STEINZEUG Information 2006 - Fachverband Steinzeugindustrie eV
STEINZEUG Information 2006 - Fachverband Steinzeugindustrie eV
STEINZEUG Information 2006 - Fachverband Steinzeugindustrie eV
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<strong>Information</strong><br />
<strong>STEINZEUG</strong><br />
90% der EU-Bevölkerung<br />
am Kanalnetz<br />
Substanzwerterhalt<br />
in der Zwickmühle<br />
Kanalerneuerung im<br />
Stollenvortrieb<br />
<strong>2006</strong><br />
FV ST<br />
<strong>Fachverband</strong><br />
<strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
FVST <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />
Alfred-Nobel-Straße 17<br />
50226 Frechen<br />
Tel.: 02234/507-271<br />
Fax: 02234/507-204<br />
E-Mail: fachverband@steinzeug.com<br />
Internet: www.steinzeug.com<br />
Redaktion:<br />
Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />
Heiko Daun<br />
Dr. Gabriele Hahn<br />
Redaktionsbüro Dr. Hahn<br />
Ettighofferstraße 23<br />
53123 Bonn<br />
Tel.: 0228/464189<br />
Fax: 0228/4339261<br />
E-Mail: redaktion@hahn-bonn.de<br />
Satz:<br />
Satz+Layout Werkstatt Kluth GmbH<br />
Erftstadt<br />
Druck:<br />
Das Druckhaus<br />
Beineke Dickmanns GmbH, Kaarst-Büttgen<br />
Zum Abdruck angenommene Beiträge und Abbildungen gehen im Rahmen der gesetzlichen<br />
Bestimmungen in das Veröffentlichungs- und Verbreitungsrecht des Herausgebers über.<br />
Redaktionelle Überarbeitungen und Kürzungen liegen im Ermessen des Herausgebers.
Über die zu verwendenden Rohrwerkstoffe in unseren Kanalnetzen entscheiden<br />
die jeweiligen Betreiber. Grundlegend beeinflusst wird diese verantwortungsvolle<br />
Entscheidung von der Absicht, natürlich nur solche Bauteile einzusetzen,<br />
die auch eine möglichst lange und problemlose Nutzungsdauer<br />
ermöglichen. Ein weiterer Einfluss nehmender Aspekt ist auch die ökologische<br />
Relevanz der Bauteile. Aus Steinzeug werden solche Bauteile gefertigt,<br />
Steinzeugrohre und -systeme erfüllen alle diese Anforderungen, ja sie<br />
nehmen hier eine Spitzenstellung ein. Eigenlob, sagen Sie? Keineswegs! Die<br />
regelmäßigen, unermüdlichen Bemühungen der Wettbewerber, die technischen<br />
Eigenschaften ihrer Materialien mit denen von Steinzeug zu vergleichen,<br />
sprechen eine eindeutige Sprache. Aber der keramische Werkstoff ist<br />
weder vergleichbar mit Kunststoff noch ersetzbar durch Kunststoff; allein die<br />
vielen unterschiedlichen Kunststoffarten sprechen dagegen. Mit Steinzeug<br />
kommt keine zusätzliche Variable in die Entscheidungsfindung, sondern in<br />
Anlehnung an die unveränderten technischen Anforderungen aus Planung,<br />
Bau und Betrieb eine konstante und bekannte Größe.<br />
Normen und Arbeitsblätter unterstützen hilfreich Planung und Bau von<br />
Abwasserleitungen und -kanälen, die Verantwortung für die Materialentscheidung<br />
„übernehmen“ sie jedoch nicht. Allerdings müssen genormte<br />
Bauteile nicht immer auf die Interessen der Anwender stoßen. Europa hat andere<br />
Interessen und deshalb kommt es auf den Inhalt der Norm an und das,<br />
was die Hersteller daraus machen. In die Produktion von Steinzeugrohren<br />
und -systemen wurden und werden zielgerichtet die Anwender von Anbeginn<br />
an mit ihren Interessen berücksichtigt und eingebunden. Nicht nur<br />
national, sondern auch europäisch.<br />
Ingenieure sollten wieder wie Ingenieure entscheiden, Fakten bewerten,<br />
Berechnungen erstellen, Wissen einsetzen und vor allem Oberflächlichkeiten<br />
ausschließen. Das Bauwerk Kanalisation ist zu wertvoll, um aus dem Gefühl<br />
heraus gebaut und betrieben zu werden. Es geht um Verantwortung für die<br />
Zukunft.<br />
Mit der vorliegenden Ausgabe der <strong>STEINZEUG</strong> <strong>Information</strong> <strong>2006</strong> wünsche<br />
ich Ihnen eine interessante und nützliche Lektüre,<br />
Ihr<br />
Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />
Geschäftsführer <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />
Editorial<br />
Entscheidend ist der Werkstoff!<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
1
2<br />
Inhalt<br />
17 What’s new in<br />
Europe/Germany?<br />
Im nationalen und europäischen<br />
Regelwerk hat<br />
sich einiges getan.<br />
Dichtung im Muffenspalt<br />
aus elastifiziertem<br />
Epoxidharz<br />
Boden der Rohrzone<br />
bzw. Rohrauflager<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
10 Wie es um den derzeitigen Stand<br />
und die zukünftige Entwicklung der<br />
Kanalisation in Ungarn bestellt ist, zeigt<br />
ein Vergleich mit Deutschland. Dabei ist<br />
allerdings zu berücksichtigen, dass für<br />
die verschiedensten Parameter in<br />
Ungarn nur Schätz- und Erfahrungswerte<br />
und keine konkreten Daten vorliegen.<br />
63 „Paris par Moulin“ lautete die Wegbeschreibung<br />
für die Kugelpost in die 1870/71 belagerte Hauptstadt.<br />
Vorgegeben war damit der Transport über die Seine.<br />
Materialabtrag<br />
durch Vorfräsen<br />
definierter Muffenspalt<br />
12–20 mm<br />
Rest der Muffenabd.<br />
älterer Bauart<br />
51 Als traditionell,<br />
hochmodern und innovativ<br />
umriss Elk Eckert im Gespräch<br />
das Profil des Weltmarktführers<br />
<strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme<br />
in Frechen.<br />
28 Das EDS-Verfahren wird laut<br />
DIN EN 752-5 den Renovationsverfahren<br />
zugeordnet, woraus sich entsprechende<br />
Aspekte zur Wirtschaftlichkeit<br />
ableiten lassen.
43 Unter einer besonderen<br />
Einkaufsmeile braucht<br />
es auch eine besondere<br />
Kanalsanierung. Ganz im<br />
Verborgenen wird in Stollenbauweise<br />
das Kanalnetz<br />
unter der Kölner Hohe<br />
Straße erneuert.<br />
Inhalt<br />
■ Editorial<br />
Entscheidend ist der Werkstoff! 1<br />
■ Verbandsnachrichten<br />
„Rohrleitungen – erfordern Fachkompetenz“ 4<br />
Nachwirkungen in die Zukunft 5<br />
DWA-Seminare/-Tagung: Der FVST „packt mit an“ 8<br />
■ Blickpunkt EU<br />
Kanalisation in Ungarn im Vergleich 10<br />
90 % der EU-Bevölkerung am Kanalnetz 12<br />
CEN – einer für alle … alle für einen – CEN 14<br />
■ Regelwerknews<br />
What’s new in Europe/in Germany? 17<br />
■ Forschung + Technik<br />
Substanzwerterhalt – Wirtschaftliche Notwendigkeit und Belastungsgrenze 19<br />
EDS-Verfahren – Aspekte zur Wirtschaftlichkeit 28<br />
Einsatz von selbstverdichtenden Materialien 33<br />
■ Baustellenbericht/-reportage<br />
Stadtbahnbau – Drei dicke Mädchen mit Tunnelblick beißen sich durch 38<br />
Kölner Hohe Straße – Kanalsanierung ganz im Verborgenen 43<br />
Weimar – Großherzögliche Grüße aus dem Erdreich 46<br />
■ Portrait/Interview<br />
Im Gespräch mit Jens Hölterhoff 48<br />
Zu Gast bei <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme 51<br />
Zu Gast bei Osmose Baukeramik 54<br />
■ Wirtschaft + Recht<br />
Beurteilung der Nutzungsdauer 57<br />
Die neue VOB <strong>2006</strong> 59<br />
■ Messen + Kongresse<br />
WASSER + GAS BERLIN <strong>2006</strong> 61<br />
Branchentermine im Überblick 62<br />
■ Last Minute<br />
Französische Zinkkugelpost 63<br />
Buchtipp: Kunststoffrohre „in der Mangel“ 64<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
3
4<br />
Verbandsnachrichten<br />
FVST beim IRO 2007<br />
„Rohrleitungen – erfordern<br />
Ingenieurkompetenz“<br />
Am 8. und 9. Februar 2007 öffnet<br />
zum 21. Mal das Institut<br />
für Rohrleitungsbau an der<br />
Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven<br />
seine Tore<br />
zum „Oldenburger Rohrleitungsforum“.<br />
Mit dem gewählten Leitmotiv<br />
„Rohrleitungen – erfordern Ingenieurkompetenz“<br />
haben die Verantwortlichen<br />
ein Thema aufgegriffen,<br />
das seit einiger Zeit an Brisanz und<br />
Sensibilität zugenommen hat, denn:<br />
In den letzten zehn Jahren war in der<br />
Bauwirtschaft ein dramatischer Stellenabbau<br />
zu verzeichnen. Parallel zu<br />
dieser miserablen Beschäftigungssituation<br />
sank verständlicherweise die<br />
Zahl der Studienanfänger in den<br />
Studiengängen des Bauwesens. Mit<br />
Beginn der allmählichen Konsolidierung<br />
der Baubranche wird der seit<br />
einiger Zeit befürchtete Fachkräftemangel<br />
im Ingenieurbereich nun<br />
sichtbar. Verbände, Ver- und Entsorgungsbetriebe,<br />
Hersteller, Ingenieurbüros<br />
und Bauunternehmen<br />
fordern daher für den Rohrleitungsbau,<br />
dass an den Hochschulen besonders<br />
qualifizierte Mitarbeiter mit<br />
Ingenieurkompetenz ausgebildet<br />
werden.<br />
Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
e.V. wird wie gewohnt auch in 2007<br />
mit einem Vortragsblock zum Ol-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
denburger Rohrleitungsforum vertreten sein. Er greift darin das Leitmotiv des<br />
iro auf, da Kompetenz und Qualifikation auch und gerade in der Verwendung<br />
von Rohrmaterialien eine enorm wichtige Rolle spielen. So wird im Steinzeug-<br />
Vortragsblock das „Herzstück Bauausführung“ im Mittelpunkt stehen – aus<br />
der Sicht des Auftraggebers (Dipl.-Ing. Hartmut Schmidt, Stadtentwässerung<br />
Vortragsblock Steinzeug<br />
9. Februar 2007, 11:00 – 12:30 Uhr<br />
Immer auf der richtigen Seite<br />
„Herzstück Bauausführung“: Welche Anforderungen stellt<br />
der Auftraggeber an sein Planungsbüro?<br />
Referent: Dipl.-Ing. Hartmut Schmidt<br />
Stadtentwässerung Braunschweig GmbH,<br />
Braunschweig<br />
„Herzstück Bauausführung“: Wie erfüllt das Planungsbüro<br />
die Anforderungen des Auftraggebers?<br />
Referent: Dr.-Ing. Olaf Schulz<br />
GKE Consult GmbH, Braunschweig<br />
Wir machen kompetente Ingenieure – als Bachelor<br />
oder Master!<br />
Referent: Prof. Dr.-Ing. Jens Hölterhoff<br />
Hochschule Wismar, Wismar<br />
Moderation: Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />
<strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V., Frechen<br />
Weitere <strong>Information</strong>en zum 21. Oldenburger Rohrleitungsforum erhalten<br />
Sie unter den angegebenen Kontaktmöglichkeiten.
