz<br />

in Deutschland<br />

● 486.159 km<br />

● bis DN 800: 46 % aus<br />

Steinzeug<br />

● 70 % der Kanäle sind älter<br />

als 50 Jahre<br />

● 3 % der Kanäle sind älter<br />

als 100 Jahre<br />

Zahlen und Fakten. Quelle: DWA <strong>2006</strong><br />

res Lebensmittel, hier im Mittelpunkt<br />

steht. Technische Entscheidungen<br />

stehen auf dem Prüfstand<br />

der Finanzierbarkeit, der Wirtschaftlichkeit<br />

und der politischen Akzeptanz.<br />

Gerne wird in diesen Zusammenhängen<br />

der Begriff der „Nachhaltigkeit“<br />

verwendet.<br />

Die Politik hat mit der Gründung des<br />

Bundesministeriums für Umwelt vor<br />

20 Jahren dann auch offiziell den<br />

Schutz der Umwelt zur Chefsache<br />

erklärt. Zurückblickend sind 20 Jahre<br />

eine vergleichsweise kurze Zeit<br />

angesichts der Bedeutung der Umwelt<br />

für die Lebensbedingungen<br />

künftiger Generationen. Das Thema<br />

Energie spielt dabei eine ganz wesentliche<br />

Rolle und steht zunehmend<br />

im Mittelpunkt umweltpolitischer<br />

Diskussionen. Aber auch viele<br />

andere Bereiche mit ökologischer,<br />

ökonomischer und sozialer Relevanz<br />

gehören zu den Inhalten der Umweltpolitik.<br />

Das Unternehmen <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme<br />

GmbH, Frechen, ist<br />

sich seiner Rolle gegenüber der Umwelt<br />

bewusst und stellt sich der Verantwortung<br />

– jeden Tag. Mit den<br />

Steinzeug-Produkten ist es möglich,<br />

Ökologie und Ökonomie zum Nutzen<br />

und Besten aller zu vereinen.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

Nachhaltigkeit<br />

Was bedeutet „Nachhaltigkeit“? In der Umweltpolitik, aber auch in vielen anderen<br />

Bereichen, wird der Begriff der „Nachhaltigkeit“ vielfach verwendet,<br />

aber auch vielfach missbraucht. Die europäische „Kommission Umwelt“ beschreibt<br />

diesen Begriff unter Verwendung der Definition in der Umweltkonferenz<br />

1992 in Rio de Janeiro als eine<br />

„Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu<br />

riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht<br />

befriedigen können.“<br />

Die Länder der Europäischen Gemeinschaft verwenden den Begriff „Nachhaltigkeit“<br />

unterschiedlich: Die häufig gebräuchliche Definition erfolgt nach<br />

räumlichen und zeitlichen Zusammenhängen.<br />

In Deutschland kommen folgende Definitionen zum Tragen:<br />

● dauerhaft umweltgerechte Entwicklung<br />

● umweltgerechte Entwicklung<br />

● ökologisch-dauerhafte Entwicklung<br />

● zukunftsverträgliche Entwicklung<br />

● zukunftsfähige Entwicklung<br />

Die eingangs beschriebene Dauerhaftigkeit und Beständigkeit von Steinzeugrohren<br />

von mehr als hundert Jahren macht deutlich, dass unter Verwendung<br />

dieses Werkstoffs die definierten Ziele der „Nachhaltigkeit“ erreicht<br />

werden und dass auch die vorhandenen älteren Netze diese ebenfalls erreichen.<br />

„Nachhaltigkeit“ besitzt zudem eine soziale Komponente, die in der folgenden<br />

Definition mit verwendet wird:<br />

Energieeinsatz zur Herstellung von<br />

Steinzeugbauteilen<br />

Bauteile für den Rohrvortrieb<br />

Großrohre für die Kanalisation<br />

Bauteilfestigkeiten<br />

Materialfestigkeit<br />

Baulänge<br />

Werkseitig hergestellte Rohrverbindungen<br />

Kunststoffanteil an den Verbindungen<br />

Arbeitsbelastungen der Mitarbeiter<br />

Umweltbelastungen aus der Produktion<br />

Tab. 1: Fakten und Entwicklungstendenzen bezüglich der Nachhaltigkeit von<br />

Steinzeugbauteilen in der Kanalisation.<br />

Zeit<br />

1956 – 1981 1981 – <strong>2006</strong> 2007 –


„Das Wirtschaften soll sich unter Berücksichtigung ökonomischer<br />

und sozialer Dimensionen an den Grenzen<br />

der Tragfähigkeit des Naturhaushaltes orientieren.“<br />

Die Begriffe „umweltgerecht“ und „nachhaltig“ werden<br />

also durch ökologische, ökonomische und soziale Randbedingungen<br />

geformt, die gleichwertige Bestandteile<br />

dieser Definition sind.<br />

Eine Nachhaltigkeitsbilanz von Steinzeugbauteilen in der<br />

Kanalisation schließt zurückblickend die in Tabelle 1 aufgeführten<br />

Fakten und Entwicklungstendenzen für die<br />

Zukunft ein:<br />

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist bekanntermaßen schon<br />

sehr alt und geht auf die Forstwirtschaft zurück. Für das<br />

Wirken von Dr. Gottfried Cremer für unsere Industrie gelten<br />

die Worte von Hans Jonas zum Prinzip der Verantwortung:<br />

„Handle so, daß Du durch Dein Handeln die Lebensmöglichkeiten<br />

der nächsten Generation nicht einengst<br />

oder beeinträchtigst.“<br />

Innovationen<br />

Die <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH forscht stetig nach innovativen Produktanwendungen<br />

im Kanalbau und für die Verbesserung der Produktionstechnologie.<br />

Als herausragende Ergebnisse der letzten 25 Jahre sind hervorzuheben:<br />

● Deutliche Erhöhung der Tragfähigkeiten der Rohre mit dem Ziel, grundsätzlich<br />

ein bewegliches Rohrauflager zu ermöglichen; damit sind technische<br />

und wirtschaftliche Erfolge verbunden<br />

● Vergrößerung der Baulänge von 2,00 m auf 2,50 m als Standardbaulänge<br />

für Rohre beim offenen Kanalbau<br />

● Entwicklung, Markteinführung und Markführerschaft bei Vortriebsrohren<br />

aus Steinzeug in nicht begehbaren Nennweiten<br />

● Entwicklung der Schleiftechnik zur werkseitigen Herstellung von Rohrverbindungen<br />

● Ausweitung des Großrohrprogramms bis DN 1400<br />

● Herstellung von Rohren mit Wandstärken von 100 mm bei Großrohren<br />

Verbandsnachrichten<br />

Quelle: Stiftung KERAMION/VZK<br />

Globale Herausforderungen/lokale<br />

Verantwortung<br />

Die Aktivitäten der <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme<br />

GmbH sind seit Jahrzehnten<br />

weltweit ausgerichtet. Mitarbeiter<br />

und Marktpartner stehen<br />

hierzu im stetigen Dialog mit den<br />

Kunden. Steinzeugrohre aus<br />

Deutschland haben dabei einen besonders<br />

guten Ruf. Nur die Kenntnis<br />

der individuellen technischen Erfordernisse<br />

stellen sicher, dass die Produkte<br />

auch die Erwartungen erfüllen;<br />

die technischen und wirtschaftlichen<br />

Anforderungen an die Kanalisation<br />

sind dabei häufig identisch.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

7


8<br />

Verbandsnachrichten<br />

DWA-Seminare/-Tagung<br />

Der FVST „packt mit an“<br />

Schon seit vielen Jahren ist der<br />

FVST <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />

e.V. in die verschiedensten<br />

Seminare der DWA eingebunden.<br />

Im Herbst diesen Jahres<br />

standen drei Seminare auf dem Programm,<br />

an denen der FVST entweder<br />

mit Fachvorträgen, mit Moderationen<br />

oder mit der fachlichen Leitung<br />

beteiligt war.<br />

Bauen nach Plan<br />

Am 19. Oktober fand unter dem Titel<br />

„Fachgerechte Herstellung von<br />

Abwasserleitungen und -kanälen“<br />

eines der grundlegenden Seminare<br />

der Abwassertechnik in Bremen<br />

statt. Die fachliche Leitung teilten<br />

sich die Herren Flick (FVST) und Möser<br />

(Güteschutz Kanalbau). Die Inhalte<br />

umfassten die Themenbereiche<br />

● Fachtechnische <strong>Information</strong>en<br />

zur offenen Bauweise<br />

● Zusammenwirken verschiedener<br />

technischer Regelwerke wie Normen,<br />

Arbeitsblätter und andere<br />

● Klärung der Verantwortlichkeiten<br />

● Qualitätssicherung<br />

Referate und Diskussionen konzentrierten<br />

sich im Kern immer wieder<br />

auf die gleiche Problematik: Wie<br />

können die Planungsziele in der Bauausführung<br />

durchgesetzt werden<br />

und wie kann sichergestellt werden,<br />

dass diese dann konsequent danach<br />

erfolgt? Die Vorträge ließen aber<br />

letztendlich keinen Zweifel zu und<br />

machten folgendes deutlich: Die<br />

Bauausführung muss der Planung<br />

folgen und darf keine eigenen Stan-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

dards aufstellen. Die statische Berechnung für Abwasserkanäle ist dabei die<br />

Grundlage der Bauausführung, nach der entsprochen werden muss. Die<br />

Randbedingungen während der Bauausführung sind einzuhalten. Diese Situation<br />

darf nicht theoretisch sein, sondern sie muss praktisch umsetzbar<br />

sein. Durchsetzen muss dies die Fachaufsicht. Da die Statik der Rohrleitung<br />

wesentlich durch die Boden- und Einbaubedingungen bestimmt wird, ist es<br />

erforderlich, dies allen Beteiligten besonders bewusst zu machen. Abweichungen<br />

von der Planung während der Bauausführung müssen mit dem Planer<br />

oder dem Bauherrn vorab abgesprochen werden. Selbstverständlich ist<br />

die gütegesicherte Bauausführung unverzichtbar!<br />

Die Diskussion hat allen Teilnehmer immer wieder die tagtäglichen Probleme<br />

und Konflikte im Baugeschehen aufgezeigt. Die besondere Herausforderung<br />

ist die konsequente Durchsetzung der Vorgaben aus der Planung in die<br />

Bauausführung.<br />

Das nächste Seminar ist für den 30. Oktober 2007 vorgesehen.<br />

Unterirdisches Bauen<br />

Am 15. November <strong>2006</strong> stand der „Mikrotunnelbau“, dem in zunehmendem<br />

Maße besonderes Interesse gewidmet wird, auf dem DWA-Seminarprogramm<br />

in Magdeburg. Unter der bewährten Leitung von Dr.-Ing. H.-P. Uffmann<br />

vermittelte dieses Seminar neben der Darstellung der Mikrotunnelbau-<br />

Technologie aus Sicht der Auftraggeber, die Vorstellung des aktuellen Regelwerks,<br />

die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen des Mikrotunnelbaus für den<br />

nicht begehbaren Bereich sowie die technischen Neuerungen beim hydraulischen<br />

Rohrvortrieb.<br />

Aktuelle Untersuchungsergebnisse zur Lastübertragung in der Rohrfuge und<br />

die Analyse von Fehlerquellen wurden ebenfalls vorgestellt. Diesen Part übernahm<br />

– in Vertretung für Dipl.-Ing. K.-H. Flick vom FVST – die RWTH Aachen.<br />

Hintergrund dabei ist: die <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH hat in der<br />

Vergangenheit zu diesem Thema gemeinsam mit der GFB Gesellschaft zur<br />

Förderung des Baubetriebs e.V. an der RWTH Aachen umfangreiche Forschungen<br />

zum Rohrvortrieb durchführen lassen. Ein herausragendes Ergebnis<br />

dabei ist eine neu entwickelte Messtechnik zur Ermittlung der Fugenspannungen,<br />

der Spannungsverteilungen in den Rohrfugen und der resultierenden<br />

Vorpresskräfte während des Vortriebs.<br />

Hydraulische Planung<br />

Das bereits seit vielen Jahren angebotene DWA-Seminar „Hydraulische Planung<br />

von Abwasseranlagen“ vermittelt die Grundlagen der hydraulischen<br />

Berechnung von Abwasserkanälen und Bauwerken entsprechend den ATV-<br />

DVWK-Arbeitsblättern A 110, A 111 und A 112. Von besonderem Interesse


in diesem Jahr (am 21. November <strong>2006</strong> in Würzburg) waren die aktuellen<br />

Veränderungen durch die Überarbeitung des A 112, das in diesem Jahr als<br />

Entwurf erschienen ist, die Entwicklungen beim Nachweis von Regenwasserbecken<br />

und die praktischen Beispiele innerhalb der Themen. Gerade für die<br />

Anwendung von Berechnungsprogrammen sind die Kenntnisse der Randbedingungen,<br />

der Grenzen und Möglichkeiten, von besonderer Gewichtung.<br />

Dies betrifft die Ermittlung der für die Bemessung maßgebenden Abflüsse,<br />

die Nachweise für ablagerungsfreien Abfluss bei Flachstrecken sowie die Berechnung<br />

hydraulischer Verluste im Einzelfall.<br />

Die Vermittlung dieser Grundlagen steht insbesondere unter der Zielsetzung,<br />

Hilfestellung bei der Überrechnung bestehender Anlagen und bei im Rahmen<br />

der Sanierung auftretender Aufgabenstellungen zu leisten.<br />

Das Seminar wird in 2007 fortgeführt.<br />

Expertengespräch „Schwallspülung“<br />

Seit einigen Jahren gewinnt die Schwallspülung auch bei der Reinigung von<br />

Abwasserkanälen wieder an Bedeutung. Viele Neuentwicklungen drängen<br />

auf den Markt, deren Anbieter oftmals nur über unzureichende Kenntnisse<br />

hinsichtlich der hydraulischen und stofflichen Wirkung von Schwallwellen bei<br />

der Beseitigung von Sohlablagerungen verfügen. Mit einem Expertengespräch,<br />

dass am 3. November <strong>2006</strong> in Darmstadt stattfand, hat die DWA zum<br />

einen das Thema Schwallspülung intensiv beleuchtet und zum anderen die<br />

Weichen für ein neues Vorhaben im Hauptausschuss „Entwässerungssysteme“<br />

gestellt, um Netzbetreibern und Herstellern verlässliche Hilfestellung zu<br />

bieten.<br />

Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick (FVST) führte mit einem ausführlichen Referat in<br />

die Thematik ein und übernahm die Diskussionsleitung.<br />

Weitere <strong>Information</strong>en zu den Seminaren unter www.dwa.de<br />

Verbandsnachrichten<br />

4. DWA-Kanalbautage 2007<br />

Die Vorbereitungen zur Organisation<br />

des Fachprogramms der 4. DWA-<br />

Kanalbautage laufen auf vollen Touren.<br />

Der FVST ist selbstverständlich<br />

wieder mit dabei und wird am<br />

27./28. März 2007 in Bochum, das<br />

ist der vorgesehene Tagungstermin/-ort,<br />

die Veranstaltung fachlich<br />

begleiten.<br />

Themenschwerpunkt wird der Baugrund<br />

sein, ohne dessen Kenntnis<br />

die fachgerechte Herstellung von<br />

Abwasserkanälen nicht möglich ist.<br />

Thematisch wird so ein Bogen vom<br />

Baugrund über die Bauverfahrenstechnik<br />

zum Bau von Kanälen in der<br />

offenen und geschlossenen Bauweise<br />

bei unterschiedlichen Randbedingungen,<br />

über den Bau von Großprofilen<br />

bis abschließend zur Begutachtung<br />

und Bewertung der Baugrundverhältnisse<br />

geschlagen. Mit der Einbeziehung<br />

der unterirdischen Bauweise<br />

und deren Bewertung in wirtschaftlicher<br />

und ökologischer Hinsicht<br />

werden die Themen abgerundet.<br />

Die Kanalbautage werden von DWA<br />

und Deutscher Städtetag gemeinsam<br />

organisiert und von den Rohrherstellerverbänden<br />

und der Gütegemeinschaft<br />

Güteschutz Kanalbau<br />

unterstützt.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

9


10<br />

Blickpunkt EU<br />

Amortisationsschere<br />

Kanalisation in Ungarn im Vergleich<br />

Ungarn gehört mit einer Fläche<br />

von 93.000 km 2 und<br />

rund 10 Mio. Einwohnern zu<br />

den größten der im Mai 2004 der EU<br />

beigetretenen Ländern. Neben Slowenien<br />

und Tschechien gilt Ungarn<br />

im Vergleich zu anderen osteuropäischen<br />

Staaten als sehr fortschrittlich<br />

und modern. Wie es um den Bereich<br />

der Abwasserentsorgung bestellt ist,<br />

zeigt ein Vergleich mit Deutschland.<br />

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen,<br />

dass für die verschiedensten Parameter<br />

in Ungarn nur Schätz- und<br />

Erfahrungswerte und keine konkreten<br />

Daten vorliegen. Dennoch bietet<br />

dieser Vergleich einen respektablen<br />

Überblick über den derzeitigen<br />

Stand und die künftige Entwicklung<br />

der Kanalisation in Ungarn.<br />

65 % der ungarischen Bevölkerung<br />

sind bislang an die öffentliche Kana-<br />

Tab. 2<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

derzeitiger<br />

Bestand<br />

künftig zu<br />

realisieren<br />

Tab. 1<br />

Länge<br />

TKm<br />

Ungarn<br />

10 Mio. Einwohner<br />

Anschl.grad<br />

%<br />

lfd. m/E Länge<br />

TKm<br />

Deutschland<br />

82,5 Mio. Einwohner<br />

Anschl.grad<br />

%<br />

lfd. m/E<br />

41,5 65,0 6,4 486,0 95,0 6,2<br />

22,0 22,0 10,0 20,0 2,5 10,0<br />

gesamt in 2015 63,5 87,0 7,3 506,0 97,5 6,3<br />

lisation angeschlossen (siehe auch Tabelle 1). Aus der Gemeindestruktur ergibt<br />

sich, dass der wirtschaftlich erreichbare Höchststand der Kanalisation<br />

nach dem Landesentwicklungsplan bis 2015 mit 87 % angegeben wird; die<br />

Abwasserentsorgung der verbleibenden 13 % soll über lokale Kleinkläranlagen<br />

erfolgen. Da sich die noch zu realisierenden 22 % in dünn besiedelten<br />

Gebieten befinden, ist der Wert des laufenden m/EW hier deutlich höher als<br />

beim derzeitigen Bestand, ist aber dem in Deutschland vergleichbar.<br />

Was das Alter der Kanalisation in Ungarn betrifft, geben die Statistiken nicht<br />

die genauen Auskünfte, die es in Deutschland gibt. Dennoch ist deutlich –<br />

und das spiegeln auch die Erfahrungswerte wider – dass in den letzten 15<br />

Jahren, vorwiegend in kleinen und mittelgroßen Gemeinden, viele Kilometer<br />

Kanal (rd. 55% des Bestandes) neu gebaut wurden.<br />

Der durchschnittliche aktivierte Wert, vergleichbar dem<br />

Buchwert, der Kanalnetze ist mit 30 Euro/lfd. Meter in Ungarn<br />

extrem niedrig (Tabelle 2). Dies hat mehrere Folgen:<br />

Ungarn Deutschland<br />

Kanalgebühren [Euro/m 3] 0,5 2,0<br />

Abwasserbehandlung<br />

[Mm 3 /Jahr]<br />

550 9.400<br />

Umsatz [Mio. Euro] 288 10.400<br />

Amortisation [Mio. Euro/Jahr] 48 4.200<br />

Amortisation/Umsatz [%] 16,7 26+20<br />

Anlagenvermögen [Mio. Euro] 1.540 230.000<br />

Amortisation/Anlagenvermögen<br />

[%]<br />

3,1 1,8<br />

Aktivierter Wert [Euro/lfd. m] 30 450<br />

Amortisation/Umsatz [%] 30 +<br />

Amortisation/Anlagenwert [%] 3<br />

Rekonstruktion/Amortisation [%] 100<br />

Rekonstruktionsdrehzeit [Jahre] 250 !<br />

spez. Rekonstruktionskosten<br />

reell/Buchwert [Euro/Euro]<br />

Tab. 3<br />

700/54


Zustandsbewertung,<br />

Wertschätzung<br />

Werthaltigkeit des aktivierten<br />

Wertes<br />

Lebenserwartungskalkulation<br />

Basis der Amortisationskalkulation<br />

Bewusstheitsgrad über den<br />

Anlagenvermögenswert<br />

Tab. 4<br />

keine oder<br />

nicht relevant<br />

Ungarn Deutschland<br />

hohe Inflation in der<br />

Erweiterungsperiode<br />

keine oder<br />

nicht relevant<br />

vorwiegend<br />

vorhanden<br />

gegeben<br />

EN 13508<br />

ATV-M 149<br />

Steuerges. § 37 Abs. 2 technische Bewertungswerte<br />

beschränkt wertbewusst<br />

wertbewusst<br />

Lebenserwartungsplanung 20–50 Jahre 50–100 Jahre +<br />

Motivation der Regelung WFD-2010<br />

● Niedrige Kanalgebühren<br />

● Theoretisches hohes Verhältnis von Amortisation und Anlagenvermögen<br />

● niedriger Anteil der Amortisationskosten an den Gesamtkosten<br />

Daraus ergeben sich Widersprüche in der Realität (Tabelle 3). Trotz 3 %<br />

Amortisation (gesetzlich keine Amortisation unter 30 Jahre) stehen auf Grund<br />

der vorbeschriebenen Situation nur sehr geringe Mittel zur Verfügung. In der<br />

Praxis ergibt sich damit die Situation, dass bei den vorhandenen Mitteln aus<br />

der Amortisation und unter Beachtung der Kosten für Erneuerung/Rekonstruktion<br />

eine Rekonstruktionsdrehzeit, bezogen auf die Gesamtlänge der Kanalisation,<br />

von 250 Jahren ergibt. Und das würde bedeuten, dass die derzeitigen<br />

Kanäle 250 Jahre halten sollten. Somit ist es nicht verwunderlich, dass<br />

die tatsächlichen spezifischen Erneuerungskosten weit über dem Buchwert<br />

der Kanalisation liegen.<br />

Beim Vergleich der Buchwert- und Lebenserwartungskalkulation von Ungarn<br />

und Deutschland ergeben sich deutliche Abweichungen (Tabelle 4): Diese<br />

resultieren in erster Linie aus der hohen Inflation in Ungarn in den 90er Jah-<br />

Anlagenvermögen<br />

[Mio. Euro]<br />

Amortisation I (20–33<br />

Jahre) [Mio. Euro]<br />

Amortisation II (40–<br />

66 Jahre) bei Neuanlagen<br />

[Mio. Euro]<br />

Umsatz<br />

[Mio. Euro/Jahr]<br />

Tab. 5<br />

derzeitiger<br />

Stand<br />

Neuinvestitionen<br />

Gesamt<br />

1.540 4.000 5.540<br />

48 120 168<br />

48 60 108<br />

288 100 388<br />

Amort. I/Umsatz [%] 16 120 ! 43<br />

Amort. II/Umsatz [%] 16 60 28<br />

WFD-2010,<br />

Eigeninitiative<br />

ren (teilweise über<br />

20 % pro Jahr), die<br />

die aktivierten Buchwerte<br />

schnell dahinschmelzen<br />

lassen. Für<br />

die Kalkulation der<br />

Lebenserwartung der<br />

Kanalleitungen gibt<br />

es keine technischen<br />

Grundlagen und somit<br />

auch keine Differenzierung.<br />

Die Kalkulation<br />

der Amortisation<br />

basiert auf einem<br />

Steuergesetz,<br />

Blickpunkt EU<br />

das keine Amortisation unter 30 Jahren<br />

zulässt. Zurzeit ist es nicht zwingend,<br />

die Amortisation zu verrechnen<br />

und wird auch nicht, oder nur<br />

teilweise, berücksichtigt. Vor allem<br />

beim Neubau in kleinen und mittelgroßen<br />

Gemeinden ist die Belastung<br />

für die Verbraucher aufgrund hoher<br />

Gesamtkosten schon hoch.<br />

Die Wahl der Rohrwerkstoffe richtete<br />

sich bislang überwiegend nach<br />

den kurzfristig vorzunehmenden Investitionen<br />

und nicht nach langfristig<br />

zu berücksichtigenden Betriebskosten<br />

(inklusive Amortisationskosten).<br />

Erst in jüngster Zeit fassen auch<br />

die langlebigen Rohrwerkstoffe wie<br />

Steinzeug Fuß im ungarischen<br />

Markt.<br />

Es ist schon äußerst bemerkenswert,<br />

dass der derzeitige Kanalbestand in<br />

Ungarn (65 % Anschlussgrad) einen<br />

Anlagenwert von 1,54 Mrd. Euro<br />

darstellt und die noch zu tätigenden<br />

22 % eine Neuinvestition von 4 Mrd.<br />

Euro bedeuten (Tabelle 5). Das zeigt<br />

die massive Unterbewertung des Bestehenden<br />

und den enormen Anstieg<br />

der zu berücksichtigenden<br />

Amortisationskosten, v. a. bei den<br />

vom Neubau betroffenen Gebieten.<br />

Mit der Erweiterung respektive Optimierung<br />

der „Ressource Kanal“<br />

und der Erhöhung seiner Lebenserwartung<br />

kann die Amortisationsschere<br />

in Ungarn geschlossen werden.<br />

Kontakt<br />

Károly Kovács<br />

H-1118 Budapest<br />

Higany u. 15<br />

E-Mail:<br />

kovacskpureco@email.hu<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

11


12<br />

Blickpunkt EU<br />

Hoher Anschlussgrad<br />

90 % der EU25-Bevölkerung am Kanalnetz<br />

Anlässlich des Weltwassertages<br />

im März <strong>2006</strong>, mit dem auf<br />

Probleme bei der Versorgung<br />

mit sauberem, frischem Wasser und<br />

zweckmäßigen sanitären Einrichtungen<br />

in Entwicklungsländern aufmerksam<br />

gemacht werden sollte,<br />

präsentierte Eurostat (Statistisches<br />

Amt der Europäischen Gemeinschaften)<br />

Daten über die öffentliche Wasserversorgung<br />

und Abwasserbehandlung<br />

in der EU.<br />

Die Anschlussquote an die öffentliche<br />

Wasserversorgung lag in der<br />

EU25 zwischen 70 % und 100 %.<br />

Von den Mitgliedstaaten, für die Daten<br />

verfügbar sind, waren 2002 in<br />

Zypern und den Niederlanden (jeweils<br />

100 %) sowie Frankreich und<br />

Deutschland (jeweils 99 %) alle oder<br />

fast alle Haushalte an die öffentliche<br />

Wasserversorgung 1) angeschlossen.<br />

Weitere sieben Länder meldeten eine<br />

Anschlussquote von 90 % oder<br />

mehr: Dänemark (97 %), Belgien<br />

(96 %), Ungarn (93 %), Slowenien<br />

(91 %), die Tschechische Republik,<br />

Irland und Österreich (jeweils 90 %).<br />

Die niedrigsten Anschlussquoten an<br />

die öffentliche Wasserversorgung<br />

wurden in Estland (72 %), Litauen<br />

(76 %), der Slowakei (84 %) und Polen<br />

(85 %) verzeichnet.<br />

Behandlung der Abwässer<br />

Der Anschluss an eine Kanalisation 2)<br />

ist der erste Schritt zur Beseitigung<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

von Schadstoffen aus dem Abwasser, bevor dieses wieder in die Umwelt eingeleitet<br />

wird. In der EU25 waren 2002 durchschnittlich 90 % der Bevölkerung<br />

an ein kommunales Kanalnetz angeschlossen. In Malta, Luxemburg und Spanien<br />

hatten 100 % der Bevölkerung einen Kanalanschluss, dicht gefolgt von<br />

Öffentliche Wasserversorgung und Kanalisation 2002<br />

An die öffentliche Wasserversorgungangeschlossene<br />

Haushalte (in %)<br />

An kommunale<br />

Kanalisation angeschlossene<br />

Bevölkerung (in %)<br />

EU25 s – 90,0<br />

Belgien 96,4 –<br />

Tschechische Republik 89,8 80,0<br />

Dänemark 97,0 –<br />

Deutschland 99,1* 95,0<br />

Estland 72,0 72,0<br />

Spanien – 100,0<br />

Frankreich 99,4* 82,0<br />

Irland 90,0 93,0*<br />

Zypern 100,0** 35,0***<br />

Litauen 76,0 73,0**<br />

Luxemburg – 100,0**<br />

Ungarn 93,0 62,0<br />

Malta – 100,0*<br />

Niederlande 99,9 99,0<br />

Österreich 89,6 86,0<br />

Polen 85,2** –<br />

Slowenien 90,6 63,0<br />

Slowakei 84,0** 55,0<br />

Finnland – 81,0<br />

Schweden – 85,0<br />

Vereinigtes Königreich – 98,0<br />

– Daten nicht verfügbar<br />

s Schätzung von Eurostat ausgehend von den Mitgliedstaaten, für die Daten verfügbar sind.<br />

* Daten für 2001; ** Daten für 2003; *** Daten für 2000


Abwasserbehandlung 2002<br />

Nicht an die<br />

kommunale<br />

Kanalisation<br />

angeschlosseneBevölkerung<br />

(in %)<br />

An die Kanalisation angeschlossene<br />

Bevölkerung nach Art der Abwasserbehandlung<br />

(in %)<br />

keine<br />

Behandlung<br />

primäre<br />

Behandlung<br />

sekundäre<br />

Behandlung<br />

tertiäre<br />

Behandlung<br />

EU25 s 10 4 – – –<br />

Tschechische Republik 20 8 – – –<br />

Deutschland (2001) 5 2 0 5 88<br />

Estland 28 1 1 24 46<br />

Spanien 0 11 1 62 26<br />

Frankreich (2001) 18 2 2 51 27<br />

Irland (2001) 7 23 41 21 8<br />

Zypern (2000) 65 0 0 0 35<br />

Lettland (2003) – – 2 35 33<br />

Litauen (2003) 27 11 32 7 21<br />

Luxemburg (2003) 0 5 7 66 22<br />

Ungarn 38 5 22 25 11<br />

Malta (2001) 0 87 – – –<br />

Niederlande 1 0 0 14 85<br />

Österreich 14 0 0 – –<br />

Polen (2003) – – 3 25 31<br />

Slowenien 37 30 10 18 5<br />

Slowakei (2003) 45 3 – – –<br />

Finnland 19 0 0 0 81<br />

Schweden 15 0 0 5 80<br />

Vereinigtes Königreich 3) 2 0 1 59 38<br />

– Daten nicht verfügbar.<br />

s Schätzung von Eurostat ausgehend von den Mitgliedstaaten, für die Daten verfügbar sind.<br />