Braunschweig GmbH) und aus der Sicht des Planungsbüros (Dr.-Ing. Olaf<br />
Schulz, GKE Consult, Braunschweig). Im Klartext heißt das: Welche Anforderungen<br />
stellt der Auftraggeber an sein Planungsbüro und wie wiederum erfüllt<br />
das Planungsbüro die Anforderungen des Auftraggebers.<br />
Auf beiden Seiten müssen dafür kompetente Fachleute stehen. Prof. Dr.-Ing.<br />
Jens Hölterhoff, Hochschullehrer im Fachbereich Bauingenieurwesen in Wismar,<br />
sorgt dafür. Er bildet praxisorientierte, kompetente Ingenieure – als Bachelor<br />
oder Master – aus und beschreibt in seinem Vortrag die Ausbildungsinhalte.<br />
Im Gedenken an den Gründer des<br />
KERAMION, Dr. Gottfried Cremer,<br />
dessen Geburtstag sich am 3. Oktober<br />
zum hundertsten Mal jährte, erinnerte<br />
die Stiftung KERAMION/VZK<br />
Frechen e.V. vom 20. August bis 29.<br />
Oktober <strong>2006</strong> mit einer Ausstellung<br />
und einer begleitenden Festschrift an<br />
das Leben und Wirken eines großen<br />
Industriellen, Sammler, Mäzen und<br />
Stifter. Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
e.V. hat mit einem Beitrag in<br />
dieser Festschrift die „Nachwirkungen“<br />
aus dem Lebenswerk Cremers<br />
auf die Gegenwart und Zukunft aufgespürt.<br />
Steinzeugrohre wurden zu allen Zeiten mit dem Ziel eingebaut, möglichst<br />
lange und störungsfreie Betriebszeiten zu ermöglichen. Mit keinem anderen<br />
Werkstoff hat die moderne Kanalisationstechnik eine solche Bandbreite an Erfahrung<br />
gesammelt, kein Bauteil aus Steinzeug hat so regelmäßig seine Planer<br />
und Baumeister überlebt und wechselnde und zum Zeitpunkt seiner Herstellung<br />
zum Teil unbekannte und unvorhersehbare Betriebsbedingungen erfahren.<br />
Diese enormen Leistungen wurden erreicht, da in ständigem Dialog<br />
mit den Bauherren die Produkte angepasst, modernisiert und neu entwickelt<br />
wurden.<br />
Dr. Gottfried Cremer hat die Entwicklung des Werkstoffs Steinzeug unermüdlich<br />
vorangetrieben, die Produktionstechnik mit profunden Fachkenntnissen<br />
modernisiert und damit seitens der Industrie Voraussetzungen geschaffen,<br />
Kontakt<br />
Verbandsnachrichten<br />
Institut für Rohrleitungsbau an der<br />
Fachhochschule Oldenburg e.V.<br />
Ofener Straße 18<br />
26121 Oldenburg<br />
Tel.: 04 41/36 10 39-0<br />
Fax: 04 41/36 10 39-10<br />
E-Mail: ina.kleist@iro-online.de<br />
Zum 100. Geburtstag von Dr. Gottfried Cremer<br />
Nachwirkungen in die Zukunft<br />
Einer Töpferscheibe nachempfunden: das Keramion. Foto: W. Stapelfeldt<br />
Steinzeugrohre und Formstücke erfolgreich<br />
im Abwassermarkt zu positionieren.<br />
Technisches, wirtschaftliches<br />
und umweltpolitisches<br />
Umfeld im<br />
Jahre <strong>2006</strong><br />
Die Abwassertechnik ist ein wesentliches<br />
Element des Umweltschutzes,<br />
weil das Wasser, unser unverzichtba-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
5
6<br />
Verbandsnachrichten<br />
Kanalisationsnetz<br />
in Deutschland<br />
● 486.159 km<br />
● bis DN 800: 46 % aus<br />
Steinzeug<br />
● 70 % der Kanäle sind älter<br />
als 50 Jahre<br />
● 3 % der Kanäle sind älter<br />
als 100 Jahre<br />
Zahlen und Fakten. Quelle: DWA <strong>2006</strong><br />
res Lebensmittel, hier im Mittelpunkt<br />
steht. Technische Entscheidungen<br />
stehen auf dem Prüfstand<br />
der Finanzierbarkeit, der Wirtschaftlichkeit<br />
und der politischen Akzeptanz.<br />
Gerne wird in diesen Zusammenhängen<br />
der Begriff der „Nachhaltigkeit“<br />
verwendet.<br />
Die Politik hat mit der Gründung des<br />
Bundesministeriums für Umwelt vor<br />
20 Jahren dann auch offiziell den<br />
Schutz der Umwelt zur Chefsache<br />
erklärt. Zurückblickend sind 20 Jahre<br />
eine vergleichsweise kurze Zeit<br />
angesichts der Bedeutung der Umwelt<br />
für die Lebensbedingungen<br />
künftiger Generationen. Das Thema<br />
Energie spielt dabei eine ganz wesentliche<br />
Rolle und steht zunehmend<br />
im Mittelpunkt umweltpolitischer<br />
Diskussionen. Aber auch viele<br />
andere Bereiche mit ökologischer,<br />
ökonomischer und sozialer Relevanz<br />
gehören zu den Inhalten der Umweltpolitik.<br />
Das Unternehmen <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme<br />
GmbH, Frechen, ist<br />
sich seiner Rolle gegenüber der Umwelt<br />
bewusst und stellt sich der Verantwortung<br />
– jeden Tag. Mit den<br />
Steinzeug-Produkten ist es möglich,<br />
Ökologie und Ökonomie zum Nutzen<br />
und Besten aller zu vereinen.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
Nachhaltigkeit<br />
Was bedeutet „Nachhaltigkeit“? In der Umweltpolitik, aber auch in vielen anderen<br />
Bereichen, wird der Begriff der „Nachhaltigkeit“ vielfach verwendet,<br />
aber auch vielfach missbraucht. Die europäische „Kommission Umwelt“ beschreibt<br />
diesen Begriff unter Verwendung der Definition in der Umweltkonferenz<br />
1992 in Rio de Janeiro als eine<br />
„Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu<br />
riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht<br />
befriedigen können.“<br />
Die Länder der Europäischen Gemeinschaft verwenden den Begriff „Nachhaltigkeit“<br />
unterschiedlich: Die häufig gebräuchliche Definition erfolgt nach<br />
räumlichen und zeitlichen Zusammenhängen.<br />
In Deutschland kommen folgende Definitionen zum Tragen:<br />
● dauerhaft umweltgerechte Entwicklung<br />
● umweltgerechte Entwicklung<br />
● ökologisch-dauerhafte Entwicklung<br />
● zukunftsverträgliche Entwicklung<br />
● zukunftsfähige Entwicklung<br />
Die eingangs beschriebene Dauerhaftigkeit und Beständigkeit von Steinzeugrohren<br />
von mehr als hundert Jahren macht deutlich, dass unter Verwendung<br />
dieses Werkstoffs die definierten Ziele der „Nachhaltigkeit“ erreicht<br />
werden und dass auch die vorhandenen älteren Netze diese ebenfalls erreichen.<br />
„Nachhaltigkeit“ besitzt zudem eine soziale Komponente, die in der folgenden<br />
Definition mit verwendet wird:<br />
Energieeinsatz zur Herstellung von<br />
Steinzeugbauteilen<br />
Bauteile für den Rohrvortrieb<br />
Großrohre für die Kanalisation<br />
Bauteilfestigkeiten<br />
Materialfestigkeit<br />
Baulänge<br />
Werkseitig hergestellte Rohrverbindungen<br />
Kunststoffanteil an den Verbindungen<br />
Arbeitsbelastungen der Mitarbeiter<br />
Umweltbelastungen aus der Produktion<br />
Tab. 1: Fakten und Entwicklungstendenzen bezüglich der Nachhaltigkeit von<br />
Steinzeugbauteilen in der Kanalisation.<br />
Zeit<br />
1956 – 1981 1981 – <strong>2006</strong> 2007 –
„Das Wirtschaften soll sich unter Berücksichtigung ökonomischer<br />
und sozialer Dimensionen an den Grenzen<br />
der Tragfähigkeit des Naturhaushaltes orientieren.“<br />
Die Begriffe „umweltgerecht“ und „nachhaltig“ werden<br />
also durch ökologische, ökonomische und soziale Randbedingungen<br />
geformt, die gleichwertige Bestandteile<br />
dieser Definition sind.<br />
Eine Nachhaltigkeitsbilanz von Steinzeugbauteilen in der<br />
Kanalisation schließt zurückblickend die in Tabelle 1 aufgeführten<br />
Fakten und Entwicklungstendenzen für die<br />
Zukunft ein:<br />
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist bekanntermaßen schon<br />
sehr alt und geht auf die Forstwirtschaft zurück. Für das<br />
Wirken von Dr. Gottfried Cremer für unsere Industrie gelten<br />
die Worte von Hans Jonas zum Prinzip der Verantwortung:<br />
„Handle so, daß Du durch Dein Handeln die Lebensmöglichkeiten<br />
der nächsten Generation nicht einengst<br />
oder beeinträchtigst.“<br />
Innovationen<br />
Die <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH forscht stetig nach innovativen Produktanwendungen<br />
im Kanalbau und für die Verbesserung der Produktionstechnologie.<br />
Als herausragende Ergebnisse der letzten 25 Jahre sind hervorzuheben:<br />
● Deutliche Erhöhung der Tragfähigkeiten der Rohre mit dem Ziel, grundsätzlich<br />
ein bewegliches Rohrauflager zu ermöglichen; damit sind technische<br />
und wirtschaftliche Erfolge verbunden<br />
● Vergrößerung der Baulänge von 2,00 m auf 2,50 m als Standardbaulänge<br />
für Rohre beim offenen Kanalbau<br />
● Entwicklung, Markteinführung und Markführerschaft bei Vortriebsrohren<br />
aus Steinzeug in nicht begehbaren Nennweiten<br />
● Entwicklung der Schleiftechnik zur werkseitigen Herstellung von Rohrverbindungen<br />
● Ausweitung des Großrohrprogramms bis DN 1400<br />
● Herstellung von Rohren mit Wandstärken von 100 mm bei Großrohren<br />
Verbandsnachrichten<br />
Quelle: Stiftung KERAMION/VZK<br />
Globale Herausforderungen/lokale<br />
Verantwortung<br />
Die Aktivitäten der <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme<br />
GmbH sind seit Jahrzehnten<br />
weltweit ausgerichtet. Mitarbeiter<br />
und Marktpartner stehen<br />
hierzu im stetigen Dialog mit den<br />
Kunden. Steinzeugrohre aus<br />
Deutschland haben dabei einen besonders<br />
guten Ruf. Nur die Kenntnis<br />
der individuellen technischen Erfordernisse<br />
stellen sicher, dass die Produkte<br />
auch die Erwartungen erfüllen;<br />
die technischen und wirtschaftlichen<br />
Anforderungen an die Kanalisation<br />
sind dabei häufig identisch.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
7
8<br />
Verbandsnachrichten<br />
DWA-Seminare/-Tagung<br />
Der FVST „packt mit an“<br />
Schon seit vielen Jahren ist der<br />
FVST <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
e.V. in die verschiedensten<br />
Seminare der DWA eingebunden.<br />
Im Herbst diesen Jahres<br />
standen drei Seminare auf dem Programm,<br />
an denen der FVST entweder<br />
mit Fachvorträgen, mit Moderationen<br />
oder mit der fachlichen Leitung<br />
beteiligt war.<br />
Bauen nach Plan<br />
Am 19. Oktober fand unter dem Titel<br />
„Fachgerechte Herstellung von<br />
Abwasserleitungen und -kanälen“<br />
eines der grundlegenden Seminare<br />
der Abwassertechnik in Bremen<br />
statt. Die fachliche Leitung teilten<br />
sich die Herren Flick (FVST) und Möser<br />
(Güteschutz Kanalbau). Die Inhalte<br />
umfassten die Themenbereiche<br />
● Fachtechnische <strong>Information</strong>en<br />
zur offenen Bauweise<br />
● Zusammenwirken verschiedener<br />
technischer Regelwerke wie Normen,<br />
Arbeitsblätter und andere<br />
● Klärung der Verantwortlichkeiten<br />
● Qualitätssicherung<br />
Referate und Diskussionen konzentrierten<br />
sich im Kern immer wieder<br />
auf die gleiche Problematik: Wie<br />
können die Planungsziele in der Bauausführung<br />
durchgesetzt werden<br />
und wie kann sichergestellt werden,<br />
dass diese dann konsequent danach<br />
erfolgt? Die Vorträge ließen aber<br />
letztendlich keinen Zweifel zu und<br />
machten folgendes deutlich: Die<br />
Bauausführung muss der Planung<br />
folgen und darf keine eigenen Stan-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
dards aufstellen. Die statische Berechnung für Abwasserkanäle ist dabei die<br />
Grundlage der Bauausführung, nach der entsprochen werden muss. Die<br />
Randbedingungen während der Bauausführung sind einzuhalten. Diese Situation<br />
darf nicht theoretisch sein, sondern sie muss praktisch umsetzbar<br />
sein. Durchsetzen muss dies die Fachaufsicht. Da die Statik der Rohrleitung<br />
wesentlich durch die Boden- und Einbaubedingungen bestimmt wird, ist es<br />
erforderlich, dies allen Beteiligten besonders bewusst zu machen. Abweichungen<br />
von der Planung während der Bauausführung müssen mit dem Planer<br />
oder dem Bauherrn vorab abgesprochen werden. Selbstverständlich ist<br />
die gütegesicherte Bauausführung unverzichtbar!<br />
Die Diskussion hat allen Teilnehmer immer wieder die tagtäglichen Probleme<br />
und Konflikte im Baugeschehen aufgezeigt. Die besondere Herausforderung<br />
ist die konsequente Durchsetzung der Vorgaben aus der Planung in die<br />
Bauausführung.<br />
Das nächste Seminar ist für den 30. Oktober 2007 vorgesehen.<br />
Unterirdisches Bauen<br />
Am 15. November <strong>2006</strong> stand der „Mikrotunnelbau“, dem in zunehmendem<br />
Maße besonderes Interesse gewidmet wird, auf dem DWA-Seminarprogramm<br />
in Magdeburg. Unter der bewährten Leitung von Dr.-Ing. H.-P. Uffmann<br />
vermittelte dieses Seminar neben der Darstellung der Mikrotunnelbau-<br />
Technologie aus Sicht der Auftraggeber, die Vorstellung des aktuellen Regelwerks,<br />
die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen des Mikrotunnelbaus für den<br />
nicht begehbaren Bereich sowie die technischen Neuerungen beim hydraulischen<br />
Rohrvortrieb.<br />
Aktuelle Untersuchungsergebnisse zur Lastübertragung in der Rohrfuge und<br />
die Analyse von Fehlerquellen wurden ebenfalls vorgestellt. Diesen Part übernahm<br />
– in Vertretung für Dipl.-Ing. K.-H. Flick vom FVST – die RWTH Aachen.<br />
Hintergrund dabei ist: die <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH hat in der<br />
Vergangenheit zu diesem Thema gemeinsam mit der GFB Gesellschaft zur<br />
Förderung des Baubetriebs e.V. an der RWTH Aachen umfangreiche Forschungen<br />
zum Rohrvortrieb durchführen lassen. Ein herausragendes Ergebnis<br />
dabei ist eine neu entwickelte Messtechnik zur Ermittlung der Fugenspannungen,<br />
der Spannungsverteilungen in den Rohrfugen und der resultierenden<br />
Vorpresskräfte während des Vortriebs.<br />
Hydraulische Planung<br />
Das bereits seit vielen Jahren angebotene DWA-Seminar „Hydraulische Planung<br />
von Abwasseranlagen“ vermittelt die Grundlagen der hydraulischen<br />
Berechnung von Abwasserkanälen und Bauwerken entsprechend den ATV-<br />
DVWK-Arbeitsblättern A 110, A 111 und A 112. Von besonderem Interesse
in diesem Jahr (am 21. November <strong>2006</strong> in Würzburg) waren die aktuellen<br />
Veränderungen durch die Überarbeitung des A 112, das in diesem Jahr als<br />
Entwurf erschienen ist, die Entwicklungen beim Nachweis von Regenwasserbecken<br />
und die praktischen Beispiele innerhalb der Themen. Gerade für die<br />
Anwendung von Berechnungsprogrammen sind die Kenntnisse der Randbedingungen,<br />
der Grenzen und Möglichkeiten, von besonderer Gewichtung.<br />
Dies betrifft die Ermittlung der für die Bemessung maßgebenden Abflüsse,<br />
die Nachweise für ablagerungsfreien Abfluss bei Flachstrecken sowie die Berechnung<br />
hydraulischer Verluste im Einzelfall.<br />
Die Vermittlung dieser Grundlagen steht insbesondere unter der Zielsetzung,<br />
Hilfestellung bei der Überrechnung bestehender Anlagen und bei im Rahmen<br />
der Sanierung auftretender Aufgabenstellungen zu leisten.<br />
Das Seminar wird in 2007 fortgeführt.<br />
Expertengespräch „Schwallspülung“<br />
Seit einigen Jahren gewinnt die Schwallspülung auch bei der Reinigung von<br />
Abwasserkanälen wieder an Bedeutung. Viele Neuentwicklungen drängen<br />
auf den Markt, deren Anbieter oftmals nur über unzureichende Kenntnisse<br />
hinsichtlich der hydraulischen und stofflichen Wirkung von Schwallwellen bei<br />
der Beseitigung von Sohlablagerungen verfügen. Mit einem Expertengespräch,<br />
dass am 3. November <strong>2006</strong> in Darmstadt stattfand, hat die DWA zum<br />
einen das Thema Schwallspülung intensiv beleuchtet und zum anderen die<br />
Weichen für ein neues Vorhaben im Hauptausschuss „Entwässerungssysteme“<br />
gestellt, um Netzbetreibern und Herstellern verlässliche Hilfestellung zu<br />
bieten.<br />
Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick (FVST) führte mit einem ausführlichen Referat in<br />
die Thematik ein und übernahm die Diskussionsleitung.<br />
Weitere <strong>Information</strong>en zu den Seminaren unter www.dwa.de<br />
Verbandsnachrichten<br />
4. DWA-Kanalbautage 2007<br />
Die Vorbereitungen zur Organisation<br />
des Fachprogramms der 4. DWA-<br />
Kanalbautage laufen auf vollen Touren.<br />
Der FVST ist selbstverständlich<br />
wieder mit dabei und wird am<br />
27./28. März 2007 in Bochum, das<br />
ist der vorgesehene Tagungstermin/-ort,<br />
die Veranstaltung fachlich<br />
begleiten.<br />
Themenschwerpunkt wird der Baugrund<br />
sein, ohne dessen Kenntnis<br />
die fachgerechte Herstellung von<br />
Abwasserkanälen nicht möglich ist.<br />
Thematisch wird so ein Bogen vom<br />
Baugrund über die Bauverfahrenstechnik<br />
zum Bau von Kanälen in der<br />
offenen und geschlossenen Bauweise<br />
bei unterschiedlichen Randbedingungen,<br />
über den Bau von Großprofilen<br />
bis abschließend zur Begutachtung<br />
und Bewertung der Baugrundverhältnisse<br />
geschlagen. Mit der Einbeziehung<br />
der unterirdischen Bauweise<br />
und deren Bewertung in wirtschaftlicher<br />
und ökologischer Hinsicht<br />
werden die Themen abgerundet.<br />
Die Kanalbautage werden von DWA<br />
und Deutscher Städtetag gemeinsam<br />
organisiert und von den Rohrherstellerverbänden<br />
und der Gütegemeinschaft<br />
Güteschutz Kanalbau<br />
unterstützt.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
9
10<br />
Blickpunkt EU<br />
Amortisationsschere<br />
Kanalisation in Ungarn im Vergleich<br />
Ungarn gehört mit einer Fläche<br />
von 93.000 km 2 und<br />
rund 10 Mio. Einwohnern zu<br />
den größten der im Mai 2004 der EU<br />
beigetretenen Ländern. Neben Slowenien<br />
und Tschechien gilt Ungarn<br />
im Vergleich zu anderen osteuropäischen<br />
Staaten als sehr fortschrittlich<br />
und modern. Wie es um den Bereich<br />
der Abwasserentsorgung bestellt ist,<br />
zeigt ein Vergleich mit Deutschland.<br />
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen,<br />
dass für die verschiedensten Parameter<br />
in Ungarn nur Schätz- und<br />
Erfahrungswerte und keine konkreten<br />
Daten vorliegen. Dennoch bietet<br />
dieser Vergleich einen respektablen<br />
Überblick über den derzeitigen<br />
Stand und die künftige Entwicklung<br />
der Kanalisation in Ungarn.<br />
65 % der ungarischen Bevölkerung<br />
sind bislang an die öffentliche Kana-<br />
Tab. 2<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
derzeitiger<br />
Bestand<br />
künftig zu<br />
realisieren<br />
Tab. 1<br />
Länge<br />
TKm<br />
Ungarn<br />
10 Mio. Einwohner<br />
Anschl.grad<br />
%<br />
lfd. m/E Länge<br />
TKm<br />
Deutschland<br />
82,5 Mio. Einwohner<br />
Anschl.grad<br />
%<br />
lfd. m/E<br />
41,5 65,0 6,4 486,0 95,0 6,2<br />
22,0 22,0 10,0 20,0 2,5 10,0<br />
gesamt in 2015 63,5 87,0 7,3 506,0 97,5 6,3<br />
lisation angeschlossen (siehe auch Tabelle 1). Aus der Gemeindestruktur ergibt<br />
sich, dass der wirtschaftlich erreichbare Höchststand der Kanalisation<br />
nach dem Landesentwicklungsplan bis 2015 mit 87 % angegeben wird; die<br />
Abwasserentsorgung der verbleibenden 13 % soll über lokale Kleinkläranlagen<br />
erfolgen. Da sich die noch zu realisierenden 22 % in dünn besiedelten<br />
Gebieten befinden, ist der Wert des laufenden m/EW hier deutlich höher als<br />
beim derzeitigen Bestand, ist aber dem in Deutschland vergleichbar.<br />
Was das Alter der Kanalisation in Ungarn betrifft, geben die Statistiken nicht<br />
die genauen Auskünfte, die es in Deutschland gibt. Dennoch ist deutlich –<br />
und das spiegeln auch die Erfahrungswerte wider – dass in den letzten 15<br />
Jahren, vorwiegend in kleinen und mittelgroßen Gemeinden, viele Kilometer<br />
Kanal (rd. 55% des Bestandes) neu gebaut wurden.<br />
Der durchschnittliche aktivierte Wert, vergleichbar dem<br />
Buchwert, der Kanalnetze ist mit 30 Euro/lfd. Meter in Ungarn<br />
extrem niedrig (Tabelle 2). Dies hat mehrere Folgen:<br />
Ungarn Deutschland<br />
Kanalgebühren [Euro/m 3] 0,5 2,0<br />
Abwasserbehandlung<br />
[Mm 3 /Jahr]<br />
550 9.400<br />
Umsatz [Mio. Euro] 288 10.400<br />
Amortisation [Mio. Euro/Jahr] 48 4.200<br />
Amortisation/Umsatz [%] 16,7 26+20<br />
Anlagenvermögen [Mio. Euro] 1.540 230.000<br />
Amortisation/Anlagenvermögen<br />
[%]<br />
3,1 1,8<br />
Aktivierter Wert [Euro/lfd. m] 30 450<br />
Amortisation/Umsatz [%] 30 +<br />
Amortisation/Anlagenwert [%] 3<br />
Rekonstruktion/Amortisation [%] 100<br />
Rekonstruktionsdrehzeit [Jahre] 250 !<br />
spez. Rekonstruktionskosten<br />
reell/Buchwert [Euro/Euro]<br />
Tab. 3<br />
700/54
Zustandsbewertung,<br />
Wertschätzung<br />
Werthaltigkeit des aktivierten<br />
Wertes<br />
Lebenserwartungskalkulation<br />
Basis der Amortisationskalkulation<br />
Bewusstheitsgrad über den<br />
Anlagenvermögenswert<br />
Tab. 4<br />
keine oder<br />
nicht relevant<br />
Ungarn Deutschland<br />
hohe Inflation in der<br />
Erweiterungsperiode<br />
keine oder<br />
nicht relevant<br />
vorwiegend<br />
vorhanden<br />
gegeben<br />
EN 13508<br />
ATV-M 149<br />
Steuerges. § 37 Abs. 2 technische Bewertungswerte<br />
beschränkt wertbewusst<br />
wertbewusst<br />
Lebenserwartungsplanung 20–50 Jahre 50–100 Jahre +<br />
Motivation der Regelung WFD-2010<br />
● Niedrige Kanalgebühren<br />
● Theoretisches hohes Verhältnis von Amortisation und Anlagenvermögen<br />
● niedriger Anteil der Amortisationskosten an den Gesamtkosten<br />
Daraus ergeben sich Widersprüche in der Realität (Tabelle 3). Trotz 3 %<br />
Amortisation (gesetzlich keine Amortisation unter 30 Jahre) stehen auf Grund<br />
der vorbeschriebenen Situation nur sehr geringe Mittel zur Verfügung. In der<br />
Praxis ergibt sich damit die Situation, dass bei den vorhandenen Mitteln aus<br />
der Amortisation und unter Beachtung der Kosten für Erneuerung/Rekonstruktion<br />
eine Rekonstruktionsdrehzeit, bezogen auf die Gesamtlänge der Kanalisation,<br />
von 250 Jahren ergibt. Und das würde bedeuten, dass die derzeitigen<br />
Kanäle 250 Jahre halten sollten. Somit ist es nicht verwunderlich, dass<br />
die tatsächlichen spezifischen Erneuerungskosten weit über dem Buchwert<br />
der Kanalisation liegen.<br />
Beim Vergleich der Buchwert- und Lebenserwartungskalkulation von Ungarn<br />
und Deutschland ergeben sich deutliche Abweichungen (Tabelle 4): Diese<br />
resultieren in erster Linie aus der hohen Inflation in Ungarn in den 90er Jah-<br />
Anlagenvermögen<br />
[Mio. Euro]<br />
Amortisation I (20–33<br />
Jahre) [Mio. Euro]<br />
Amortisation II (40–<br />
66 Jahre) bei Neuanlagen<br />
[Mio. Euro]<br />
Umsatz<br />
[Mio. Euro/Jahr]<br />
Tab. 5<br />
derzeitiger<br />
Stand<br />
Neuinvestitionen<br />
Gesamt<br />
1.540 4.000 5.540<br />
48 120 168<br />
48 60 108<br />
288 100 388<br />
Amort. I/Umsatz [%] 16 120 ! 43<br />
Amort. II/Umsatz [%] 16 60 28<br />
WFD-2010,<br />
Eigeninitiative<br />
ren (teilweise über<br />
20 % pro Jahr), die<br />
die aktivierten Buchwerte<br />
schnell dahinschmelzen<br />
lassen. Für<br />
die Kalkulation der<br />
Lebenserwartung der<br />
Kanalleitungen gibt<br />
es keine technischen<br />
Grundlagen und somit<br />
auch keine Differenzierung.<br />
Die Kalkulation<br />
der Amortisation<br />
basiert auf einem<br />
Steuergesetz,<br />
Blickpunkt EU<br />
das keine Amortisation unter 30 Jahren<br />
zulässt. Zurzeit ist es nicht zwingend,<br />
die Amortisation zu verrechnen<br />
und wird auch nicht, oder nur<br />
teilweise, berücksichtigt. Vor allem<br />
beim Neubau in kleinen und mittelgroßen<br />
Gemeinden ist die Belastung<br />
für die Verbraucher aufgrund hoher<br />
Gesamtkosten schon hoch.<br />
Die Wahl der Rohrwerkstoffe richtete<br />
sich bislang überwiegend nach<br />
den kurzfristig vorzunehmenden Investitionen<br />
und nicht nach langfristig<br />
zu berücksichtigenden Betriebskosten<br />
(inklusive Amortisationskosten).<br />
Erst in jüngster Zeit fassen auch<br />
die langlebigen Rohrwerkstoffe wie<br />
Steinzeug Fuß im ungarischen<br />
Markt.<br />
Es ist schon äußerst bemerkenswert,<br />
dass der derzeitige Kanalbestand in<br />
Ungarn (65 % Anschlussgrad) einen<br />
Anlagenwert von 1,54 Mrd. Euro<br />
darstellt und die noch zu tätigenden<br />
22 % eine Neuinvestition von 4 Mrd.<br />
Euro bedeuten (Tabelle 5). Das zeigt<br />
die massive Unterbewertung des Bestehenden<br />
und den enormen Anstieg<br />
der zu berücksichtigenden<br />
Amortisationskosten, v. a. bei den<br />
vom Neubau betroffenen Gebieten.<br />
Mit der Erweiterung respektive Optimierung<br />
der „Ressource Kanal“<br />
und der Erhöhung seiner Lebenserwartung<br />
kann die Amortisationsschere<br />
in Ungarn geschlossen werden.<br />
Kontakt<br />
Károly Kovács<br />
H-1118 Budapest<br />
Higany u. 15<br />
E-Mail:<br />
kovacskpureco@email.hu<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
11
12<br />
Blickpunkt EU<br />
Hoher Anschlussgrad<br />
90 % der EU25-Bevölkerung am Kanalnetz<br />
Anlässlich des Weltwassertages<br />
im März <strong>2006</strong>, mit dem auf<br />
Probleme bei der Versorgung<br />
mit sauberem, frischem Wasser und<br />
zweckmäßigen sanitären Einrichtungen<br />
in Entwicklungsländern aufmerksam<br />
gemacht werden sollte,<br />
präsentierte Eurostat (Statistisches<br />
Amt der Europäischen Gemeinschaften)<br />
Daten über die öffentliche Wasserversorgung<br />
und Abwasserbehandlung<br />
in der EU.<br />
Die Anschlussquote an die öffentliche<br />
Wasserversorgung lag in der<br />
EU25 zwischen 70 % und 100 %.<br />
Von den Mitgliedstaaten, für die Daten<br />
verfügbar sind, waren 2002 in<br />
Zypern und den Niederlanden (jeweils<br />
100 %) sowie Frankreich und<br />
Deutschland (jeweils 99 %) alle oder<br />
fast alle Haushalte an die öffentliche<br />
Wasserversorgung 1) angeschlossen.<br />
Weitere sieben Länder meldeten eine<br />
Anschlussquote von 90 % oder<br />
mehr: Dänemark (97 %), Belgien<br />
(96 %), Ungarn (93 %), Slowenien<br />
(91 %), die Tschechische Republik,<br />
Irland und Österreich (jeweils 90 %).<br />
Die niedrigsten Anschlussquoten an<br />
die öffentliche Wasserversorgung<br />
wurden in Estland (72 %), Litauen<br />
(76 %), der Slowakei (84 %) und Polen<br />
(85 %) verzeichnet.<br />
Behandlung der Abwässer<br />
Der Anschluss an eine Kanalisation 2)<br />
ist der erste Schritt zur Beseitigung<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
von Schadstoffen aus dem Abwasser, bevor dieses wieder in die Umwelt eingeleitet<br />
wird. In der EU25 waren 2002 durchschnittlich 90 % der Bevölkerung<br />
an ein kommunales Kanalnetz angeschlossen. In Malta, Luxemburg und Spanien<br />
hatten 100 % der Bevölkerung einen Kanalanschluss, dicht gefolgt von<br />
Öffentliche Wasserversorgung und Kanalisation 2002<br />
An die öffentliche Wasserversorgungangeschlossene<br />
Haushalte (in %)<br />
An kommunale<br />
Kanalisation angeschlossene<br />
Bevölkerung (in %)<br />
EU25 s – 90,0<br />
Belgien 96,4 –<br />
Tschechische Republik 89,8 80,0<br />
Dänemark 97,0 –<br />
Deutschland 99,1* 95,0<br />
Estland 72,0 72,0<br />
Spanien – 100,0<br />
Frankreich 99,4* 82,0<br />
Irland 90,0 93,0*<br />
Zypern 100,0** 35,0***<br />
Litauen 76,0 73,0**<br />
Luxemburg – 100,0**<br />
Ungarn 93,0 62,0<br />
Malta – 100,0*<br />
Niederlande 99,9 99,0<br />
Österreich 89,6 86,0<br />
Polen 85,2** –<br />
Slowenien 90,6 63,0<br />
Slowakei 84,0** 55,0<br />
Finnland – 81,0<br />
Schweden – 85,0<br />
Vereinigtes Königreich – 98,0<br />
– Daten nicht verfügbar<br />
s Schätzung von Eurostat ausgehend von den Mitgliedstaaten, für die Daten verfügbar sind.<br />
* Daten für 2001; ** Daten für 2003; *** Daten für 2000
Abwasserbehandlung 2002<br />
Nicht an die<br />
kommunale<br />
Kanalisation<br />
angeschlosseneBevölkerung<br />
(in %)<br />
An die Kanalisation angeschlossene<br />
Bevölkerung nach Art der Abwasserbehandlung<br />
(in %)<br />
keine<br />
Behandlung<br />
primäre<br />
Behandlung<br />
sekundäre<br />
Behandlung<br />
tertiäre<br />
Behandlung<br />
EU25 s 10 4 – – –<br />