Anmerkung: Für Griechenland, Italien und Portugal sind keine Daten verfügbar.<br />

1) Öffentliche Wasserversorgung bedeutet die Versorgung der Allgemeinheit mit<br />

Wasser, unabhängig davon, ob dafür öffentliche Einrichtungen, private Wasserversorgungsunternehmen<br />

oder Mischformen dieser beiden zuständig sind.<br />

2) Wird das Abwasser von Häusern, die nicht unmittelbar an die Kanalisation angeschlossen<br />

sind, mit Tankfahrzeugen abgeführt, so gilt dies auch als Kanalanschluss.<br />

Haushaltsabwässer, die nicht über eine Kanalisation abgeleitet werden, fließen<br />

meist direkt in die Umwelt (auf Landflächen, in Flüsse, Seen oder das Meer),<br />

manchmal werden sie aber vorher einer chemischen Behandlung unterzogen.<br />

3) Nur England und Wales.<br />

Blickpunkt EU<br />

den Niederlanden (99 %), dem Vereinigten<br />

Königreich3) (98 %) und<br />

Deutschland (95 %). Die niedrigsten<br />

Anschlussquoten wurden in Zypern<br />

(35 %), der Slowakei (55 %), Ungarn<br />

(62 %) und Slowenien (63 %) ermittelt.<br />

Mit einem Kanalanschluss ist noch<br />

nicht sichergestellt, dass das Abwasser<br />

auch behandelt wird. Schätzungen<br />

zufolge wurde in der EU25 das<br />

Abwasser von etwa 14 % der Bevölkerung<br />

entweder nicht gesammelt<br />

(10 %) oder trotz Sammlung nicht<br />

behandelt (4 %). In den Niederlanden<br />

(1 %), dem Vereinigten Königreich3)<br />

(2 %), Luxemburg (5 %) und<br />

Deutschland (7 %) wurde das Abwasser<br />

von weniger als 10 % der Bevölkerung<br />

nicht gesammelt oder<br />

trotz Sammlung nicht behandelt, in<br />

Malta (87 %), Slowenien (67 %) und<br />

Zypern (65 %) hingegen von mehr<br />

als der Hälfte.<br />

Zwar ist nicht die gesamte EU durch<br />

kommunale Kanalisationssysteme<br />

erschlossen, aber Abwasser, das gesammelt<br />

und gereinigt wird, erhält<br />

meist mindestens eine sekundäre<br />

Behandlung. Ausnahmen bilden Irland,<br />

wo 41 % des Abwassers nur einer<br />

primären und 29 % einer sekundären<br />

oder weitergehenden Behandlung<br />

unterzogen wurden, sowie<br />

Litauen (32 % bzw. 28 %).<br />

Deutschland, die Niederlande, Finnland<br />

und Schweden reinigten das<br />

Abwasser von mindestens 80 % ihrer<br />

Bevölkerung in tertiären Behandlungsstufen.<br />

Quelle: http://europa.eu.int/comm/eurostat/<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

13


14<br />

Blickpunkt EU<br />

CEN – einer für alle...<br />

...alle für einen – CEN<br />

Mit steigenden Anforderungen<br />

an den Schutz der<br />

Gesundheit der Bevölkerung<br />

und der Umwelt, gewinnt die<br />

Abwassertechnik zunehmend an Bedeutung.<br />

Durch europaweit gemeinsam<br />

aufgestellte Europäische<br />

Normen werden die in den EU-<br />

Richtlinien festgelegten Anforderungen<br />

konkretisiert. Europäische und<br />

internationale Normen fördern den<br />

weltweiten Handel, die Rationalisierung<br />

und die Qualitätssicherung<br />

und tragen zum Umweltschutz bei.<br />

Sie erleichtern den Zugang der Produkte<br />

auf den europäischen Markt<br />

und unterstützen ihre Akzeptanz in<br />

den EU-Ländern und weltweit.<br />

„Freie Fahrt“ für den<br />

Binnenmarkt<br />

Bereits im Jahre 1986 verlangte die<br />

„Einheitliche Europäische Akte“<br />

u. a., dass innerhalb des gemeinsamen<br />

Binnenmarktes der freie Verkehr<br />

von Waren, Personen, Dienstleistungen<br />

und Kapital gewährleistet<br />

ist. Schon damals war vorauszusehen,<br />

dass insbesondere der freie<br />

Verkehr von Waren und Dienstleistungen<br />

aufgrund der unterschiedlichen<br />

nationalen Vorschriften und<br />

technischen Normen in Europa erhebliche<br />

Schwierigkeiten bereiten<br />

würde. Diese unterschiedlichen<br />

technischen Regeln würden als tech-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

nische Schranken wirken und Handelshemmnisse darstellen, die es im gemeinsamen<br />

Binnenmarkt zu beseitigen galt.<br />

Um sicherzustellen, dass Produkte den in Europa geltenden gesetzlichen Anforderungen<br />

an Gesundheit und Sicherheit entsprechen, wird die Bezugnahme<br />

auf Normen in einem Gesetzestext als rationeller angesehen als die Ausarbeitung<br />

detaillierter Gesetze.<br />

Harmonisierung ist das Zauberwort<br />

Der sogenannte „Neue Ansatz“ (New Approach) für technische Harmonisierung<br />

und Normung wird als eine wesentliche Voraussetzung zur Steigerung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Industrie angesehen. Demzufolge<br />

beauftragte die Europäische Kommission das Europäische Komitee für<br />

Normung CEN (Comité Européen de Normalisation), die erforderlichen<br />

technischen Details zu den wesentlichen Anforderungen der EU-Richtlinien<br />

in harmonisierten Europäischen Normen festzulegen und erteilte dafür Mandate.<br />

Der freie Warenverkehr ist Wirklichkeit geworden. Durch gemeinsame Europäische<br />

Normen werden Handelshemmnisse abgebaut. Verbraucher, Hersteller<br />

und Behörden profitieren gleichermaßen von der Normung durch erhöhte<br />

Sicherheit und Qualität von Produkten oder Anlagen. Mit einer gemeinsamen,<br />

in 29 europäischen Ländern geltenden Norm, lässt sich ein Produkt<br />

besser vermarkten, da man der Leistungsfähigkeit dieser Produkte und<br />

Dienstleistungen vertrauen kann.<br />

Aus der offenen Teilnahme aller interessierten Kreise an der Normungsarbeit,<br />

die aus Vertretern aus Industrie, Handel, Wissenschaft, Verbrauchern und Behörden<br />

bestehen, bezieht die Europäische Normung ihre Anerkennung. Bis<br />

heute wurden über 12.000 Europäische Normen von 277 „Technischen Komitees<br />

(TC)“ im CEN erarbeitet.<br />

Willkommen bei CEN<br />

Zurzeit sind 29 Normungsorganisationen aus ebenso vielen europäischen<br />

Staaten Mitglieder im CEN (siehe http://www.cenorm.be/cenorm/members).<br />

CEN ist ein internationaler gemeinnütziger Verein und wurde nicht von<br />

Regierungen, sondern von nationalen Normungsorganisationen gegründet.<br />

Grundlegende Prinzipien der europäischen Normungsarbeit sind:


● Konsensbasierte Ausarbeitung der Normen<br />

● Offenheit und Transparenz<br />

● Abstimmung mit anderen europäischen und internationalen Organisationen<br />

● nationale Verpflichtung zur Übernahme der Europäischen Normen<br />

Und so geht's<br />

Jeder kann Vorschläge für neue Normen unterbreiten. Im Allgemeinen aber<br />

werden die Vorschläge für neue Normprojekte von nationalen Normungsorganisationen<br />

oder Arbeitsgruppen eines Technischen Komitees eingereicht.<br />

Zur Konkretisierung Europäischer Richtlinien werden durch die Europäische<br />

Kommission oder das EFTA-Sekretariat Mandate zur Ausarbeitung von Europäischen<br />

Normen erteilt. Nach Annahme eines Normprojekts werden alle interessierten<br />

Kreise, wie Hersteller, Planer, Verbraucher, Anwender, Prüfinstitute<br />

und Behörden, über nationale Normungsgremien in die Arbeiten einbezogen.<br />

Nationale Normungsgremien sind ein grundlegender Teil der Europäischen<br />

Normung, um die nationalen Standpunkte darzustellen. Sie delegieren Experten<br />

zu Plenarversammlungen der CEN/TCs und nominieren Experten für<br />

Arbeitsgruppen eines Technischen Komitees. Die Durchsetzungsfähigkeit,<br />

Kompromissbereitschaft und die Fachkenntnis dieser Experten trägt wesentlich<br />

dazu bei, den nationalen Standpunkt in die Europäischen Normen einzubringen.<br />

Normen basieren auf einem Konsens, der zwischen den beteiligten interessierten<br />

Kreisen gefunden wird. Sobald die Diskussion ein gewisses Reifestadium<br />

erreicht hat, werden die Ergebnisse als Norm-Entwurf veröffentlicht<br />

und der Öffentlichkeit zur Kommentierung zur Verfügung gestellt; im Falle<br />

Europäischer Norm-Entwürfe in allen 29 Ländern der CEN-Mitglieder.<br />

Die erhaltenen Kommentare zum Norm-Entwurf werden im zuständigen<br />

Technischen Komitee diskutiert. Nach Konsensfindung wird ein Schluss-Entwurf<br />

erarbeitet, der den nationalen Normungsgremien zur Verfügung gestellt<br />

wird. Diese werden gebeten, dem Schluss-Entwurf zuzustimmen. Wenn<br />

jedoch beispielsweise die Kommentare zum Norm-Entwurf keine Berücksichtigung<br />

fanden, darf dieser auch abgelehnt werden.<br />

Die Annahme als EN erfolgt durch gewichtete Abstimmung der CEN-Mitglieder,<br />

wobei 71 % der gewichteten Stimmen für die Annahme des Schluss-Entwurfes<br />

als Europäische Norm erforderlich sind. Wenn die Europäische Norm<br />

angenommen ist, sind die CEN-Mitglieder verpflichtet, die EN als nationale<br />

Norm unverändert in eine der drei offiziellen CEN-Sprachen oder als Übersetzung<br />

zu übernehmen. Weiterhin müssen sie jede entgegenstehende nationale<br />

Norm zurückziehen. Dies bedeutet, dass eine Europäische Norm in<br />

29 nationale Normen umgesetzt wird.<br />

Nationale Normungsorganisationen dürfen nur CEN-Mitglied werden, wenn<br />

sie u. a. schon 80 % der veröffentlichten Europäischen Normen unverändert<br />

als nationale Norm übernommen haben.<br />

Kompetenz des<br />

CEN/TC 165<br />

Blickpunkt EU<br />

Das CEN/TC 165 „Abwassertechnik“<br />

hat seit seiner Gründung im Jahr<br />

1989 rund 90 Europäische Normen<br />

für diesen Bereich erarbeitet. Im<br />

CEN/TC 165 entstanden diese Normen<br />

im Wesentlichen auf Anforderung<br />

der Industrie, die deren Ausarbeitung<br />

aktiv unterstützt und die Arbeiten<br />

weitestgehend finanziert.<br />

Selbstverständlich ist das TC 165<br />

auch mit Fachleuten aus der Anwendungstechnik<br />

besetzt.<br />

Normen, die im CEN/TC 165 ausgearbeitet<br />

werden, schließen den gesamten<br />

Kreislauf der Abwassertechnik<br />

ein: von der Entstehung des Abwassers,<br />

einschließlich Ablauf des<br />

Oberflächenwassers über den Transport<br />

im Kanalnetz, die Aufbereitung<br />

in der Kläranlage, bis zur Einleitung<br />

des gereinigten Abwassers in Flüsse<br />

oder Seen.<br />

Die Normen enthalten Festlegungen<br />

für:<br />

● Entwässerungsgegenstände<br />

● Entwässerungssysteme innerhalb<br />

und außerhalb von Gebäuden<br />

● Produkte für Abwasserleitungen<br />

und -kanäle sowie deren Entwurf,<br />

Bau, statische Berechnung, Renovierung<br />

und Reparatur<br />

● Abscheider<br />

● Kläranlagen<br />

● Begriffe und Definitionen<br />

Produktnormen, die in materialbezogenen<br />

TCs ausgearbeitet werden,<br />

wie z. B. im CEN/TC 155 „Kunststoff-Rohrleitungssysteme“<br />

und im<br />

CEN/TC 203 „Gussrohre“ müssen<br />

die überwiegend auf die Anwendung<br />

bezogenen Normen des TC<br />

165 für allgemeine Anforderungen<br />

berücksichtigen. Die Arbeit des<br />

CEN/TC 165 hat deshalb Auswirkungen<br />

auf andere TCs, die sich, auf den<br />

Werkstoff bezogen, mit der Nor-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

15


16<br />

Kontakt<br />

Blickpunkt EU<br />

mung von Produkten für die Verwendung<br />

in der Abwassertechnik<br />

befassen.<br />

Produkte zum Bau von Abwasserkanälen<br />

und -leitungen, Abläufe,<br />

Schachtabdeckungen, Fett- und<br />

Leichtflüssigkeitsabscheider sowie<br />

kleine und große Kläranlagen werden<br />

überall in Europa in Entwässerungssystemen<br />

verwendet. Da sie<br />

Bauprodukte im Sinne der EU-Richtlinie<br />

89/106/EG (Bauprodukten-<br />

Hans-Jochen Kropf<br />

Deutsches Institut für Normung e.V.<br />

Normenausschuss Wasserwesen<br />

(NAW)<br />

Tel.: 0 30/26 01 24 40<br />

E-Mail: hans-jochen.kropf@din.de<br />

Internet: www.naw.din.de<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

richtlinie) sind, wurden und werden dafür harmonisierte Normen (hEN) erstellt,<br />

mit denen die wesentlichen Anforderungen des Mandates M/118<br />

„Produkte für die Abwassertechnik“ und des Mandates M/131 für „Rohre,<br />

Tanks und Zubehör nicht in Kontakt mit Wasser für den menschlichen Gebrauch“<br />

auf das Produkt bezogen umgesetzt werden. Harmonisierte Normen<br />

unter der Richtlinie 89/106/EG sind die Voraussetzung für die CE-Kennzeichnung<br />

dieser Produkte und demzufolge die Grundlage für das in Verkehr bringen<br />

dieser auf den europäischen Markt.<br />

Zwischen Planern, Anwendern und Verbrauchern auf der einen Seite und<br />

Herstellern, Lieferanten oder Behörden auf der anderen Seite, wird Rechtssicherheit<br />

geschaffen, indem auf Normen verwiesen wird.<br />

Harmonisierte Europäische Normen legen die wesentlichen Anforderungen<br />

an Bauprodukte fest, enthalten Verfahren zur Prüfung der deklarierten Produktleistung<br />

und die Bewertung der Konformität. Planer, Anwender und Verbraucher<br />

müssen zukünftig Produkte nach diesen Angaben, entsprechend<br />

der vorgesehenen Verwendung, auswählen.<br />

Der Hersteller erklärt die Konformität des Bauproduktes mit den in der CE-<br />

Kennzeichnung enthaltenen Angaben entsprechend der harmonisierten EN.<br />

Für besonders sicherheitsrelevante Produkte erfolgt dies durch eine unabhängige<br />

dritte Stelle.<br />

Im CEN/TC 165 arbeiten derzeit 16 sogenannte Working Groups (WGs) in<br />

den verschiedensten Aufgabenbereichen der Abwassertechnik.


Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V. nimmt die vielfältigen Aufgaben<br />

der Normung sowohl in nationalen als auch in internationalen<br />

Gremien wahr, um Erfahrungen und Fachwissen einzubringen und<br />

um national etablierte Regelungen in europäischen Regelwerken einzugliedern.<br />

Seit der letzten <strong>STEINZEUG</strong> <strong>Information</strong> und dem <strong>STEINZEUG</strong> Update<br />

hat es im Regelwerk einiges Neues gegeben:<br />

CEN r DIN EN 295, Teil 10<br />

Am 1. Januar 2007 endet die Übergangsfrist zur Kennzeichnung mit dem CE-<br />

Zeichen. Danach produzierte Bauteile sind dann mit dem CE-Zeichen zu versehen.<br />

Für den Geltungsbereich der Grundstücksentwässerung ist davon auszugehen,<br />

dass diese Norm dann in der Bauregelliste B des Deutschen Instituts<br />

für Bautechnik geführt wird.<br />

Mit der nationalen Umsetzung in Europa ist die Harmonisierung der Steinzeug-Norm<br />

abgeschlossen. Der Teil 10 der DIN EN 295 Steinzeugrohre und<br />

Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserleitungen und -kanäle<br />

erfüllt die Anforderungen der diesbezüglichen europäischen Mandate. Die<br />

technischen Inhalte der Teile 1 bis 7 sind unverändert. Die Fremdüberwachung<br />

der Produkte erfolgt nunmehr auf freiwilliger Grundlage.<br />

CEN r DIN EN 295, Teile 1 bis 7<br />

Die Überarbeitung benötigt mehr Zeit als geplant, ist allerdings jetzt im Fluss.<br />

Die Struktur der Teile 1 bis 7 soll beibehalten werden, die inhaltlichen Änderungen<br />

und Ergänzungen beziehen sich im Wesentlichen auf Teil 1. Derzeit<br />

sind u. a. folgende Punkte in der Bearbeitung:<br />

● Tragfähigkeitsklassen bei DN 700 und größer<br />

● Anpassung der Verbindungssysteme<br />

● Anpassung der Dichtheitsanforderungen an vorhandene Normen<br />

● Erweiterung um technische Lieferbedingungen zum Kanalbetrieb<br />

(Hochdruckspülfestigkeit und Prüfverfahren)<br />

● Technische Eigenschaften für Planung, Bau und Betrieb sowie für Berechnungen<br />

Der deutsche Spiegelausschuss NA 119-05-17 AA bei DIN im NAW beriet bei<br />

seiner Sitzung am 17. Oktober <strong>2006</strong> in Hannover über die Ergebnisse.<br />

Der nächste Schritt ist nun die CEN-Umfrage. Die Ergebnisse werden Mitte<br />

2007 erwartet.<br />

Regelwerknews<br />

Normung – Überprüfung/Überarbeitung/Neuerscheinung<br />

What's new in Europe/in Germany?<br />

CEN r TC 165<br />

Aus der Frühjahrssitzung des TC 165<br />

in Riga ist u. a. darüber zu berichten,<br />

dass die Absicht besteht, für Manschettenverbindungen<br />

eine eigene<br />

Norm zu erstellen. Diese Bauteile<br />

sind derzeit nur in der DIN EN 295,<br />

Teil 4, in Bezug auf die Verwendung<br />

von Steinzeugrohren und Formstücken<br />

genormt. Offen und in Diskussion<br />

ist, welche Arbeitsgruppe innerhalb<br />

des CEN TC 165 mit dem Thema<br />

beauftragt wird.<br />

Das Thema „Rohrstatik“ ist weiterhin<br />

aktuell. Ohne materialübergreifende<br />

europäische technische Regel<br />

entstehen individuelle Lösungen ohne<br />

Anwenderbezug. Derzeit wird eine<br />

CEN-interne Umfrage zur Klärung<br />

der Situation vorbereitet, insbesondere<br />

auch unter Einbeziehung<br />

der neuen Mitglieder bei CEN.<br />

Das TC 165 hat mit der Zusammenlegung<br />

der Arbeitsgruppen WG 42<br />

und WG 43 zur WG 40 die Arbeit gestrafft.<br />

Die neue WG 40 unter der<br />

Leitung von Dr. Irwin, Großbritannien,<br />

befasst sich zukünftig mit Kläranlagen<br />

mit mehr als 50 EW.<br />

DIN r NA 119 05-09 UA 1<br />

Der Arbeitsstand im DIN-Projekt<br />

Prüfverfahren zur Ermittlung der<br />

Hochdruckspülfestigkeit von<br />

Rohrleitungsteilen für Abwasserkanäle<br />

und -leitungen beinhaltet<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

17


18<br />

Regelwerknews<br />

derzeit einen Material- und Praxistest<br />

mit definierten Randbedingungen<br />

zum Versuchsablauf, zur Beschaffenheit<br />

der Prüfkörper, zum<br />

Prüfdruck und zur Spülwassermenge<br />

der Prüfdüsen. Ein wesentlicher Aspekt<br />

ist dabei die Nachvollziehbarkeit<br />

der Prüfung und der Ergebnisse<br />

daraus. Derzeit laufen freiwillige Vorversuche.<br />

Die <strong>Steinzeugindustrie</strong> ist<br />

über den FVST <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />

e.V. vertreten.<br />

Die Arbeiten sind soweit vorangeschritten,<br />

dass derzeit Hersteller und<br />

Verbände im Rahmen einer Umfrage<br />

zur Zustimmung befragt werden.<br />

Die Ergebnisse sind im Dezember<br />

<strong>2006</strong> zu erwarten.<br />

Die Norm soll zukünftig der Ausarbeitung<br />

oder Überarbeitung von<br />

Produktnormen für Abwasserkanäle<br />

und -leitungen dienen. Sie legt Prüfverfahren<br />

zur Ermittlung der Beständigkeit<br />

von neuen Rohren und<br />

Formstücken, einschließlich Verbindungen,<br />

für Abwasserleitungen und<br />

-kanäle gegenüber den Beanspruchungen<br />

bei der Reinigung mittels<br />

Hochdruckspülverfahren fest und<br />

kann auch für renovierte Abwasserleitungen<br />

und -kanäle nach DIN EN<br />

752-5 anwendbar sein.<br />

Die Bauteile werden mit zwei Verfahren<br />

geprüft: Die hydraulischen Belastungen<br />

erfolgen mit einem Spülstrahl<br />

im Rahmen einer Werkstoffprüfung,<br />

die mechanischen Belastungen<br />

erfolgen durch eine Spüldüse<br />

im Praxiseinsatz. Beide Belastungen<br />

sind hinsichtlich der Maße der<br />

Düse und der hydraulischen Randbedingungen<br />

festgelegt. Über die<br />

Spülstrahlleistung können reproduzierbare<br />

Prüfbedingungen geschaffen<br />

werden.<br />

Eine Prüfung mit Geschiebe entfällt.<br />

Solche Beanspruchungen können<br />

über Abriebtests erfolgen (siehe<br />

auch DIN EN 295-3).<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

DWA r Rohrstatik für Vortriebsrohre<br />

Parallel zur Überarbeitung des ATV-DVWK-Arbeitsblattes A 125 Rohrvortrieb<br />

erfolgt in der DWA-Arbeitsgruppe ES 5.4 UA 3 die Überprüfung des ATV-<br />

DVWK-Arbeitsblattes A 161 Statische Berechnung von Vortriebsrohren.<br />

Ein besonderer Schwerpunkt bildet dabei die Berechnung der Vortriebskraft<br />

in Kenntnis der beim Rohrvortrieb entstehenden Verwinklungen der Rohre<br />

in den Verbindungen. Die beim Rohrvortrieb dokumentierten Daten sind mit<br />

den im Rahmen der Dimensionierung der Rohre vor dem Einbau zu Grunde<br />

gelegten Randbedingungen in Einklang zu bringen. Die derzeitige Arbeit<br />

wird durch umfangreiche Vergleichsberechnungen, der Berücksichtigung<br />

grundsätzlicher Randbedingungen aus dem Vortrieb und der materialtechnischen<br />

Daten zum Druckübertragungsmittel bestimmt.<br />

DWA r ATV-DVWK-Arbeitsblatt A 139<br />

Die Überarbeitung des aus dem Jahre 2000 stammenden Arbeitsblattes A<br />

139 Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen läuft auf<br />

Hochtouren, fünf Unterarbeitsgruppen (UA 1–UA 5) sind derzeit tätig. Bei der<br />

Sitzung der Arbeitsgruppe ES 5.1 im November <strong>2006</strong> wurden die Ergebnisse<br />

erstmals gemeinsam beraten.<br />

Der FVST ist in den UA 1 und UA 4 vertreten. Festzustellen ist, dass das Zusammenwirken<br />

verschiedener Regelwerke verbessert werden muss, dass<br />

Schnittstellen zur Verantwortlichkeit klarer zu benennen sind und dass Baugrund<br />

und Boden deutlich mehr berücksichtigt werden müssen.<br />

DWA r ATV-DVWK-Arbeitsblatt A 112<br />

Am 30. September <strong>2006</strong> endete die Frist zur Offenlegung des Entwurfs<br />

(Gelbdruck) von A 112 Hydraulische Dimensionierung und Leistungsnachweis<br />

von Sonderbauwerken in Abwasserleitungen und -kanälen. Die<br />

Beratung der Einsprüche erfolgt innerhalb der DWA-Arbeitsgruppe ES 2.2.<br />

Über die Ergebnisse wird in der kommenden Ausgabe berichtet.<br />

DWA r Expertengespräch „Schwallspülung“<br />

Mit dem Expertengespräch nutzt die DWA die Möglichkeit, aktuelle Themen<br />

aufzunehmen und zu prüfen, ob sie in die Regelwerksarbeit mit einbezogen<br />

werden können. Die Meinungsbildung sollte dabei möglichst vielseitig erfolgen.<br />

Am 2. November <strong>2006</strong> fand in Darmstadt ein solches Expertengespräch<br />

zum Thema Schwallspülung statt. Mit der Schwallspülung verbundene Themen<br />

sind u. a.:<br />

● Schwallspülung und die Reinigung von Abwasserkanälen<br />

● Neuentwicklungen maschineller Einrichtungen<br />

● Ablagerungen in Kanälen<br />

● Stofftransport in Abwasserkanälen<br />

● Beseitigung von Ablagerungen<br />

Grundsätzlich fehlen gesicherte Vorgaben in den allgemein anerkannten Regeln<br />

der Technik für die langfristig erfolgreiche Anwendung der Schwallspülung<br />

sowie für den gezielten Einsatz neuer Einrichtungen und deren Spülbetrieb.<br />

Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick vom FVST führte mit einem Referat in die Thematik<br />

der Schwallspülung ein und leitete die Diskussion.


Dank erheblicher finanzieller Aufwendungen in der Vergangenheit hat<br />

die Abwasserentsorgung in Deutschland einen sehr hohen Standard<br />

erreicht. Rund 95 % der Bevölkerung ist an die öffentliche Kanalisation<br />

angeschlossen. Die Länge der öffentlichen Kanäle beträgt rund 500.000<br />

km [1, 2]. Hinzu addieren sich noch die privaten Grundstücksleitungen, die<br />

etwa doppelt so lang sind.<br />

Die Abwasserkanäle in Deutschland haben inzwischen ein beachtliches Alter<br />

erreicht:<br />

● rund 35 % aller Kanäle sind älter als 50 Jahre<br />

● rund 35 % weisen ein Alter zwischen 25 und 50 Jahren auf<br />

● rund 30 % der Kanäle sind jünger als 25 Jahre<br />

Nachdem die Ersterschließung an zentrale öffentliche Abwasserentsorgungsanlagen<br />

bald abgeschlossen sein wird, wird sich die künftige Neubautätigkeit<br />

weitgehend auf die Erneuerung von bestehenden Anlagen konzentrieren.<br />

Künftig werden daher folgende Tätigkeitsschwerpunkte zu erwarten<br />

sein:<br />

● Substanzerhalt, Instandhaltung und Modernisierung bestehender Anlagen<br />

Abb. 1: Prinzip der Nachdeckung bei der Anlagenfinanzierung.<br />

Forschung + Technik<br />

Substanzwerterhalt in der Zwickmühle<br />

Wirtschaftliche Notwendigkeit und<br />

Belastungsgrenze<br />

● Ausbau der dezentralen Abwasserbehandlungsanlagen<br />

● Anpassung der vorhandenen Anlagen<br />

an die künftigen Anforderungen<br />

(z. B. Erhöhung der Reinigungsleistung)<br />

Das wesentliche Augenmerk wird dabei<br />

dem Substanzerhalt gelten. Am<br />

Beispiel der Abwasserkanalnetze werden<br />

nachfolgend, ausgehend von<br />

den Anforderungen und Zielen an<br />

den Bau und Betrieb von Abwasseranlagen,<br />

die Auswirkungen auf die<br />

Auswahl von Erhaltungsstrategien<br />

und deren Finanzierung dargestellt.<br />

Anforderungen<br />

Entwässerungsnetze sind gemäß<br />

WHG nach den jeweils in Betracht<br />

kommenden Regeln der Technik<br />

bzw. dem Stand der Technik zu errichten<br />

und zu betreiben. Die grundsätzlichen<br />

Anforderungen sind in der<br />

DIN EN 752-2 [3] definiert; darüber<br />

hinaus sind die nationalen Regeln<br />

(z. B. Landeswassergesetze, Arbeitsblätter<br />

der DWA und DIN-Normen)<br />

zu berücksichtigen.<br />

Für Maßnahmen zur Wiederherstellung<br />

oder Verbesserung von vorhandenen<br />

Entwässerungssystemen sind<br />

gemäß DIN EN 752-5 [4] „ganzheitliche<br />

Lösungen“ zu erarbeiten, die<br />

alle hydraulischen, baulichen und<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

19


20<br />

Forschung + Technik<br />

umweltrelevanten Aspekte berücksichtigen.<br />

Ein Entwässerungsnetz wird von<br />

mindestens zwei Generationen errichtet<br />

und soll den weiteren Generationen<br />

dienen. Es handelt sich also<br />

um ausgesprochen langlebige Wirtschaftsgüter,<br />

die über mehrere Generationen<br />

betriebssicher und funktionsfähig<br />

sein müssen und die stets<br />

die gesetzlichen Vorgaben erfüllen<br />

müssen. Über den Generationenvertrag<br />

ergibt sich dann auch die Verpflichtung<br />

einer Generation ...<br />

● ... das Entwässerungsnetz in<br />

mindestens so gutem Zustand zu<br />

übergeben, wie sie es übernommen<br />

hat und<br />

● ... dem Gebot der Nachhaltigkeit<br />

zu folgen, damit das Entwässerungsnetz<br />

die vorgesehene Nutzungsdauer<br />

auch erreichen wird.<br />

Die Anforderungen an eine Sanierung<br />

ergeben sich aus der Pflichtaufgabe<br />

einer Gemeinde zur ordnungsgemäßen<br />

Abwasserentsorgung<br />

(Wassergesetze (WG) der Länder,<br />

z. B. Art. 41b BayWG). An ein saniertes<br />

Kanalnetz werden gemäß DIN<br />

EN 752-5 [4] die gleichen Anforderungen<br />

wie an ein neues Kanalnetz<br />

gestellt.<br />

Auch die Eigenüberwachungsverordnungen<br />

der Länder fordern die<br />

Feststellung des Zustandes von Abwasserkanälen<br />

und deren Sanierung<br />

in angemessenen Zeiträumen.<br />

Die rechtlichen und technischen<br />

Anforderungen müssen erfüllt sein<br />

(gesetzliche Regelungen). Die betriebswirtschaftlichen<br />

Ziele dagegen<br />

sollen erfüllt werden. Konkrete<br />

Ziele eines Netzbetreibers können<br />

dabei z. B. das Erreichen eines bestimmten<br />

Zustandes im Sinne der<br />

Gefahrenabwehr, die vordringliche<br />

Reduktion des Fremdwasseranfalls<br />

oder die Steigerung des Substanzwertes<br />

sein.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

Finanzierung der Abwasserentsorgung<br />

Anlagenfinanzierung<br />

Die Abwasserentsorgung ist als Bestandteil der „Daseinsvorsorge“ eine hoheitliche<br />