Tschechische Republik 20 8 – – –<br />
Deutschland (2001) 5 2 0 5 88<br />
Estland 28 1 1 24 46<br />
Spanien 0 11 1 62 26<br />
Frankreich (2001) 18 2 2 51 27<br />
Irland (2001) 7 23 41 21 8<br />
Zypern (2000) 65 0 0 0 35<br />
Lettland (2003) – – 2 35 33<br />
Litauen (2003) 27 11 32 7 21<br />
Luxemburg (2003) 0 5 7 66 22<br />
Ungarn 38 5 22 25 11<br />
Malta (2001) 0 87 – – –<br />
Niederlande 1 0 0 14 85<br />
Österreich 14 0 0 – –<br />
Polen (2003) – – 3 25 31<br />
Slowenien 37 30 10 18 5<br />
Slowakei (2003) 45 3 – – –<br />
Finnland 19 0 0 0 81<br />
Schweden 15 0 0 5 80<br />
Vereinigtes Königreich 3) 2 0 1 59 38<br />
– Daten nicht verfügbar.<br />
s Schätzung von Eurostat ausgehend von den Mitgliedstaaten, für die Daten verfügbar sind.<br />
Anmerkung: Für Griechenland, Italien und Portugal sind keine Daten verfügbar.<br />
1) Öffentliche Wasserversorgung bedeutet die Versorgung der Allgemeinheit mit<br />
Wasser, unabhängig davon, ob dafür öffentliche Einrichtungen, private Wasserversorgungsunternehmen<br />
oder Mischformen dieser beiden zuständig sind.<br />
2) Wird das Abwasser von Häusern, die nicht unmittelbar an die Kanalisation angeschlossen<br />
sind, mit Tankfahrzeugen abgeführt, so gilt dies auch als Kanalanschluss.<br />
Haushaltsabwässer, die nicht über eine Kanalisation abgeleitet werden, fließen<br />
meist direkt in die Umwelt (auf Landflächen, in Flüsse, Seen oder das Meer),<br />
manchmal werden sie aber vorher einer chemischen Behandlung unterzogen.<br />
3) Nur England und Wales.<br />
Blickpunkt EU<br />
den Niederlanden (99 %), dem Vereinigten<br />
Königreich3) (98 %) und<br />
Deutschland (95 %). Die niedrigsten<br />
Anschlussquoten wurden in Zypern<br />
(35 %), der Slowakei (55 %), Ungarn<br />
(62 %) und Slowenien (63 %) ermittelt.<br />
Mit einem Kanalanschluss ist noch<br />
nicht sichergestellt, dass das Abwasser<br />
auch behandelt wird. Schätzungen<br />
zufolge wurde in der EU25 das<br />
Abwasser von etwa 14 % der Bevölkerung<br />
entweder nicht gesammelt<br />
(10 %) oder trotz Sammlung nicht<br />
behandelt (4 %). In den Niederlanden<br />
(1 %), dem Vereinigten Königreich3)<br />
(2 %), Luxemburg (5 %) und<br />
Deutschland (7 %) wurde das Abwasser<br />
von weniger als 10 % der Bevölkerung<br />
nicht gesammelt oder<br />
trotz Sammlung nicht behandelt, in<br />
Malta (87 %), Slowenien (67 %) und<br />
Zypern (65 %) hingegen von mehr<br />
als der Hälfte.<br />
Zwar ist nicht die gesamte EU durch<br />
kommunale Kanalisationssysteme<br />
erschlossen, aber Abwasser, das gesammelt<br />
und gereinigt wird, erhält<br />
meist mindestens eine sekundäre<br />
Behandlung. Ausnahmen bilden Irland,<br />
wo 41 % des Abwassers nur einer<br />
primären und 29 % einer sekundären<br />
oder weitergehenden Behandlung<br />
unterzogen wurden, sowie<br />
Litauen (32 % bzw. 28 %).<br />
Deutschland, die Niederlande, Finnland<br />
und Schweden reinigten das<br />
Abwasser von mindestens 80 % ihrer<br />
Bevölkerung in tertiären Behandlungsstufen.<br />
Quelle: http://europa.eu.int/comm/eurostat/<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
13
14<br />
Blickpunkt EU<br />
CEN – einer für alle...<br />
...alle für einen – CEN<br />
Mit steigenden Anforderungen<br />
an den Schutz der<br />
Gesundheit der Bevölkerung<br />
und der Umwelt, gewinnt die<br />
Abwassertechnik zunehmend an Bedeutung.<br />
Durch europaweit gemeinsam<br />
aufgestellte Europäische<br />
Normen werden die in den EU-<br />
Richtlinien festgelegten Anforderungen<br />
konkretisiert. Europäische und<br />
internationale Normen fördern den<br />
weltweiten Handel, die Rationalisierung<br />
und die Qualitätssicherung<br />
und tragen zum Umweltschutz bei.<br />
Sie erleichtern den Zugang der Produkte<br />
auf den europäischen Markt<br />
und unterstützen ihre Akzeptanz in<br />
den EU-Ländern und weltweit.<br />
„Freie Fahrt“ für den<br />
Binnenmarkt<br />
Bereits im Jahre 1986 verlangte die<br />
„Einheitliche Europäische Akte“<br />
u. a., dass innerhalb des gemeinsamen<br />
Binnenmarktes der freie Verkehr<br />
von Waren, Personen, Dienstleistungen<br />
und Kapital gewährleistet<br />
ist. Schon damals war vorauszusehen,<br />
dass insbesondere der freie<br />
Verkehr von Waren und Dienstleistungen<br />
aufgrund der unterschiedlichen<br />
nationalen Vorschriften und<br />
technischen Normen in Europa erhebliche<br />
Schwierigkeiten bereiten<br />
würde. Diese unterschiedlichen<br />
technischen Regeln würden als tech-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
nische Schranken wirken und Handelshemmnisse darstellen, die es im gemeinsamen<br />
Binnenmarkt zu beseitigen galt.<br />
Um sicherzustellen, dass Produkte den in Europa geltenden gesetzlichen Anforderungen<br />
an Gesundheit und Sicherheit entsprechen, wird die Bezugnahme<br />
auf Normen in einem Gesetzestext als rationeller angesehen als die Ausarbeitung<br />
detaillierter Gesetze.<br />
Harmonisierung ist das Zauberwort<br />
Der sogenannte „Neue Ansatz“ (New Approach) für technische Harmonisierung<br />
und Normung wird als eine wesentliche Voraussetzung zur Steigerung<br />
der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Industrie angesehen. Demzufolge<br />
beauftragte die Europäische Kommission das Europäische Komitee für<br />
Normung CEN (Comité Européen de Normalisation), die erforderlichen<br />
technischen Details zu den wesentlichen Anforderungen der EU-Richtlinien<br />
in harmonisierten Europäischen Normen festzulegen und erteilte dafür Mandate.<br />
Der freie Warenverkehr ist Wirklichkeit geworden. Durch gemeinsame Europäische<br />
Normen werden Handelshemmnisse abgebaut. Verbraucher, Hersteller<br />
und Behörden profitieren gleichermaßen von der Normung durch erhöhte<br />
Sicherheit und Qualität von Produkten oder Anlagen. Mit einer gemeinsamen,<br />
in 29 europäischen Ländern geltenden Norm, lässt sich ein Produkt<br />
besser vermarkten, da man der Leistungsfähigkeit dieser Produkte und<br />
Dienstleistungen vertrauen kann.<br />
Aus der offenen Teilnahme aller interessierten Kreise an der Normungsarbeit,<br />
die aus Vertretern aus Industrie, Handel, Wissenschaft, Verbrauchern und Behörden<br />
bestehen, bezieht die Europäische Normung ihre Anerkennung. Bis<br />
heute wurden über 12.000 Europäische Normen von 277 „Technischen Komitees<br />
(TC)“ im CEN erarbeitet.<br />
Willkommen bei CEN<br />
Zurzeit sind 29 Normungsorganisationen aus ebenso vielen europäischen<br />
Staaten Mitglieder im CEN (siehe http://www.cenorm.be/cenorm/members).<br />
CEN ist ein internationaler gemeinnütziger Verein und wurde nicht von<br />
Regierungen, sondern von nationalen Normungsorganisationen gegründet.<br />
Grundlegende Prinzipien der europäischen Normungsarbeit sind:
● Konsensbasierte Ausarbeitung der Normen<br />
● Offenheit und Transparenz<br />
● Abstimmung mit anderen europäischen und internationalen Organisationen<br />
● nationale Verpflichtung zur Übernahme der Europäischen Normen<br />
Und so geht's<br />
Jeder kann Vorschläge für neue Normen unterbreiten. Im Allgemeinen aber<br />
werden die Vorschläge für neue Normprojekte von nationalen Normungsorganisationen<br />
oder Arbeitsgruppen eines Technischen Komitees eingereicht.<br />
Zur Konkretisierung Europäischer Richtlinien werden durch die Europäische<br />
Kommission oder das EFTA-Sekretariat Mandate zur Ausarbeitung von Europäischen<br />
Normen erteilt. Nach Annahme eines Normprojekts werden alle interessierten<br />
Kreise, wie Hersteller, Planer, Verbraucher, Anwender, Prüfinstitute<br />
und Behörden, über nationale Normungsgremien in die Arbeiten einbezogen.<br />
Nationale Normungsgremien sind ein grundlegender Teil der Europäischen<br />
Normung, um die nationalen Standpunkte darzustellen. Sie delegieren Experten<br />
zu Plenarversammlungen der CEN/TCs und nominieren Experten für<br />
Arbeitsgruppen eines Technischen Komitees. Die Durchsetzungsfähigkeit,<br />
Kompromissbereitschaft und die Fachkenntnis dieser Experten trägt wesentlich<br />
dazu bei, den nationalen Standpunkt in die Europäischen Normen einzubringen.<br />
Normen basieren auf einem Konsens, der zwischen den beteiligten interessierten<br />
Kreisen gefunden wird. Sobald die Diskussion ein gewisses Reifestadium<br />
erreicht hat, werden die Ergebnisse als Norm-Entwurf veröffentlicht<br />
und der Öffentlichkeit zur Kommentierung zur Verfügung gestellt; im Falle<br />
Europäischer Norm-Entwürfe in allen 29 Ländern der CEN-Mitglieder.<br />
Die erhaltenen Kommentare zum Norm-Entwurf werden im zuständigen<br />
Technischen Komitee diskutiert. Nach Konsensfindung wird ein Schluss-Entwurf<br />
erarbeitet, der den nationalen Normungsgremien zur Verfügung gestellt<br />
wird. Diese werden gebeten, dem Schluss-Entwurf zuzustimmen. Wenn<br />
jedoch beispielsweise die Kommentare zum Norm-Entwurf keine Berücksichtigung<br />
fanden, darf dieser auch abgelehnt werden.<br />
Die Annahme als EN erfolgt durch gewichtete Abstimmung der CEN-Mitglieder,<br />
wobei 71 % der gewichteten Stimmen für die Annahme des Schluss-Entwurfes<br />
als Europäische Norm erforderlich sind. Wenn die Europäische Norm<br />
angenommen ist, sind die CEN-Mitglieder verpflichtet, die EN als nationale<br />
Norm unverändert in eine der drei offiziellen CEN-Sprachen oder als Übersetzung<br />
zu übernehmen. Weiterhin müssen sie jede entgegenstehende nationale<br />
Norm zurückziehen. Dies bedeutet, dass eine Europäische Norm in<br />
29 nationale Normen umgesetzt wird.<br />
Nationale Normungsorganisationen dürfen nur CEN-Mitglied werden, wenn<br />
sie u. a. schon 80 % der veröffentlichten Europäischen Normen unverändert<br />
als nationale Norm übernommen haben.<br />
Kompetenz des<br />
CEN/TC 165<br />
Blickpunkt EU<br />
Das CEN/TC 165 „Abwassertechnik“<br />
hat seit seiner Gründung im Jahr<br />
1989 rund 90 Europäische Normen<br />
für diesen Bereich erarbeitet. Im<br />
CEN/TC 165 entstanden diese Normen<br />
im Wesentlichen auf Anforderung<br />
der Industrie, die deren Ausarbeitung<br />
aktiv unterstützt und die Arbeiten<br />
weitestgehend finanziert.<br />
Selbstverständlich ist das TC 165<br />
auch mit Fachleuten aus der Anwendungstechnik<br />
besetzt.<br />
Normen, die im CEN/TC 165 ausgearbeitet<br />
werden, schließen den gesamten<br />
Kreislauf der Abwassertechnik<br />
ein: von der Entstehung des Abwassers,<br />
einschließlich Ablauf des<br />
Oberflächenwassers über den Transport<br />
im Kanalnetz, die Aufbereitung<br />
in der Kläranlage, bis zur Einleitung<br />
des gereinigten Abwassers in Flüsse<br />
oder Seen.<br />
Die Normen enthalten Festlegungen<br />
für:<br />
● Entwässerungsgegenstände<br />
● Entwässerungssysteme innerhalb<br />
und außerhalb von Gebäuden<br />
● Produkte für Abwasserleitungen<br />
und -kanäle sowie deren Entwurf,<br />
Bau, statische Berechnung, Renovierung<br />
und Reparatur<br />
● Abscheider<br />
● Kläranlagen<br />
● Begriffe und Definitionen<br />
Produktnormen, die in materialbezogenen<br />
TCs ausgearbeitet werden,<br />
wie z. B. im CEN/TC 155 „Kunststoff-Rohrleitungssysteme“<br />
und im<br />
CEN/TC 203 „Gussrohre“ müssen<br />
die überwiegend auf die Anwendung<br />
bezogenen Normen des TC<br />
165 für allgemeine Anforderungen<br />
berücksichtigen. Die Arbeit des<br />
CEN/TC 165 hat deshalb Auswirkungen<br />
auf andere TCs, die sich, auf den<br />
Werkstoff bezogen, mit der Nor-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
15
16<br />
Kontakt<br />
Blickpunkt EU<br />
mung von Produkten für die Verwendung<br />
in der Abwassertechnik<br />
befassen.<br />
Produkte zum Bau von Abwasserkanälen<br />
und -leitungen, Abläufe,<br />
Schachtabdeckungen, Fett- und<br />
Leichtflüssigkeitsabscheider sowie<br />
kleine und große Kläranlagen werden<br />
überall in Europa in Entwässerungssystemen<br />
verwendet. Da sie<br />
Bauprodukte im Sinne der EU-Richtlinie<br />
89/106/EG (Bauprodukten-<br />
Hans-Jochen Kropf<br />
Deutsches Institut für Normung e.V.<br />
Normenausschuss Wasserwesen<br />
(NAW)<br />
Tel.: 0 30/26 01 24 40<br />
E-Mail: hans-jochen.kropf@din.de<br />
Internet: www.naw.din.de<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
richtlinie) sind, wurden und werden dafür harmonisierte Normen (hEN) erstellt,<br />
mit denen die wesentlichen Anforderungen des Mandates M/118<br />
„Produkte für die Abwassertechnik“ und des Mandates M/131 für „Rohre,<br />
Tanks und Zubehör nicht in Kontakt mit Wasser für den menschlichen Gebrauch“<br />
auf das Produkt bezogen umgesetzt werden. Harmonisierte Normen<br />
unter der Richtlinie 89/106/EG sind die Voraussetzung für die CE-Kennzeichnung<br />
dieser Produkte und demzufolge die Grundlage für das in Verkehr bringen<br />
dieser auf den europäischen Markt.<br />
Zwischen Planern, Anwendern und Verbrauchern auf der einen Seite und<br />
Herstellern, Lieferanten oder Behörden auf der anderen Seite, wird Rechtssicherheit<br />
geschaffen, indem auf Normen verwiesen wird.<br />
Harmonisierte Europäische Normen legen die wesentlichen Anforderungen<br />
an Bauprodukte fest, enthalten Verfahren zur Prüfung der deklarierten Produktleistung<br />
und die Bewertung der Konformität. Planer, Anwender und Verbraucher<br />
müssen zukünftig Produkte nach diesen Angaben, entsprechend<br />
der vorgesehenen Verwendung, auswählen.<br />
Der Hersteller erklärt die Konformität des Bauproduktes mit den in der CE-<br />
Kennzeichnung enthaltenen Angaben entsprechend der harmonisierten EN.<br />
Für besonders sicherheitsrelevante Produkte erfolgt dies durch eine unabhängige<br />
dritte Stelle.<br />
Im CEN/TC 165 arbeiten derzeit 16 sogenannte Working Groups (WGs) in<br />
den verschiedensten Aufgabenbereichen der Abwassertechnik.
Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V. nimmt die vielfältigen Aufgaben<br />
der Normung sowohl in nationalen als auch in internationalen<br />
Gremien wahr, um Erfahrungen und Fachwissen einzubringen und<br />
um national etablierte Regelungen in europäischen Regelwerken einzugliedern.<br />
Seit der letzten <strong>STEINZEUG</strong> <strong>Information</strong> und dem <strong>STEINZEUG</strong> Update<br />
hat es im Regelwerk einiges Neues gegeben:<br />
CEN r DIN EN 295, Teil 10<br />
Am 1. Januar 2007 endet die Übergangsfrist zur Kennzeichnung mit dem CE-<br />
Zeichen. Danach produzierte Bauteile sind dann mit dem CE-Zeichen zu versehen.<br />
Für den Geltungsbereich der Grundstücksentwässerung ist davon auszugehen,<br />
dass diese Norm dann in der Bauregelliste B des Deutschen Instituts<br />
für Bautechnik geführt wird.<br />
Mit der nationalen Umsetzung in Europa ist die Harmonisierung der Steinzeug-Norm<br />
abgeschlossen. Der Teil 10 der DIN EN 295 Steinzeugrohre und<br />
Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserleitungen und -kanäle<br />
erfüllt die Anforderungen der diesbezüglichen europäischen Mandate. Die<br />
technischen Inhalte der Teile 1 bis 7 sind unverändert. Die Fremdüberwachung<br />
der Produkte erfolgt nunmehr auf freiwilliger Grundlage.<br />
CEN r DIN EN 295, Teile 1 bis 7<br />
Die Überarbeitung benötigt mehr Zeit als geplant, ist allerdings jetzt im Fluss.<br />
Die Struktur der Teile 1 bis 7 soll beibehalten werden, die inhaltlichen Änderungen<br />
und Ergänzungen beziehen sich im Wesentlichen auf Teil 1. Derzeit<br />
sind u. a. folgende Punkte in der Bearbeitung:<br />
● Tragfähigkeitsklassen bei DN 700 und größer<br />
● Anpassung der Verbindungssysteme<br />
● Anpassung der Dichtheitsanforderungen an vorhandene Normen<br />
● Erweiterung um technische Lieferbedingungen zum Kanalbetrieb<br />
(Hochdruckspülfestigkeit und Prüfverfahren)<br />
● Technische Eigenschaften für Planung, Bau und Betrieb sowie für Berechnungen<br />
Der deutsche Spiegelausschuss NA 119-05-17 AA bei DIN im NAW beriet bei<br />
seiner Sitzung am 17. Oktober <strong>2006</strong> in Hannover über die Ergebnisse.<br />
Der nächste Schritt ist nun die CEN-Umfrage. Die Ergebnisse werden Mitte<br />
2007 erwartet.<br />
Regelwerknews<br />
Normung – Überprüfung/Überarbeitung/Neuerscheinung<br />
What's new in Europe/in Germany?<br />
CEN r TC 165<br />
Aus der Frühjahrssitzung des TC 165<br />
in Riga ist u. a. darüber zu berichten,<br />
dass die Absicht besteht, für Manschettenverbindungen<br />
eine eigene<br />
Norm zu erstellen. Diese Bauteile<br />
sind derzeit nur in der DIN EN 295,<br />
Teil 4, in Bezug auf die Verwendung<br />
von Steinzeugrohren und Formstücken<br />
genormt. Offen und in Diskussion<br />
ist, welche Arbeitsgruppe innerhalb<br />
des CEN TC 165 mit dem Thema<br />
beauftragt wird.<br />
Das Thema „Rohrstatik“ ist weiterhin<br />
aktuell. Ohne materialübergreifende<br />
europäische technische Regel<br />
entstehen individuelle Lösungen ohne<br />
Anwenderbezug. Derzeit wird eine<br />
CEN-interne Umfrage zur Klärung<br />
der Situation vorbereitet, insbesondere<br />
auch unter Einbeziehung<br />
der neuen Mitglieder bei CEN.<br />
Das TC 165 hat mit der Zusammenlegung<br />
der Arbeitsgruppen WG 42<br />
und WG 43 zur WG 40 die Arbeit gestrafft.<br />
Die neue WG 40 unter der<br />
Leitung von Dr. Irwin, Großbritannien,<br />
befasst sich zukünftig mit Kläranlagen<br />
mit mehr als 50 EW.<br />
DIN r NA 119 05-09 UA 1<br />
Der Arbeitsstand im DIN-Projekt<br />
Prüfverfahren zur Ermittlung der<br />
Hochdruckspülfestigkeit von<br />
Rohrleitungsteilen für Abwasserkanäle<br />
und -leitungen beinhaltet<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
17
18<br />
Regelwerknews<br />
derzeit einen Material- und Praxistest<br />
mit definierten Randbedingungen<br />
zum Versuchsablauf, zur Beschaffenheit<br />
der Prüfkörper, zum<br />
Prüfdruck und zur Spülwassermenge<br />
der Prüfdüsen. Ein wesentlicher Aspekt<br />
ist dabei die Nachvollziehbarkeit<br />
der Prüfung und der Ergebnisse<br />
daraus. Derzeit laufen freiwillige Vorversuche.<br />
Die <strong>Steinzeugindustrie</strong> ist<br />
über den FVST <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
e.V. vertreten.<br />
Die Arbeiten sind soweit vorangeschritten,<br />
dass derzeit Hersteller und<br />
Verbände im Rahmen einer Umfrage<br />
zur Zustimmung befragt werden.<br />
Die Ergebnisse sind im Dezember<br />
<strong>2006</strong> zu erwarten.<br />
Die Norm soll zukünftig der Ausarbeitung<br />
oder Überarbeitung von<br />
Produktnormen für Abwasserkanäle<br />
und -leitungen dienen. Sie legt Prüfverfahren<br />
zur Ermittlung der Beständigkeit<br />
von neuen Rohren und<br />
Formstücken, einschließlich Verbindungen,<br />
für Abwasserleitungen und<br />
-kanäle gegenüber den Beanspruchungen<br />
bei der Reinigung mittels<br />
Hochdruckspülverfahren fest und<br />
kann auch für renovierte Abwasserleitungen<br />
und -kanäle nach DIN EN<br />
752-5 anwendbar sein.<br />
Die Bauteile werden mit zwei Verfahren<br />
geprüft: Die hydraulischen Belastungen<br />
erfolgen mit einem Spülstrahl<br />
im Rahmen einer Werkstoffprüfung,<br />
die mechanischen Belastungen<br />
erfolgen durch eine Spüldüse<br />
im Praxiseinsatz. Beide Belastungen<br />
sind hinsichtlich der Maße der<br />
Düse und der hydraulischen Randbedingungen<br />
festgelegt. Über die<br />
Spülstrahlleistung können reproduzierbare<br />
Prüfbedingungen geschaffen<br />
werden.<br />
Eine Prüfung mit Geschiebe entfällt.<br />
Solche Beanspruchungen können<br />
über Abriebtests erfolgen (siehe<br />
auch DIN EN 295-3).<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
DWA r Rohrstatik für Vortriebsrohre<br />
Parallel zur Überarbeitung des ATV-DVWK-Arbeitsblattes A 125 Rohrvortrieb<br />
erfolgt in der DWA-Arbeitsgruppe ES 5.4 UA 3 die Überprüfung des ATV-<br />
DVWK-Arbeitsblattes A 161 Statische Berechnung von Vortriebsrohren.<br />
Ein besonderer Schwerpunkt bildet dabei die Berechnung der Vortriebskraft<br />
in Kenntnis der beim Rohrvortrieb entstehenden Verwinklungen der Rohre<br />
in den Verbindungen. Die beim Rohrvortrieb dokumentierten Daten sind mit<br />
den im Rahmen der Dimensionierung der Rohre vor dem Einbau zu Grunde<br />
gelegten Randbedingungen in Einklang zu bringen. Die derzeitige Arbeit<br />
wird durch umfangreiche Vergleichsberechnungen, der Berücksichtigung<br />
grundsätzlicher Randbedingungen aus dem Vortrieb und der materialtechnischen<br />
Daten zum Druckübertragungsmittel bestimmt.<br />
DWA r ATV-DVWK-Arbeitsblatt A 139<br />
Die Überarbeitung des aus dem Jahre 2000 stammenden Arbeitsblattes A<br />
139 Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen läuft auf<br />
Hochtouren, fünf Unterarbeitsgruppen (UA 1–UA 5) sind derzeit tätig. Bei der<br />
Sitzung der Arbeitsgruppe ES 5.1 im November <strong>2006</strong> wurden die Ergebnisse<br />
erstmals gemeinsam beraten.<br />
Der FVST ist in den UA 1 und UA 4 vertreten. Festzustellen ist, dass das Zusammenwirken<br />
verschiedener Regelwerke verbessert werden muss, dass<br />
Schnittstellen zur Verantwortlichkeit klarer zu benennen sind und dass Baugrund<br />
und Boden deutlich mehr berücksichtigt werden müssen.<br />
DWA r ATV-DVWK-Arbeitsblatt A 112<br />
Am 30. September <strong>2006</strong> endete die Frist zur Offenlegung des Entwurfs<br />
(Gelbdruck) von A 112 Hydraulische Dimensionierung und Leistungsnachweis<br />
von Sonderbauwerken in Abwasserleitungen und -kanälen. Die<br />
Beratung der Einsprüche erfolgt innerhalb der DWA-Arbeitsgruppe ES 2.2.<br />
Über die Ergebnisse wird in der kommenden Ausgabe berichtet.<br />
DWA r Expertengespräch „Schwallspülung“<br />
Mit dem Expertengespräch nutzt die DWA die Möglichkeit, aktuelle Themen<br />
aufzunehmen und zu prüfen, ob sie in die Regelwerksarbeit mit einbezogen<br />
werden können. Die Meinungsbildung sollte dabei möglichst vielseitig erfolgen.<br />
Am 2. November <strong>2006</strong> fand in Darmstadt ein solches Expertengespräch<br />
zum Thema Schwallspülung statt. Mit der Schwallspülung verbundene Themen<br />
sind u. a.:<br />
● Schwallspülung und die Reinigung von Abwasserkanälen<br />
● Neuentwicklungen maschineller Einrichtungen<br />
● Ablagerungen in Kanälen<br />
● Stofftransport in Abwasserkanälen<br />
● Beseitigung von Ablagerungen<br />
Grundsätzlich fehlen gesicherte Vorgaben in den allgemein anerkannten Regeln<br />
der Technik für die langfristig erfolgreiche Anwendung der Schwallspülung<br />
sowie für den gezielten Einsatz neuer Einrichtungen und deren Spülbetrieb.<br />
Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick vom FVST führte mit einem Referat in die Thematik<br />
der Schwallspülung ein und leitete die Diskussion.
Dank erheblicher finanzieller Aufwendungen in der Vergangenheit hat<br />
die Abwasserentsorgung in Deutschland einen sehr hohen Standard<br />
erreicht. Rund 95 % der Bevölkerung ist an die öffentliche Kanalisation<br />
angeschlossen. Die Länge der öffentlichen Kanäle beträgt rund 500.000<br />
km [1, 2]. Hinzu addieren sich noch die privaten Grundstücksleitungen, die<br />
etwa doppelt so lang sind.<br />
Die Abwasserkanäle in Deutschland haben inzwischen ein beachtliches Alter<br />
erreicht:<br />
● rund 35 % aller Kanäle sind älter als 50 Jahre<br />
● rund 35 % weisen ein Alter zwischen 25 und 50 Jahren auf<br />
● rund 30 % der Kanäle sind jünger als 25 Jahre<br />
Nachdem die Ersterschließung an zentrale öffentliche Abwasserentsorgungsanlagen<br />
bald abgeschlossen sein wird, wird sich die künftige Neubautätigkeit<br />
weitgehend auf die Erneuerung von bestehenden Anlagen konzentrieren.<br />
Künftig werden daher folgende Tätigkeitsschwerpunkte zu erwarten<br />
sein:<br />
● Substanzerhalt, Instandhaltung und Modernisierung bestehender Anlagen<br />
Abb. 1: Prinzip der Nachdeckung bei der Anlagenfinanzierung.<br />
Forschung + Technik<br />
Substanzwerterhalt in der Zwickmühle<br />
Wirtschaftliche Notwendigkeit und<br />
Belastungsgrenze<br />
● Ausbau der dezentralen Abwasserbehandlungsanlagen<br />
● Anpassung der vorhandenen Anlagen<br />
an die künftigen Anforderungen<br />
(z. B. Erhöhung der Reinigungsleistung)<br />
Das wesentliche Augenmerk wird dabei<br />
dem Substanzerhalt gelten. Am<br />
Beispiel der Abwasserkanalnetze werden<br />
nachfolgend, ausgehend von<br />
den Anforderungen und Zielen an<br />
den Bau und Betrieb von Abwasseranlagen,<br />
die Auswirkungen auf die<br />
Auswahl von Erhaltungsstrategien<br />
und deren Finanzierung dargestellt.<br />
Anforderungen<br />
Entwässerungsnetze sind gemäß<br />
WHG nach den jeweils in Betracht<br />
kommenden Regeln der Technik<br />
bzw. dem Stand der Technik zu errichten<br />
und zu betreiben. Die grundsätzlichen<br />
Anforderungen sind in der<br />
DIN EN 752-2 [3] definiert; darüber<br />
hinaus sind die nationalen Regeln<br />
(z. B. Landeswassergesetze, Arbeitsblätter<br />
der DWA und DIN-Normen)<br />
zu berücksichtigen.<br />
Für Maßnahmen zur Wiederherstellung<br />
oder Verbesserung von vorhandenen<br />
Entwässerungssystemen sind<br />
gemäß DIN EN 752-5 [4] „ganzheitliche<br />
Lösungen“ zu erarbeiten, die<br />
alle hydraulischen, baulichen und<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
19
20<br />
Forschung + Technik<br />
umweltrelevanten Aspekte berücksichtigen.<br />
Ein Entwässerungsnetz wird von<br />
mindestens zwei Generationen errichtet<br />
und soll den weiteren Generationen<br />
dienen. Es handelt sich also<br />
um ausgesprochen langlebige Wirtschaftsgüter,<br />
die über mehrere Generationen<br />
betriebssicher und funktionsfähig<br />
sein müssen und die stets<br />
die gesetzlichen Vorgaben erfüllen<br />
müssen. Über den Generationenvertrag<br />
ergibt sich dann auch die Verpflichtung<br />
einer Generation ...<br />
● ... das Entwässerungsnetz in<br />
mindestens so gutem Zustand zu<br />
übergeben, wie sie es übernommen<br />
hat und<br />
● ... dem Gebot der Nachhaltigkeit<br />
zu folgen, damit das Entwässerungsnetz<br />
die vorgesehene Nutzungsdauer<br />
auch erreichen wird.<br />
Die Anforderungen an eine Sanierung<br />
ergeben sich aus der Pflichtaufgabe<br />
einer Gemeinde zur ordnungsgemäßen<br />
Abwasserentsorgung<br />
(Wassergesetze (WG) der Länder,<br />
z. B. Art. 41b BayWG). An ein saniertes<br />
Kanalnetz werden gemäß DIN<br />
EN 752-5 [4] die gleichen Anforderungen<br />
wie an ein neues Kanalnetz<br />
gestellt.<br />
Auch die Eigenüberwachungsverordnungen<br />
der Länder fordern die<br />
Feststellung des Zustandes von Abwasserkanälen<br />
und deren Sanierung<br />
in angemessenen Zeiträumen.<br />
Die rechtlichen und technischen<br />
Anforderungen müssen erfüllt sein<br />
(gesetzliche Regelungen). Die betriebswirtschaftlichen<br />
Ziele dagegen<br />
sollen erfüllt werden. Konkrete<br />
Ziele eines Netzbetreibers können<br />
dabei z. B. das Erreichen eines bestimmten<br />
Zustandes im Sinne der<br />
Gefahrenabwehr, die vordringliche<br />
Reduktion des Fremdwasseranfalls<br />
oder die Steigerung des Substanzwertes<br />
sein.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
Finanzierung der Abwasserentsorgung<br />
Anlagenfinanzierung<br />
Die Abwasserentsorgung ist als Bestandteil der „Daseinsvorsorge“ eine hoheitliche<br />
Aufgabe der Kommunen. Sie üben diese eigenverantwortlich aus<br />
und nehmen bei Bedarf Leistungen Dritter in Anspruch.<br />
Die Abwasserentsorgung kann von öffentlichen Betrieben (kommunaler Regiebetrieb,<br />
Eigenbetrieb, Anstalt öffentlichen Rechts, Zweckverband) oder<br />
privat organisierten Unternehmen (GmbH, AG) betrieben werden. Die Abwasserbeseitigungspflicht<br />
bleibt jedoch bei der gegenwärtigen Gesetzeslage<br />
ausschließlich bei der Kommune.<br />
Von den öffentlich organisierten Betrieben sind Abwasseranlagen als „nonprofit“-Unternehmen<br />
kostendeckend zu betreiben, die Einnahmen sind dabei<br />
zweckgebunden einzusetzen.<br />
Die Abwasseranlagen werden nach dem Nachdeckungsprinzip finanziert<br />
(Abb. 1). Die erforderlichen Investitionen werden von der Kommune vorfinanziert<br />
und über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von den Nutzern<br />
der Anlage über das Abwasserentgelt refinanziert.<br />
Die Gesamtkosten der Abwasserentsorgung sind stark von den örtlichen Gegebenheiten<br />
(Siedlungsdichte, Gewerbe- und Industriebetriebe, Abwasseranfall,<br />
baulichen Rahmenbedingungen etc.) abhängig. Um die Bürgerbelastung<br />
unabhängig von den örtlichen Verhältnissen etwa gleich groß zu halten,<br />
werden den Vorhabensträgern für die Ersterschließung von bestehenden<br />
Siedlungsgebieten Zuwendungen aus allgemeinen Steuereinnahmen<br />
gewährt.<br />
Die Vorhabensträger können die verbleibende Finanzierungslücke entweder<br />
ausschließlich über Abwasserentgelte oder zusätzlich durch Erhebung von<br />
Beiträgen schließen.<br />
Je nach Höhe der Zuwendungen und Beiträge ergeben sich örtlich teilweise<br />
große Unterschiede bei den laufenden verbrauchsbezogenen Abwasserentgelten<br />
(Abwassergebühren). Jedweder Vergleich der Abwasserentgelte ohne<br />
Berücksichtigung der sonstigen Finanzierungsquellen trägt daher keinesfalls<br />
zur Aufklärung der Betriebsverhältnisse bei, sondern führt ausschließlich zu<br />
Missverständnissen und Fehlinterpretationen.<br />
Finanzierungsquellen<br />
Die Erstanschaffung der Anlagen zur Abwasserentsorgung wurde in der Vergangenheit<br />
von der öffentlichen Hand (Zuwendungen der Länder) teilweise sehr<br />
großzügig unterstützt. Derartige Zuwendungen werden für die Erneuerung sowie<br />
Erweiterung durch Erschließung von Neubaugebieten nicht gewährt.<br />
Die Erhebung von Beiträgen für die Erneuerungen ist aufgrund des komplexen<br />
Beitragsrechts nur in Ausnahmefällen (Verbesserungsbeiträge) zulässig,<br />
für die Gebietserweiterungen können sie grundsätzlich nur von den direkten<br />
Anschlussnehmern eingefordert werden. Ihr Anteil an den Gesamtkosten ist<br />
dabei in der Regel sehr gering.<br />
Für den Erhalt und die Erweiterung der bestehenden Abwasseranlagen muss<br />
künftig die Finanzierung ausschließlich von den Anschlussnehmern getragen<br />
werden. Selbstverständlich besorgt der öffentliche Anlagenbetreiber eine
günstige Zwischenfinanzierung durch Kreditinstitute, wodurch die finanzielle<br />
Belastung so gering wie möglich gehalten wird. Nichts desto trotz werden<br />
künftig die Abwasserentgelte schon wegen der fehlenden begünstigten und<br />
direkten Finanzierungen zwangsläufig steigen müssen, sobald Erneuerungen<br />
im größeren Umfang anstehen, die nicht durch Abschreibungen abgedeckt<br />
werden können.<br />
Prinzip der Wirtschaftlichkeit<br />
Jeder Betreiber einer Abwasseranlage ist bestrebt und dazu gehalten, wirtschaftlich<br />
zu handeln. Was ist allerdings unter wirtschaftlichem Bauen und<br />
Betreiben von Kanalisationen zu verstehen? Heißt das,<br />
● billigste Lösungen zu suchen?<br />
● insgesamt preiswerte Lösungen zu wählen oder<br />
● nachhaltig für den sicheren und zukunftsorientierten Betrieb mit Werterhalt<br />
der Anlagen zu sorgen?<br />
Diese Frage können wir nur lösen, wenn wir uns dieser Aufgabe unvoreingenommen<br />
und unbeeinflusst von der täglichen Politik widmen und eine auf<br />
Dauer tragbare Lösung suchen. Kurzfristige scheinbare Erfolge durch „Einsparungen“<br />
an jeder Ecke lohnen sich auf Dauer nicht. Es muss allerdings allen<br />
Beteiligten, von den Entscheidungsträgern bis zum zahlenden Bürger,<br />
klar sein, welche Konsequenzen die gewählte Strategie für den Anlagenbetrieb<br />
nach sich zieht. Nur dann werden wir tatsächlich wirtschaftlich handeln.<br />
Die Praxis, nur die „billigsten“ Lösungen als wirtschaftliches Handeln zu verstehen,<br />
sind „zu einfach“ und führen auf Dauer in eine Sackgasse: „Das Gesetz<br />
der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten“ (John Ruskin,<br />
1819–1900).<br />
Die Wirtschaftlichkeit einer Sanierungsmaßnahme kann mit einer Kostenvergleichsrechnung,<br />
z. B. nach Maßgabe der von der Länderarbeitsgemeinschaft<br />
Wasser (LAWA) aufgestellten Leitlinien [5], geprüft werden. Über die<br />
Barwertmethode wird dabei ein wertmäßiger Vergleich der zu verschiedenen<br />
Zeitpunkten anfallenden Kosten ermöglicht. Die Summe der über den<br />
gesamten Betrachtungszeitraum anfallenden Barwerte entspricht dem Pro-<br />
Abb. 2: Auswirkung der werterhöhenden Maßnahmen auf den Substanzwertverlauf.<br />
Forschung + Technik<br />
jektkostenbarwert. Unter der Voraussetzung,<br />
dass alle verglichenen<br />
Sanierungsalternativen gleichwertig<br />
sind, ist diejenige mit dem geringsten<br />
Projektkostenbarwert zu wählen.<br />
Und hier beginnen die Probleme:<br />
Wie werden Sanierungsalternativen<br />
miteinander verglichen und wann<br />
sind sie als gleichwertig zu betrachten?<br />
Schlicht setzt man auf die Alternative<br />
mit dem niedrigsten Barwert,<br />
ohne andere Kriterien, wie z. B.<br />
Nachhaltigkeit oder Werterhalt, zu<br />
berücksichtigen.<br />
Die Beweggründe für die Wahl einer<br />
bestimmten Lösung sind dabei vielfältig<br />
und haben mit „objektiven“<br />
Kriterien häufig wenig gemeinsam.<br />
Im Folgenden wird der Substanzwerterhalt<br />
als ein Kriterium für das<br />
wirtschaftlich nachhaltige Vorgehen<br />
vorgestellt und seine Anwendung<br />
aufgezeigt.<br />
Substanzwerterhalt<br />
Substanzwert<br />
Der Substanzwert (SW) stellt den<br />
materiellen Wert eines gebrauchten<br />
Wirtschaftsgutes, wie z. B. eines Kanalnetzes<br />
oder einer Haltung unter<br />
Berücksichtigung seines Alters sowie<br />
ggf. vorhandener Mängel dar. Er<br />
wird, in Übereinstimmung mit den<br />
Vorgaben der DWA sowie in Anlehnung<br />
an die Wertermittlungsrichtlinie<br />
WertR 2002 [6], als Sachzeitwert<br />
in jeweils aktuellen Preisen als monetäre<br />
Größe ausgedrückt. Sein Verlauf<br />
ist ein Maß für die zukünftige Entwicklung<br />
der Kanalnetzsubstanz sowie<br />
zur Beurteilung der Nachhaltigkeit<br />
der Sanierungsmaßnahmen.<br />
Einflussgrößen für den Substanzwert<br />
sowie dessen Verlauf sind:<br />
● Schädigung einer Haltung und<br />
damit verbundener, ggf. wiederkehrender<br />
Sanierungsaufwand<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
21
22<br />
Forschung + Technik<br />
● Restnutzungsdauer im Verhältnis<br />
der mittleren Nutzungsdauer einer<br />
gleichartigen Haltung<br />
● Künftig geplante Sanierungen<br />
und deren Einfluss auf den Substanzwert<br />
● Netzerweiterung durch Ersterschließung<br />
Zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen<br />
Erstellung ist der Substanzwert<br />
einer Haltung gleich dem Wiederbeschaffungswert.<br />
Wegen des gebrauchten<br />
Zustandes wird ein entsprechender<br />
Abschlag auf den Wiederbeschaffungswert<br />
notwendig,<br />
um den Substanzwert zum betrachteten<br />
Zeitpunkt zu erhalten. Zum<br />
Zeitpunkt der Außerbetriebnahme<br />
der Haltung ist der Substanzwert<br />
verbraucht und beträgt Null.<br />
Der Wiederbeschaffungswert<br />
(WBW) entspricht den Kosten, die<br />
für ein neues Wirtschaftsgut an gleicher<br />
Stelle mit den gleichen Eigenschaften<br />
zu bezahlen wären.<br />
Der relative Substanzwert (SW rel. )<br />
als Verhältnis von Substanzwert zum<br />
Wiederbeschaffungswert eignet sich<br />
zur Bewertung eines Netzes sowie<br />
zum Netzvergleich.<br />
Als idealer Substanzwert (SW ideal )<br />
wird der dem Alter des Kanalnetzes<br />
angemessene relative Substanzwert<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
wirtschaft. San.-Art<br />
verstanden. Er kann über das Verhältnis des mittleren Netzalters zur Nutzungsdauer<br />
eines weitgehend ungeschädigten Netzes ermittelt werden [7]:<br />
SWideal mittl. Netzalter<br />
= 1 –<br />
WBW ND eines ungeschädigten Netzes<br />
Abb. 3: Relativer Substanzwertverlauf für unterschiedliche Strategien.<br />
Wird der Substanzwertverlauf eines Kanalnetzes in Relation zum idealen<br />
Substanzwertverlauf betrachtet, kann ein dem zunehmenden Netzalter unangemessener<br />
Substanzwertverlust identifiziert werden. Der Verlauf des idealen<br />
Substanzwertes ist nicht konstant. Mit jeder Erneuerungs- bzw. Erweiterungsmaßnahme<br />
verändert sich auch der ideale Substanzwert. Für jede gewählte<br />
Strategie ergibt sich daher ein eigener Verlauf des idealen Substanzwertes.<br />
Durch Sanierungsmaßnahmen kann der ideale Substanzwert der gewählten<br />
Strategie nur asymptotisch erreicht, jedoch nicht überschritten werden.<br />
Das Maß für die zukünftige Entwicklung und Beurteilung des Kanalnetzsubstanzwertes<br />
ist der Substanzwertverlauf. Der Substanzwert verringert sich<br />
naturgemäß altersbedingt. Durch werterhöhende Maßnahmen kann der<br />
Wertverlust jedoch gebremst oder sogar ein Werterhalt erreicht werden<br />
(Abb. 2).<br />
Ziele zum Substanzwerterhalt<br />
Neben dem langfristigen Ziel, einen nachhaltigen Substanzwert von 50 %<br />
des Wiederbeschaffungswertes zu erreichen, soll in jedem Fall durch die gewählte<br />
Sanierungsstrategie kurz- bis mittelfristig gewährleistet werden, dass<br />
sich der Netzzustand im Vergleich zum idealen Substanzwert nicht weiter<br />
verschlechtert [7, 8]. In der Regel wird eine Verstetigung des Substanzwertes<br />
auf einem Niveau von mindestens 50 % des Wiederbeschaffungswertes<br />
angestrebt [9]. Um einem schleichenden Werteverzehr, insbesondere bei jungen<br />
Netzen, vorzubeugen, ist zu prüfen, ob aufgrund der vorliegenden<br />
Schädigung des Netzes bereits bei einem Substanzwert größer 50 % des<br />
Wiederbeschaffungswertes ein dem Alter des Kanalnetzes unangemessen geringer<br />
Substanzwert vorhanden ist.<br />
Ein relativer Substanzwert kleiner SWi deal (oder signifikant unter 50 %) würde<br />
ein Substanzwertdefizit bedeuten.<br />
Ein erheblicher Teil des Kanalnetzes<br />
Erneuerungsstrategie<br />
befindet sich in diesem Fall nicht mehr<br />
im akzeptierten Zustandsbereich. Dadurch<br />
wird kurzfristig eine wesentliche<br />
Erhöhung der Sanierungsleistung bzw.<br />
des -budgets erforderlich (Intervention).<br />
Eine zunehmende Abweichung<br />
vom Idealwert weist darauf hin, dass<br />
die zwecks Funktionserhaltung dringend<br />
erforderlichen Investitionen aufgeschoben<br />
und damit in Form eines<br />
Investitionsstaus in die Zukunft verlagert<br />
werden.