Aufgabe der Kommunen. Sie üben diese eigenverantwortlich aus<br />

und nehmen bei Bedarf Leistungen Dritter in Anspruch.<br />

Die Abwasserentsorgung kann von öffentlichen Betrieben (kommunaler Regiebetrieb,<br />

Eigenbetrieb, Anstalt öffentlichen Rechts, Zweckverband) oder<br />

privat organisierten Unternehmen (GmbH, AG) betrieben werden. Die Abwasserbeseitigungspflicht<br />

bleibt jedoch bei der gegenwärtigen Gesetzeslage<br />

ausschließlich bei der Kommune.<br />

Von den öffentlich organisierten Betrieben sind Abwasseranlagen als „nonprofit“-Unternehmen<br />

kostendeckend zu betreiben, die Einnahmen sind dabei<br />

zweckgebunden einzusetzen.<br />

Die Abwasseranlagen werden nach dem Nachdeckungsprinzip finanziert<br />

(Abb. 1). Die erforderlichen Investitionen werden von der Kommune vorfinanziert<br />

und über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von den Nutzern<br />

der Anlage über das Abwasserentgelt refinanziert.<br />

Die Gesamtkosten der Abwasserentsorgung sind stark von den örtlichen Gegebenheiten<br />

(Siedlungsdichte, Gewerbe- und Industriebetriebe, Abwasseranfall,<br />

baulichen Rahmenbedingungen etc.) abhängig. Um die Bürgerbelastung<br />

unabhängig von den örtlichen Verhältnissen etwa gleich groß zu halten,<br />

werden den Vorhabensträgern für die Ersterschließung von bestehenden<br />

Siedlungsgebieten Zuwendungen aus allgemeinen Steuereinnahmen<br />

gewährt.<br />

Die Vorhabensträger können die verbleibende Finanzierungslücke entweder<br />

ausschließlich über Abwasserentgelte oder zusätzlich durch Erhebung von<br />

Beiträgen schließen.<br />

Je nach Höhe der Zuwendungen und Beiträge ergeben sich örtlich teilweise<br />

große Unterschiede bei den laufenden verbrauchsbezogenen Abwasserentgelten<br />

(Abwassergebühren). Jedweder Vergleich der Abwasserentgelte ohne<br />

Berücksichtigung der sonstigen Finanzierungsquellen trägt daher keinesfalls<br />

zur Aufklärung der Betriebsverhältnisse bei, sondern führt ausschließlich zu<br />

Missverständnissen und Fehlinterpretationen.<br />

Finanzierungsquellen<br />

Die Erstanschaffung der Anlagen zur Abwasserentsorgung wurde in der Vergangenheit<br />

von der öffentlichen Hand (Zuwendungen der Länder) teilweise sehr<br />

großzügig unterstützt. Derartige Zuwendungen werden für die Erneuerung sowie<br />

Erweiterung durch Erschließung von Neubaugebieten nicht gewährt.<br />

Die Erhebung von Beiträgen für die Erneuerungen ist aufgrund des komplexen<br />

Beitragsrechts nur in Ausnahmefällen (Verbesserungsbeiträge) zulässig,<br />

für die Gebietserweiterungen können sie grundsätzlich nur von den direkten<br />

Anschlussnehmern eingefordert werden. Ihr Anteil an den Gesamtkosten ist<br />

dabei in der Regel sehr gering.<br />

Für den Erhalt und die Erweiterung der bestehenden Abwasseranlagen muss<br />

künftig die Finanzierung ausschließlich von den Anschlussnehmern getragen<br />

werden. Selbstverständlich besorgt der öffentliche Anlagenbetreiber eine


günstige Zwischenfinanzierung durch Kreditinstitute, wodurch die finanzielle<br />

Belastung so gering wie möglich gehalten wird. Nichts desto trotz werden<br />

künftig die Abwasserentgelte schon wegen der fehlenden begünstigten und<br />

direkten Finanzierungen zwangsläufig steigen müssen, sobald Erneuerungen<br />

im größeren Umfang anstehen, die nicht durch Abschreibungen abgedeckt<br />

werden können.<br />

Prinzip der Wirtschaftlichkeit<br />

Jeder Betreiber einer Abwasseranlage ist bestrebt und dazu gehalten, wirtschaftlich<br />

zu handeln. Was ist allerdings unter wirtschaftlichem Bauen und<br />

Betreiben von Kanalisationen zu verstehen? Heißt das,<br />

● billigste Lösungen zu suchen?<br />

● insgesamt preiswerte Lösungen zu wählen oder<br />

● nachhaltig für den sicheren und zukunftsorientierten Betrieb mit Werterhalt<br />

der Anlagen zu sorgen?<br />

Diese Frage können wir nur lösen, wenn wir uns dieser Aufgabe unvoreingenommen<br />

und unbeeinflusst von der täglichen Politik widmen und eine auf<br />

Dauer tragbare Lösung suchen. Kurzfristige scheinbare Erfolge durch „Einsparungen“<br />

an jeder Ecke lohnen sich auf Dauer nicht. Es muss allerdings allen<br />

Beteiligten, von den Entscheidungsträgern bis zum zahlenden Bürger,<br />

klar sein, welche Konsequenzen die gewählte Strategie für den Anlagenbetrieb<br />

nach sich zieht. Nur dann werden wir tatsächlich wirtschaftlich handeln.<br />

Die Praxis, nur die „billigsten“ Lösungen als wirtschaftliches Handeln zu verstehen,<br />

sind „zu einfach“ und führen auf Dauer in eine Sackgasse: „Das Gesetz<br />

der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten“ (John Ruskin,<br />

1819–1900).<br />

Die Wirtschaftlichkeit einer Sanierungsmaßnahme kann mit einer Kostenvergleichsrechnung,<br />

z. B. nach Maßgabe der von der Länderarbeitsgemeinschaft<br />

Wasser (LAWA) aufgestellten Leitlinien [5], geprüft werden. Über die<br />

Barwertmethode wird dabei ein wertmäßiger Vergleich der zu verschiedenen<br />

Zeitpunkten anfallenden Kosten ermöglicht. Die Summe der über den<br />

gesamten Betrachtungszeitraum anfallenden Barwerte entspricht dem Pro-<br />

Abb. 2: Auswirkung der werterhöhenden Maßnahmen auf den Substanzwertverlauf.<br />

Forschung + Technik<br />

jektkostenbarwert. Unter der Voraussetzung,<br />

dass alle verglichenen<br />

Sanierungsalternativen gleichwertig<br />

sind, ist diejenige mit dem geringsten<br />

Projektkostenbarwert zu wählen.<br />

Und hier beginnen die Probleme:<br />

Wie werden Sanierungsalternativen<br />

miteinander verglichen und wann<br />

sind sie als gleichwertig zu betrachten?<br />

Schlicht setzt man auf die Alternative<br />

mit dem niedrigsten Barwert,<br />

ohne andere Kriterien, wie z. B.<br />

Nachhaltigkeit oder Werterhalt, zu<br />

berücksichtigen.<br />

Die Beweggründe für die Wahl einer<br />

bestimmten Lösung sind dabei vielfältig<br />

und haben mit „objektiven“<br />

Kriterien häufig wenig gemeinsam.<br />

Im Folgenden wird der Substanzwerterhalt<br />

als ein Kriterium für das<br />

wirtschaftlich nachhaltige Vorgehen<br />

vorgestellt und seine Anwendung<br />

aufgezeigt.<br />

Substanzwerterhalt<br />

Substanzwert<br />

Der Substanzwert (SW) stellt den<br />

materiellen Wert eines gebrauchten<br />

Wirtschaftsgutes, wie z. B. eines Kanalnetzes<br />

oder einer Haltung unter<br />

Berücksichtigung seines Alters sowie<br />

ggf. vorhandener Mängel dar. Er<br />

wird, in Übereinstimmung mit den<br />

Vorgaben der DWA sowie in Anlehnung<br />

an die Wertermittlungsrichtlinie<br />

WertR 2002 [6], als Sachzeitwert<br />

in jeweils aktuellen Preisen als monetäre<br />

Größe ausgedrückt. Sein Verlauf<br />

ist ein Maß für die zukünftige Entwicklung<br />

der Kanalnetzsubstanz sowie<br />

zur Beurteilung der Nachhaltigkeit<br />

der Sanierungsmaßnahmen.<br />

Einflussgrößen für den Substanzwert<br />

sowie dessen Verlauf sind:<br />

● Schädigung einer Haltung und<br />

damit verbundener, ggf. wiederkehrender<br />

Sanierungsaufwand<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

21


22<br />

Forschung + Technik<br />

● Restnutzungsdauer im Verhältnis<br />

der mittleren Nutzungsdauer einer<br />

gleichartigen Haltung<br />

● Künftig geplante Sanierungen<br />

und deren Einfluss auf den Substanzwert<br />

● Netzerweiterung durch Ersterschließung<br />

Zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen<br />

Erstellung ist der Substanzwert<br />

einer Haltung gleich dem Wiederbeschaffungswert.<br />

Wegen des gebrauchten<br />

Zustandes wird ein entsprechender<br />

Abschlag auf den Wiederbeschaffungswert<br />

notwendig,<br />

um den Substanzwert zum betrachteten<br />

Zeitpunkt zu erhalten. Zum<br />

Zeitpunkt der Außerbetriebnahme<br />

der Haltung ist der Substanzwert<br />

verbraucht und beträgt Null.<br />

Der Wiederbeschaffungswert<br />

(WBW) entspricht den Kosten, die<br />

für ein neues Wirtschaftsgut an gleicher<br />

Stelle mit den gleichen Eigenschaften<br />

zu bezahlen wären.<br />

Der relative Substanzwert (SW rel. )<br />

als Verhältnis von Substanzwert zum<br />

Wiederbeschaffungswert eignet sich<br />

zur Bewertung eines Netzes sowie<br />

zum Netzvergleich.<br />

Als idealer Substanzwert (SW ideal )<br />

wird der dem Alter des Kanalnetzes<br />

angemessene relative Substanzwert<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

wirtschaft. San.-Art<br />

verstanden. Er kann über das Verhältnis des mittleren Netzalters zur Nutzungsdauer<br />

eines weitgehend ungeschädigten Netzes ermittelt werden [7]:<br />

SWideal mittl. Netzalter<br />

= 1 –<br />

WBW ND eines ungeschädigten Netzes<br />

Abb. 3: Relativer Substanzwertverlauf für unterschiedliche Strategien.<br />

Wird der Substanzwertverlauf eines Kanalnetzes in Relation zum idealen<br />

Substanzwertverlauf betrachtet, kann ein dem zunehmenden Netzalter unangemessener<br />

Substanzwertverlust identifiziert werden. Der Verlauf des idealen<br />

Substanzwertes ist nicht konstant. Mit jeder Erneuerungs- bzw. Erweiterungsmaßnahme<br />

verändert sich auch der ideale Substanzwert. Für jede gewählte<br />

Strategie ergibt sich daher ein eigener Verlauf des idealen Substanzwertes.<br />

Durch Sanierungsmaßnahmen kann der ideale Substanzwert der gewählten<br />

Strategie nur asymptotisch erreicht, jedoch nicht überschritten werden.<br />

Das Maß für die zukünftige Entwicklung und Beurteilung des Kanalnetzsubstanzwertes<br />

ist der Substanzwertverlauf. Der Substanzwert verringert sich<br />

naturgemäß altersbedingt. Durch werterhöhende Maßnahmen kann der<br />

Wertverlust jedoch gebremst oder sogar ein Werterhalt erreicht werden<br />

(Abb. 2).<br />

Ziele zum Substanzwerterhalt<br />

Neben dem langfristigen Ziel, einen nachhaltigen Substanzwert von 50 %<br />

des Wiederbeschaffungswertes zu erreichen, soll in jedem Fall durch die gewählte<br />

Sanierungsstrategie kurz- bis mittelfristig gewährleistet werden, dass<br />

sich der Netzzustand im Vergleich zum idealen Substanzwert nicht weiter<br />

verschlechtert [7, 8]. In der Regel wird eine Verstetigung des Substanzwertes<br />

auf einem Niveau von mindestens 50 % des Wiederbeschaffungswertes<br />

angestrebt [9]. Um einem schleichenden Werteverzehr, insbesondere bei jungen<br />

Netzen, vorzubeugen, ist zu prüfen, ob aufgrund der vorliegenden<br />

Schädigung des Netzes bereits bei einem Substanzwert größer 50 % des<br />

Wiederbeschaffungswertes ein dem Alter des Kanalnetzes unangemessen geringer<br />

Substanzwert vorhanden ist.<br />

Ein relativer Substanzwert kleiner SWi deal (oder signifikant unter 50 %) würde<br />

ein Substanzwertdefizit bedeuten.<br />

Ein erheblicher Teil des Kanalnetzes<br />

Erneuerungsstrategie<br />

befindet sich in diesem Fall nicht mehr<br />

im akzeptierten Zustandsbereich. Dadurch<br />

wird kurzfristig eine wesentliche<br />

Erhöhung der Sanierungsleistung bzw.<br />

des -budgets erforderlich (Intervention).<br />

Eine zunehmende Abweichung<br />

vom Idealwert weist darauf hin, dass<br />

die zwecks Funktionserhaltung dringend<br />

erforderlichen Investitionen aufgeschoben<br />

und damit in Form eines<br />

Investitionsstaus in die Zukunft verlagert<br />

werden.


Bei einem relativen Substanzwert signifikant kleiner 50 % wird empfohlen,<br />

kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, die einen weiteren Werteverzehr verhindern<br />

(Intervention). Mittelfristig soll ein relativer Substanzwert von mindestens<br />

50 % angestrebt werden. Wird bei jüngeren Netzen der ideale Substanzwert<br />

um mehr als 25 % unterschritten, wird empfohlen, kurzfristig Maßnahmen<br />

zur Substanzwerterhöhung zu ergreifen, um einem Wertverfall entgegenzuwirken.<br />

Bei alten Kanalnetzen wird der relative Substanzwert stets unter 50 % liegen.<br />

Obwohl eine Steigerung langfristig auf 50 % erforderlich ist, ist eine kurzfristige<br />

Steigerung meist nicht durchführbar. Auch hier wird eine Bewertung<br />

analog zum idealen Substanzwert empfohlen. Bei den alten betrachteten Kanalnetzen<br />

ergibt sich dabei eine untere Grenze bei 75 % des idealen Substanzwertes,<br />

die den Netzbetreiber noch nicht vor unlösbare Aufgaben stellt.<br />

Spätestens bei einer Unterschreitung des idealen Substanzwertes um mehr<br />

als 25 % liegt damit ein erhebliches Defizit und ein dringender Interventionsbedarf<br />

vor.<br />

Substanzwertentwicklung<br />

Die Auswirkungen unterschiedlicher Extrem-Strategien auf den Substanzwertverlauf<br />

sind in Abb. 3 exemplarisch für ein junges, baulich gering geschädigtes<br />

Netz mit hydraulischen Defiziten wiedergegeben. Folgende Sanierungsstrategien<br />

wurden untersucht [7, 8]:<br />

● Wirtschaftlichste Sanierungsalternative<br />

Ziel dieser Strategie ist die Behebung aller Schäden mit dem langfristig geringsten<br />

Mitteleinsatz durch Auswahl des wirtschaftlichsten Sanierungsverfahrens<br />

(Reparatur, Renovierung, Erneuerung). Dabei wurde für Reparaturen<br />

und Renovierungen keine Steigerung des Substanzwertes einer Haltung angesetzt.<br />

● Wirtschaftlichste Sanierungsalternative mit werterhöhendem Einfluss<br />

von Reparaturen und Renovierungen<br />

Ziel wie oben.<br />

● Erneuerungsstrategie<br />

Die Sanierung des Kanalnetzes findet ausschließlich durch Erneuerungsmaßnahmen<br />

statt. Die zeitliche Anordnung der Maßnahmen ist lediglich abhängig<br />

von der Dringlichkeit (Sanierungspriorität SP).<br />

● Reparaturstrategie<br />

Es werden grundsätzlich alle Haltungen, ungeachtet des Wirtschaftlichkeitsvergleiches,<br />

mittels Reparaturverfahren saniert. Hydraulische Defizite bleiben<br />

dabei unberücksichtigt.<br />

● Nichtstun<br />

Es werden weder Reparatur- noch Renovierungs- oder Erneuerungsmaßnahmen<br />

durchgeführt (Feuerwehrstrategie).<br />

Aus Abb. 3 ist ersichtlich, dass mit der wirtschaftlichen Sanierungsstrategie<br />

in diesem konkreten Netz ein nachhaltiger Werterhalt erreicht wird. Die extreme<br />

Erneuerungsstrategie führt zu einer erheblichen Erhöhung des Substanzwertes,<br />

die jedoch in diesem Fall weder notwendig noch wirtschaftlich<br />

ist. Eine Reparaturstrategie gewährleistet einen funktionsgerechten Betrieb,<br />

führt jedoch auf Dauer zu einem Wertverschleiß, der entweder nicht mehr<br />

aufgehalten werden oder nur durch außergewöhnliche finanzielle Belastung<br />

Forschung + Technik<br />

(Neubau?!) wieder in einen ordnungsgemäßen<br />

Zustand gebracht<br />

werden kann.<br />

Wird für Reparatur- und Renovierungsmaßnahmen<br />

ein werterhöhender<br />

Einfluss angenommen, ergab<br />

sich im konkreten Fall auch bei dieser<br />

optimistischen Betrachtung keine<br />

nachhaltige zusätzliche Wertsteigerung,<br />

sondern der Substanzwertverlauf<br />

wird lediglich gering verschoben.<br />

Substanzwerterhalt<br />

Das materielle Substanzdefizit ergibt<br />

sich als Differenz des aktuellen Substanzwertes<br />

und des idealen Substanzwertes.<br />

Wird der Substanzwert<br />

eines Kanalnetzes für eine definierte<br />

Netzerhaltungsstrategie ermittelt,<br />

kann über dessen Verlauf sowie den<br />

Abstand zum idealen Substanzwert<br />

beurteilt werden, ob und inwieweit<br />

ein Substanzwerterhalt oder eine<br />

-verbesserung erzielt wird. Als Basisverlauf<br />

des idealen Substanzwertes<br />

kann die funktionserhaltende Strategie<br />

herangezogen werden. In Abb. 4<br />

sind die möglichen Strategien bei einem<br />

alten Kanalnetz mit und ohne<br />

Substanzwerterhalt dargestellt:<br />

● Keine Maßnahmen<br />

Mit zunehmendem Alter findet ein<br />

Wertverschleiß statt. Durch „Feuerwehrmaßnahmen“<br />

wird die Netzfunktion<br />

notdürftig erhalten.<br />

● Funktionserhalt<br />

Durch Instandhaltungsmaßnahmen<br />

(überwiegend Reparaturen mit einem<br />

Mindestanteil an werterhöhenden<br />

Maßnahmen) bleibt das Kanalnetz<br />

funktionsfähig. Der Abstand<br />

vom idealen Substanzwert nimmt<br />

zu. Ein Werterhalt findet nicht statt.<br />

● Funktionswerterhalt<br />

Der Abstand zum idealen Substanzwert<br />

der Funktionserhaltung wird<br />

verringert bzw. dieser wird erreicht<br />

oder sogar überschritten. Hierbei<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

23


24<br />

Forschung + Technik<br />

wird ein funktioneller Werterhalt angestrebt.<br />

● Relativer Werterhalt<br />

Der Abstand des Substanzwertes<br />

zum idealen Substanzwert wird<br />

nicht verschlechtert. Zwar ist ein<br />

sinkender Substanzwert vorhanden,<br />

es wird jedoch einem überproportionalen<br />

Netzverfall entgegengewirkt.<br />

● Nachhaltiger Werterhalt<br />

Der aktuelle relative Substanzwert<br />

entspricht in etwa dem zum Bewertungszeitpunkt<br />

vorhandenen relativen<br />

Substanzwert.<br />

● Nachhaltige Wertverbesserung<br />

Es wird mittel- bzw. langfristig ein relativer<br />

Substanzwert von 50 % des<br />

Wiederbeschaffungswertes angestrebt<br />

bzw. erreicht.<br />

Ein Werterhalt bzw. eine Wertverbesserung<br />

lässt sich aus Erfahrung je<br />

nach Netzalter und Zustand durch<br />

Abb. 4: Substanzwertverlauf in Abhängigkeit der wertsteigernden Investitionen.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

eine Erneuerungsrate von rd. 0,6 % bis 1,6 %, bezogen auf die Netzlänge,<br />

erzielen.<br />

Die Funktions- und Betriebssicherheit lassen sich jedoch nicht durch diese Erneuerungsrate<br />

gewährleisten. Hierzu sind weitere planmäßige Instandhaltungsmaßnahmen<br />

erforderlich, sodass sich eine sinnvolle Strategie nur als<br />

Kombination aller Sanierungsarten (Erneuerung, Renovierung und Reparatur)<br />

ergeben kann. Mit optimiertem Finanzmitteleinsatz werden die Funktionsund<br />

Betriebssicherheit bei gleichzeitigem Substanzwerterhalt gewährleistet.<br />

Auswirkung der zeitlichen Umsetzung<br />

Liegt eine Sanierungskonzeption vor, stehen auch alle notwendigen <strong>Information</strong>en<br />

zur Beschreibung der künftigen Entwicklung einer Haltung und den<br />

voraussichtlichen Kosten zur Verfügung:<br />

● durchzuführende Maßnahmen und Sanierungskosten<br />

● Zeitpunkte von ggf. notwendigen Wiederholungen von Maßnahmen<br />

● Zeitpunkt der Außerbetriebnahme einer Haltung (Erneuerung oder Erweiterung)<br />

In organisatorischer und finanzieller Hinsicht wird es nicht möglich sein,<br />

sämtliche geplanten Maßnahmen sofort umzusetzen. Aus diesem Grund ist<br />

es erforderlich, für die Umsetzung Zeiträume in Abhängigkeit der Dringlichkeit<br />

von Maßnahmen unter Berücksichtigung folgender Kriterien anzusetzen:<br />

● Die technischen, gesetzlichen und umweltrelevanten Anforderungen an<br />

die zeitliche Umsetzung bei der Beseitigung der festgestellten Mängel sind<br />

einzuhalten.


Abb. 5: Auswirkungen der zeitlichen Umsetzung auf die Gebühren- und<br />

Substanzwertentwicklung.<br />

● Die gewählten Zeiträume sind kritisch mit den zu Grunde liegenden Sanierungsprioritäten<br />

oder Schadensklassen zu vergleichen.<br />

● Die gewählten Zeiträume sollen auch für andere Beteiligte (z. B. beim<br />

Mehrspartenansatz) akzeptabel sein.<br />

● Eine möglichst gleichmäßige Sanierungskostenverteilung sowie Gebührenentwicklung<br />

ist anzustreben.<br />

● Die Umsetzbarkeit im Hinblick auf Bauvolumen und Personalbedarf muss<br />

gewährleistet werden.<br />

Werden die Sanierungsziele über Sanierungsprioritäten definiert, entsteht ein<br />

Zeitplan für die Abarbeitung der vorhandenen Sanierungsprioritäten. Die Erarbeitung<br />

des Zeitplanes stellt einen iterativen Prozess dar, wobei, ausgehend<br />

von der technisch optimalen oder netzbetreiberspezifischen Vorstellung, die<br />

Auswirkungen auf die o. g. Bewertungsmerkmale (Gebühr, Investitionsplanung,<br />

Anforderungen) ermittelt, bewertet und angepasst werden.<br />

Für einen optimalen Betrieb von Abwasseranlagen ist es notwendig, die<br />

rechtlichen und technischen Vorgaben zu erfüllen. Weiteres Ziel ist das Bestreben,<br />

den Werterhalt der Anlage bei minimalen finanziellen Belastungen<br />

der Anschlussnehmer zu erzielen. Diese beiden Ziele lassen sich allerdings<br />

nicht gleichzeitig erreichen. Ein Werterhalt erfordert Investitionen, die<br />

zwangsläufig eine Gebührenerhöhung hervorrufen. Die Gebührenkonstanz<br />

dagegen führt zu einer unangemessenen Verschiebung der notwendigen<br />

Baumaßnahmen im Netz und zu einer Verlagerung der finanziellen Last auf<br />

die künftige Generation durch den entstandenen Investitionsstau (Abb. 5).<br />

Erneuerungsrate<br />

Eine optimale Strategie ergibt sich, wenn die Erneuerungsrate der angesetzten<br />

Nutzungsdauer entspricht und diese mit der kalkulatorischen Nutzungsdauer<br />

übereinstimmt. Auch bei der Sanierung aller Defizite im Kanalnetz<br />

kann es vorkommen, dass der geplante Erneuerungsanteil für das konkrete<br />

Kanalnetz zu gering ist und ein Substanzwertrückgang festgestellt wird oder<br />

der gewünschte Substanzwertzuwachs nicht erzielt werden kann. Ziel ist, einen<br />

für das Kanalnetz optimalen Kompromiss zwischen wirtschaftlicher Ver-<br />

Forschung + Technik<br />

fahrensauswahl und Erneuerungsstrategie<br />

zu erreichen. Gründe für einen<br />

zu geringen Substanzwert bzw.<br />

-verfall können sein:<br />

● es liegt ein überaltertes Kanalnetz<br />

vor<br />

● das Kanalnetz ist stark geschädigt<br />

● der beabsichtigte Sanierungsumfang<br />

ist zu gering<br />

● der Reparaturanteil der Sanierungsmaßnahmen<br />

ist zu hoch<br />

● der Zeitplan für die Umsetzung<br />

der Sanierungen ist zu lang<br />

Da eine Substanzwerterhöhung im<br />

Wesentlichen nur durch Erneuerungen<br />

oder Erweiterungen bzw. Reinvestitionen<br />

geschaffen werden kann,<br />

soll überprüft werden, ob bei der Sanierungskonzeption<br />

zu einseitig auf<br />

Reparaturverfahren gesetzt wurde<br />

(z. B. „Reparaturstrategie“). In diesen<br />

Fällen stehen zwei Gegenmaßnahmen<br />

zur Verfügung:<br />

● Erhöhen der Erneuerungsrate<br />

durch die Formulierung entsprechender<br />

Kriterien<br />

● Berücksichtigung des Substanzwertverfalls<br />

durch Vorsehen der Finanzmittel<br />

für die in der Zukunft erforderlichenReinvestitionsmaßnahmen<br />

Bürgerbelastung<br />

Den wesentlichen Teil der Kosten für<br />

den Bau und Betrieb von Abwasseranlagen<br />

tragen die Bürger als Anschlussnehmer.<br />

Um die Bürgerbelastung<br />

in Grenzen zu halten, verhalten<br />

sich die Anlagenbetreiber bei den<br />

werterhöhenden Investitionen (Erneuerung,<br />

werterhöhende Renovierung)<br />

häufig sehr zurückhaltend.<br />

Bei einem konsequenten kontinuierlichen<br />

Einsatz von 60 % der jährlichen<br />

Abschreibungen für die Neuinvestitionen<br />

hätte der Wert der Abwasseranlagen<br />

gehalten werden<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

25


26<br />

Forschung + Technik<br />

Abb. 6: Reale Gebührenentwicklung eines Kanalnetzes in Abhängigkeit von der Verfahrensstrategie.<br />

können, ohne hierfür die Abwasserentgelte<br />

erhöhen zu müssen [10].<br />

Dies setzt jedoch eine erhebliche<br />

Verlängerung der Refinanzierungszeit<br />

voraus. Eine solche Refinanzierungsstrategie<br />

hat kaum ein Anlagenbetreiber<br />

verfolgt, sodass sich<br />

nun die Frage stellt, wie die zunehmend<br />

notwendigen Werterhaltungsmaßnahmen<br />

finanziert werden<br />

sollen. Bald werden rund 50 %<br />

aller Kanäle älter als 50 Jahre sein. Bei<br />

einem häufig anzutreffenden Abschreibungssatz<br />

von 2 % bedeutet<br />

dies, dass die Hälfte aller Kanäle bereits<br />

refinanziert ist. Dabei stellen<br />

sich die Fragen:<br />

● Was wurde für ihren Werterhalt<br />

getan?<br />

● Wie hoch sind die Raten für die<br />

werterhaltenden Maßnahmen?<br />

Die Abwasserentsorgungsanlagen<br />

sind an sich verhältnismäßig teure<br />

Anlagen. Jährlich werden in der Bundesrepublik<br />

insgesamt rund 6 Mrd.<br />

Euro in die öffentliche Abwasserent-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

sorgung investiert. Davon entfallen<br />

mit rund 3,1 Mrd. Euro gut die<br />

Hälfte auf die Kanalisation. Trotzdem<br />

muss nach der Umfrage der<br />

DWA wesentlich mehr in die Kanalisation<br />

investiert werden:<br />

● Rund 17 % der Kanäle sind mittelfristig<br />

aufgrund des baulichen<br />

Zustands zu sanieren<br />

● Aus Erfahrung sind weitere 10%<br />

bis 15 % hydraulisch überlastet<br />

Nach [1] werden jedoch aus Kostengründen,<br />

wenn überhaupt,<br />

mehr Reparaturen als werterhaltende<br />

Maßnahmen durchgeführt.<br />

Eine Lösung dieses Problems auf<br />

Dauer wird häufig von der Änderung<br />

der Betriebsform (Umwandlung<br />

der Regiebetriebe in Eigenbetriebe<br />

oder Anstalt öffentlichen<br />

Rechts oder der Beteiligung der<br />

privaten Wirtschaft (PPP) erwartet.<br />

Werden die aus einer generellen<br />

Sanierungsplanung (GSP) ermittelten Investitionsplanungen in die vorhandene<br />

Gebührenkalkulation übertragen und entsprechende Vorkalkulationen<br />

für die kommenden Jahre unter Berücksichtigung von Inflationsrate und<br />

Preissteigerung durchgeführt, kann der künftig zu erwartende Gebührenverlauf<br />

prognostiziert werden. Hilfreich ist dabei die haltungsgenaue Kenntnis<br />

kaufmännischer Angaben wie Anschaffungskosten, Wiederbeschaffungswert,<br />

Restbuchwert und Abschreibungssätze und deren zeitliche Prognose<br />

mit Hilfe der Angaben aus der GSP (Art der Maßnahme, Zeitpunkt der Sanierungen<br />

inkl. der Erneuerungen, angestrebte Zeiträume bei der Umsetzung).<br />

Ziel sollte die Vergleichmäßigung sowie die Vermeidung von extremen<br />

Anstiegen oder Abfällen der Gebühr in bestimmten Perioden sein.<br />

Aus Abb. 6 ist ersichtlich, dass durch konsequent durchgeführte Instandhaltungsmaßnahmen<br />

ausschließlich durch Reparaturen die aktuelle Gebührenhöhe<br />

zwar langfristig gehalten wird, sich der Substanzwert dabei aber stetig<br />

verringert und ein erheblicher Investitionsstau erzeugt wird. Bei einer Erneuerungsstrategie<br />

steigen zwar die Gebühren, der Substanzwert erhöht sich aber<br />

deutlich. Die Belastung bei der wirtschaftlichen Strategie liegt erwartungsgemäß<br />

dazwischen, wobei der reale Gebührenindex über Jahrzehnte auf<br />

rund 1,2 stabilisiert wird.<br />

Zusammenfassung und Schlussbemerkungen<br />

Die Umsetzung der weitgesteckten Forderung der DIN EN 752 an den Bau<br />

und Betrieb von Kanalisationen wird vielerorts nur langfristig möglich sein.<br />

Der Umfang der notwendigen Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen<br />

und die daraus entstehenden finanziellen Zwänge erfordern deshalb eine


Strategie mit konkreten Zieldefinitionen, welcher Zustand im Kanal zu welchem<br />

Zeitpunkt zu erreichen ist. Von einer solchen Strategie wird darüber<br />

hinaus eine wirtschaftliche und langfristige Perspektive für das vorhandene<br />

Anlagevermögen des Kanalnetzes erwartet, die über eine bloße Aufrechterhaltung<br />

des Kanalbetriebes hinausgeht.<br />

Damit die finanzielle Belastung der Bürger stets in Grenzen gehalten wird,<br />

gilt es, Strategien zu entwickeln, die bei einer zumutbaren Bürgerbelastung<br />

(Herstellungs- und Ergänzungsbeiträge, Abwassergebühren) stets die o.a.<br />

Ziele erreichen sowie gesetzliche Vorgaben erfüllen. Der historisch durch Ausbauschübe<br />

geprägte Netzaufbau mit Perioden unterschiedlicher Verlegeund<br />

Materialqualität lässt in der Zukunft starke Schwankungen des erforderlichen<br />

Reinvestitionsbedarfs erwarten, wenn diese nicht durch vorausschauende<br />

Planung verstetigt werden [9].<br />

Wird der Substanzwert auf der Grundlage einer „Generellen Sanierungsplanung“<br />

(GSP) ermittelt, können neben Aussagen zum materiellen Wert des<br />

Kanalnetzes, die Prognose der zukünftigen Entwicklung und damit die<br />

kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen unterschiedlicher Steuerungs-<br />

Parameter untersucht und Vorgaben zur strategischen Umsetzung der Maßnahmen<br />

erarbeitet werden. Die geplanten oder vorhandenen Strategien<br />

(Sanierungsumfang, Zeitplan, Verfahren zur Wahl der Sanierungsart) können<br />

mittels entsprechender Berechnungen auf nachhaltige Substanzwertentwicklung<br />

überprüft werden, um frühzeitig Defizite identifizieren und ggf. die<br />

Kriterien zur Strategiesteuerung anpassen zu können.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine sinnvolle Sanierungsstrategie<br />

nur eine Kombination von Reparatur-, Renovierungs- und Erneuerungsmaßnahmen<br />

sein kann, die mittel- bis langfristig einen Werterhalt des Kanalnetzes<br />

bei mäßiger Gebührenentwicklung gewährleistet.<br />

Nachdem die Abwasserentsorgung als eine kostenrechnende Einrichtung zu<br />

führen ist, muss sich bei uns die Erkenntnis verbreiten, dass wir als Bürger,<br />

Anschlussnehmer und Nutznießer dafür einzustehen haben und nicht von<br />

einem unbekannten „Dritten“ diese Leistung erwarten können. Die aktuelle<br />

finanzielle Belastung ist angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung einer<br />

ordnungsgemäßen, auf Dauer sicher zu betreibenden Abwasserentsorgung<br />

keinesfalls hoch. Wir müssen allerdings erst erfahren, wie wichtig diese Aufgabe<br />

ist, um die Bereitschaft aufzubringen, auch die Kosten dafür tragen zu<br />

wollen. Dann werden wir es auch tun. So lange jedoch versucht wird, diese<br />

Aufgabe als wenig wichtig und vor allem als eine Selbstverständlichkeit abzutun,<br />

werden wir Gefahr laufen, wie häufig in der Geschichte, uns erst dann<br />

eines Besseren zu besinnen, wenn es zu spät ist. Je früher es uns gelingt, den<br />

gegenwärtigen Trend umzukehren,<br />

desto eher werden wir auch die<br />

Chance haben, unseren Nachfahren<br />

so intakte Abwasseranlagen zu übergeben,<br />

wie wir sie von unseren Vorfahren<br />

übernommen haben.<br />

Kontakt<br />

Dipl.-Ing. Nikola Milojevic<br />

Dr.-Ing. Pecher und Partner<br />

GmbH<br />

Ginsterweg 10 a<br />

81377 München<br />

E-Mail:<br />

nikola.milojevic@pecher.de<br />

Forschung + Technik<br />

Literaturverzeichnis<br />

[1] BERGER, C. & LOHAUS, J. (2005):<br />

Zustand der Kanalisation in Deutschland<br />

– Ergebnisse der DWA-Umfrage 2004,<br />

Korrespondenz Abwasser (52) Nr. 5, S.<br />

528–539<br />

[2] BGW/DWA: <strong>Information</strong>sbroschüre:<br />

Marktdaten Abwasser 2002, Ergebnisse<br />

der gemeinsamen Umfrage zur Abwasserentsorgung<br />

[3] DIN EN 752-2 (1996): Entwässerungssysteme<br />

außerhalb von Gebäuden,<br />

Teil 2: Anforderungen<br />

[4] DIN EN 752-5 (1997): Entwässerungssysteme<br />

außerhalb von Gebäuden,<br />

Teil 5: Sanierung<br />

[5] Länderarbeitsgemeinschaft Wasser<br />

(LAWA) (2005): Leitlinien zur Durchführung<br />

dynamischer Kostenvergleichsrechnungen,<br />

6. Auflage, Kulturbuchverlag,<br />

Berlin<br />

[6] Bundesministerium für Verkehr,<br />

Bau- und Wohnungswesen (2002):<br />

Wertermittlungsrichtlinie WertR 2002 –<br />

Richtlinien für die Ermittlung der Verkehrswerte<br />

(Marktwerte) von Grundstücken<br />

[7] Pecher und Partner (2005): Entwicklung<br />

einer ganzheitlichen Kanalsanierungsstrategie<br />

für Entwässerungsnetze<br />

Deutschlands (KANSAS), Abschlussbericht<br />

[8] WOLF, M., SYMPHER, K.-J. & MI-<br />

LOJEVIC, N. (2005): Nachhaltige Kanalsanierung<br />

– Auswirkungen unterschiedlicher<br />

Strategien auf Substanzwert und<br />

Abwassergebühr, Sanierungsstrategie,<br />

Schriftenreihe aus dem Institut für Rohrleitungsbau<br />

an der FH Oldenburg (29),<br />

S. 514–529<br />

[9] DWA-M 143 Teil 14 (2005): Sanierung<br />

von Entwässerungssystemen außerhalb<br />

von Gebäuden, Teil 14: Sanierungsstrategien<br />

[10] BELLEFONTAINE, K. (<strong>2006</strong>): Substanzerhalt<br />

der Kanalisation, Vortrag 3.<br />

Kanalbautage 3./4. Mai <strong>2006</strong>, Berlin<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

27


28<br />

Forschung + Technik<br />

EDS-Verfahren<br />

Aspekte zur Wirtschaftlichkeit<br />

Gemäß den Einordnungen<br />

nach Bild 4 des ATV-DVWK-<br />

Merkblattes M 143-1 gehören<br />

die gebräuchlichen Abdichtungsverfahren<br />

in die Verfahrensfamilie<br />

der Reparatur. Der Reparatur<br />

zugeordnet sind nach Bild 3 des genannten<br />

Merkblattes vorrangig örtlich<br />

begrenzte Schäden, wie z. B. Undichtigkeiten<br />

und undichte Rohrverbindungen.<br />

Die Reparatur und im<br />

Allgemeinen damit auch die Abdichtungsverfahren<br />

beheben also punktuell<br />

Schäden und stellen damit den<br />

Sollzustand des Kanals wieder her.<br />

Einordnung des<br />

EDS-Verfahrens<br />

Das EDS-Verfahren (Erneuerung der<br />

Dichtung an Steinzeugrohrverbindungen)<br />

ist, da erst im Juni <strong>2006</strong> publiziert,<br />

in Bild 4 des Merkblattes<br />

M 143-1 nicht genannt. Entsprechend<br />

des Verfahrenskonzeptes gilt<br />

die Definition nach DIN EN 752-5,<br />

Nr. 3.2: „Maßnahme(n) zur Verbesserung<br />

der aktuellen Funktionsfähigkeit<br />

von Abwasserleitungen<br />

und -kanälen unter vollständiger<br />

oder teilweiser Einbeziehung<br />

ihrer ursprünglichen Substanz“.<br />

Das EDS-Verfahren kann daher den<br />

Renovationsverfahren zugeordnet<br />

werden.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

Auswirkungen von Abdichtungsverfahren<br />

auf die Nutzungsdauer<br />

Für die bestehenden Entwässerungssysteme wurde zum Zeitpunkt ihrer Planung,<br />

also vor xx-Jahren, eine Nutzungsdauererwartung unterstellt. Diese<br />

war, folgend den Planungsanmerkungen der damaligen Baumeister, auf<br />

Langlebigkeit ausgerichtet. Von dieser zu erwartenden Nutzungsdauer zu unterscheiden<br />

ist die Abschreibungsdauer, die nach Inbetriebnahme der jeweiligen<br />

Anlage auf Grundlage der kommunalrechtlichen und -politischen Erwägungen<br />

festgelegt wurde und heute Basis der Gebührenkalkulation ist.<br />

Reparatur<br />

Die normale betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (das Planungsziel) eines Kanals<br />

wird durch eine Reparaturmaßnahme abgesichert bzw. erhalten. Im Umkehrschluss<br />

bedeutet das: Wird die Reparaturmaßnahme nicht durchgeführt,<br />

ist die normale betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer gefährdet und führt i. d.<br />

R. zu einem früheren Nutzungsausfall = Substanz- bzw. Vermögensverlust.<br />

Damit ist grundsätzlich auch für die Reparaturverfahren ein quantifizierter<br />

wirtschaftlicher Nutzen definierbar, wie er auch im „Entscheidungsprozess<br />

zur Wahl der baulichen Lösung“ nach ATV-DVWK-Merkblatt M 143-1, Bild<br />

3, abgefragt wird.<br />

Renovierung mit EDS-Verfahren<br />

Die Anwendung eines Renovationsverfahrens bedeutet nicht nur die Wiederherstellung<br />

eines technischen Sollzustands, sondern auch die Einflussnahme<br />

auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer. Je nach Vorschädigung des Altkanals<br />

bedeutet dies, dass entweder eine neue, zuverlässig prognostizierbare<br />

Nutzungsdauer erreicht wird, oder, dass eine noch nicht vollendete Nutzungsdauer<br />

über das anzunehmende Versagensdatum hinaus verlängert<br />

wird.<br />

Die Anwendung des EDS-Verfahrens stellt an den Zustand des Kanalbestands<br />

die Anforderung der statischen Unversehrtheit, was bedeutet, dass das Altrohr<br />

im Sinne von DWA-A 127 berechenbar ist und als tragfähig nachgewiesen<br />

werden kann. Dies ist i. d. R. mit Abschluss der Zustandsbewertung nach<br />

z. B. DWA-M 149 gegeben. Damit fokussiert sich die Beurteilung der Auswirkungen<br />

des EDS-Verfahrens auf die Frage nach der langlebig sicheren Funktion<br />

1. des Steinzeugrohrs und 2. der neuen Abdichtung.


Verfahren zur baulichen Sanierung<br />

Reparatur<br />

Renovierung<br />

Erneuerung 1)<br />

Ausbesserungsverfahren<br />

Injektionsverfahren<br />

Abdichtungsverfahren<br />

Auskleidungsverfahren<br />

Beschichtungsverfahren<br />

offene<br />

Bauweise<br />

halboffene<br />

Bauweise<br />

geschlossene<br />

Bauweise<br />

Kleinbaugrube<br />

Reparatur von<br />

Hand von innen<br />

Roboterverfahren<br />

Reparatur von<br />

Fugen u. Rohrverbindungen<br />

mit<br />

Abdichtungsstoffen<br />

von Hand<br />

Kurzliner<br />

Innenmanschetten<br />

Auskleidung mit<br />

Rohren<br />

Auskleidung mit<br />

montierten<br />

Einzelelementen<br />

(Montageverfahren)<br />

Verdrängungsverfahren<br />

Aufspritzverfahren<br />

Anschleuderverfahren<br />

Auspressverfahren<br />

Rohrberstverfahren 2)<br />

Pipe-Eating mit<br />

Mikrotunnelbau 2)<br />

Bemannte Verfahren 2)<br />

(Rohrvortrieb, Tunnelund<br />

Stollenbau)<br />

Auskleidung mit<br />

vorgefertigten<br />

Rohren<br />

Auskleidung mit<br />

örtlich hergestellten<br />

Rohren<br />

Auskleidung mit<br />

örtlich hergestellten<br />

und erhärtenden<br />

Rohren<br />

Vollauskleidung<br />

Teilauskleidung<br />

Forschung + Technik<br />

mit<br />

Ringraum<br />

ohne<br />

Ringraum<br />

mit<br />

Ringraum<br />

ohne<br />

Ringraum<br />

Rohrstrangverfahren<br />

(Rohrstrang-Lining) 3)<br />

Einzelrohrverfahren<br />

(Einzelrohr-Lining) 3)<br />

Close-Fit-Verfahren<br />

(Close-Fit-Lining)<br />

Rohrstrangverfahren<br />

(Rohrstrang-Lining) 3)<br />

Wickelrohrverfahren<br />

(Wickelrohr-Lining) 3)<br />

Wickelrohrverfahren<br />

(Wickelrohr-Lining) 3)<br />

Schlauchliningverfahren<br />

(vor Ort härtendes<br />

Schlauch-Lining) 3)<br />

Noppenschlauchverfahren<br />

(Noppenschlauch-<br />

Lining)<br />

1) Erneuerung in der bisherigen Linienführung.<br />

Erneuerung in anderer Linienführung entspricht<br />

dem Neubau und wird daher hier nicht behandelt.<br />

2) Begriffe nach DIN EN 12889 „Grabenlose Verlegung<br />

und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen“<br />

(Ausgabe 03/2000).<br />

3) Begriffe in Klammern entsprechen denen nach<br />

DIN EN 13566-1 „Kunststoff-Rohrleitungssysteme<br />

für die Renovierung von erdverlegten drucklosen<br />

Entwässerungsnetzen (Freispiegelleitungen) –<br />

Teil 1: Allgemeines“ (Ausgabe 04/2003).<br />

Abb. 1: Übersicht über Verfahren zur baulichen Sanierung von Entwässerungssystemen. ATV-DVWK-M 143-1<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

29


30<br />

Forschung + Technik<br />

Zuverlässigkeit von Nutzungsdauerprognosen<br />

Prognosen von Nutzungsdauern<br />

können im Allgemeinen auf der<br />

Grundlage von „Erfahrung“, ergänzt<br />

durch wissenschaftliche Ansätze, getätigt<br />

werden. Der Faktor „Erfahrung“<br />

schließt die vermutlich zu unterstellende<br />

Brauchbarkeit für den<br />

Zweck eines Werks ein. Je nach Art<br />

der Nutzung können sowohl technische<br />

als auch ökonomische Gegebenheiten<br />

eine Nutzungsdauerprognose<br />

dominieren.<br />

Bei einer Kanalanlage zur Abwasserbeseitigung<br />

darf von einer langfristigen<br />

Nutzungsabsicht ausgegangen<br />

werden. Diese geplante Nutzungsdauer<br />

von Kanalsystemen kann, gestützt<br />

durch die „erfahrene“ Betriebsdauer<br />

des Bestands (Aufbau<br />

der Anlagen in Deutschland ab<br />

1850), durchaus mit einem Wert<br />

> 100 Jahre festgestellt werden.<br />

Die technische Konstruktion der<br />

Kanalsysteme und der Betrieb der<br />

Kanalsysteme sind mit einem solchen<br />

Nutzungsdaueranspruch in Bezug<br />

zu setzen. Gesichtspunkte für<br />

solche qualitativen Überlegungen<br />

sind:<br />

● eingesetzte Rohrwerkstoffe und<br />

deren Abnutzung im Betrieb<br />

● die im regelmäßigen Kanalbetrieb<br />

vorkommenden Konditionen<br />

● die Art und Weise des Einbaus,<br />

insbesondere die Lagerungskonditionen<br />

● die betriebliche Tauglichkeit des<br />

Systems bis zum Nutzungsdauerende<br />

Ohne die breite Palette von Materiallebensdauern<br />

darzustellen ist doch<br />

die allgemeine gesicherte Erfahrung<br />

hervorzuheben, dass das Material<br />

Steinzeug zu den dauerhaftesten<br />

Materialien zählt und gesicherte Erfahrung<br />

für eine Nutzungsdaueraussage<br />

100 Jahre + x vorliegt.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

Für das EDS-Verfahren kann daher eine Prognose der möglichen Nutzungsdauer<br />

● auf der sicheren Basis des Steinzeugrohres aufbauen<br />

● die genügend bekannten Eigenschaften des Epoxidharzes hiermit kombinieren<br />

● von einer gut steuerbaren Verfahrensausführung ausgehen<br />

Die Prognosevarianz wird im Wesentlichen durch das Material Epoxidharz<br />

und die Ausführung bestimmt.<br />

Bauliche Sanierung erforderlich<br />

örtlich begrenzte<br />

örtlich begrenzte Schäden umfangreiche Schäden<br />

wiederholte Schäden<br />

Reparatur<br />

technisch<br />

möglich?<br />

ja<br />

Reparatur<br />

wirtschaftlich<br />

vertretbar?<br />

nein<br />

Vergrößerung<br />

der Abflusskapazität<br />

erforderlich?<br />

Reparatur Renovierung<br />

Erneuerung<br />

Abb. 2: Entscheidungsprozess zur Wahl der baulichen Lösung. ATV-DVWK-M 143-1<br />

nein<br />

nein Verringerung<br />

der Abflusskapazität<br />

zulässig?<br />

nein<br />

ja ja<br />

nein<br />

Renovierung<br />

technisch<br />

möglich?<br />

Renovierung<br />

wirtschaftlich<br />

vertretbar?<br />

ja<br />

ja<br />

ja<br />

Verringerung<br />

der Abflusskapazität<br />

durch Renovierung?<br />

nein<br />

nein<br />

Sonstige<br />

Kriterien für Renovierung<br />

maßgebend?<br />

ja<br />

ja<br />

nein


Dichtung im Muffenspalt<br />

aus elastifiziertem<br />

Epoxidharz<br />

Boden der Rohrzone<br />

bzw. Rohrauflager<br />

Materialabtrag<br />

durch Vorfräsen<br />

definierter Muffenspalt<br />

12–20 mm<br />

Rest der Muffenabd.<br />

älterer Bauart<br />

Abb. 3 a: Konstruktionsprinzip der erneuerten Dichtung<br />

der Rohrverbindung.<br />

Unter Hinweis auf das Verfahrenshandbuch und die Risikoarmut der Verfahrensanwendung<br />

muss die technische Standfestigkeit des Epoxidharzes zur<br />

bestimmenden Prognosegröße definiert werden. Für Epoxidharze liegen sowohl<br />

die Erfahrungswerte als auch wissenschaftlich begründete Nutzungsdauerwerte<br />

bei über 40 Jahren. Die wissenschaftliche Nachweisführung über<br />

Zeitraffertests gibt keine Hinweise für einen messbaren Abbau von Eigenschaften<br />

infolge Alterung. Für das EDS-Verfahren kann daher die Prognosesicherheit<br />

mit „hoch“ eingestuft werden.<br />

Aspekte von Wirtschaftlichkeitsaussagen<br />

Wirtschaftlichkeit bestimmt sich zunächst aus einem Nutzen bzw. Ertrag oder<br />

auch Erfolg, der vom eigenen Interesse (ggf. persönlichem Interesse) definiert<br />

ist. Betrachtungen hierzu sind überflüssig.<br />

Zu unterstellendes Interesse eines Netzbetreibers<br />

Ein Netzbetreiber, zumal ein öffentlicher Betreiber eines Abwasserkanalnetzes,<br />

wird seine Interessenslage entsprechend seines Betreiberhorizonts aus<br />

den Erfahrungen seines Netzbetriebs, z. B. seit dem Jahr 1900, ableiten. Hierzu<br />

können besonders die Betriebskonditionen und die Langlebigkeit, d. h. eine<br />

langandauernde Nutzungsmöglichkeit, z. B. eines Kanalsystems, kombiniert<br />

mit den Anforderungen des zukünftigen Betriebs (Hydraulik, Abwasseranfall,<br />

Lasten u. a. m.) zählen.<br />

Nutzungsdauererwartung an die Kanalhaltung bestimmt das<br />

Gesamtsystem<br />

Die Nutzungsdauer einer Kanalhaltung bestimmt vorrangig die Erwartung<br />

an das Gesamtsystem. Daneben können aber auch „lokale“ Einflüsse aus äußeren<br />

und betrieblichen Randbedingungen die Nutzungsdauer, insbesondere<br />

die Erwartungen an eine zukünftige Nutzungsdauer, bestimmen.<br />

Die Kanalhaltung ist die maßgebende Einheit der Zustandsklassifizierung und<br />

bildet somit die Berechnungsbasis für alle Modelle einer technisch-wirtschaftlichen<br />

Prognoserechnung.<br />

Forschung + Technik<br />

Abb. 3 b: Sanierte Muffe, bündig mit Rohrinnenwand,<br />

Versatz simuliert.<br />

Spezielle Gesichtspunkte wirtschaftlicher<br />

Auswirkungen<br />

Renovierungsverfahren stellen für<br />

sich genommen einen ihrem technischen<br />

Ergebnis entsprechenden Vorrat<br />

an weiterer Nutzungsdauer einer<br />

Kanalhaltung sicher.<br />

Bei dem am meisten angewandten<br />

Verfahren des Schlauchlinings ist das<br />

technische Ergebnis der ausgehärtete<br />

Liner in einer Tragwerkskombination<br />

mit dem Altrohr. Die zukünftige<br />

Funktion des Kanals bestimmt jetzt<br />

der eingebrachte Liner.<br />

Die Wirtschaftlichkeit eines Renovierungsverfahrens<br />

kann, im Vergleich<br />

zu Reparatur bzw. Neubau, mit anerkannten<br />

Berechnungsverfahren<br />

nachgewiesen werden. Die für die<br />

Renovierung bzw. Reparatur und Erneuerung<br />

aufzubringenden Kosten<br />

und die jeweilige prognostische<br />

Nutzungsdauer (der Nutzen) bestimmten<br />

die Eingangsgrößen dieser<br />

Vergleichsrechnungen.<br />

Wirtschaftliche Auswirkungen<br />

des EDS-Verfahrens<br />

Das EDS-Verfahren bezieht (s. o.) seine<br />

Lebensdauer aus einem weiterreichenden<br />

Vorrat von Nutzungsdauer<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

31


32<br />

Forschung + Technik<br />

des Steinzeugrohres, gekoppelt mit<br />

der erneuerten Dichtung. Fasst man<br />

die erneuerte Dichtung als Bestandteil<br />

des „Bauwerks Kanal“ auf, so<br />

werden die absoluten Kosten der<br />

Verfahrensanwendung als zweitrangig<br />

nach einer Werterhöhung der<br />

Kanalhaltung einzuordnen sein.<br />

Beispielhaft dargestellt:<br />

● Eine Kanalhaltung aus dem Jahr<br />

1956 ist in <strong>2006</strong> zu 62,5 % abgeschrieben,<br />

wenn 80 Jahre Abschreibungsdauer<br />

angesetzt wurden. Die<br />

Renovierung mittels EDS-Verfahren<br />

erlaubt eine weitere Lebensdauerprognose<br />

(Funktionsprognose) von<br />

40 Jahren. Damit errechnet sich eine<br />

Werterhöhung des Kanals um 50 +<br />

40 – 80 = 10 Jahren weitere Nutzung<br />

auf der Kostenbasis <strong>2006</strong>. Diese<br />

Werterhöhung bedeutet Vermögenszuwachs,<br />

dessen Abnutzung<br />

über die Abschreibung in Jahreskosten<br />

und Gebührenkalkulation eingehen.<br />

● Eine Kanalhaltung aus dem Jahr<br />

1956 ist in <strong>2006</strong> zu 100 % abgeschrieben,<br />

wenn 50 Jahre Abschreibungsdauer<br />

angesetzt wurden. Die<br />

Renovierung mittels EDS-Verfahren<br />

erlaubt eine weitere Lebensdauerprognose<br />

(Funktionsprognose) von<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

40 Jahren. Damit ist ein Wertzugewinn des Kanals um 40 Jahre weitere Nutzung<br />

auf der Kostenbasis <strong>2006</strong> berechenbar. Dieser Wertzugewinn bedeutet<br />

Vermögenszuwachs, dessen Abnutzung über die Abschreibung in Jahreskosten<br />

und Gebührenkalkulation eingehen.<br />

Die Kosten der EDS-Sanierung können bei den vorgenannten Beispielen sowohl<br />

als Einmalkosten (= Reparaturkosten) als auch als Maßstab für die Werterhöhung<br />

= Vermögenszuwachs gelten, die dann über Abschreibungen abgetragen<br />

werden.<br />

Die Verfahrensweise ist letztlich dem Betreiber – im Rahmen der gesetzlichen/rechtlichen<br />

Vorgaben – freigestellt.<br />

Der Wertzuwachs des Kanals infolge der EDS-Sanierung kann, besonders bei<br />

älteren Kanälen, die direkten Kosten der EDS-Sanierung überschreiten.<br />

Bei noch nicht abgeschriebenen Kanälen ist die zur Restnutzungsdauer hinzuzuschlagende<br />

Nutzungsdauer als adäquater Vermögenswert zu quantifizieren.<br />

Die saldierten Kosten der Verfahrensanwendung im Ausführungsjahr<br />

errechnen sich dann aus „Kosten der Sanierung“ minus Vermögenszuwachs<br />

= reale Kosten.<br />

Zusammenfassung<br />

Die Anwendung des EDS-Verfahrens ist bereits vom technischen Ansatz her<br />

auf einen Hinzugewinn an betriebsgewöhnlicher Nutzungsdauer ausgelegt.<br />

Dieser Hinzugewinn ist seitens des Rohrsystems Steinzeug bei Feststellung<br />

der statischen Unversehrtheit i.d.R. für weit mehr als 100 Jahre Gesamtnutzungsdauer<br />

sicher.<br />

Die Berechnung von wirtschaftlichen<br />

Auswirkungen und damit die Möglichkeit<br />

des Nachweises von „Wirtschaftlichkeit“,<br />

auch im Vergleich mit<br />

anderen Sanierungsverfahren, muss<br />

in jedem Fall den Hinzugewinn an<br />

Nutzungsdauer einbeziehen.<br />

Kontakt<br />

Dipl.-Ing. Hans-Joachim Purde<br />

PURDE, JOHN & PARTNER<br />

85598 Baldham<br />

Tel.: 0 81 06/35 83 15<br />

E-Mail: purde@pjp.de


Aufgrund erschwerter Randbedingungen im städtischen Raum und der<br />

Erkenntnis, dass ein Großteil der Kanalschäden durch mangelhafte<br />

Bauausführung verursacht ist, ergibt sich die Notwendigkeit, für den<br />

Einbau von Rohrleitungen Verfahren und Technologien zu wählen, die diesen<br />

Anforderungen entsprechen. Eine Möglichkeit hierfür ist der Einsatz<br />

selbstverdichtender Materialien (SVM), auch stabilisierte Verfüllmaterialien<br />

genannt. Nach einem Vorschlag der ONR 23131 (Verfüllung von Künetten<br />

mit stabilisierten Verfüllmaterialien (SVM) – Kriterienkatalog für stabilisierte<br />

Verfüllmaterialien) wurden diese Materialien wie folgt definiert:<br />

Selbstverdichtende Materialien oder stabilisierte Verfüllmaterialien<br />

(SVM) sind konditionierte Verfüllmaterialien auf Basis von natürlichen Ge-<br />

Wiederverwendung<br />

des Aushubmaterials<br />

Forschung + Technik<br />

Pilotprojekt<br />

Einsatz von selbstverdichtenden Materialien<br />

Abb. 1: Übersicht über Rohrgraben-Verfüllmaterialien. Vorschlag ONR 23131, 2005<br />