Bei einem relativen Substanzwert signifikant kleiner 50 % wird empfohlen,<br />
kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, die einen weiteren Werteverzehr verhindern<br />
(Intervention). Mittelfristig soll ein relativer Substanzwert von mindestens<br />
50 % angestrebt werden. Wird bei jüngeren Netzen der ideale Substanzwert<br />
um mehr als 25 % unterschritten, wird empfohlen, kurzfristig Maßnahmen<br />
zur Substanzwerterhöhung zu ergreifen, um einem Wertverfall entgegenzuwirken.<br />
Bei alten Kanalnetzen wird der relative Substanzwert stets unter 50 % liegen.<br />
Obwohl eine Steigerung langfristig auf 50 % erforderlich ist, ist eine kurzfristige<br />
Steigerung meist nicht durchführbar. Auch hier wird eine Bewertung<br />
analog zum idealen Substanzwert empfohlen. Bei den alten betrachteten Kanalnetzen<br />
ergibt sich dabei eine untere Grenze bei 75 % des idealen Substanzwertes,<br />
die den Netzbetreiber noch nicht vor unlösbare Aufgaben stellt.<br />
Spätestens bei einer Unterschreitung des idealen Substanzwertes um mehr<br />
als 25 % liegt damit ein erhebliches Defizit und ein dringender Interventionsbedarf<br />
vor.<br />
Substanzwertentwicklung<br />
Die Auswirkungen unterschiedlicher Extrem-Strategien auf den Substanzwertverlauf<br />
sind in Abb. 3 exemplarisch für ein junges, baulich gering geschädigtes<br />
Netz mit hydraulischen Defiziten wiedergegeben. Folgende Sanierungsstrategien<br />
wurden untersucht [7, 8]:<br />
● Wirtschaftlichste Sanierungsalternative<br />
Ziel dieser Strategie ist die Behebung aller Schäden mit dem langfristig geringsten<br />
Mitteleinsatz durch Auswahl des wirtschaftlichsten Sanierungsverfahrens<br />
(Reparatur, Renovierung, Erneuerung). Dabei wurde für Reparaturen<br />
und Renovierungen keine Steigerung des Substanzwertes einer Haltung angesetzt.<br />
● Wirtschaftlichste Sanierungsalternative mit werterhöhendem Einfluss<br />
von Reparaturen und Renovierungen<br />
Ziel wie oben.<br />
● Erneuerungsstrategie<br />
Die Sanierung des Kanalnetzes findet ausschließlich durch Erneuerungsmaßnahmen<br />
statt. Die zeitliche Anordnung der Maßnahmen ist lediglich abhängig<br />
von der Dringlichkeit (Sanierungspriorität SP).<br />
● Reparaturstrategie<br />
Es werden grundsätzlich alle Haltungen, ungeachtet des Wirtschaftlichkeitsvergleiches,<br />
mittels Reparaturverfahren saniert. Hydraulische Defizite bleiben<br />
dabei unberücksichtigt.<br />
● Nichtstun<br />
Es werden weder Reparatur- noch Renovierungs- oder Erneuerungsmaßnahmen<br />
durchgeführt (Feuerwehrstrategie).<br />
Aus Abb. 3 ist ersichtlich, dass mit der wirtschaftlichen Sanierungsstrategie<br />
in diesem konkreten Netz ein nachhaltiger Werterhalt erreicht wird. Die extreme<br />
Erneuerungsstrategie führt zu einer erheblichen Erhöhung des Substanzwertes,<br />
die jedoch in diesem Fall weder notwendig noch wirtschaftlich<br />
ist. Eine Reparaturstrategie gewährleistet einen funktionsgerechten Betrieb,<br />
führt jedoch auf Dauer zu einem Wertverschleiß, der entweder nicht mehr<br />
aufgehalten werden oder nur durch außergewöhnliche finanzielle Belastung<br />
Forschung + Technik<br />
(Neubau?!) wieder in einen ordnungsgemäßen<br />
Zustand gebracht<br />
werden kann.<br />
Wird für Reparatur- und Renovierungsmaßnahmen<br />
ein werterhöhender<br />
Einfluss angenommen, ergab<br />
sich im konkreten Fall auch bei dieser<br />
optimistischen Betrachtung keine<br />
nachhaltige zusätzliche Wertsteigerung,<br />
sondern der Substanzwertverlauf<br />
wird lediglich gering verschoben.<br />
Substanzwerterhalt<br />
Das materielle Substanzdefizit ergibt<br />
sich als Differenz des aktuellen Substanzwertes<br />
und des idealen Substanzwertes.<br />
Wird der Substanzwert<br />
eines Kanalnetzes für eine definierte<br />
Netzerhaltungsstrategie ermittelt,<br />
kann über dessen Verlauf sowie den<br />
Abstand zum idealen Substanzwert<br />
beurteilt werden, ob und inwieweit<br />
ein Substanzwerterhalt oder eine<br />
-verbesserung erzielt wird. Als Basisverlauf<br />
des idealen Substanzwertes<br />
kann die funktionserhaltende Strategie<br />
herangezogen werden. In Abb. 4<br />
sind die möglichen Strategien bei einem<br />
alten Kanalnetz mit und ohne<br />
Substanzwerterhalt dargestellt:<br />
● Keine Maßnahmen<br />
Mit zunehmendem Alter findet ein<br />
Wertverschleiß statt. Durch „Feuerwehrmaßnahmen“<br />
wird die Netzfunktion<br />
notdürftig erhalten.<br />
● Funktionserhalt<br />
Durch Instandhaltungsmaßnahmen<br />
(überwiegend Reparaturen mit einem<br />
Mindestanteil an werterhöhenden<br />
Maßnahmen) bleibt das Kanalnetz<br />
funktionsfähig. Der Abstand<br />
vom idealen Substanzwert nimmt<br />
zu. Ein Werterhalt findet nicht statt.<br />
● Funktionswerterhalt<br />
Der Abstand zum idealen Substanzwert<br />
der Funktionserhaltung wird<br />
verringert bzw. dieser wird erreicht<br />
oder sogar überschritten. Hierbei<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
23
24<br />
Forschung + Technik<br />
wird ein funktioneller Werterhalt angestrebt.<br />
● Relativer Werterhalt<br />
Der Abstand des Substanzwertes<br />
zum idealen Substanzwert wird<br />
nicht verschlechtert. Zwar ist ein<br />
sinkender Substanzwert vorhanden,<br />
es wird jedoch einem überproportionalen<br />
Netzverfall entgegengewirkt.<br />
● Nachhaltiger Werterhalt<br />
Der aktuelle relative Substanzwert<br />
entspricht in etwa dem zum Bewertungszeitpunkt<br />
vorhandenen relativen<br />
Substanzwert.<br />
● Nachhaltige Wertverbesserung<br />
Es wird mittel- bzw. langfristig ein relativer<br />
Substanzwert von 50 % des<br />
Wiederbeschaffungswertes angestrebt<br />
bzw. erreicht.<br />
Ein Werterhalt bzw. eine Wertverbesserung<br />
lässt sich aus Erfahrung je<br />
nach Netzalter und Zustand durch<br />
Abb. 4: Substanzwertverlauf in Abhängigkeit der wertsteigernden Investitionen.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
eine Erneuerungsrate von rd. 0,6 % bis 1,6 %, bezogen auf die Netzlänge,<br />
erzielen.<br />
Die Funktions- und Betriebssicherheit lassen sich jedoch nicht durch diese Erneuerungsrate<br />
gewährleisten. Hierzu sind weitere planmäßige Instandhaltungsmaßnahmen<br />
erforderlich, sodass sich eine sinnvolle Strategie nur als<br />
Kombination aller Sanierungsarten (Erneuerung, Renovierung und Reparatur)<br />
ergeben kann. Mit optimiertem Finanzmitteleinsatz werden die Funktionsund<br />
Betriebssicherheit bei gleichzeitigem Substanzwerterhalt gewährleistet.<br />
Auswirkung der zeitlichen Umsetzung<br />
Liegt eine Sanierungskonzeption vor, stehen auch alle notwendigen <strong>Information</strong>en<br />
zur Beschreibung der künftigen Entwicklung einer Haltung und den<br />
voraussichtlichen Kosten zur Verfügung:<br />
● durchzuführende Maßnahmen und Sanierungskosten<br />
● Zeitpunkte von ggf. notwendigen Wiederholungen von Maßnahmen<br />
● Zeitpunkt der Außerbetriebnahme einer Haltung (Erneuerung oder Erweiterung)<br />
In organisatorischer und finanzieller Hinsicht wird es nicht möglich sein,<br />
sämtliche geplanten Maßnahmen sofort umzusetzen. Aus diesem Grund ist<br />
es erforderlich, für die Umsetzung Zeiträume in Abhängigkeit der Dringlichkeit<br />
von Maßnahmen unter Berücksichtigung folgender Kriterien anzusetzen:<br />
● Die technischen, gesetzlichen und umweltrelevanten Anforderungen an<br />
die zeitliche Umsetzung bei der Beseitigung der festgestellten Mängel sind<br />
einzuhalten.
Abb. 5: Auswirkungen der zeitlichen Umsetzung auf die Gebühren- und<br />
Substanzwertentwicklung.<br />
● Die gewählten Zeiträume sind kritisch mit den zu Grunde liegenden Sanierungsprioritäten<br />
oder Schadensklassen zu vergleichen.<br />
● Die gewählten Zeiträume sollen auch für andere Beteiligte (z. B. beim<br />
Mehrspartenansatz) akzeptabel sein.<br />
● Eine möglichst gleichmäßige Sanierungskostenverteilung sowie Gebührenentwicklung<br />
ist anzustreben.<br />
● Die Umsetzbarkeit im Hinblick auf Bauvolumen und Personalbedarf muss<br />
gewährleistet werden.<br />
Werden die Sanierungsziele über Sanierungsprioritäten definiert, entsteht ein<br />
Zeitplan für die Abarbeitung der vorhandenen Sanierungsprioritäten. Die Erarbeitung<br />
des Zeitplanes stellt einen iterativen Prozess dar, wobei, ausgehend<br />
von der technisch optimalen oder netzbetreiberspezifischen Vorstellung, die<br />
Auswirkungen auf die o. g. Bewertungsmerkmale (Gebühr, Investitionsplanung,<br />
Anforderungen) ermittelt, bewertet und angepasst werden.<br />
Für einen optimalen Betrieb von Abwasseranlagen ist es notwendig, die<br />
rechtlichen und technischen Vorgaben zu erfüllen. Weiteres Ziel ist das Bestreben,<br />
den Werterhalt der Anlage bei minimalen finanziellen Belastungen<br />
der Anschlussnehmer zu erzielen. Diese beiden Ziele lassen sich allerdings<br />
nicht gleichzeitig erreichen. Ein Werterhalt erfordert Investitionen, die<br />
zwangsläufig eine Gebührenerhöhung hervorrufen. Die Gebührenkonstanz<br />
dagegen führt zu einer unangemessenen Verschiebung der notwendigen<br />
Baumaßnahmen im Netz und zu einer Verlagerung der finanziellen Last auf<br />
die künftige Generation durch den entstandenen Investitionsstau (Abb. 5).<br />
Erneuerungsrate<br />
Eine optimale Strategie ergibt sich, wenn die Erneuerungsrate der angesetzten<br />
Nutzungsdauer entspricht und diese mit der kalkulatorischen Nutzungsdauer<br />
übereinstimmt. Auch bei der Sanierung aller Defizite im Kanalnetz<br />
kann es vorkommen, dass der geplante Erneuerungsanteil für das konkrete<br />
Kanalnetz zu gering ist und ein Substanzwertrückgang festgestellt wird oder<br />
der gewünschte Substanzwertzuwachs nicht erzielt werden kann. Ziel ist, einen<br />
für das Kanalnetz optimalen Kompromiss zwischen wirtschaftlicher Ver-<br />
Forschung + Technik<br />
fahrensauswahl und Erneuerungsstrategie<br />
zu erreichen. Gründe für einen<br />
zu geringen Substanzwert bzw.<br />
-verfall können sein:<br />
● es liegt ein überaltertes Kanalnetz<br />
vor<br />
● das Kanalnetz ist stark geschädigt<br />
● der beabsichtigte Sanierungsumfang<br />
ist zu gering<br />
● der Reparaturanteil der Sanierungsmaßnahmen<br />
ist zu hoch<br />
● der Zeitplan für die Umsetzung<br />
der Sanierungen ist zu lang<br />
Da eine Substanzwerterhöhung im<br />
Wesentlichen nur durch Erneuerungen<br />
oder Erweiterungen bzw. Reinvestitionen<br />
geschaffen werden kann,<br />
soll überprüft werden, ob bei der Sanierungskonzeption<br />
zu einseitig auf<br />
Reparaturverfahren gesetzt wurde<br />
(z. B. „Reparaturstrategie“). In diesen<br />
Fällen stehen zwei Gegenmaßnahmen<br />
zur Verfügung:<br />
● Erhöhen der Erneuerungsrate<br />
durch die Formulierung entsprechender<br />
Kriterien<br />
● Berücksichtigung des Substanzwertverfalls<br />
durch Vorsehen der Finanzmittel<br />
für die in der Zukunft erforderlichenReinvestitionsmaßnahmen<br />
Bürgerbelastung<br />
Den wesentlichen Teil der Kosten für<br />
den Bau und Betrieb von Abwasseranlagen<br />
tragen die Bürger als Anschlussnehmer.<br />
Um die Bürgerbelastung<br />
in Grenzen zu halten, verhalten<br />
sich die Anlagenbetreiber bei den<br />
werterhöhenden Investitionen (Erneuerung,<br />
werterhöhende Renovierung)<br />
häufig sehr zurückhaltend.<br />
Bei einem konsequenten kontinuierlichen<br />
Einsatz von 60 % der jährlichen<br />
Abschreibungen für die Neuinvestitionen<br />
hätte der Wert der Abwasseranlagen<br />
gehalten werden<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
25
26<br />
Forschung + Technik<br />
Abb. 6: Reale Gebührenentwicklung eines Kanalnetzes in Abhängigkeit von der Verfahrensstrategie.<br />
können, ohne hierfür die Abwasserentgelte<br />
erhöhen zu müssen [10].<br />
Dies setzt jedoch eine erhebliche<br />
Verlängerung der Refinanzierungszeit<br />
voraus. Eine solche Refinanzierungsstrategie<br />
hat kaum ein Anlagenbetreiber<br />
verfolgt, sodass sich<br />
nun die Frage stellt, wie die zunehmend<br />
notwendigen Werterhaltungsmaßnahmen<br />
finanziert werden<br />
sollen. Bald werden rund 50 %<br />
aller Kanäle älter als 50 Jahre sein. Bei<br />
einem häufig anzutreffenden Abschreibungssatz<br />
von 2 % bedeutet<br />
dies, dass die Hälfte aller Kanäle bereits<br />
refinanziert ist. Dabei stellen<br />
sich die Fragen:<br />
● Was wurde für ihren Werterhalt<br />
getan?<br />
● Wie hoch sind die Raten für die<br />
werterhaltenden Maßnahmen?<br />
Die Abwasserentsorgungsanlagen<br />
sind an sich verhältnismäßig teure<br />
Anlagen. Jährlich werden in der Bundesrepublik<br />
insgesamt rund 6 Mrd.<br />
Euro in die öffentliche Abwasserent-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
sorgung investiert. Davon entfallen<br />
mit rund 3,1 Mrd. Euro gut die<br />
Hälfte auf die Kanalisation. Trotzdem<br />
muss nach der Umfrage der<br />
DWA wesentlich mehr in die Kanalisation<br />
investiert werden:<br />
● Rund 17 % der Kanäle sind mittelfristig<br />
aufgrund des baulichen<br />
Zustands zu sanieren<br />
● Aus Erfahrung sind weitere 10%<br />
bis 15 % hydraulisch überlastet<br />
Nach [1] werden jedoch aus Kostengründen,<br />
wenn überhaupt,<br />
mehr Reparaturen als werterhaltende<br />
Maßnahmen durchgeführt.<br />
Eine Lösung dieses Problems auf<br />
Dauer wird häufig von der Änderung<br />
der Betriebsform (Umwandlung<br />
der Regiebetriebe in Eigenbetriebe<br />
oder Anstalt öffentlichen<br />
Rechts oder der Beteiligung der<br />
privaten Wirtschaft (PPP) erwartet.<br />
Werden die aus einer generellen<br />
Sanierungsplanung (GSP) ermittelten Investitionsplanungen in die vorhandene<br />
Gebührenkalkulation übertragen und entsprechende Vorkalkulationen<br />