Verfestigung durch Hydratation<br />

ohne Zuschläge<br />

Dämmer<br />

Blitzdämmer<br />

sibopress ®<br />

Rohrgrabenverfüllmaterialien<br />

Verwendung aufbereiteter<br />

Materialien<br />

aufbereiteter<br />

Bodenaushub<br />

Recycling-<br />

Baustoffe<br />

Selbstverdichtende Baustoffe<br />

Verfestigung durch Hydratation<br />

mit Zuschlägen<br />

füma ® Boden<br />

füma ® rapid<br />

Fluremix ®<br />

Verwendung von<br />

Austauschmaterialien<br />

natürliche<br />

Materialien<br />

aus natürl.<br />

Materialien<br />

SVM<br />

aus Recycling-<br />

Baustoffen<br />

Verfestigung durch Bindung<br />

der Bodenteilchen<br />

Weimarer Bau-Mörtel ®<br />

RSS ® -Flüssigboden<br />

Abb. 2: Marktübersicht selbstverdichtender Materialien. Redeker, M., 2005<br />

steinskörnungen oder Recycling-<br />

Baustoffen, die in fließfähigem Zustand<br />

in den Rohrgraben eingebracht<br />

werden und in einem anschließenden<br />

Abbinde- oder Verfestigungsprozess,<br />

ohne Einsatz von<br />

Verdichtungsenergie, eine dem geforderten<br />

Einsatzzweck im Rohrgraben<br />

entsprechende Festigkeit und<br />

Tragfähigkeit erreichen. Dabei bleiben<br />

sie über die gesamte Nutzungsdauer<br />

händisch, d.h. mit Krampen<br />

und Schaufel wieder aufgrabbar.<br />

Diese Materialien bestehen aus folgenden<br />

Inhaltsstoffen:<br />

● Grundmaterial (Sand, Kies, Bodenaushub,<br />

Baustoffrecycling)<br />

● Plastifikator (Bentonitsuspension,<br />

Cellulose)<br />

● Stabilisator (Zement oder Kalk)<br />

● Wasser<br />

Für die Herstellung bestehen folgende<br />

Möglichkeiten:<br />

● Zentrale Herstellung in Mischwerken<br />

(mixed-in-plant)<br />

● Lokale Herstellung vor Ort<br />

(mixed-in-place)<br />

Sie können entweder in Mischwerken<br />

(mixed in plant) oder vor Ort<br />

(mixed in place) hergestellt werden.<br />

Diese Materialien werden flüssig in<br />

den Rohrgraben eingefüllt und verfestigen<br />

sich ohne zusätzliche Verdichtungsenergie<br />

durch Entwässerung<br />

infolge Hydratation mit oder<br />

ohne Zuschläge oder durch Bindung<br />

von Bodenteilchen.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

33


34<br />

Forschung + Technik<br />

Bedarf an Arbeitskräften<br />

(Baufirma)<br />

Technikbedarf<br />

der<br />

Baufirma<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

Takt 1 Takt 2 Takt 3 Takt 4 Takt 5 Takt 6<br />

Setzen des<br />

Verbaus<br />

Setzen der<br />

Punktauflager<br />

Eine Übersicht über die derzeit angewendeten<br />

verschiedenen Rohrgrabenverfüllmaterialien<br />

zeigt Abb. 1.<br />

In den letzten Jahren wurden verschiedene<br />

selbstverdichtende Materialien<br />

entwickelt, verwendet und<br />

untersucht. In einer Diplomarbeit an<br />

der Fachhochschule Höxter ist eine<br />

Zusammenstellung und erste Bewertung<br />

der derzeitig verfügbaren Materialien<br />

erarbeitet worden (Abb. 2).<br />

Diese Materialien können in verschiedenen<br />

Bereichen angewendet<br />

werden. Folgende Einsatzbereiche<br />

sind bekannt:<br />

● Kanalbau<br />

● Einbau von Versorgungsleitungen<br />

(Gas- und Wasserleitungen)<br />

● Hinterfüllungen jeglicher Art<br />

● Ringraumverfüllungen von<br />

Schutz- und Druckrohrleitungen<br />

● Gründung auf nicht tragfähigen<br />

Böden<br />

● Verfüllung stillgelegter Tunnelbauten,<br />

Unterführungen, Erdtanks usw.<br />

Rohreinbau auf<br />

Punktauflager<br />

Setzen der<br />

Haltungsbänke<br />

beginnend mit<br />

der „Begrenzungsbank“<br />

(bis über<br />

Sohlhöhe RW)<br />

Anforderungen an selbstverdichtende Materialien<br />

Da jedes Produkt unterschiedlich hergestellt, mit verschiedenen Zusätzen<br />

versehen wird und damit verschiedene Eigenschaften aufweist, müssen Anforderungen<br />

zum Umweltschutz während des Kanalbaus und nach Abschluss<br />

der Maßnahme definiert und erfüllt werden. So dürfen durch das Material<br />

keine nachteiligen Beeinträchtigungen der Bodenverhältnisse und Auswirkungen<br />

auf Boden und Grundwasser erfolgen. Beim Einbau des Materials in<br />

den Rohrgraben muss Folgendes erfüllt werden:<br />

● gleichmäßige Bettung und Einbettung der Leitung<br />

● ausreichende Fließfähigkeit im Leitungsgraben<br />

● schnelle Verfestigung<br />

● keine Entmischung beim Einbau<br />

● gleichmäßige Produktqualität<br />

Hausanschluss 2<br />

(Haltung 2, FÜMA)<br />

4,20 m<br />

BA I 20 m BA II + III 45 m<br />

Abb. 4: Pilotprojekt ZV Hachinger Tal.<br />

Verfüllung der<br />

Rohrleitungszone<br />

der SW-Leitung<br />

bis zu Sohlhöhe<br />

der RW-Leitung<br />

mit Hilfe von<br />

Laser und<br />

Zollstock<br />

1 1 2 – (1) – (1) 2<br />

1 Bagger<br />

Laser SW<br />

1 Radlader<br />

(Rohre holen)<br />

Laser SW<br />

1 Bagger<br />

Laser SW<br />

Ziehen des<br />

Verbaus bis<br />

zur Sohle RW<br />

(da Verbau 2-teilig,<br />

wird der obere<br />

Teil gelöst und<br />

seitlich gelagert)<br />

Laser RW Laser RW 1 Bagger<br />

Hausanschluss 1<br />

(Haltung 1, konventionell)<br />

3,50 m<br />

Sohle RW<br />

Sohle SW<br />

Abb. 3: Bauablauf mit Einbau von SVM. Olaf Stolzenburg, 2004, Firmenunterlagen<br />

1 m 1 m


Technische Daten füma rapid füma boden<br />

Trockenrohdichte in<br />

Abhängigkeit der Sieblinie<br />

Druckfestigkeit<br />

Elastizitätsmodul nach 28 d<br />

nach DIN 18136<br />

Wasserdurchlässigkeit<br />

nach DIN 18130<br />

Nach dem Einbau sind an das Material folgende Anforderungen zu stellen:<br />

● ausreichende Tragfähigkeit, ähnlich dem benachbarten Boden<br />

● leichte Lösbarkeit über die gesamte Nutzungsdauer des Rohrleitungssystems<br />

mit Schaufel, Spaten und Kreuzhacke, ohne Schädigung der Rohrleitung<br />

● Verträglichkeit mit Leitungswerkstoffen<br />

● konstante Druckfestigkeit über die gesamte Nutzungsdauer<br />

● Frostbeständigkeit<br />

● Oberflächen- und Grundwasserbeständigkeit<br />

Der Bauablauf einer Kanalbaustelle unterscheidet sich insbesondere durch<br />

die Herstellung des Rohrauflagers, der Fixierung des Rohres gegen<br />

Auftrieb, der Verfüllung der Leitungszone und des Rohrgrabens. Daher<br />

2,3 m<br />

0,5 m<br />

BA I BA II BA III<br />

FR, Do, 15.09<br />

1,8 – 2,0 kg/dm 3 1,3 – 1,7 kg/dm 3<br />

Entspricht der Bodenklasse<br />

3 – 4 nach DIN 18300<br />

1-1<br />

FB, Mi, 14.09 FB, Fr, 16.09<br />

Entspricht der Bodenklasse<br />

3 – 4 nach DIN 18300<br />

~ 60 N/mm 2 120 bis 150 N/mm 2<br />

durchlässig<br />

10 –4 bis 10 –6 m/s<br />

schwach durchlässig<br />

10 –6 bis 10 –7 m/s<br />

Tab. 1: Materialeigenschaften füma boden und füma rapid Firmenprospekt, 2005<br />

FR<br />

= Füma<br />

Rapid<br />

FB<br />

= Füma<br />

Boden<br />

20 m<br />

25 m<br />

20<br />

m<br />

Abb. 5: Längsschnitt, Einteilung in Bauabschnitte und Einbaubereiche.<br />

Forschung + Technik<br />

ist eine geänderte Ablauforganisation<br />

erforderlich. Ein Beispiel zeigt<br />

Abb. 3.<br />

Projekterfahrungen mit<br />

SVM<br />

Vom Zweckverband Hachinger Tal<br />

wurde gemeinsam mit der Universität<br />

der Bundeswehr München im<br />

Herbst 2005 ein Pilotprojekt zum<br />

Einbau von SVM (füma boden und<br />

füma rapid) durchgeführt, um Erfahrungen<br />

mit dem Einbau, dem Bauablauf,<br />

den Eigenschaften des Materials<br />

und den Kosten zu sammeln.<br />

Hintergrund war zudem, dass bei<br />

dem Projekt z. T. an den Straßen, in<br />

denen der Kanal eingebaut werden<br />

soll, sich Anwesen befinden, die<br />

schlecht gegründet und daher sehr<br />

erschütterungsempfindlich sind. Ein<br />

herkömmlicher Rohreinbau mit Verdichtungsgeräten<br />

hätte mögliche<br />

Schäden zur Folge gehabt. Es wurden<br />

eine Kanalstrecke mit zwei Hal-<br />

Einbau Füma-Flüssigboden, Baustelle Oberbiberg, 15.05.2005, „In-der-Eich-Str.“<br />

2-2 3-3<br />

0,7 m<br />

FR, Mo, 19.09<br />

FB, Fr, 16.09<br />

1,5 m<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

35


36<br />

Forschung + Technik<br />

Auflagerung auf Sandsäcken<br />

BA I<br />

Wasservollfühlung<br />

Sandsack<br />

Abb. 6: Auflagerung auf Sandsäcken.<br />

tungen (insgesamt 65 m) und zwei<br />

Hausanschlüssen (einer mit füma<br />

boden) in diesem Pilotprojekt hergestellt<br />

und untersucht.<br />

Das eingebaute Verfüllmaterial hat<br />

nach Herstellerangaben die in Tabelle<br />

1 gelisteten Eigenschaften.<br />

Um Erfahrungen mit dem Rohreinbau<br />

mit den selbstverdichtenden<br />

Materialien füma boden und füma<br />

rapid zu sammeln, wurden bei der<br />

Kanalbaumaßnahme des Zweckverbands<br />

Hachinger Tal an drei Bauabschnitten<br />

mit zwei Grundstücksanschlüssen<br />

beide Materialien in unterschiedlicher<br />

Weise eingebaut (Abb.<br />

5). Das Rohr wurde auf zwei Arten fixiert<br />

(Abb. 6 und 7).<br />

Die Baumaßnahmen wurden täglich<br />

begleitet, die wesentlichen Ergebnisse<br />

sowohl fotografisch als auch mit<br />

Video festgehalten, Bauzeiten dokumentiert<br />

und bodenmechanische<br />

Untersuchungen vom Institut für Bodenmechanik<br />

der UniBwm in verschiedenen<br />

Zeitabständen durchgeführt.<br />

Folgende Ergebnisse haben sich gezeigt:<br />

● Die Baumaßnahme mit füma boden<br />

und füma rapid ist ohne technische<br />

Schwierigkeiten verlaufen.<br />

● Die Rohrfixierung war sowohl<br />

mit Wasservollfüllung als auch mit<br />

Magerbetonbänken ausreichend. Eine<br />

anschließende TV-Inspektion ergab<br />

keine Mängel.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

DN 250<br />

0,10 m<br />

● Der Materialeinbau von füma boden und füma rapid war bei Außentemperaturen<br />

von bis zu –3 °C problemlos möglich.<br />

● Der Rohreinbau mit füma boden und füma rapid war ohne zusätzliche<br />

Verdichtung möglich, dadurch wurden Erschütterungen und Beeinträchtigungen<br />

der benachbarten Anwesen vermieden.<br />

● Beim Einfüllen von füma boden und füma rapid in den Rohrgraben war<br />

keine Entmischung des Materials erkennbar.<br />

● Für die Baumaßnahme war infolge der geänderten Rohrauflagerung und<br />

Rohrfixierung eine geänderte Baustellenorganisation/-ablauf erforderlich.<br />

● füma rapid ist nach 30 Minuten betretbar.<br />

● füma boden ist am nächsten Tag betretbar.<br />

● Beide Materialien sind auch nach Wochen mit einer Schaufel lösbar und<br />

bereiten keine Schwierigkeiten bei späteren Anschlüssen oder Aufgrabungen.<br />

● Untersuchungen zur Lagerungsdichte ergaben eine deutliche Zunahme<br />

über die Zeit, wobei die größte Zunahme in den ersten elf Tagen stattfand.<br />

● Die Lagerungsdichte von füma rapid erreichte in den untersuchten Bauabschnitten<br />

mitteldicht bis dicht.<br />

● Die Lagerungsdichte von füma boden erreichte Lagerungsdichten von<br />

locker bis mitteldicht.<br />

Konventionell<br />

( konv.<br />

) / Verfüllen<br />

mit<br />

füma<br />

Material<br />

HK+<br />

HA<br />

konv.<br />

HK+<br />

HA<br />

füma<br />

HK<br />

konv.<br />

HK<br />

füma<br />

HA<br />

konv.<br />

HA<br />

füma<br />

0%<br />

10%<br />

Auflager aus Magerbeton<br />

BA II und BA III<br />

46,<br />

77%<br />

46,<br />

77%<br />

46,<br />

04%<br />

46,<br />

04%<br />

49,<br />

35%<br />

49,<br />

35%<br />

20%<br />

30%<br />

40%<br />

Magerbeton<br />

Abb. 7: Auflager aus Magerbeton.<br />

50%<br />

28,<br />

87%<br />

26,<br />

03%<br />

30,<br />

19%<br />

26,<br />

42%<br />

24,<br />

22%<br />

24,<br />

67%<br />

60%<br />

Erdaushub<br />

Rohreinbau+<br />

Leitungszone<br />

Wiederverfüllen<br />

Einsparpotential<br />

70%<br />

16,<br />

24%<br />

18,<br />

87%<br />

6,<br />

94%<br />

80%<br />

24,<br />

36%<br />

23,<br />

77%<br />

26,<br />

43%<br />

10,<br />

96%<br />

8,<br />

68%<br />

19,<br />

04%<br />

90%<br />

0,15 m<br />

DN 250<br />

0,12 m<br />

100%<br />

Abb. 8: Zeitersparnis beim Einsatz von SVM (HK = Hauptkanal, HA = Hausanschluss).


● Das Entfernen<br />

des Verbaus aus<br />

dem Rohrgraben<br />

bereitete keine<br />

Schwierigkeiten.<br />

● Durch den Einbau<br />

von füma boden<br />

und füma rapid<br />

konnten Zeit-<br />

ersparnisse erreicht werden, obwohl bei den Baustellen der Bauablauf und<br />

die Bauorganisation noch nicht optimiert waren (Pilotprojekt).<br />

Damit hat sich in dem Pilotprojekt ergeben, dass der Einbau von füma boden<br />

und füma rapid technisch ohne Schwierigkeiten verlaufen ist, Zeitersparnisse<br />

erzielt und technische Vorteile bei besonderen Randbedingungen erreicht<br />

werden können.<br />

Die Zeitersparnisse sind in Abb. 8 dargestellt, wobei zu beachten ist, dass die<br />

Zeitersparnisse noch nicht bei einem optimiertem Bauablauf erreicht wurden.<br />

Die Bauunternehmung sowie die Bauleitung haben das erste Mal das<br />

Material eingebaut und daher den geeigneten Ablauf erst erarbeitet.<br />

Diese selbstverdichtenden Materialien kosten aufgrund des aufwändigeren<br />

Herstellungsprozesses, der Zuschlagsstoffe und des Antransportes deutlich<br />

mehr als übliche Verfüllmaterialien. Dies zeigt sich in den Gesamtkosten per<br />

lfm (Tabelle 2). Diesen Kosten stehen dafür technische und wirtschaftliche<br />

Vorteile gegenüber, wie:<br />

● Vermeidung von Erschütterungen<br />

● Nachhaltiges Bauen<br />

– verbesserte Rohrstatik/Bettung<br />

– Vermeidung von Einbaufehlern<br />

– Vermeidung von Oberflächensetzungen<br />

– Verlängerung der Nutzungsdauer<br />

● Verkürzung der Bauzeiten<br />

– Keine Bettungsschicht<br />

– Keine Verfüllung mit Verdichtung Leitungszone<br />

● Reduzierung der Grabenbreite<br />

Zusammenfassung<br />

Konventionelle Bauweise Wiederverfüllen mit Füma<br />

26,3 min/lfm (Sammler)<br />

(Gesamte Baumaßnahme)<br />

247 Euro/lfm (Sammler)<br />

inkl. Schächte o. MwSt.<br />

23,9 min/lfm (Sammler)<br />

(Gesamte Baumaßnahme)<br />

375 Euro/lfm (Sammler)<br />

inkl. Schächte o. MwSt.<br />

Tab. 2: Zeiten und Kosten der Baumaßnahme ZV<br />

Hachinger Tal.<br />

Aus den bisherigen Erkenntnissen und Erfahrungen des vorgestellten Pilotprojektes<br />

ergeben sich folgende wesentliche Punkte:<br />

● Erhöhte Materialkosten<br />

● Verkürzte Bauzeiten<br />

● Erschütterungsfreier Einbau<br />

● Verbesserung der Einbaubedingungen<br />

● Änderungen des Bauablaufes<br />

● Beachtung der Einbauvorgaben (Rohrsicherung, Einfüllvorgang u. a.)<br />

● Prüfung der Materialeigenschaften für vorgesehenen Einsatzzweck<br />

Forschung + Technik<br />

Damit ergeben sich zunächst technische<br />

Vorteile für den Rohreinbau, die<br />

in Einzelfällen auch zu wirtschaftlichen<br />

Vorteilen führen können. Allerdings<br />

sind für differenzierte, gesicherte<br />

Ergebnisse noch weitere Untersuchungen<br />

notwendig.<br />

Das Projekt wurde finanziell durch<br />

die Firma CEMEX unterstützt.<br />

Literaturhinweise<br />

[1] Vorschlag ONR 23131 – Verfüllung<br />

von Künetten mit stabilisierten Verfüllmaterialien<br />

(SVM) – Kriterienkatalog für<br />

stabilisierte Verfüllmaterialien, 1. Februar<br />

2005<br />

[2] Diplomarbeit MICHAEL REDEKER,<br />

FH Höxter: „Einsatz selbstverdichtender<br />

Baustoffe im Kanalbau“, Ausgabe 2. November<br />

2005<br />

[3] Bericht „Einbau von füma boden<br />

und füma rapid, Baustellenbetreuung<br />

Baustelle Oberbiberg“, ZV Hachinger<br />

Tal (April <strong>2006</strong>) Prof. Günthert/Prof. Boley,<br />

UniBwM, bisher nicht veröffentlicht<br />

[4] OLAF STOLZENBURG, 2004 RSS ® –<br />

Flüssigboden im Kanalbau – Ein Praxisbericht,<br />

(Firmenunterlagen)<br />

[5] Firmenprospekt CEMEX 2005, füma<br />

boden, füma rapid<br />

Kontakt<br />

Prof. Dr.-Ing. F. Wolfgang Günthert,<br />

Dipl.-Ing. Darius Cvaci<br />

Institut für Wasserwesen<br />

Professur für Siedlungswasserwirtschaft<br />

und Abfalltechnik<br />

Universität der Bundeswehr<br />

München<br />

85577 Neubiberg<br />

Tel.: 0 89/60 04-21 56<br />

Internet: www.swa.bauv.unibwmuenchen.de<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

37


38<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

Nord-Süd Stadtbahnbau in Köln<br />

Drei dicke Mädchen mit<br />

Tunnelblick beißen sich durch<br />

Auch wenn es nicht gerade<br />

schmeichelhaft klingt: Ihre<br />

Statur ist alles andere als zierlich.<br />

Aber das stört Tosca, Rosa und<br />

Carmen nicht im Geringsten. Auch<br />

nicht, dass die Kölner sie in Anlehnung<br />

an einen Song der Band „De<br />

Höhner“ nur die „dicken Mädchen“<br />

nennen. Denn ganz objektiv betrachtet<br />

sind sie alle drei echte<br />

Schwergewichte. Rosa und Tosca<br />

wiegen 1.020 t, etwa das Gewicht<br />

von zwei Einfamilienhäusern, während<br />

Carmen immerhin noch 574 t<br />

auf die Waage bringt, so viel wie 765<br />

VW-Käfer.<br />

Rosa und Co. sind nämlich die<br />

Schildmaschinen, die die Tunnelröhren<br />

für die im Bau befindliche<br />

Nord-Süd Stadtbahn<br />

in Köln auffahren. Nachdem<br />

die Kanalbauarbeiten – wir<br />

berichteten hierüber in der<br />

Steinzeug <strong>Information</strong> 2004<br />

– mittlerweile weitgehend<br />

abgeschlossen sind, konnte<br />

Tosca Anfang Juni<br />

dieses Jahres mit der<br />

Auffahrt der Oströhre<br />

des Tunnels vom Bonner<br />

Wall bis zum Kurt-Hackenberg-Platz<br />

beginnen. Am<br />

anderen Ende der Strecke<br />

ging Carmen Anfang Juli in<br />

Dienst, um den Ursula-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

„Et Schild kütt!“ Zwei Kräne sindnotwendig,umCarmenzu ihremArbeitsplatzzubringen.<br />

Tunnel vom Breslauer Platz bis zur Philharmonie herzustellen. Komplettiert<br />

wurde das Kölner „Dreigestirn“ schließlich durch Rosa, die sich Anfang<br />

August auf den Weg nach Norden machte. Sie wird parallel zu der Tunnelröhre,<br />

die ihre baugleiche Schwester Tosca gräbt, die Weströhre zwischen<br />

Bonner Wall und Kurt-Hackenberg-Platz auffahren.<br />

Dommetropole erhofft sich enorme Vorteile<br />

Für diejenigen, die geographisch in der Domstadt nicht so bewandert sind<br />

und jetzt nur noch Bahnhof verstehen, eine Längenangabe: Die erste Baustufe<br />

der Nord-Süd Stadtbahn erstreckt sich auf rund 4.000 m. Der größte<br />

Teil dieser Trasse, die den dicht bebauten Innenstadtbereich umfasst, verläuft<br />

unterirdisch in zwei eingleisigen, parallel liegenden Röhren. Von den acht<br />

Haltestellen der künftigen Nord-Süd Stadtbahn in der ersten Baustufe sind<br />

sieben unterirdisch geplant; einzig die Haltestelle Marktstraße ist oberirdisch<br />

konzipiert. Damit ist dieses städtebauliche Projekt das derzeit größte<br />

Deutschlands – und dazu eines, von dem man sich in der Domstadt enorme<br />

Vorteile verspricht: schnellere und direktere U-Bahn-Anbindungen, weniger


Autoverkehr und damit verbunden weniger Lärm und Abgase sowie eine Entspannung<br />

der Parkplatzsituation im gesamten Stadtgebiet.<br />

Erste Tunnelröhre fertiggestellt<br />

Einen ersten Teilerfolg in diesem „Jahrhundert-Projekt“ konnte die Kölner<br />

Verkehrs-Betriebe AG (KVB) als Bauherrin bereits verkünden: Am 9. September<br />

war die erste, 260 m lange Tunnelröhre fertiggestellt. Mit einem Außendurchmesser<br />

ihres Schildes von 6,80 m, 24 Vortriebspressen, einer Vortriebskraft<br />

von 44.575 kN und 440 kW (600 PS) hatte sich Carmen ihren Weg<br />

durch das Erdreich gebahnt. Der Stromverbrauch dabei war enorm: Carmen<br />

benötigte ca. 1.200 kW in der Stunde – so viel etwa wie ein europäischer<br />

Haushalt in einem Vierteljahr. Pro Tag schaffte sie im Schnitt zwischen zehn<br />

und zwölf Meter vorwärts. Dabei hielt sie drei Schichten à 13 Mann durchgängig<br />

sieben Tage die Woche auf Trab. Die Statistik bei ihren beiden großen<br />

Schwestern Rosa und Tosca fällt sogar noch beeindruckender aus: Mit<br />

einem Außenschilddurchmesser von 8,40 m und 28 Vortriebspressen verfügen<br />

sie über eine installierte Vortriebskraft von 60.300 kN. Zum Vergleich:<br />

Diesen Schub benötigen 60 Boeing 747 zum Abheben!<br />

Die Wahl der Baumethode<br />

Doch trotz der gigantischen Zahlen: Bei der Wahl der Baumethode musste<br />

die Stadt Köln nicht lange überlegen. Die Dommetropole ist nämlich dicht<br />

bebaut; eine offene Bauweise kam mit Blick auf die Anwohner, Geschäftsleute<br />

und den Innenstadtverkehr nicht infrage. So entschied man sich für das<br />

unterirdische Schildvortriebsverfahren, mit dem man schon im Stadtteil Mülheim<br />

gute Erfahrungen gesammelt hatte. „Die dichte Bebauung und die beengten<br />

Platzverhältnisse sind eine große Herausforderung bei diesem Bauprojekt“,<br />

erklärt die Mediensprecherin der KVB, Gudrun Meyer. Stolz fügt sie<br />

hinzu: „Und trotz Baustellen kann das Alltagsleben weitergehen.“<br />

Bei der Schildbauweise wird ein rundes Schneidrad, der mit Schälmessern<br />

und Meißelrollen bestückte Schild, von einer Maschine rotierend in das Erdreich<br />

vorgeschoben. Die Werkzeuge – bei Rosa und Tosca sind es z. B. 174<br />

Schälmesser und 19 Rollenmeißel – schneiden eine kegelförmige Kontur in<br />

die Erde, die sich einem natürlichen Druckgewölbe im Boden annähert. Dafür,<br />

dass die Ortsbrust stabil bleibt und der darüber liegende Sand und Kies<br />

nicht nachrutschen kann, sorgt die Stützflüssigkeit Bentonit-Suspension, die<br />

vor das Schneidrad gepumpt wird und zusätzlich mit Hilfe von Druckluft den<br />

umliegenden Boden verfestigt.<br />

Eine Förderleitung transportiert die gelöste Erde in Richtung Tunnelausgang.<br />

Wie aus Tübbingen eine runde Sache wird<br />

Zur Auskleidung der Wand werden direkt hinter dem Bohrkopf von einem<br />

sogenannten Ring-Erektor Fertigteile aus Stahlbeton, die Tübbinge, eingesetzt.<br />

Jeweils sieben Tübbinge und ein Schlussstein ergeben einen Ring. So<br />

entsteht langsam, Meter um Meter, der neue Tunnel. Die Schildmaschinen<br />

bewegen sich vorwärts, indem sie sich mit hydraulischen Pressen an dem zu-<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

letzt gefertigten Tunnelring abdrücken.<br />

Auf diese Weise existieren zu<br />

keiner Zeit Hohlräume, in die Erdreich<br />

abstürzen könnte. Allerdings<br />

entsteht ein Ringspalt, der dadurch<br />

zustande kommt, dass die Tunnelröhre<br />

einen wenige Zentimeter geringeren<br />

Durchmesser besitzt als die<br />

Schildmaschine selbst. Dieser Ringspalt<br />

wird jedoch kontinuierlich mit<br />

Zementmörtel verpresst.<br />

Mit dem Fortgang des Tunnelbaus<br />

zeigen sich die Verantwortlichen zufrieden.<br />

„Klar geschehen wie bei allen<br />

Baumaßnahmen ab und an Dinge,<br />

die nicht vorhersehbar waren,<br />

z. B. Hindernisse im Boden. Dies kam<br />

So sieht der geplante Streckenverlauf<br />

der Nord-Süd Stadtbahn aus.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

39


40<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

bei den Schlitzwandarbeiten öfter<br />

vor. Aber insgesamt gesehen verlaufen<br />

die Arbeiten planmäßig. Zeitweilige<br />

Verzögerungen konnten bislang<br />

immer noch wieder aufgeholt werden“,<br />

zieht Gudrun Meyer Zwischenbilanz.<br />

Schwierigkeiten ohne<br />

Patentrezept<br />

Wie alle anderen Techniken auch,<br />

bringt der Schildvortrieb eine<br />

Schwierigkeit mit sich: So ausgereift<br />

die Methode auch ist, der Abbau<br />

von Boden und die durch den Betrieb<br />

der Tunnelbohrmaschinen verursachten<br />

Erschütterungen führen<br />

zu Veränderungen der Spannungsverhältnisse<br />

im Boden und – damit<br />

einhergehend – zu Verformungen<br />

im Bodengefüge. Es können Setzungsmulden<br />

entstehen, und minimale<br />

Schiefstellungen der Fundamente<br />

können Rissbildungen in den<br />

unmittelbar beeinflussten Gebäuden<br />

hervorrufen. Ob sich die Fundamente<br />

verformungsbedingt verdrehen,<br />

hängt von ihrem Abstand zueinander<br />

ab, von den jeweiligen Senkungseinflüssen<br />

sowie auch von der<br />

Bausubstanz. Ein Patentrezept, das<br />

auf alle Gegebenheiten vor Ort anzuwenden<br />

ist, gibt es demnach<br />

nicht.<br />

Hohe Sicherheitsvorkehrungen<br />

Umso wichtiger sind die statischen<br />

Prüfungen und Gebäudesicherungen,<br />

die Experten sowohl im Vorfeld<br />

der Schildfahrt als auch während ihres<br />

Verlaufs vornehmen. Dabei beurteilen<br />

sie jedes Haus individuell. Als<br />

erste Maßnahme stehen stets Bodenuntersuchungen<br />

auf dem Aktionsplan,<br />

mit denen die Beschaffenheit<br />

des Untergrundes und dessen<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

Die Abnahmebeteiligten vor dem Schneidrad Carmen (v. l. n. r.): Maschinenmeister<br />

Los Nord Volker Heyder, Dipl.-Ing. Oliver Boiger von der Firma Herrenknecht, der<br />

Projektleiter Arge Nord Dipl.-Ing. Peter Jakobs, der Projektleiter KVB Nord-Süd Stadtbahn<br />

Köln Dipl.-Ing. Karl Bücker, Dipl.-Ing. Hartmut Graf vom Amt für Brücken und<br />

Stadtbahnbau der Stadt Köln, Hajo Kuhlisch von der Bezirksregierung Köln sowie<br />

der Tunnelbauleiter Arge Nord Dipl.-Ing. Stephan Assenmacher.<br />

Festigkeit überprüft werden. Wo erforderlich, führ(t)en die Sachverständigen<br />

auf die Situation abgestimmte Bodenverfestigungsmaßnahmen durch. Eine<br />

andere Untersuchung betrifft die Bausubstanz der Gebäude, die sich im Einflussbereich<br />

der Schildfahrt befinden. Wo Bautechniker und Statiker kritische<br />

Setzungsberechnungen feststell(t)en oder der Zustand es erforderlich<br />

macht(e), wurden und werden Vorkehrungen getroffen. Dabei kann es sich<br />

z. B. zur zusätzlichen Sicherung um Giebelabstützungen zwischen zwei Häusern,<br />

in deren Mitte ein wesentlich niedrigeres Haus steht, handeln oder um<br />

Abstützungen innerhalb eines Hauses.<br />

Um die stattfindenden Bewegungen im Erdreich kontrollieren zu können,<br />

wurden an jedem Haus Messbolzen angebracht. Zusätzlich befinden sich<br />

oberhalb der Schildfahrt im Abstand von rund 25 m weitere Messpunkte. Im<br />

Wirkungskreis von Rosa und Co. sind außerdem Gebäudebeobachter unterwegs,<br />

die alle im Einflussbereich der Tunnelröhre liegenden Häuser regelmäßig<br />

im Abstand weniger Stunden begehen und auf Rissbildungen hin überprüfen.


Trotz der Größe der Tunnelbohrmaschine: Über allem wacht in Köln der Dom.<br />

Vorbildliche <strong>Information</strong>spolitik<br />

Von ihrer Notwendigkeit zur Schadensvermeidung einmal abgesehen, die<br />

hohen Sicherheitsstandards haben noch einen positiven Nebeneffekt: Sie geben<br />

den Anwohnern und Geschäftsleuten das Gefühl, dass alles unter Kontrolle<br />

ist. Denn wie der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma bei einer<br />

Tunneltaufe am Bonner Wall Mitte Mai selbst zugab: „Die Vorstellung, dass<br />

diese Kolosse sich durch die Erde unter unserer Stadt und unseren Häusern<br />

hindurch fressen, kann da manchmal schon beängstigend sein.“<br />

Um den Betroffenen ihre Ängste z. B. um die Standfestigkeit der Häuser, den<br />

Lärm und die Erschütterungen, Grundwasserprobleme oder Verkehrsbehinderungen<br />

zu nehmen, hat die KVB eine vorbildliche <strong>Information</strong>spolitik ins<br />

Leben gerufen. So wurde als Anlaufstelle für alle Fragen rund um das Projekt<br />

ein Infocenter am Alter Markt eingerichtet. Zusätzlich erscheinen regelmä-<br />

Stück für Stück und Schritt für Schritt wird aus den Tübbingen eine runde Sache.<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

ßig „AnwohnerInfos“, die den Stand<br />

der Dinge beim Bau der Nord-Süd<br />

Stadtbahn dokumentieren. Wöchentlich<br />

aktualisiert geben zudem<br />

20 Baustellenschilder in der Innenstadt<br />

Einblicke in die einzelnen Baubereiche.<br />

Außerdem waren die Kölner<br />

bei der Namensgebung für die<br />

Tunnelbohrmaschinen – eine alte<br />

bergmännische Tradition – involviert.<br />

500 Bürger nahmen an dem<br />

Wettbewerb teil, dessen Ergebnis die<br />

eingangs erwähnten „Höhner“ sicherlich<br />

gefreut haben mag. Für<br />

Transparenz sorgen zudem die aktuellen<br />

Internetseiten (www.nordsued-stadtbahn.de)<br />

mit Webcams.<br />

Auch bei der Wiedereröffnung des<br />

gesperrten Teilbereichs der Severinstraße,<br />

die mit einem verkaufsoffenen<br />

Sonntag gefeiert wird, will sich<br />

die Kölner Verkehrs-Betriebe AG beteiligen,<br />

indem u.a. das eigene Orchester<br />

aufspielt.<br />

Präventive Unterstützung<br />

für Geschäftsleute<br />

Besonders wichtig ist den Verantwortlichen<br />

allerdings die Existenz<br />

der Gewerbetreibenden. Die Initiative,<br />

die die KVB hier ins Leben gerufen<br />

hat, ist laut Gudrun Meyer bisher<br />

deutschlandweit einmalig: Ge-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

41


42<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

schäftsleute werden bei schwer wiegenden<br />

Umsatzeinbußen, die im<br />

Zusammenhang mit der Baustelle<br />

stehen, bereits im Vorfeld unterstützt.<br />

Präventive Hilfe also, nicht<br />

erst Entschädigung, wenn das Kind<br />

längst in den Brunnen gefallen ist<br />

und der Händler Konkurs anmelden<br />

muss. Gewerbetreibende müssen<br />

durch die Bilanzen der vergangenen<br />

drei Jahre nachweisen können, dass<br />

sie aktuell Rückgänge zu beklagen<br />

haben. Sind Einbußen absehbar, gewährt<br />

die KVB finanzielle Hilfen in<br />

Form von Vorschusszahlungen oder<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

zinsbegünstigten Darlehen, die auf die gesetzlich begründeten Entschädigungsansprüche<br />

angerechnet werden. „Diese Maßnahme hilft, umsatzschwache<br />

Zeiten zu überbrücken. Und sie wird auch genutzt“, erzählt Gudrun<br />

Meyer.<br />

Auf den Spuren der Vergangenheit<br />

Jeden Tag kommen die Tunnelbohrmaschinen im Untergrund der Domstadt ein<br />

paar Meter voran. Anfang September war bereits die erste, 260 m lange Tunnelröhre<br />

fertiggestellt.<br />

Neben der beeindruckenden Technik gibt es noch einen weiteren Grund für<br />

das Interesse der Kölner an der Baustelle: Man wäre nicht in der Dommetropole,<br />

wenn man nicht von vornherein mit archäologischen Funden hätte<br />

rechnen müssen. Die gesamte Trasse sowie die dazugehörigen Baustellenflächen<br />

sind als Bodendenkmal in die Denkmalliste der Stadt eingetragen. Der<br />

größte Teil der Strecke wird zwar unterhalb der archäologischen Schichten<br />

gebaut. Eingriffe in diese Schichten sind aber insbesondere im Bereich der<br />

Haltestellen, der Versorgungs- und Anfahrschächte sowie dem südlichen<br />

Streckenabschnitt auf der Bonner Straße<br />

gegeben, der in offener Bauweise<br />

hergestellt wird. Die Eingriffsfläche ist<br />

somit rund 20.000 m 2 groß und befindet<br />

sich vor allem in Bereichen der römischen<br />

bis frühneuzeitlichen Stadtbesiedlung.<br />

Ein echtes Eldorado also<br />

für die mehr als einhundert Archäologen<br />

und Naturwissenschaftler, die sich<br />

bedeutende Zeugnisse von den verschiedenen<br />

Stadtentwicklungsphasen<br />

versprechen. Tosca, Rosa und Carmen<br />

schaffen nun die Voraussetzung dafür,<br />

dass mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme<br />

der ersten Baustufe der<br />

Nord-Süd Stadtbahn im Jahr 2010 ein<br />

neues Kapitel dieser Stadtentwicklung<br />

aufgeschlagen werden kann.<br />

Fotos: KVB/David Rossi


Mit einem<br />

künstlerisch gestalteten<br />

Bauschild werden Bevölkerung<br />

und Gäste von der Steb und der<br />

ARGE Hohe Straße über die aufwendige<br />

Tunnelbaumaßnahme informiert<br />

Es ist ein ganz normaler Tag.<br />

Auch auf der Hohe Straße, wo<br />

mal wieder reger Betrieb<br />

herrscht. Einige Passanten bummeln<br />

gemütlich über die Kölner<br />

Einkaufsmeile und bleiben hier<br />

und da vor den Schaufenstern stehen,<br />

andere wiederum versuchen<br />

sich hektisch an Geschäftsauslagen<br />

und Straßenmusikanten vorbeizuschlängeln.<br />

Viel los ist hier eigentlich<br />

immer zu den Ladenöffnungszeiten.<br />

Erst kürzlich hat eine Studie<br />

des Maklerunternehmens Kemper’s<br />

die Shoppingmeile zur meist-<br />

besuchten Deutschlands gekürt. Mit über 17.000 Besuchern pro Stunde<br />

führt die Hohe Straße die Liste der beliebtesten Geschäftszonen an, noch vor<br />

der Frankfurter Zeil und der Königsstraße in Stuttgart, und – was die Kölner,<br />

die sich seit der Schlacht von Worringen im 13. Jahrhundert mit den Düsseldorfern<br />

nicht so ganz grün sind, am meisten freut – weit vor der nordrheinwestfälischen<br />

Landeshauptstadt (8. Platz).<br />

Wo Besucherströme so stark fließen und Geld in die Kassen der Geschäftsleute<br />

spülen, sind Baustellen natürlich ungern gesehen.<br />

Mit Rücksicht auf Touristen, Anwohner und Gewerbetreibende haben die<br />

Stadtentwässerungsbetriebe (Steb) Köln AöR deshalb ein Projekt in Auftrag<br />

gegeben, das im wahrsten Sinne im Verborgenen durchgezogen wird: Die<br />

Erneuerung des über 100 Jahre alten Kanalrohrsystems Hohe Straße/Salomongasse/Marspfortengasse<br />

in geschlossener Bauweise, speziell in der Kölner<br />

Stollenbauweise. Die Friedrich Wassermann GmbH & Co., Köln, hat für<br />

diese Bauweise mehrere Verfahren entwickelt, erfüllt die hohen Anforderungen<br />

an ein solches Projekt, verfügt über die entsprechenden Qualifizierungsnachweise<br />

und erhielt nach der öffentlichen Ausschreibung den Zuschlag der<br />

Steb Köln AöR in einer Arbeitsgemeinschaft mit der Firma Weitz & Co. aus<br />

Leverkusen.<br />

Dort, wo gut gefüllte Schaufenster verführerisch locken und Besucher entlang<br />

schlendern, wird seit zwei Jahren ca. 6 m darunter in der Erde unbemerkt<br />

von den Passanten gearbeitet.<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

Kölner Hohe Straße – Kanalerneuerung<br />

Ganz im Verborgenen ...<br />

Zeitplan musste überarbeitet<br />

werden<br />

Der Startschuss für diese bemerkenswerte,<br />

5,2 Mio. Euro teure Maßnahme,<br />

fiel im Oktober 2004 mit dem<br />

Bau eines großen Förderschachtes in<br />

der Salomongasse, der einen Durchmesser<br />

von ca. 6 m aufweist. Von<br />

hier aus wurden zentral beinahe<br />

gleichzeitig drei Spritzbetonstollen<br />

in unterschiedliche Richtungen aufgefahren.<br />

Insgesamt belaufen sich<br />

die Vortriebsarbeiten auf den 660 m<br />

Hauptstollen (N-S-verlaufend) und<br />

250 m Querstollen für die Hausanschlüsse.<br />

Hierbei kommen bei drei<br />

bis vier zeitgleich laufenden Vortrieben<br />

10 bis 15 Mineure zum Einsatz.<br />

Nach Fertigstellung der Vortriebsarbeiten<br />

werden noch etwa fünf Monate<br />

lang die Verlegung der Steinzeugrohre<br />

und der Bau der Schachtbauwerke<br />

durch sechs Kanalbauer<br />

durchgeführt. Im Juli diesen Jahres<br />

konnten die Verantwortlichen ein<br />

größeres Zwischenergebnis präsentieren:<br />

Der Bau des nördlichen Teils<br />

des Hauptstollens unter der Hohe<br />

Straße in Richtung Wallrafplatz war<br />

abgeschlossen. Die Fertigstellung<br />

des Südstollens steht unmittelbar<br />

bevor, sodass im Dezember der<br />

Stollenausbau mit dem Einbau der<br />

Steinzeugrohre beginnen kann.<br />

Eigentlich hatte man bei den anfänglichen<br />

Planungen gehofft, dass<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

43


44<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

Beim Austreten und beim Aufprall des erdfeuchten Spritzbetonmörtels<br />

kommt es im Arbeitsbereich der Ortsbrust zu<br />

einer starken Staubentwicklung. Deshalb ist es unerlässlich,<br />

dass die Mineure mit einer entsprechenden Schutzausrüstung<br />

ausgestattet sind und ständig mit Frischluft versorgt werden.<br />

die gesamten Bauarbeiten bis Mitte<br />

<strong>2006</strong> abgeschlossen sein würden.<br />

Doch immer wieder sorgen Mauerwerksabbruch<br />

usw. für hohe Stillstandszeiten.<br />

Vor allem aber müssen<br />

die zeitintensiven archäologischen<br />

Arbeiten durch das Römisch-Germanische<br />

Museum in den Bauablauf integriert<br />

werden, da sich die Baumaßnahme<br />

direkt unter dem historischen<br />

Stadtkern der ehemaligen<br />

römischen Hauptstraße, dem „Kardo<br />

Maximus“ – etwa um 50 n. Chr.<br />

ein großer Boulevard in der römischen<br />

Kolonie Colonia Claudia – erstreckt.<br />

Mittlerweile rechnen die Verantwortlichen<br />

für das kommende<br />

Frühjahr mit der Fertigstellung.<br />

Warum Spritzbeton?<br />

Welche Größendimension das Projekt<br />

hat, kommt am besten zum Ausdruck,<br />

wenn man sich die gesamte<br />

Aushubmasse vor Augen hält: 1.300<br />

Lkw sind im Verlauf der Arbeiten damit<br />

beschäftigt, die 8.000 m 3 Aushub<br />

abzutransportieren. Darunter<br />

sind 500 t Mauerwerksabbruch, bei<br />

dem es sich sowohl um römisches<br />

Mauerwerk aus Fundamenten und<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

Abwasserkanälen, aus mittelalterlichen Gebäuderesten als auch aus Schuttauffüllungen<br />

aus mehreren Jahrhunderten handelt.<br />

Dass man sich bei der Wahl des Stollenverbaus für Spritzbeton entschied, hat<br />

gleich mehrere Gründe: kreuzende Leitungen, eine angespannte Verkehrssituation,<br />

die schwierigen Baugrundverhältnisse und archäologische Anforderungen.<br />

Die Verarbeitung von Spritzbeton belastet durch die hier eingesetzte<br />

modernste Technik die Umwelt nur in geringem Maß und ist bei diesen<br />

schwierigen Bodenverhältnissen Voraussetzung für eine fast setzungsfreie<br />

Bauweise. Diese Vorgabe der Steb Köln AöR, bedingt durch die zahlreichen<br />

Versorgungsleitungen oberhalb des Stollens und eine gepflasterte Fußgängerzone,<br />

wurde von den eingesetzten Mineuren mit handwerklichem Können<br />

hervorragend umgesetzt. Es sind auch nach zwei Jahren keine Setzungen<br />

zu erkennen. Insgesamt werden für die Arbeiten fast 200 Sattelzüge mit<br />

etwa 5.000 t Spritzbetonmörtel verarbeitet.<br />

Das Verfahren, das im Grunde auf der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise<br />

NÖT basiert und für den innerstädtischen Kanalbau modifiziert wurde,<br />

ist eine Spezialität der Friedrich Wassermann GmbH. Der Spritzbetonstollen<br />

setzt eine gewisse Standfestigkeit der Böden voraus. Beim Stollenvortrieb<br />

wird der anstehende Boden daher abschnittsweise abgebaut und mit einer<br />

Spritzbetonsicherung versehen. Der Vorgang wird so lange wiederholt, bis<br />

der gesamte lichte Stollenquerschnitt – unter der Hohe Straße sind es, abhängig<br />

von der späteren Kanaldimension bzw. dem Gefälle der Steinzeugrohrkanäle<br />

zwischen 3,5 und 7,0 m 2 – freigelegt und gesichert ist. Dann wird<br />

in einem weiteren Schritt die eigentliche Spritzbetonauskleidung mit einer<br />

Mattenbewehrung hergestellt.<br />

Für die nächsten 100 Jahre ...<br />

Zwei Stollenmineure schaufeln das Abbruchmaterial auf<br />

das Förderband. Im Stollenverlauf sind die Kanalprovisorien zu<br />

erkennen.<br />

Die Nennweite der neu einzubauenden Steinzeugrohre beträgt bei einer<br />

Rohrlänge von 2,50 m DN 300 bis DN 600, für die Hausanschlüsse 150 DN.<br />

In Teilabschnitten wird aus hydraulischen Gründen eine Vergrößerung des


Die unterirdische Tunnelverzweigung Hohe Straße/Salomongasse. Hier gehen im<br />

engen Tunnelbogen mit einem Radius von etwa 6 m der Nord- bzw. Südstollen Hohe<br />

Straße ab. Im Stollenscheitel liegen die Be- und Entlüftungsleitungen sowie die Kanalprovisorien.<br />

Ein Mineur transportiert den Stollenabbruch auf einer E-Lok ab.<br />

Querschnitts vorgenommen. Es ist erstaunlich, wie viele der über 100 Jahre<br />

alten Steinzeugrohre noch in einem passablen Zustand sind; manche sehen<br />

sogar aus, als könnten sie noch ein paar Jahre liegenbleiben. 25 % der Hausanschlüsse<br />

müssen definitiv erneuert werden, 25 % sind noch in gutem Zustand.<br />

50 % der Leitungen werden vom Stollen aus überprüft und – je nach<br />

Zustand – erneuert oder auch mit Inlinern saniert.<br />

Ungewöhnliche Arbeitsweisen<br />

Damit Besucher und Gewerbetreibende von den Baumaßnahmen weitgehend<br />

verschont bleiben, nehmen die Bauunternehmen erhebliche Anstrengungen<br />

in Kauf: So wird der Stollenvortrieb nur von einem Förderschacht in<br />

der Salomongasse aus durchgeführt, was zu ungewöhnlich langen Förderwegen<br />

im Stollen führt. 260 m sind es beispielsweise, die die E-Lok mit Lore<br />

von der Salomongasse aus bis zur Schildergasse zurücklegen muss.<br />

Auf der gesamten Strecke werden Betonfertigteilschächte mit Klinkergerinne<br />

gebaut, die an die bereits im Stollen eingebauten Kanalrohre angebunden<br />

werden können. Allerdings bekommen auch hiervon nur wenige Passanten<br />

überhaupt etwas mit: Denn die erforderlichen Schachtbauwerke dürfen<br />

nur morgens bis 10 Uhr und an Sonntagen – zu verkaufsfreien Zeiten also –<br />

gebaut werden. Schließlich will doch in der Domstadt niemand, dass die Hohe<br />

Straße durch Baustellentrubel in der Beliebtheitsskala zurückfällt – womöglich<br />

noch hinter Düsseldorf!<br />

Abb. 1–4: www.manosmeisen.de<br />

Abb. 5: <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

Voraussichtlich im Frühjahr 2007 soll<br />

die Erneuerung des Steinzeug-Kanalsystems<br />

abgeschlossen sein.<br />

Kontakt<br />

Friedrich Wassermann<br />

Bauunternehmung für Hochund<br />

Tiefbauten GmbH & Co.<br />

Dipl.-Ing. Horst Fischer<br />

50933 Köln<br />

Tel.: 02 21/4 98 76-50<br />

E-Mail: h.fischer@friedrichwassermann.de<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

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46<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

Sanierung der Wasserversorgung von Weimar-Belvedere<br />

Großherzogliche Grüße aus dem Erdreich<br />

Die Arbeiter staunten nicht<br />

schlecht, als sie im Februar<br />

und März diesen Jahres an<br />

der Wasserzuführung von den Quellfassungen<br />

an der Autobahn A 4 zum<br />

Schirmteich im Schlosspark von Belvedere<br />

Sanierungsarbeiten an einer<br />

Gussrohrleitung vornehmen wollten.<br />

Im Erdreich stießen sie gleich<br />

mehrfach auf die Spuren der Vergangenheit:<br />

Die jetzt einzuziehenden<br />

Kunststoffrohre sind nämlich bereits<br />

die fünfte Generation dieser Rohrleitungsstrecke.<br />

Zunächst wurden<br />

Holzrohre eingebaut, danach Steinzeugrohre<br />

(um 1820), nachfolgend<br />

wieder Holzrohre und um 1870<br />

schließlich gusseiserne Rohre, in die<br />

nun PE-Rohr eingezogen wurde.<br />

Technisches Denkmal<br />

Da es sich um ein technisches Denkmal<br />

handelt, wird das Wasserversorgungssystem<br />

heute noch so betrieben<br />

wie zu seiner Entstehungszeit<br />

nach 1733: Von den Quellfassungen<br />

führt eine 1,7 km lange Rohrleitung<br />

aus Gusseisen zum Behälter und<br />

Schirmteich und von dort zu den<br />

Wasserspielen und Teichen.<br />

„Gekrönte“ Steingutröhren<br />

Von den anfangs verwendeten Holzrohren<br />

fanden die Schachtarbeiter<br />

lediglich die gusseisernen Buchsen;<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

das „Drumherum“ war längst verwittert. Wesentlich „präsenter“ dagegen<br />

waren die Steingutröhren: Sie tragen einen Prägestempel aus dem Jahre<br />

1818, die Initialen Carl Augusts, die Krone sowie das Zeichen G. S. für Großherzogtum<br />

Sachsen. Die Zeichen F. Z. stehen für Steingutröhren aus einer<br />

Fabrik in Zwätzen bei Jena. Weitere gefundene Teilstücke von Tonröhren<br />

stammen aus Großalmerode in Hessen mit einer Prägung CHRI. RUDOLPH<br />

und darunter GROSSALMERODE.<br />

Oft wurden jedoch Holzrohre anstelle der Steingutröhren eingesetzt. So<br />

wurden im Januar 1821 z. B. Mittel bewilligt, mit denen auf Befehl Carl Augusts<br />

die „thönernen Röhren“ entlang der Belvederer Allee wieder durch hölzerne<br />

ersetzt werden sollten.<br />

Know-how für gusseiserne Wasserleitung früh belegt<br />

Gusseisenrohre mit den zu dieser Zeit üblichen Stemm-Muffenverbindungen,<br />

lösten um 1870 ihre Vorgänger ab, aber bereits nach 1820 hatte man<br />

sich das Know-how für die Verlegung gusseiserner Wasserleitungen angeeignet.<br />

Schriftlich festgehalten hatte Ernst Fr. Donage im Dezember 1820 die<br />

Obwohl das Steinzeugrohr schon knapp 200 Jahre im Erdreich „schlummert“, ist<br />

es noch eindeutig zu erkennen.


Quellfassung – Blick in den Innenraum.<br />

Technik samt Maßen, Preisen und technischen Details in seinem Werk „Einige<br />

data zur Veranschlagung einer Wasserleitung von gegossenen eisernen<br />

Röhren hinsichtlich des Eisenaufwandes“.<br />

Mit Äpfeln gegen Frost<br />

Ob Kälte oder Kalk: Zu keiner Zeit waren Wasserleitungen von schädlichen<br />

äußeren Einflüssen gefeit. Anfang des 18. Jahrhunderts gab man sich bei der<br />

Abwehr mangels Alternativen allerdings erfindungsreich: Um die Röhrenfahrten,<br />

wie man die Wasserleitungen damals nannte, in der Winterzeit gegen<br />

Frost zu schützen, wurden sie kurzerhand in Pferdemist eingelegt. Verbote<br />

für Überfahrten zu Carl Augusts Zeiten sollten außerdem Rohrbrüche durch<br />

mechanische Einwirkungen verhindern. Die Verlegetiefe betrug nämlich lediglich<br />

zwei bis vier Fuß (zwischen 50 und 100 cm). Auch die hohe Wasserhärte<br />

führte immer wieder zu Inkrustationen, sodass jetzt eine Sanierung<br />

durch Einziehen von PE-Rohrleitungen entschieden wurde. Die Fundstücke<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

Gruß an die Nachwelt: Großherzog<br />

Carl August hatte sich per Initialen auf<br />

den Steinzeugrohren verewigen lassen.<br />

aller drei Generationen von Röhrenfahrten<br />

befinden sich im Bohrstock<br />

am historischen Gärtnereigelände.<br />

Wer mehr über die Entstehung der<br />

„Röhrfahrt“ wissen möchte, kann<br />

dies in dem Buch „Wasser im Barock,<br />

Geschichte der Wasserversorgung“,<br />

erschienen im Zabern-Verlag 2004,<br />

ISBN 3-8053-3331-5, nachlesen.<br />

Der Co.-Autor Prof. Dr.-Ing. Harald<br />

Roscher konnte dabei auf Unterlagen<br />

der Mitarbeiter des Dezernates<br />

Gartendenkmalspflege der Stiftung<br />

Weimarer Klassik zurückgreifen.<br />

Alle Bilder: Harald Roscher<br />

Kontakt<br />

Prof. Dr.-Ing. Harald Roscher<br />

99425 Weimar<br />

Tel.: 0 36 43/50 13 81<br />

E-Mail: roscher@fh-erfurt.de<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

47


48<br />

Portrait/Interview<br />

Im Gespräch ...<br />

... mit Prof. Jens Hölterhoff<br />

Auf der Jahresmitgliederversammlung<br />

der GSTT German<br />

Society for Trenchless Technology<br />

e.V. im November 2005 im<br />

Congress Center in Hamburg wurde<br />

Prof. Jens Hölterhoff zum neuen Vorsitzenden<br />

des Vorstandes der GSTT<br />

gewählt. Damit wurde er Nachfolger<br />

von Dipl.-Ing. Rolf Bielecki, der dieses<br />

Amt 16 Jahre innehatte und die<br />

GSTT zu einer weltweit anerkannten<br />

Gesellschaft führte. Mit Jens Hölterhoff<br />

ist im Januar <strong>2006</strong> ein erfahrener<br />

Fachmann angetreten, der weiß<br />

wo's langgeht, der sich für die vielen<br />

Vorteile der grabenlosen Technologien<br />

ins Zeug legt: auf politischer<br />

Ebene und auf Bürgerebene. Seine<br />

langjährigen Erfahrungen in der<br />

Baupraxis und seine Ausbildungstätigkeit<br />

an der Hochschule Wismar<br />

sind ihm dabei gelehrige Begleiter.<br />

?<br />

Herr Hölterhoff, Sie sind seit 1. Januar<br />

diesen Jahres Vorstandsvorsitzender<br />

der GSTT German Society for<br />

Trenchless Technology e.V. Worin bestand<br />

und besteht für Sie der Reiz, diese<br />

ehrenamtliche Tätigkeit wahrzunehmen?<br />

J. Hölterhoff: Die grabenlosen<br />

Technologien haben mein Berufsleben<br />

in den letzten 22 Jahren stark<br />

geprägt und ich bin fest davon überzeugt,<br />

dass selbst heute noch eine<br />

Menge getan werden kann, um den<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

Einsatz dieser Technologien zu fördern. Vor allem vor dem Hintergrund, dass<br />

bei den Kommunen, beim Vergleich der offenen und geschlossenen Bauweisen,<br />

nach wie vor nur die direkt zuzuordnenden Kosten eine Rolle spielen.<br />

?<br />

Werden Sie andere Schwerpunkte Ihrer Arbeit legen als Ihr Vorgänger und<br />

wenn ja, wie sehen diese aus?<br />

J. Hölterhoff: Die Situation in der Baubranche hat sich in den letzten 16<br />

Jahren stark gewandelt; vor allem in den letzten Jahren mussten die Unternehmen<br />

starke Einbußen hinnehmen. Diese Entwicklung ist natürlich auch<br />

nicht spurlos an der GSTT vorbeigegangen. In den letzten beiden Geschäftsjahren<br />

konnten die geplanten Einnahmen bei weitem nicht realisiert werden,<br />

sodass ein hoher Fehlbetrag meinen Start überschattet hat. Damit war der<br />

Schwerpunkt meiner Arbeit vorgegeben.<br />

Die Organisationsstrukturen des Vereins bedurften einer grundlegenden Anpassung,<br />

und vor allem die Ausgaben mussten drastisch reduziert werden.<br />

Verhandlungen mit den Gläubigern wurden geführt, mit dem Erfolg eines<br />

erheblichen Forderungsverzichtes. Hier gebührt unser Dank vor allem der<br />

Hamburger Messe Gesellschaft, dem Bauverlag (Springer science+business<br />

media ) und der ISTT. Nach unserer momentanen Planung werden wir bereits<br />

im Jahr 2007 wieder schwarze Zahlen schreiben und uns intensiver unserer<br />

eigentlichen Arbeit widmen können. Ziel unserer Umstrukturierung soll<br />

sein, dass für die Mitglieder ein erkennbarer Nutzen aus der Mitgliedschaft<br />

und den damit verbundenen Beiträgen entsteht. Sponsoring wird zur Deckung<br />

der Kosten in der Zukunft keine Rolle spielen, zusätzliche Einnahmen<br />

werden immer in Verbindung mit zusätzlichen Leistungen stehen.<br />

?<br />

Die geschlossene Bauweise hat sich ja bislang nicht wirklich durchgesetzt;<br />

viel wird noch in offener Bauweise errichtet. Woran liegt das? Fehlt es da an<br />

„Überzeugungsarbeit“, die die GSTT leisten könnte?<br />

J. Hölterhoff: Es muss vor allem Überzeugungsarbeit bei den politischen<br />

Entscheidungsträgern geleistet werden, um die volkswirtschaftlichen Einsparungen<br />

der grabenlosen Bauweise, wie die Vermeidung von Staus, Schonung<br />

der Umwelt und der Wegfall von witterungsbedingten Ausfallzeiten, beim<br />

Vergleich mit der offenen Bauweise zu berücksichtigen.


?<br />

Sie hatten zur diesjährigen WASSER BERLIN eine wunderbare „oben ohne“-<br />

Plakataktion. War die Resonanz darauf spürbar positiv, sodass man eine solche<br />

Aktion bundesweit ausdehnen könnte?<br />

J. Hölterhoff: Wir hatten tatsächlich eine sehr positive Resonanz. Vor allem<br />

die Lokalpresse wurde inspiriert, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.<br />

An der deutlichen Steigerung der Zugriffe auf unsere Homepage war erkennbar,<br />

dass wir anscheinend auch das Interesse der betroffenen Bürger für das<br />

Thema geweckt haben. Bezüglich einer bundesweiten Aktion haben wir bereits<br />

die ersten Gespräche geführt.<br />

?<br />

Die geschlossene Bauweise hat so viele Vorteile. Warum wird sie Ihrer Meinung<br />

nach nicht häufiger angewendet?<br />

J. Hölterhoff: Siehe oben!<br />

?<br />

Es gibt Vergleichsstudien über die social costs von offenen und geschlossenen<br />

Baumaßnahmen. Warum werden diese so wenig publik gemacht? Gerade<br />

mit den social cost-Faktoren könnte man bezüglich der geschlossenen Bauweise<br />

wunderbar punkten!<br />

J. Hölterhoff: Die von Ihnen angesprochenen Untersuchungen über die<br />

Möglichkeiten der Erfassung der social costs zeigen, dass in angrenzenden<br />

ingenieurtechnischen Tätigkeitsfeldern sinnvolle Ansätze existieren, die auf<br />

Projekte des Leitungsbaues und der Leitungssanierung übertragen werden<br />

können. Ihre Anwendung ermöglicht eine konkrete Monetarisierung dieser<br />

Kostenanteile. Die Ergebnisse zeigen, dass die indirekten Kosten erhebliche<br />

Größenordnungen einnehmen und in exponierten Situationen die entstehenden<br />

direkten Kosten sogar übersteigen können! Indirekte Kosten werden<br />

derzeit in Deutschland den jeweiligen Auftraggebern nur in Ausnahmefällen<br />

angelastet. Sie sind selten zahlungswirksam und werden daher häufig vernachlässigt.<br />

Angesichts der möglichen Größenordnungen erscheint diese<br />

Praxis überdenkenswert. Die indirekten Kosten sollten nicht nur in Entscheidungsgrenzfällen,<br />

sondern generell in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen<br />

einbezogen werden. Für die ausschreibenden Stellen sollten dann finanzielle<br />

Anreize geschaffen werden. Eine Möglichkeit ist die Gebührenerhebung<br />

für die Benutzung von Straßenraum, wie es in Großbritannien bereits seit langer<br />

Zeit praktiziert wird. Ansatzweise gibt’s das auch in Deutschland, z. B. im<br />

Berliner Straßengesetz. Allerdings bedürfen diese Ansätze noch einer gründlichen<br />

Überarbeitung. Die GSTT ist dabei, die GSTT-<strong>Information</strong> Nr. 11 von<br />

Oktober 1999 „Kostenvergleich offener und geschlossener Bauweisen unter<br />

Berücksichtigung der direkten und indirekten Kosten beim Leitungsbau und<br />

der Leitungssanierung“ zu überarbeiten, um dann mit aktuellen Fakten die<br />

öffentliche Diskussion zu beleben.<br />

?<br />

Sie arbeiten als GSTT auch viel mit der ISTT, bei der die GSTT auch Mitglied<br />

ist, und mit anderen europäischen Nodig-Gesellschaften zusammen. Pflegen<br />

Sie da auch (gemeinsame) Kontakte mit der EU-Kommission und mit europäischen<br />

Normungsgremien, und nehmen Sie da auch beratende Funktionen ein?<br />

Portrait/Interview<br />

J. Hölterhoff: In der Vergangenheit<br />

gab es wenig Kooperationen zwischen<br />

den europäischen STTs. Diese<br />

Zusammenarbeit wird von der ISTT<br />

auch nicht unbedingt gefördert, hier<br />

ist unsere eigene Initiative notwendig.<br />

Zurzeit beschränkt sich unser<br />

Engagement auf einen Normenausschuss<br />

beim DIN Deutsches Institut<br />

für Normung e. V. und vor allem auf<br />

unsere eigenen <strong>Information</strong>sschriften,<br />

die wir in Kürze als Buch herausgeben<br />

werden. Das GSTT- Buch wird<br />

jährlich aktualisiert und kann über<br />

den Handel bestellt werden. Die<br />

neueren <strong>Information</strong>en werden bereits<br />

zweisprachig, deutsch/englisch<br />

gedruckt.<br />

Mit diesem Plakat warb die GSTT in<br />

Berlin für das grabenlose Bauen.<br />

?<br />

Welche Rolle nimmt für Sie als<br />

Vorstandsvorsitzender der GSTT<br />

der Begriff „Nachhaltigkeit“ ein? Ist er<br />

für Sie eine abgedroschene Floskel oder<br />

könnten Sie sich Nachhaltigkeit übertragen<br />

auf den Bau und Betrieb unserer<br />

Ver- und Entsorgungssysteme vorstellen?<br />

J. Hölterhoff: Nachhaltigkeit ist für<br />

mich keineswegs eine abgedrosche-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

49


50<br />

Portrait/Interview<br />

Zur WASSER BERLIN <strong>2006</strong> organisierte die<br />

GSTT den Besuch einer „oben ohne“-Baustelle.<br />

ne Floskel und gerade beim Bau von<br />

Ver- und Entsorgungsleitungen sollte<br />

die Nachhaltigkeit eine ganz entscheidende<br />

Rolle spielen. Wir bauen<br />

dann nachhaltig, wenn unser Bauwerk<br />

den Bedürfnissen der heutigen<br />

Generation entspricht, ohne die<br />

Möglichkeiten künftiger Generationen<br />

zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse<br />

zu befriedigen. Gerade aus<br />

dieser Sichtweise bieten besonders<br />

grabenlose Technologien in Verbindung<br />

mit sicheren, langlebigen Baustoffen<br />

sowohl eine ökologische wie<br />

auch eine ökonomische Nachhaltigkeit.<br />

?<br />

Szenenwechsel: Sie sind nicht nur<br />

ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender<br />

der GSTT, sondern in erster Linie<br />

Professor an der Hochschule Wismar<br />

für „Baubetrieb und Verfahrenstechnik“<br />

sowie Mitinhaber der Prof. J.<br />

Hölterhoff & Partner Ingenieursozietät<br />

in Berlin. Die Studentenzahlen im Bauingenieurwesen<br />

haben deutlich abgenommen.<br />

Nach zehnjähriger Rezession<br />

ist das wenig verwunderlich. Wie<br />

sehen Sie die Entwicklung? Wird man<br />

wieder junge Leute für den Beruf begeistern<br />

können, oder werden wir bald<br />

an Fachkräftemangel leiden?<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

J. Hölterhoff: Die schlechte Situation der Branche hat natürlich viele junge<br />

Leute davon abgehalten sich in den letzten Jahren im Bereich Bauingenieurwesen<br />

zu immatrikulieren. Wir spüren allerdings schon wieder einen leichten<br />

Aufwärtstrend. Es hat sich anscheinend bei den Schulabsolventen herumgesprochen,<br />

dass in Kürze die Absolventen eines Bauingenieurstudiums wieder<br />

sehr gefragt sein werden.<br />

?<br />

Sie unterrichten „Baubetrieb und Verfahrenstechnik“. Wie sehen heute die<br />

Vorlesungen dazu aus? Als erfahrener Praktiker haben Sie den Studenten viel<br />

zu bieten. Was ist für die Studenten heute besonders wichtig?<br />

J. Hölterhoff: Neben der praxisnahen Vermittlung fachlicher Qualifikationen<br />

ist es heute aus meiner Sicht ungeheuer wichtig, die Studenten im Bereich<br />

der sogenannten „soft skills“ zu schulen: Präsentations- und Moderationstechniken,<br />

Kommunikation, Teamfähigkeit, Führungsfähigkeit u. Ä. sollten<br />

ein Schwerpunkt der Ausbildung sein. Zusätzlich sollten die Studenten<br />

Englisch in Wort und Schrift beherrschen.<br />

?<br />

Nach welchen Kriterien würden Sie heute einen Studienabsolventen einstellen?<br />

J. Hölterhoff: Nach den eben genannten.<br />

Persönlich gefragt, persönlich geantwortet<br />

● Was ist(sind) Ihre Stärke(n)? Teamfähigkeit, Motivationsfähigkeit<br />

● Was ist(sind) Ihre Schwäche(n)? Kann oft nicht „nein“ sagen!<br />

● Worüber können Sie lachen? Komödie im Kino.<br />

● Worüber können Sie sich aufregen? Staus.<br />

● Worauf könnten Sie auf der berühmten einsamen Insel nicht verzichten?<br />

Ein gutes Buch und ein Glas Wein.<br />

● Wem möchten Sie dort keinesfalls begegnen? Meinem Zahnarzt.<br />

● Haben Sie eine Lieblingslektüre? Im letzten Urlaub: Nachtzug nach<br />

Lissabon.<br />

● Sie haben unerwartet einen freien Tag. Was würden Sie damit anfangen?<br />

Ausschlafen, lange frühstücken, Ausstellung, Kino, schön essen gehen.<br />

● Welcher Ort/Stadt ist für Sie der/die schönste?<br />

Halbinsel Fischland/Darß.<br />

● Welche Persönlichkeit würden Sie einmal gerne treffen? Bill Gates.<br />

● Was ist Ihr Magen- und Leibgericht? Austern, Boeuf bourginon.<br />

● Welchen Beruf würden Sie in einem zweiten Leben ergreifen?<br />

Ich habe bereits meinen Traumberuf.


Portrait/Interview<br />

Zu Gast bei <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH<br />

Traditionell, hochmodern und innovativ<br />

Die <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH ist weltweit operierender<br />

Marktführer und Europas größter Hersteller von Steinzeugrohren<br />

und Formstücken mit Produktionsstandorten in Frechen (Nordrhein-<br />

Westfalen), Bad Schmiedeberg (Sachsen-Anhalt) und Hasselt (Belgien). Das<br />

mittelständische Unternehmen mit seinen rund 630 Mitarbeitern wird von<br />

Elk Eckert und Frank Franco vom Standort Frechen aus geführt. Auf die hohe<br />

Qualität der Produkte, auf die kontinuierliche Marktbeobachtung sowie<br />

auf den engen Kundenkontakt legen beide größten Wert. Mit welchen<br />

grundsätzlichen strategischen, strukturellen und organisatorischen Maßnahmen<br />

das im Unternehmen umgesetzt wird und wie sich das Unternehmen<br />

im Markt positioniert und behauptet, erfuhr die Redaktion in einem Gespräch<br />

mit Geschäftsführer Elk Eckert.<br />

?<br />

In der Fachpresse war kürzlich zu lesen, dass sich das Unternehmen STEIN-<br />

ZEUG Abwassersysteme neu aufgestellt hat und unter einer neuen Dachmarke<br />

firmiert. Was muss man sich im Einzelnen darunter vorstellen? Was hat sich<br />

geändert?<br />

E. Eckert: Zwei Firmen – <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH in Deutschland<br />

und KERAMO-<strong>STEINZEUG</strong> N.V. in Belgien – jeweils mit grenzüberschreitenden<br />

Aktivitäten, unterschiedlichem Logo, aber innerhalb einer Unternehmensgruppe!<br />

Das klärt nicht auf. Das stiftet eher Verwirrung.<br />

Deshalb war es so wichtig, unter bewusster Beibehaltung der beiden traditionellen<br />

Firmennamen eine neue und einheitliche DACHMARKE zu entwickeln<br />

und einzuführen.<br />

Wo auf der Welt auch immer – das neue Logo vermittelt jetzt<br />

auch visuell unser „one voice“-Marketing. Die verwendeten drei Elemente<br />

Weltkarte, Kreis und parallel aufgestellte Namen symbolisieren die weltweite<br />

Marktführerschaft, das exakt runde Steinzeugrohr, das auch gleichzeitig<br />

als Symbol für den Kreislauf des Wassers steht, sowie die bewusst gewählte<br />

Beibehaltung der beiden bekannten Unternehmensnamen.<br />

?<br />

Die <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme ist Weltmarktführer. Welche Märkte bedient<br />

das Unternehmen hauptsächlich, wo liegen die Schwerpunkte?<br />

E. Eckert: Der Mittelpunkt unserer Aktivitäten verschiebt sich nach Osten.<br />

Außerhalb Deutschlands wächst die Nachfrage nach Steinzeugrohren in EN-<br />

Qualität, besonders in den neuen<br />

EU-Ländern und im Mittleren Osten.<br />

?<br />

Wo und wie „intensiv“ ist das Unternehmen<br />

auf dem osteuropäischen<br />

Markt vertreten? Sehen Sie in<br />

den EU-Beitrittsländern Bulgarien und<br />

Rumänien auch Marktpotenziale?<br />

E. Eckert: Unsere Lieferungen nach<br />

Polen und Tschechien wachsen kräftig.<br />

Beides sind Länder, die durch eigene<br />

Verkaufsteams seit einigen Jahren<br />

betreut wurden. Selbstverständlich<br />

sehen wir in Bulgarien und Rumänien<br />

Marktpotenziale. Die Struktur<br />

unserer Aktivitäten in diesen und<br />

anderen neuen EU-Ländern ist organisiert;<br />

erste Aufträge liegen bereits<br />

vor.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

51


52<br />

Portrait/Interview<br />

?<br />

Das Unternehmen gehört, wie<br />

man heute sagt, zu den global<br />

playern. Wie sieht diese weltweite<br />

„Präsenz“ aus, sprich, wie ist dabei<br />

der Vertrieb organisiert/strukturiert?<br />

E. Eckert: Das ist eine unserer<br />

schwierigsten Aufgaben im weltweiten<br />

Vertrieb. Wollen wir Nachfrage<br />

erzeugen, dann muss in neue Märkte<br />

investiert werden. Das bedeutet<br />

eine Entscheidung zwischen eigener,<br />

aber dennoch jeweils nationaler<br />

„manpower“. Oder es bedeutet das<br />

Übertragen der Beratungs- und Vertriebsaufgaben<br />

auf Spezialfirmen/<br />

Agenturen oder Allianz-Partner in<br />

den einzelnen Zielländern. Das heißt<br />

also: Je nach Markterfordernis und<br />

Entwicklungsgrad der Zielmärkte<br />

mit Blick auf unsere Produkte strukturieren<br />

wir unseren weltweiten Vertrieb,<br />

wobei eine wichtige Konstante<br />

die Umsetzung unserer Ziele und<br />

Vernetzung aller Aktivitäten gewährleistet:<br />

Das sind unsere Senior Verkaufsmanager<br />

für die einzelnen Regionen:<br />

● Peter Peters für Deutschland<br />

● Christian Weidinger für Mittelund<br />

Osteuropa<br />

● Ronny Neys für West- und Südeuropa<br />

● Helmut Jürges für Übersee<br />

Sie sind Botschafter unseres Unternehmens,<br />

Teamleader, Motivatoren,<br />

Impulsgeber und Ratgeber für Verkaufsteams<br />

und Kunden. Sie sind<br />

aber gleichzeitig auch Seismographen<br />

für Entwicklungen, seien es<br />

Wachstums- oder auch Gefahrenpotenziale.<br />

Zusammengefasst heißt das: In entwickelten<br />

Märkten mit stetiger<br />

Nachfrage sind wir „direkt“, in neuen<br />

Zielmärkten am Anfang „indirekt“<br />

aufgestellt, wobei die Vertriebsverantwortung<br />

immer beim<br />

Verkaufsmanagement verbleibt.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

?<br />

Haben Sie je daran gedacht, auch im Ausland, also in Übersee, zu produzieren?<br />

E. Eckert: Aus logistischer Sicht ist das nicht erforderlich. Jedoch mit Blick<br />

auf unsere Wettbewerbsfähigkeit kann das Sinn machen. Eines unserer Unternehmensziele,<br />

die Sicherung der Arbeitsplätze, spricht allerdings dagegen.<br />

Kurz: Überlegungen gibt es, aber aktuell keine konkreten Schritte. Vertriebsallianzen<br />

mit Produzenten im Mittleren und Fernen Osten gibt es dagegen<br />

sehr wohl.<br />

?<br />

Sind Fachmessen (im In- und Ausland) für Ihr Unternehmen eine Plattform,<br />

neue Märkte zu erschließen?<br />

E. Eckert: Durchaus, wenn Charakter der Messe und Zielmärkte in unserem<br />

Interesse liegen.<br />

?<br />

Wie hoch ist Ihre Jahresproduktion, wie hoch ist der Umsatz?<br />

E. Eckert: Es werden jährlich gut 250.000 t in den drei Werken hergestellt.<br />

Das entspricht einem Jahresumsatz von gut 100 Mio. Euro.<br />

?<br />

Sie bieten Ihren Kunden – so steht es im Prospekt und auch im Internet – zusätzlichen<br />

Service an. Wie sieht der in der Praxis aus, was ist konkret damit<br />

gemeint?<br />

E. Eckert: Unsere Teams beraten auf allen Feldern rund um den Kanalrohrbau.<br />

Konkret handelt es sich um Systemfragen, wie z. B. Druck- oder Gefälleleitungen,<br />

Misch- oder Trennverfahren, Verlegung im offenen Graben oder<br />

im unterirdischen Rohrvortrieb. Ferner stellen wir Berechnungen zu Statik,<br />

Hydraulik oder Wirtschaftlichkeit zur Verfügung. Schließlich begleiten wir unser<br />

Produkt von der Herstellung über den Transport bis zum Einbau und zur<br />

Bauabnahme mit fachmännischem Rat.<br />

Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die <strong>STEINZEUG</strong>-Seminarreihen zu<br />

all diesen Themen und die Beteiligung an externen Veranstaltungen mit<br />

Fachreferaten, Moderations- und Diskussionsbeiträgen sowie regelmäßig erscheinende<br />

Fachveröffentlichungen aus unserem Haus.<br />

?<br />

Das in Ihrem Hause neu entwickelte Keramische Hausanschlusselement<br />

C100-150 erreichte im kürzlich abgeschlossenen IKT-Warentest in allen<br />

„Disziplinen“ die Bestnote „SEHR GUT“. Was bedeutet dieses hervorragende Ergebnis<br />

für das Unternehmen, was bedeutet es für Sie als Geschäftsführer?<br />

E. Eckert: Diese Neuentwicklung belegt konkret unsere Botschaft: STEIN-<br />

ZEUG ist nicht nur ein traditioneller, sondern gleichzeitig ein hochmoderner<br />

und innovativer Rohrwerkstoff. Das Entwicklungspotenzial der Keramik ist bei<br />

weitem noch nicht ausgeschöpft. Mein Geschäftsführer-Kollege, Frank<br />

Franco, unsere Führungskräfte und ich haben die feste Absicht, die Branche<br />

auch in Zukunft mit neuen Entwicklungen herauszufordern.


Hier laufen die Fäden zusammen: Die Zentrale des Unternehmens in Frechen bei<br />

Köln.<br />

?<br />

Was sind Ihre wichtigsten Verkaufsargumente für Steinzeugrohre?<br />

E. Eckert: Eine aktuell und bundesweit vom IKT durchgeführte Markt-Umfrage<br />

bei den deutschen Netzbetreibern – die Ergebnisse werden in Kürze<br />

veröffentlicht – ermittelte diese Rangfolge der Argumente, die bei der Wahl<br />

des Rohrmaterials angewendet werden:<br />

1. Hohe Lebensdauer 5. Verformungsrisiko<br />

2. Korrosionsbeständigkeit 6. Biegefestigkeit<br />

3. Beständigkeit gegen HD-Reinigung 7. Niedrige Einbaukosten<br />

4. Umweltfreundlichkeit 8. Niedrige Materialkosten<br />

Dieses Ergebnis spricht für sich selbst und vor allem für Steinzeug.<br />

?<br />

Mit dem Werkstoff Steinzeug werden immer wieder noch Begriffe wie „althergebracht“,<br />

„unmodern“, „verstaubt“ etc. assoziiert. Wie räumen Sie mit<br />

diesen Vorurteilen auf? Was haben Sie dem entgegenzusetzen und womit überzeugen<br />

Sie für den Werkstoff Steinzeug?<br />

E. Eckert: Schauen Sie auf meine Antwort zum Thema Neuentwicklungen!<br />

Zu nennen sind aber auch die Erweiterung der Rohrnennweiten im Großrohr-<br />

und Vortriebsrohrbereich mit DN 1400 – die ersten Rohre werden gerade<br />

erfolgreich gefertigt, eine Weltneuheit – oder auch verbesserte physikalische<br />

und chemische Materialkennwerte durch veränderte Rezepturen.<br />

?<br />

In welchem Kontext spielt für Sie das Thema Nachhaltigkeit eine Rolle?<br />

E. Eckert: Nachhaltigkeit spielt für uns in unserer Vision, unserer Mission<br />

aber auch in unseren Firmenleitsätzen eine Rolle. Kurz zusammengefasst<br />

kann ich das so darstellen:<br />

Unsere Vision:<br />

● Wasser ist Leben. Dieser Verantwortung stellen wir uns.<br />

Unsere Mission:<br />

● Sicherheit ist ein Grundbedürfnis des Menschen.<br />

● Umweltschutz ein Selbstverständnis als Beitrag zur Generationengerech-<br />

Portrait/Interview<br />

tigkeit. Das leisten wir mit unseren<br />

Produkten.<br />

Unsere Firmenleitsätze:<br />

● Wir stehen zu unserer Verantwortung,<br />

eine intakte Umwelt zu erhalten.<br />

● Wir wissen, dass die Kanalisation<br />

wichtiger Teil des Gewässerschutzes<br />

und der Gesundheitspolitik ist.<br />

All dies ist für uns Nachhaltigkeit.<br />

Denn wir alle im Unternehmen erstreben<br />

mit unseren Produkten<br />

größtmögliche Nachhaltigkeit in sozialer,<br />

ökologischer und ökonomischer<br />

Hinsicht.<br />

?<br />

Ist in naher Zukunft mit weiteren<br />

Produktneuheiten aus dem Hause<br />

<strong>STEINZEUG</strong> zu rechnen?<br />

E. Eckert: Aber ja! Lassen Sie sich<br />

mittelfristig überraschen.<br />

?<br />

Was bedeutet für Sie die Mitgliedschaft<br />

im <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />

e.V.?<br />

E. Eckert: Unser Unternehmen stellt<br />

Rohre her, verkauft und distributiert<br />

diese. Wir haben sozusagen unser<br />

Ohr am Markt und unsere Finger am<br />

Puls des Kunden. Was jedoch die<br />

Entwicklung und Veränderung der<br />

Rahmenbedingungen in der Wasserwirtschaft<br />

angeht – da kennt sich der<br />

<strong>Fachverband</strong> besser aus. Der <strong>Fachverband</strong><br />

bündelt die Ergebnisse dieser<br />

Entwicklungen, vernetzt <strong>Information</strong>sstränge<br />

aus Deutschland<br />

und Europa, kommuniziert mit relevanten<br />

Regierungsstellen und Nicht-<br />

Regierungsorganisationen auf<br />

Europa-, Bundes-, Länder- und kommunaler<br />

Ebene. Und er vertritt die<br />

wirtschaftlichen und sozialpolitischen<br />

Interessen unserer Branche.<br />

Davon profitieren alle Mitglieder des<br />

<strong>Fachverband</strong>es, auch unser Unternehmen.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

53


54<br />

Portrait/Interview<br />

Zu Gast bei Osmose Baukeramik<br />

Steinzeug ist „ein gutes Gefühl“<br />

Westerwälder Elektro Osmose<br />

Müller GmbH &<br />

Co. KG ist der vollständige<br />

Name eines Familien geführten<br />

Unternehmens im Westerwälder<br />

Örtchen Staudt nahe Montabaur,<br />

dessen Erfolg sich seit über 90 Jahren<br />

auf den Werkstoff Steinzeug gründet.<br />

Was es mit diesem Namen auf<br />

sich hat, welchen Stellenwert die<br />

Unternehmenstradition und -erfahrung<br />

einnimmt und wie sich das Unternehmen<br />

im heutigen Markt präsentiert<br />

und aufgestellt hat, erfuhr<br />

die Redaktion in einem Gespräch mit<br />

den Geschäftsführern Dipl.-Kfm.<br />

Werner Müller und Dipl.-Wirt.-Ing.<br />

Dirk Zühlke.<br />

?<br />

Die Familie Aloys Josef Müller hat<br />

1924 von der Graf-Schwerin-Aktiengesellschaft<br />

in Berlin das Werk und<br />

die dazugehörige Tongrube „Timpel“<br />

gekauft. Was wurde dort damals produziert?<br />

W. Müller: 1915 wurde die Westerwälder<br />

Elektro Osmose in der bergrechtlichen<br />

Geschäftsform einer<br />

Tongewerkschaft gegründet. Man<br />

stellte nach dem Osmose-Verfahren<br />

einen veredelten und gereinigten<br />

Ton, den „Osmo-Ton“ her und verkaufte<br />

ihn vorwiegend an die Elektroporzellanindustrie.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

?<br />

Warum wurde gerade dieses Werk gekauft?<br />

W. Müller: Meinen Großvater, Aloys Josef Müller, interessierte nur die Tonlagerstätte<br />

mit der Tonbelehnung „Timpel“, nie die Produktion der Firma.<br />

Das Belehnungsrecht auf Ton ist ein altes Bergrecht und ist heute noch gültig.<br />

Insgesamt haben wir hier am Standort Staudt zu der Belehnung „Timpel“<br />

zwei weitere Belehnungen. Eine davon wurde erworben, eine weitere<br />

gepachtet.<br />

?<br />

Kommen Sie heute, nach so vielen Jahren, noch ohne Zukauf aus?<br />

W. Müller: Es ist möglich, alle heute hergestellten Produkte mit Tonen aus<br />

der eigenen Grube herzustellen. Aber wir kaufen 25 % Fremdtone aus der Region<br />

hinzu.<br />

?<br />

Wie entwickelte sich das Unternehmen nach dem Kauf 1924 bis heute?<br />

W. Müller: Von Beginn an bis in die 60er Jahre wurden hier ausschließlich<br />

Steinzeugrohre bis DN 250 in 1 m Länge hergestellt. Heute produzieren wir<br />

Rohre DN 100 bis DN 200 in den Baulängen 1 m, 1,25 m und 1,50 m; In<br />

Zukunft möchten wir auch die Baulänge 2 m produzieren. Dazu stellen wir<br />

auch die entsprechenden Formstücke her.<br />

Aber zurück zur Historie: Um unseren Tunnelofen voll auszulasten, sind wir<br />

Die beiden Geschäftsführer Werner Müller (links) und Dirk Zühlke (rechts).


1968 auch in den Hochbau eingeschwenkt: mit der Produktion plastisch gepresster<br />

Schamotte-Schornsteinrohre. Das war dann unser zweites Standbein.<br />

Vor ca. sechs Jahren haben wir dieses zweite Standbein mit der Produktion<br />

von isostatisch gepressten Schamotte-Schornsteinrohren erweitert. Mit<br />

diesem besonderen Pressverfahren genießen wir eine Sonderstellung im<br />

Markt, diese Technologie beherrschen insgesamt nur drei Hersteller in<br />

Deutschland.<br />

1973 startete dann die Produktion von salzglasierten Spaltplatten in einem<br />

Kammerringofen, 1978 von glasierten Spaltplatten im Tunnelofen. 1973 ist<br />

also der Beginn der Fliesenproduktion – unser drittes Standbein. In allen drei<br />

Bereichen vermittelt Steinzeug ein gutes Gefühl.<br />

?<br />

Sie bieten also heute drei verschiedene Produkte aus dem Rohstoff Ton an:<br />

Steinzeugrohre, Schamotte-Schornsteinrohre und Feinsteinzeugfliesen. Auf<br />

welchem „Pferd“ sitzen Sie ruhiger? Ändert sich das im Lauf der Jahre?<br />

W. Müller: Im Lauf der Jahre hat sich die Gewichtung der drei Standbeine<br />

immer wieder verändert. 1968 haben wir 100 % Umsatz mit Steinzeugrohren<br />

und Formstücken gemacht; heute sind es ca. 6 % und 83 % des Umsatzes<br />

erreichen wir mit Fliesen.<br />

D. Zühlke: Man kann Ihre Frage, auf welchem Pferd sitzen Sie ruhiger, so<br />

nicht beantworten. Es gibt saisonal, aber auch über die Jahre verschiedene<br />

Phasen, wo das eine Produkt sich besser, das andere schlechter entwickelt.<br />

Man hat so mit den drei Standbeinen immer einen gewissen Ausgleich.<br />

W. Müller: Das Pferd „Steinzeugrohre“ war über mehr als 80 Jahre ein sehr<br />

nützliches und auch ertragreiches Pferd. Es hat damit auch nie Probleme gegeben,<br />

wir haben uns immer um Solidität über all die Jahre bemüht. Wir sind<br />

halt ein Familien geführtes Unternehmen, unser innovativer Punkt zeigt sich<br />

in den drei Standbeinen ...<br />

D. Zühlke: ... und der kontinuierlichen Weiterentwicklung. Als Familienunternehmen<br />

ist auch eine größere Verbundenheit mit den Produkten vorhanden.<br />

?<br />

Fokussieren wir uns auf die Steinzeugrohre. Wo und welche Märkte bedienen<br />

Sie?<br />

W. Müller: Primär bedienen wir den Inlandsmarkt und hierin aus Frachtgründen<br />

einen Radius von ca. 300 km. Das ist unser Schwerpunkt. Wir beliefern<br />

allerdings auch das benachbarte Ausland, wie Belgien, Luxemburg<br />

und Frankreich. Im nächsten Schritt werden wir uns auch in Richtung Osteuropa<br />

orientieren, etwa nach Polen und Tschechien, dort verfügen wir über<br />

Vertreter.<br />

?<br />

Sehen Sie in Osteuropa auch Marktpotenziale?<br />

D. Zühlke: Unser Absatz hat also seinen Schwerpunkt ganz klar in Deutschland,<br />

aber in Richtung Osten sehen wir für uns auch Entwicklungspotenzial.<br />

Wir verfügen über einen Fliesenvertrieb in Osteuropa, v. a. in Tschechien und<br />

Portrait/Interview<br />

Polen, der auch an Steinzeugrohren<br />

und Schamotte-Schornsteinrohren<br />

interessiert ist. Die müssen sich aber<br />

erst einmal mit den beiden Produkten<br />

vertraut machen, um die richtigen<br />

Händler ansprechen zu können.<br />

Auch als kleiner Marktteilnehmer sehen<br />

wir in Osteuropa Potenzial für<br />

uns.<br />

W. Müller: Auch in Deutschland sehe<br />

ich noch Potenzial.<br />

Die Produktion von Schamotte-Schornsteinrohren<br />

ist das zweite Standbein des Unternehmens.<br />

?<br />

Wie viele Vertriebsleute haben<br />

Sie?<br />

W. Müller: Wir haben ca. 25 Partner<br />

im Vertrieb.<br />

?<br />

Sind Fachmessen für Ihr Unternehmen<br />

eine Plattform, neue<br />

Märkte zu erschließen?<br />

W. Müller: Fachmessen sind für uns<br />

ganz klar ein Thema. Da liegt die Gewichtung<br />

aber ganz deutlich beim<br />

Produkt Fliese. Dennoch: Auf den<br />

Fliesenmessen sind unsere beiden<br />

anderen Produkte immer in irgendeiner<br />

Form dabei, als Produkt zum<br />

Anfassen oder in Form von Bildern.<br />

Darauf werden wir auch angesprochen.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

55


56<br />

Portrait/Interview<br />

D. Zühlke: Aber hier möchte ich<br />

schon differenzieren: Auf einer Fliesenmesse<br />

erschließen wir natürlich<br />

keine neuen Märkte für Steinzeugoder<br />

Schamotte-Schornsteinrohre!<br />

Im Ausland sieht das anders aus.<br />

Dort ist man auf einer Baumesse offen<br />

für alle möglichen neuen Produkte.<br />

In Tschechien etwa wird man<br />

eben nicht nur auf Fliesen, sondern<br />

auch auf alle möglichen anderen<br />

Steinzeugprodukte angesprochen.<br />

Hier kann man schon eher von<br />

Markterschließung sprechen.<br />

?<br />

Wie ist der Vertrieb der Steinzeugrohre<br />

strukturiert?<br />

W. Müller: Der Vertrieb wird ausschließlich<br />

über den Fachhandel abgewickelt.<br />

Wir können nur die Nischen-Strategie<br />

fahren. Und das<br />

funktioniert sehr gut. In den Tiefbauabteilungen<br />

des Baustoffhandels sitzen<br />

absolute Vollprofis, gut ausgebildete<br />

Fachleute, die sich bestens auskennen.<br />

Bedauerlicherweise gibt’s<br />

inzwischen zu wenig Baustoffhändler.<br />

Wir müssen uns darüber klar werden,<br />

wie es in 10 oder 20 Jahren aussieht,<br />

wenn diese Entwicklung so<br />

weitergeht. Wenn es immer weniger<br />

gute Händler gibt, die unsere Rohre<br />

bevorraten und verkaufen.<br />

?<br />

Was sind Ihre Verkaufsargumente<br />

für Steinzeugrohre, was ist für Sie<br />

am Werkstoff Steinzeug so überzeugend?<br />

W. Müller: Für die Baufachhändler<br />

brauche ich keine Verkaufsargumente,<br />

die wissen, dass Steinzeug ein<br />

hervorragendes Rohrmaterial ist.<br />

Aber für jeden anderen sind meine<br />

Argumente pro Steinzeug: Steinzeug<br />

hat einfach jede Menge chemische<br />

und physikalische Eigenschaften,<br />

die überzeugend sind, und die-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

Hochmodern ist die Produktionsstraße Fliesen, das dritte Standbein von Osmose<br />

Baukeramik.<br />

se Eigenschaften halten über Jahrhunderte. Ein Steinzeugrohr kann ich nach<br />

100 Jahren Betrieb ausgraben und es ist immer noch voll funktionstüchtig.<br />

Steinzeug ist eben ein Werkstoff, der überzeugt! Wenn hohe Anforderungen<br />

gestellt werden, hat Steinzeug als alleiniger Werkstoff seine Daseinsberechtigung.<br />

Weshalb werden sonst in Saudi Arabien, in Ägypten usw. hohe Investitionen<br />

in Steinzeugwerke getätigt? Weil der Werkstoff maßgebend ist. Weil<br />

das Produkt Steinzeugrohr überzeugt und weil es den dortigen hohen Anforderungen<br />

standhält. Wir werfen Gutes über Bord und sagen, modern sind<br />

Kunststoffrohre. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Argumente für den Werkstoff<br />

Steinzeug beim Bau und Betrieb dauerhafter und sicherer Kanäle sind<br />

einfach überzeugend und haben Zukunft.<br />

?<br />

Was bedeutet für Sie die Mitgliedschaft im <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />

e.V.?<br />

W. Müller: Alle europäischen Steinzeugrohrhersteller gehören meiner Meinung<br />

nach in den <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong>. Alle zusammen bedienen<br />

nämlich einen nicht unerheblichen Markt in Deutschland, und wir haben<br />

auch immer noch Wachstumsmärkte in Deutschland. Es ist kurzsichtig, sich<br />

nicht in dem Verband zu organisieren. Außerdem kann man unmittelbaren<br />

hohen Nutzen daraus ziehen: aus dem <strong>Information</strong>saustausch, aus der Normungsarbeit<br />

und auch aus speziellen Veranstaltungen. Die gemeinsame Basis<br />

ist das gute Produkt Steinzeugrohr, für das wir Hersteller doch alle „kämpfen“.<br />

D. Zühlke: Und da ist die Gesprächsebene die Plattform <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />

genau die richtige! Da treffen sich alle Hersteller, da treffen sich<br />

ja auch Teile der Zuliefererindustrie, d. h., wenn's auch um technische<br />

Schwierigkeiten und Lösungen geht, ist man dort im absoluten richtigen Gremium.<br />

Das gemeinsame Ziel, das Produkt Steinzeug im Markt nach vorne zu<br />

bringen, sehe ich als Basis für den <strong>Fachverband</strong>. Es geht doch bei der Verbandsarbeit<br />

letztendlich um grundsätzliche Fragestellungen, die z. B. auch<br />

in die verschiedenen Normungsausschüsse hineingetragen werden, wo für<br />

das Produkt jemand auch kämpft und arbeitet. Das ist für mich Sinn und<br />

Zweck des <strong>Fachverband</strong>es.<br />

W. Müller: Die Gewichtung des Verbandes spielt natürlich auch eine große<br />

Rolle. Je mehr Hersteller dort vertreten sind, umso größer ist die Gewichtung.<br />

Und deswegen kann man nur ein Ziel verfolgen: Möglichst alle in ein Boot.


Beim Neubau eines Abwasserkanals ist die Bestimmung seiner betriebsgewöhnlichen<br />

Nutzungsdauer zunächst relativ klar: Sie wird vorgegeben;<br />

die Festlegungen zu Planung, Bauausführung und Betrieb müssen<br />

sicherstellen, dass das Ziel erreicht wird.<br />

Der Begriff „betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer“ nach DWA-Arbeitsblatt A<br />

133 beschreibt den Zeitraum, in dem das Wirtschaftsgut mit einiger Sicherheit<br />

bei üblicher Nutzung für den Betrieb brauchbar sein dürfte. Diese Beurteilung<br />

muss insbesondere bei langlebigen Anlagegütern, zu denen die Kanalisation<br />

unstrittig zählt, unter Abwägung des Einzelfalls erfolgen. Die hierzu<br />

notwendigen technischen und wirtschaftlichen <strong>Information</strong>en sowie die<br />

notwendigen Erfahrungen stehen in unterschiedlichem Umfang bereit.<br />

Mit der Übergabe des Anlageguts in den Bestand erfolgt die Festlegung der<br />

Abschreibungszeit, die dann in die Gebühren einfließt.<br />

Für die Arbeiten im Bestand gelten zur Beurteilung und Ermittlung der betriebsgewöhnlichen<br />

Nutzungsdauer von Einbauteilen ganz andere Randbedingungen.<br />

Ohne Kenntnis des Ist-Zustands des Rohr-Boden-Systems und<br />

Wirtschaft + Recht<br />

Beurteilung der Nutzungsdauer<br />

Lang – länger – am längsten?<br />

der betrieblichen Beanspruchungen<br />

können keine gesicherten Aussagen<br />

erstellt werden. Die umfassende Zustandserfassung<br />

ist daher unverzichtbar<br />

und dringend erforderlich.<br />

Voraussetzung dafür sind notwendigerweise<br />

die Kenntnisse hinsichtlich:<br />

● Baugrund, Untergrundverhältnisse<br />

(Tragfähigkeit des Bodens, Setzungen,<br />

natürlicher Boden, Auffüllboden,<br />

Grundwasser, Senkungen)<br />

● Statische Belastungen (Verkehrsbelastungen<br />

und Änderungen<br />

daraus, Übereinstimmung Statik<br />

und Bauausführung)<br />

● Einbaubedingungen der Bauteile<br />

(Auflagerung der Rohre, Einbettung<br />

der Rohre, Zustand der Einbettung)<br />

● Bauausführung (Offener Einbau,<br />

Mikrotunnelbau, Rohrvortrieb,<br />

Stollenbau)<br />

● Betriebsbedingungen im Abwasserkanal<br />

(Beschaffenheit des<br />

Abwassers und Rohrmaterial, Untergrund-/Bodenbeschaffenheit,Betriebsbedingungen,<br />

inkl. Verschleiß)<br />

Das DWA-Arbeitsblatt A 133 weist in<br />

Anhang D „Abschreibungszeiten“<br />

auf diese Situation hin (siehe Tabelle,<br />

Auszug DWA-Arbeitsblatt A 133).<br />

Bei Arbeiten im Bestand kann nicht<br />

etwa das angewandte Sanierungsverfahren<br />

isoliert vom vorhandenen<br />

Altrohr beurteilt werden, sondern<br />

nur zusammen mit ihm! Eine Ausnahme<br />

gibt es für die Erneuerungs-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

57


58<br />

Wirtschaft + Recht<br />

Ausgewählte Eingangsgrößen<br />

zur Festlegung<br />

der betriebsgewöhnlichen<br />

Nutzungsdauer<br />

Einbaubedingungen Abnahmekriterien für<br />

Bauwerk und Boden,<br />

Kontrolle der Bauausführung<br />

Bauausführung Offene Bauweise, geschlossene<br />

Bauweise<br />

Baugrundverhältnisse Gründung; Tragfähige<br />

Böden, nichttragfähige<br />

Böden; Grundwasserverhältnisse/<br />

-beschaffenheit<br />

Baustoffe Technische Eigenschaften<br />

Betriebsbedingungen Abwasserbeschaffenheit;Abflussverhältnisse<br />

Bauwerk Umsetzung der<br />

Planung<br />

Auszug DWA-Arbeitsblatt A 133.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

Kriterien beim Neubau Kriterien bei der Bewertung<br />

im Bestand<br />

Kenntnisse über das Tragwerksystem<br />

Rohr/Boden<br />

Offene Bauweise, geschlossene<br />

Bauweise<br />

Ergebnisse von Boden-/Grundwasseruntersuchungen;Sondersituationen<br />

(u. a. Bergbau)<br />

Zustandserfassung mit Kanal-TV<br />

und weiteren Methoden;<br />

Technischer Verschleiß<br />

Abwasserbeschaffenheit; Abflussverhältnisse;Beanspruchungsdauer<br />

und -intensität; Art der Bedienung<br />

und der Pflege; Äußere<br />

Belastungen des Bauwerkes<br />

Kenntnis der wirtschaftlichen<br />

Entwertung durch technischen<br />

Fortschritt, Kenntnis des natürlichen<br />

Verschleißes; Kenntnis<br />

individueller Umstände<br />

verfahren. Die Angabe einer vom<br />

Altrohr isolierten Nutzungsdauer ist<br />

absolut ungenügend und auch nicht<br />

nachvollziehbar, da sie grundsätzlich<br />

von der technischen (Rest)-Nutzungsdauer<br />

der jeweiligen Haltung<br />

abhängig ist. Dies gilt natürlich auch<br />

für andere Verfahren, die vom Zustand<br />

des vorhandenen Altrohres<br />

abhängig sind!<br />

Das beantwortet auch die Frage, warum<br />

Nutzungsdauern nicht im technischen<br />

Regelwerk niedergeschrieben<br />

sind: Weil sie grundsätzlich von<br />

zahlreichen Parametern abhängig<br />

sind. Materialtechnische Angaben<br />

alleine reichen bei Weitem nicht aus.<br />

Den Praxistest für Freispiegelkanäle<br />

im Labor gibt es nicht.<br />

Kontakt<br />

Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />

<strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />

Alfred-Nobel-Straße 17<br />

50226 Frechen<br />

Tel.: 0 22 34/5 07-2 71<br />

E-Mail: fachverband@steinzeug.com


Im Oktober diesen Jahres ist die umfassend aktualisierte Vergabe- und Vertragsordnung<br />

für Bauleistungen (VOB) als Gesamtausgabe neu erschienen.<br />

Sie enthält den Teil A (DIN 1960), in dem die EU-Richtlinie über die Koordinierung<br />

der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge und zur Koordinierung<br />

der Zuschlagserteilung sowie das ÖPP-Beschleunigungsgesetz umgesetzt<br />

werden. Ebenfalls überarbeitet ist Teil B (DIN 1961) sowie Teil C mit<br />

19 fachlich und 19 redaktionell überarbeiteten ATVen und der gänzlich neu<br />

aufgenommenen ATV DIN 18322 Kabelleitungstiefbauarbeiten und der ATV<br />

DIN 18459 Abbruch- und Rückbauarbeiten. Im Folgenden sind stichpunktartig<br />

die wichtigsten Änderungen dieser neuen VOB <strong>2006</strong> zusammengestellt.<br />

Die VOB bleibt damit der Maßstab für solide Bauverträge im öffentlichen und<br />

privaten Bereich.<br />

A. Überblick über das neue Vergaberecht (VOB <strong>2006</strong>)<br />

I. Wesentliche Änderungen der Vergabeverordnung<br />

1. Erhöhung der Schwellenwerte<br />

Im Kommunalbereich gelten neu folgende Schwellenwerte:<br />

● 5,278 Mio. Euro statt bisher 5 Mio. Euro im Baubereich<br />

● 211.000 Euro statt bisher 200.000 Euro im Bereich der VOL- und VOF-<br />

Vergaben<br />

● 422.000 Euro statt bisher 400.000 Euro bei Auftragsvergaben durch Sektorenauftraggeber<br />

2. Neuregelung über elektronische Vergabe<br />

Die bisherige Regelung über die elektronische Angebotsabgabe wird aufgehoben.<br />

Diese Regelung findet sich zukünftig in § 21 Nr. 1 VOB/A und § 21<br />

Nr. 1 Abs. 2 VOL/A.<br />

3. Schätzung der Auftragswerte, § 3 VgV<br />

II. Die neuen Regelungen der VOB/A<br />

1. Die Schwellenwerte und Arten der Vergabe<br />

In der neuen VOB/A sind die Schwellenwerte an die EU-Vorgaben folglich angepasst.<br />

Bauaufträge werden nach § 3 a Nr. 1 c) VOB/A auch im Wettbewerblichen<br />

Dialog vergeben.<br />

Wirtschaft + Recht<br />

Wichtige Änderungen in allen Teilen<br />

Die neue VOB <strong>2006</strong><br />

2. Eignung der Bewerber und<br />

Bieter, § 8 a VOB/A<br />

Das Ermessen des Auftraggebers bei<br />

der Entscheidung über einen Ausschluss<br />

von Bewerbern und Bietern<br />

vom Vergabeverfahren wegen Unzuverlässigkeit<br />

wurde deutlich eingeschränkt.<br />

3. Nachweis der Eignung,<br />

§ 8 VOB/A<br />

Als Nachweis der Eignung (Fachkunde,<br />

Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit)<br />

ist auch die vom Auftraggeber<br />

direkt abrufbare Eintragung in<br />

die allgemein zugängliche Liste des<br />

Vereins für die Präqualifikation von<br />

Bauunternehmen (Präqualifikationsverzeichnis)<br />

zulässig.<br />

4. Nachweis der Erfüllung von<br />

Qualitätssicherungsnormen und<br />

Normen für Umweltmanagement,<br />

§ 8 a VOB/A<br />

Auftraggeber können gemäß § 8 a<br />

Nr. 11 Nachweise der Erfüllung von<br />

Qualitätssicherungsnormen und<br />

Normen für Umweltmanagement<br />

verlangen.<br />

5. Gleichwertigkeit technischer<br />

Spezifikationen bei der Leistungsbeschreibung,<br />

§ 9 VOB/A<br />

§ 9 VOB/A erlaubt es, technische<br />

Spezifikationen durch eine Bezugnahme<br />

auf Normen zu formulieren.<br />

Diese Bezugnahme ist gemäß § 9 Nr.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

59


60<br />

Wirtschaft + Recht<br />

6 Abs. 1 nun mit dem Zusatz „oder<br />

gleichwertig“ zu versehen.<br />

Zudem wird die Beweislast umgekehrt:<br />

ab sofort trägt der Auftragnehmer<br />

die Beweislast für die Erfüllung<br />

der Anforderungen der in Bezug<br />

genommenen technischen Spezifikation<br />

und dass die der Norm<br />

entsprechende Bauleistung den Leistungs-<br />

oder Funktionsanforderungen<br />

entspricht.<br />

6. Vergabeunterlagen, § 10 a<br />

VOB/A<br />

§ 10 a VOB/A sieht bezüglich der Bekanntmachung<br />

der Zuschlagskriterien<br />

wesentlich ausführlichere Anforderungen<br />

vor.<br />

7. Grundsätze der Ausschreibung<br />

und <strong>Information</strong>sübermittlung<br />

Den Grundsätzen der Ausschreibung<br />

in § 16 VOB/A wurden Grundsätze<br />

der <strong>Information</strong>sübermittlung<br />

hinzugefügt.<br />

8. Anforderungen an Teilnahmeanträge,<br />

§ 16a VOB/A<br />

Neu eingefügt wurden §§ 16 a und<br />

16 b VOB/A, die die Anforderungen<br />

an Teilnahmeanträge bestimmen.<br />

Kontakt<br />

Ax/Schneider & Kollegen<br />

Büro Rhein-Neckar<br />

69141 Neckargemünd<br />

Tel.: 0 62 23/86 58-20<br />

Internet:<br />

www.ax-schneider-kollegen.de<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

9. Angebotsfristen, § 18 a VOB/A<br />

Die VOB/A sieht nun eine Kürzungsmöglichkeit für Angebotsfristen im Offenen<br />

Verfahren in § 18 a Nr. 1 Abs. 4, 5 vor.<br />

10. Wertung der Angebote, § 25 a VOB/A<br />

Die Regelung der Wertung der Angebote wurde u.a. im Hinblick auf staatliche<br />

Beihilfen erweitert.<br />

11. Nichtberücksichtigte Bewerbungen, § 27 a VOB/A<br />

Auf Verlangen sind den nicht berücksichtigten Bewerbern oder Bietern unverzüglich,<br />

spätestens jedoch innerhalb einer Frist von 15 Kalendertagen die<br />

Gründe für die Nichtberücksichtigung ihres Angebots mitzuteilen.<br />

12. Inhalt der Vergabevermerke, § 30 a VOB/A<br />

§ 30 a VOB/A sieht nun bestimmte Mindestinhalte für den Vergabevermerk<br />

vor.<br />

13. Neue Vergabeart: Der Wettbewerbliche Dialog<br />

Der Wettbewerbliche Dialog ist bereits durch das ÖPP-Beschleunigungsgesetz<br />

vom 8. September 2005 in § 101 Abs. 5 und 6 GWB sowie in § 6 a VgV<br />

umgesetzt worden.<br />

Überblick über das neue Vertragsrecht (VOB/B <strong>2006</strong>)<br />

I. Die Änderungen der VOB/B <strong>2006</strong><br />

● Klarstellende Hervorhebung zum Pauschalvertrag (§ 2 VOB/B)<br />

● Anwendung von Teilen A, B, C bei Weitervergabe (§ 4 VOB/B)<br />

● Entschädigung des AN bei Verletzung der Mitwirkungspflicht des AG<br />

(§ 6 VOB/B)<br />

● Kündigung im Insolvenzfall (§ 8 VOB/B)<br />

● Verjährungsfrist (§ 13 VOB/B)<br />

● Verjährungsfrist bei maschinellen und elektr. Anlagen (§ 13 VOB/B)<br />

● Abschlagszahlungen zu vereinbarten Zeitpunkten (§ 16 VOB/B)<br />

● Einwendungen gegen die Prüffähigkeit (§ 16 VOB/B)<br />

● Beginn der Frist für den Vorbehalt (§ 16 VOB/B)<br />

● Keine doppelte Fristsetzung vor Einstellung der Arbeiten wegen Verzug<br />

des AG (§ 16 VOB/B)<br />

● Erläuterungen zum Sperrkonto (§ 17 VOB/B)<br />

● Bemessungsgrundlage bei Berechnung des Sicherheitseinbehalts im Hinblick<br />

auf § 13 b UStG (§ 17 VOB/B)<br />

● Einführung eines Verfahrens zur Streitbeilegung (§ 18 VOB/B)


Vom 3. bis 7. April <strong>2006</strong> stand Berlin im Mittelpunkt der europäischen<br />

Wasser- und Gaswirtschaft. Mehr als 26.000 Fachbesucher aus 42 Ländern<br />

informierten sich über die technologischen und energiepolitischen<br />

Entwicklungen der Branche. „Besonders erfreulich ist die wachsende<br />

Zahl der internationalen Aussteller, Fachbesucher und Delegationen,“ so Dr.<br />

Christian Göke, Geschäftsführer der Messe Berlin GmbH. Eine optimistische<br />

Grundstimmung unter Ausstellern und Fachbesuchern prägte die WASSER<br />

BERLIN/GAS BERLIN <strong>2006</strong>, wie Umfragen zeigen. Dazu trug der gestiegene<br />

Anteil an internationalen Fachbesuchern um 5 % auf 20 % wesentlich bei.<br />

630 Aussteller aus 30 Ländern (187 aus dem Ausland) präsentierten in sechs<br />

Hallen innovative Produkte und Dienstleistungen thematisiert nach Schwerpunkten.<br />

Die begleitenden internationalen Kongresse mit ihren Partnerveranstaltungen<br />

waren ebenso ein starker Anziehungspunkt für die Fachbesucher. Über<br />

700 Teilnehmer und zu allen Veranstaltungen insgesamt 5.498 Teilnehmer<br />

Auf Herz und Nieren geprüft: Mit einem ausgeklügelten Messsystem wird die<br />

Rohrbelastung beim Rohrvortrieb online überwacht.<br />

Messen + Kongresse<br />

WASSER + GAS BERLIN <strong>2006</strong><br />

Spürbare Aufbruchstimmung<br />

nutzten die Chance zum Wissenstransfer.<br />

Berlins Microtunneling-<br />

Baustellen<br />

Besonders erfolgreich war das 5. InternationaleRohrleitungsbausymposium<br />

mit 13 Baustellenbesichtigungs-Touren<br />

in verschiedenen Teilen<br />

der deutschen Hauptstadt mit<br />

rund 400 Teilnehmern. An sechs der<br />

angefahrenen Baustellen wurden<br />

Rohrvortrieb, Pipe Eating und doppelschalige<br />

Bauweisen in Wasserschutzzone<br />

II vorgeführt, bei denen<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-Rohrsysteme zum Einsatz<br />

kamen. Eine herausragende<br />

Vorführung bot dabei die „Online-<br />

Überwachung der Rohrbelastung<br />

beim Rohrvortrieb“ (Baustelle Semmelweißstraße,<br />

Berlin-Altglienicke),<br />

ein Überwachungssystem, dass am<br />

Institut für Baumaschinen und<br />

Baubetrieb der RWTH Aachen aktuell<br />

entwickelt wurde. Die Besucher<br />

hatten hier die einmalige Gelegenheit,<br />

einen Teil des Einbaus der<br />

insgesamt 1.100 m langen Vortriebsstrecke<br />

(DN 800-Vortriebsrohre)<br />

mit der parallelen Online-Überwachung<br />

der zulässigen Vortriebskräfte<br />

bei Rohrabwinkelungen zu<br />

besichtigen.<br />

Aber auch zwei weitere Vortriebsprojekte<br />

sowie der doppelschalige<br />

Bau von Schmutzwasserkanälen in<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

61


62<br />

Messen + Kongresse<br />

Wasserschutzzone II und eine Pipe-<br />

Eating-Baustelle, fanden großes Interesse<br />

bei den Besuchern.<br />

Im Rahmen der Baustellenbesichtigung<br />

hatte die GSTT die Fach- und<br />

Lokalpresse zu einem gesonderten<br />

Baustellenbesuch im Rahmen ihrer<br />

Imagekampagne „Wir bauen oben<br />

ohne Störung“ eingeladen. An der<br />

Startgrube einer Vortriebsstrecke mit<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-Vortriebsrohren DN<br />

600 in der Potsdamer Straße, erläuterte<br />

Prof. Jens Hölterhoff, Vorstandsvorsitzender<br />

der GSTT, die<br />

Imagekampagne, mit der die ökologischen<br />

und ökonomischen Vorteile<br />

der unterirdischen Bauweise auch<br />

den Bürgern verdeutlicht werden<br />

soll.<br />

2007<br />

Branchentermine im Überblick<br />

Im Rahmen ihrer Imagekampagne „Wir bauen oben ohne Störung“ lud die GSTT<br />

zum Baustellenbesuch in die Potsdamer Straße ein.<br />

Water Middle East 2007 22.01.–24.01.2007 Bahrain<br />

ENVIRONMENT 2007 28.01.–31.01.2007 Abu Dhabi<br />

21. Oldenburger Rohrleitungsforum 08.02.–09.02.2007 Oldenburg<br />

TERRATEC 2007 05.03.–08.03.2007 Leipzig<br />

Mediterranean NO-DIG 2007 10.09.–12.09.2007 Rom<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong>


Frankreich würdigte die Kugelpost mit einer Europa-Marke.<br />

Während der Belagerung<br />

von Paris im Deutsch-<br />

Französischen Krieg<br />

1870/71 waren rund zwei Millionen<br />

Menschen in der Seine-Metropole<br />

von der Außenwelt abgeschnitten.<br />

Es gab weder Kontakt zum unbesetzten<br />

Teil Frankreichs noch zu den<br />

nach Bordeaux geflüchteten Mitgliedern<br />

der Regierung. Mit Heißluftballonen<br />

und Brieftauben gelang es<br />

zwar, zahlreiche Sendungen aus Paris<br />

in das unbesetzte Frankreich zu<br />

schleusen, die Verbindung in umgekehrter<br />

Richtung war allerdings von<br />

allerhand Zufällen abhängig und nahezu<br />

unmöglich.<br />

Seltener Kugelpost-Beleg mit Postwertzeichen, die während<br />

der Belagerung in Paris gedruckt wurden.<br />

Schwebend unter Wasser<br />

Last Minute<br />

(Ab)Wassertransport<br />

Französische Zinkkugelpost<br />

Der einzig sichere und von Windrichtungen unabhängige<br />

Weg schien mit der Strömung der Seine zum Ziel zu führen:<br />

Eine Reihe von Erfindern und Tüftlern machte sich ans Werk,<br />

eine Lösung des Problems zu finden, sprich einen „Weg“ zu<br />

finden, um Post unbemerkt via der Seine durch den dichten Belagerungsgürtel<br />

nach Paris zu bringen. Die meisten Vorschläge wurden vom Generalpostmeister<br />

Rampont abgelehnt, sie erwiesen sich in seinen Augen als undurchführbar.<br />

Nur der von den Erfindern Delort, Robert und Vonoven eingebrachte<br />

Vorschlag fand praktische Verwendung, jedoch keinen Erfolg im gedachten<br />

Sinne – weder für die potenziellen Postadressaten, noch für die Erfinder:<br />

Es handelte sich um verzinkte und wasserdicht verschließbare kleine Kugeln<br />

(ca. 20 cm Durchmesser), die maximal 600 Briefe á 4 g aufnehmen konnten.<br />

Die Verschlusskappen der Kugeln wurden verlötet und mit Wachs gegen eindringende<br />

Feuchtigkeit versiegelt. Durch einen gut durchdachten Mechanismus<br />

sollten diese Kugeln wenig unter dem Wasserspiegel in der Schwebe gehalten<br />

werden und dadurch für den Feind unsichtbar bleiben; als „Transportmittel“<br />

der Kugeln war nämlich das Wasser der Seine ausersehen.<br />

Als Sammelstelle für die neue Zinkkugelpost wurde von der französischen<br />

Post die Stadt Moulins im Departement Allier (südöstlich von Bourges) bestimmt;<br />

die für diese Beförderungsart vorgesehenen Briefe mussten mit „Paris<br />

par Moulins“ gekennzeichnet sein.<br />

Kugelpost, frankiert mit geschnittenen Postwertzeichen.<br />

Deutlich zu lesen: par Moulins.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

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64<br />

Last Minute<br />

Entwurf einer Postkugel, der 1870 vom Generalpostmeister<br />

abgelehnt wurde.<br />

Das Unternehmen<br />

misslingt<br />

Mit vier Kugeln startete das infolge<br />

der Beendigung der Belagerung nur<br />

27 Tage dauernde Unternehmen<br />

„Paris par Moulins“ am 4. Januar<br />

1871. In Moulins wurden die Briefe<br />

Buchtipp<br />

Kunststoffrohre „in der Mangel“<br />

Mehdi Farshad, Professor an<br />

der ETH Zürich, hat mit<br />

dem Buch Plastic Pipe<br />

Systems – Failure Investigation<br />

and Diagnosis eine vollständige Zusammenstellung<br />

über Kunststoffrohre<br />

und ihre Fehler erarbeitet. Er stellt<br />

methodische Untersuchungen zur<br />

Erkennung und Identifizierung der<br />

Fehler sowie deren Ursache vor. Die<br />

systematische Darstellung von Rissen,<br />

Beulen, Verformungen und Ver-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />

Ballonpost-Beleg<br />

mit typischer<br />

Stempelung<br />

in die Kugeln verpackt<br />

(deshalb auch „Boules de<br />

Moulins“ = Kugeln von Moulins<br />

genannt), zur Ortschaft Braye-sur-<br />

Seine verbracht und dort der Seine anvertraut.<br />

Das Porto für einen Zinkkugelbrief<br />

betrug 1 Franc. Davon beanspruchte die französische<br />

Post zunächst nur 20 Centimes, 80 Centimes<br />

sollten den Erfindern zukommen. Da man jedoch<br />

hinsichtlich der Ankunft der Briefe doch Zweifel<br />

hegte, erhielten die Erfinder für jeden „angekommenen“<br />

Brief nur 40 Centimes Vorschuss, die restlichen 40 Centimes sollten<br />

nach Ankunft der Kugeln in Paris ausgezahlt werden – wozu es<br />

niemals kam. Denn: Von den insgesamt 55 abgelassenen Kugeln (mit<br />

rund 40.000 Briefen) traf keine einzige an der Tag und Nacht besetzten<br />

Auffangstelle am Place Port-à-Anglais in Paris ein.<br />

Erst im Mai 1871 wurde die erste Kugel gefunden, viele sanken auf den Seinegrund,<br />

andere blieben im Ufergestrüpp hängen oder passierten Paris unbemerkt.<br />

Bis heute sind nicht einmal 20 der ehemals 55 abgesetzten Kugeln<br />

entdeckt worden, die bisher letzte 1969 in der Nähe von Rouen.<br />

Dennoch: Die erhalten gebliebenen Zinkkugeln mit ihren außergewöhnlichen<br />

Inhalten sind seltene Dokumente einer äußerst ungewöhnlichen Postbeförderung.<br />

Alle Abb. freundlich zur Verfügung gestellt<br />

von Christian Alt, Redakteur „postfrisch“, Gütersloh.<br />

änderungen, Blasen und Delaminationen, Spannungskorrosion,<br />

Abrieb und Hindernissen ist<br />

erstmalig und umfassend gelungen. Der Autor<br />

hat – basierend auf seinen umfangreichen praktischen<br />

Erfahrungen und Materialuntersuchungen<br />

– ein für die Anwendung von Kunststoffrohren<br />

hilfreiches Buch aufgelegt. Die konstruktiv kritische Herangehensweise<br />

wird durch eine gute Lesbarkeit unterstützt. Der Planer findet Kriterien zur<br />

Werkstoffwahl und umfangreiche Hinweise zu Einflüssen, die die Nutzung der<br />

Rohrleitung bestimmen.<br />

1. Ausgabe <strong>2006</strong>, Verlag Elsevier, 224 Seiten, 99,95 Euro zzgl. Versandkosten.<br />

Zu beziehen unter: www.nodig-books.com

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