für die kommenden Jahre unter Berücksichtigung von Inflationsrate und<br />
Preissteigerung durchgeführt, kann der künftig zu erwartende Gebührenverlauf<br />
prognostiziert werden. Hilfreich ist dabei die haltungsgenaue Kenntnis<br />
kaufmännischer Angaben wie Anschaffungskosten, Wiederbeschaffungswert,<br />
Restbuchwert und Abschreibungssätze und deren zeitliche Prognose<br />
mit Hilfe der Angaben aus der GSP (Art der Maßnahme, Zeitpunkt der Sanierungen<br />
inkl. der Erneuerungen, angestrebte Zeiträume bei der Umsetzung).<br />
Ziel sollte die Vergleichmäßigung sowie die Vermeidung von extremen<br />
Anstiegen oder Abfällen der Gebühr in bestimmten Perioden sein.<br />
Aus Abb. 6 ist ersichtlich, dass durch konsequent durchgeführte Instandhaltungsmaßnahmen<br />
ausschließlich durch Reparaturen die aktuelle Gebührenhöhe<br />
zwar langfristig gehalten wird, sich der Substanzwert dabei aber stetig<br />
verringert und ein erheblicher Investitionsstau erzeugt wird. Bei einer Erneuerungsstrategie<br />
steigen zwar die Gebühren, der Substanzwert erhöht sich aber<br />
deutlich. Die Belastung bei der wirtschaftlichen Strategie liegt erwartungsgemäß<br />
dazwischen, wobei der reale Gebührenindex über Jahrzehnte auf<br />
rund 1,2 stabilisiert wird.<br />
Zusammenfassung und Schlussbemerkungen<br />
Die Umsetzung der weitgesteckten Forderung der DIN EN 752 an den Bau<br />
und Betrieb von Kanalisationen wird vielerorts nur langfristig möglich sein.<br />
Der Umfang der notwendigen Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen<br />
und die daraus entstehenden finanziellen Zwänge erfordern deshalb eine
Strategie mit konkreten Zieldefinitionen, welcher Zustand im Kanal zu welchem<br />
Zeitpunkt zu erreichen ist. Von einer solchen Strategie wird darüber<br />
hinaus eine wirtschaftliche und langfristige Perspektive für das vorhandene<br />
Anlagevermögen des Kanalnetzes erwartet, die über eine bloße Aufrechterhaltung<br />
des Kanalbetriebes hinausgeht.<br />
Damit die finanzielle Belastung der Bürger stets in Grenzen gehalten wird,<br />
gilt es, Strategien zu entwickeln, die bei einer zumutbaren Bürgerbelastung<br />
(Herstellungs- und Ergänzungsbeiträge, Abwassergebühren) stets die o.a.<br />
Ziele erreichen sowie gesetzliche Vorgaben erfüllen. Der historisch durch Ausbauschübe<br />
geprägte Netzaufbau mit Perioden unterschiedlicher Verlegeund<br />
Materialqualität lässt in der Zukunft starke Schwankungen des erforderlichen<br />
Reinvestitionsbedarfs erwarten, wenn diese nicht durch vorausschauende<br />
Planung verstetigt werden [9].<br />
Wird der Substanzwert auf der Grundlage einer „Generellen Sanierungsplanung“<br />
(GSP) ermittelt, können neben Aussagen zum materiellen Wert des<br />
Kanalnetzes, die Prognose der zukünftigen Entwicklung und damit die<br />
kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen unterschiedlicher Steuerungs-<br />
Parameter untersucht und Vorgaben zur strategischen Umsetzung der Maßnahmen<br />
erarbeitet werden. Die geplanten oder vorhandenen Strategien<br />
(Sanierungsumfang, Zeitplan, Verfahren zur Wahl der Sanierungsart) können<br />
mittels entsprechender Berechnungen auf nachhaltige Substanzwertentwicklung<br />
überprüft werden, um frühzeitig Defizite identifizieren und ggf. die<br />
Kriterien zur Strategiesteuerung anpassen zu können.<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine sinnvolle Sanierungsstrategie<br />
nur eine Kombination von Reparatur-, Renovierungs- und Erneuerungsmaßnahmen<br />
sein kann, die mittel- bis langfristig einen Werterhalt des Kanalnetzes<br />
bei mäßiger Gebührenentwicklung gewährleistet.<br />
Nachdem die Abwasserentsorgung als eine kostenrechnende Einrichtung zu<br />
führen ist, muss sich bei uns die Erkenntnis verbreiten, dass wir als Bürger,<br />
Anschlussnehmer und Nutznießer dafür einzustehen haben und nicht von<br />
einem unbekannten „Dritten“ diese Leistung erwarten können. Die aktuelle<br />
finanzielle Belastung ist angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung einer<br />
ordnungsgemäßen, auf Dauer sicher zu betreibenden Abwasserentsorgung<br />
keinesfalls hoch. Wir müssen allerdings erst erfahren, wie wichtig diese Aufgabe<br />
ist, um die Bereitschaft aufzubringen, auch die Kosten dafür tragen zu<br />
wollen. Dann werden wir es auch tun. So lange jedoch versucht wird, diese<br />
Aufgabe als wenig wichtig und vor allem als eine Selbstverständlichkeit abzutun,<br />
werden wir Gefahr laufen, wie häufig in der Geschichte, uns erst dann<br />
eines Besseren zu besinnen, wenn es zu spät ist. Je früher es uns gelingt, den<br />
gegenwärtigen Trend umzukehren,<br />
desto eher werden wir auch die<br />
Chance haben, unseren Nachfahren<br />
so intakte Abwasseranlagen zu übergeben,<br />
wie wir sie von unseren Vorfahren<br />
übernommen haben.<br />
Kontakt<br />
Dipl.-Ing. Nikola Milojevic<br />
Dr.-Ing. Pecher und Partner<br />
GmbH<br />
Ginsterweg 10 a<br />
81377 München<br />
E-Mail:<br />
nikola.milojevic@pecher.de<br />
Forschung + Technik<br />
Literaturverzeichnis<br />
[1] BERGER, C. & LOHAUS, J. (2005):<br />
Zustand der Kanalisation in Deutschland<br />
– Ergebnisse der DWA-Umfrage 2004,<br />
Korrespondenz Abwasser (52) Nr. 5, S.<br />
528–539<br />
[2] BGW/DWA: <strong>Information</strong>sbroschüre:<br />
Marktdaten Abwasser 2002, Ergebnisse<br />
der gemeinsamen Umfrage zur Abwasserentsorgung<br />
[3] DIN EN 752-2 (1996): Entwässerungssysteme<br />
außerhalb von Gebäuden,<br />
Teil 2: Anforderungen<br />
[4] DIN EN 752-5 (1997): Entwässerungssysteme<br />
außerhalb von Gebäuden,<br />
Teil 5: Sanierung<br />
[5] Länderarbeitsgemeinschaft Wasser<br />
(LAWA) (2005): Leitlinien zur Durchführung<br />
dynamischer Kostenvergleichsrechnungen,<br />
6. Auflage, Kulturbuchverlag,<br />
Berlin<br />
[6] Bundesministerium für Verkehr,<br />
Bau- und Wohnungswesen (2002):<br />
Wertermittlungsrichtlinie WertR 2002 –<br />
Richtlinien für die Ermittlung der Verkehrswerte<br />
(Marktwerte) von Grundstücken<br />
[7] Pecher und Partner (2005): Entwicklung<br />
einer ganzheitlichen Kanalsanierungsstrategie<br />
für Entwässerungsnetze<br />
Deutschlands (KANSAS), Abschlussbericht<br />
[8] WOLF, M., SYMPHER, K.-J. & MI-<br />
LOJEVIC, N. (2005): Nachhaltige Kanalsanierung<br />
– Auswirkungen unterschiedlicher<br />
Strategien auf Substanzwert und<br />
Abwassergebühr, Sanierungsstrategie,<br />
Schriftenreihe aus dem Institut für Rohrleitungsbau<br />
an der FH Oldenburg (29),<br />
S. 514–529<br />
[9] DWA-M 143 Teil 14 (2005): Sanierung<br />
von Entwässerungssystemen außerhalb<br />
von Gebäuden, Teil 14: Sanierungsstrategien<br />
[10] BELLEFONTAINE, K. (<strong>2006</strong>): Substanzerhalt<br />
der Kanalisation, Vortrag 3.<br />
Kanalbautage 3./4. Mai <strong>2006</strong>, Berlin<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
27
28<br />
Forschung + Technik<br />
EDS-Verfahren<br />
Aspekte zur Wirtschaftlichkeit<br />
Gemäß den Einordnungen<br />
nach Bild 4 des ATV-DVWK-<br />
Merkblattes M 143-1 gehören<br />
die gebräuchlichen Abdichtungsverfahren<br />
in die Verfahrensfamilie<br />
der Reparatur. Der Reparatur<br />
zugeordnet sind nach Bild 3 des genannten<br />
Merkblattes vorrangig örtlich<br />
begrenzte Schäden, wie z. B. Undichtigkeiten<br />
und undichte Rohrverbindungen.<br />
Die Reparatur und im<br />
Allgemeinen damit auch die Abdichtungsverfahren<br />
beheben also punktuell<br />
Schäden und stellen damit den<br />
Sollzustand des Kanals wieder her.<br />
Einordnung des<br />
EDS-Verfahrens<br />
Das EDS-Verfahren (Erneuerung der<br />
Dichtung an Steinzeugrohrverbindungen)<br />
ist, da erst im Juni <strong>2006</strong> publiziert,<br />
in Bild 4 des Merkblattes<br />
M 143-1 nicht genannt. Entsprechend<br />
des Verfahrenskonzeptes gilt<br />
die Definition nach DIN EN 752-5,<br />
Nr. 3.2: „Maßnahme(n) zur Verbesserung<br />
der aktuellen Funktionsfähigkeit<br />
von Abwasserleitungen<br />
und -kanälen unter vollständiger<br />
oder teilweiser Einbeziehung<br />
ihrer ursprünglichen Substanz“.<br />
Das EDS-Verfahren kann daher den<br />
Renovationsverfahren zugeordnet<br />
werden.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
Auswirkungen von Abdichtungsverfahren<br />
auf die Nutzungsdauer<br />
Für die bestehenden Entwässerungssysteme wurde zum Zeitpunkt ihrer Planung,<br />
also vor xx-Jahren, eine Nutzungsdauererwartung unterstellt. Diese<br />
war, folgend den Planungsanmerkungen der damaligen Baumeister, auf<br />
Langlebigkeit ausgerichtet. Von dieser zu erwartenden Nutzungsdauer zu unterscheiden<br />
ist die Abschreibungsdauer, die nach Inbetriebnahme der jeweiligen<br />
Anlage auf Grundlage der kommunalrechtlichen und -politischen Erwägungen<br />
festgelegt wurde und heute Basis der Gebührenkalkulation ist.<br />
Reparatur<br />
Die normale betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (das Planungsziel) eines Kanals<br />
wird durch eine Reparaturmaßnahme abgesichert bzw. erhalten. Im Umkehrschluss<br />
bedeutet das: Wird die Reparaturmaßnahme nicht durchgeführt,<br />
ist die normale betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer gefährdet und führt i. d.<br />
R. zu einem früheren Nutzungsausfall = Substanz- bzw. Vermögensverlust.<br />
Damit ist grundsätzlich auch für die Reparaturverfahren ein quantifizierter<br />
wirtschaftlicher Nutzen definierbar, wie er auch im „Entscheidungsprozess<br />
zur Wahl der baulichen Lösung“ nach ATV-DVWK-Merkblatt M 143-1, Bild<br />
3, abgefragt wird.<br />
Renovierung mit EDS-Verfahren<br />
Die Anwendung eines Renovationsverfahrens bedeutet nicht nur die Wiederherstellung<br />
eines technischen Sollzustands, sondern auch die Einflussnahme<br />
auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer. Je nach Vorschädigung des Altkanals<br />
bedeutet dies, dass entweder eine neue, zuverlässig prognostizierbare<br />
Nutzungsdauer erreicht wird, oder, dass eine noch nicht vollendete Nutzungsdauer<br />
über das anzunehmende Versagensdatum hinaus verlängert<br />
wird.<br />
Die Anwendung des EDS-Verfahrens stellt an den Zustand des Kanalbestands<br />
die Anforderung der statischen Unversehrtheit, was bedeutet, dass das Altrohr<br />
im Sinne von DWA-A 127 berechenbar ist und als tragfähig nachgewiesen<br />
werden kann. Dies ist i. d. R. mit Abschluss der Zustandsbewertung nach<br />
z. B. DWA-M 149 gegeben. Damit fokussiert sich die Beurteilung der Auswirkungen<br />
des EDS-Verfahrens auf die Frage nach der langlebig sicheren Funktion<br />
1. des Steinzeugrohrs und 2. der neuen Abdichtung.
Verfahren zur baulichen Sanierung<br />
Reparatur<br />
Renovierung<br />
Erneuerung 1)<br />
Ausbesserungsverfahren<br />
Injektionsverfahren<br />
Abdichtungsverfahren<br />
Auskleidungsverfahren<br />
Beschichtungsverfahren<br />
offene<br />
Bauweise<br />
halboffene<br />
Bauweise<br />
geschlossene<br />
Bauweise<br />
Kleinbaugrube<br />
Reparatur von<br />
Hand von innen<br />
Roboterverfahren<br />
Reparatur von<br />
Fugen u. Rohrverbindungen<br />
mit<br />
Abdichtungsstoffen<br />
von Hand<br />
Kurzliner<br />
Innenmanschetten<br />
Auskleidung mit<br />
Rohren<br />
Auskleidung mit<br />
montierten<br />
Einzelelementen<br />
(Montageverfahren)<br />
Verdrängungsverfahren<br />
Aufspritzverfahren<br />
Anschleuderverfahren<br />
Auspressverfahren<br />
Rohrberstverfahren 2)<br />
Pipe-Eating mit<br />
Mikrotunnelbau 2)<br />
Bemannte Verfahren 2)<br />
(Rohrvortrieb, Tunnelund<br />
Stollenbau)<br />
Auskleidung mit<br />
vorgefertigten<br />
Rohren<br />
Auskleidung mit<br />
örtlich hergestellten<br />
Rohren<br />
Auskleidung mit<br />
örtlich hergestellten<br />
und erhärtenden<br />
Rohren<br />
Vollauskleidung<br />
Teilauskleidung<br />
Forschung + Technik<br />
mit<br />
Ringraum<br />
ohne<br />
Ringraum<br />
mit<br />
Ringraum<br />
ohne<br />
Ringraum<br />
Rohrstrangverfahren<br />
(Rohrstrang-Lining) 3)<br />
Einzelrohrverfahren<br />
(Einzelrohr-Lining) 3)<br />
Close-Fit-Verfahren<br />
(Close-Fit-Lining)<br />
Rohrstrangverfahren<br />
(Rohrstrang-Lining) 3)<br />
Wickelrohrverfahren<br />
(Wickelrohr-Lining) 3)<br />
Wickelrohrverfahren<br />
(Wickelrohr-Lining) 3)<br />
Schlauchliningverfahren<br />
(vor Ort härtendes<br />
Schlauch-Lining) 3)<br />
Noppenschlauchverfahren<br />
(Noppenschlauch-<br />
Lining)<br />
1) Erneuerung in der bisherigen Linienführung.<br />
Erneuerung in anderer Linienführung entspricht<br />
dem Neubau und wird daher hier nicht behandelt.<br />
2) Begriffe nach DIN EN 12889 „Grabenlose Verlegung<br />
und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen“<br />
(Ausgabe 03/2000).<br />
3) Begriffe in Klammern entsprechen denen nach<br />
DIN EN 13566-1 „Kunststoff-Rohrleitungssysteme<br />
für die Renovierung von erdverlegten drucklosen<br />
Entwässerungsnetzen (Freispiegelleitungen) –<br />
Teil 1: Allgemeines“ (Ausgabe 04/2003).<br />
Abb. 1: Übersicht über Verfahren zur baulichen Sanierung von Entwässerungssystemen. ATV-DVWK-M 143-1<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
29
30<br />
Forschung + Technik<br />
Zuverlässigkeit von Nutzungsdauerprognosen<br />
Prognosen von Nutzungsdauern<br />
können im Allgemeinen auf der<br />
Grundlage von „Erfahrung“, ergänzt<br />
durch wissenschaftliche Ansätze, getätigt<br />
werden. Der Faktor „Erfahrung“<br />
schließt die vermutlich zu unterstellende<br />
Brauchbarkeit für den<br />
Zweck eines Werks ein. Je nach Art<br />
der Nutzung können sowohl technische<br />
als auch ökonomische Gegebenheiten<br />
eine Nutzungsdauerprognose<br />
dominieren.<br />
Bei einer Kanalanlage zur Abwasserbeseitigung<br />
darf von einer langfristigen<br />
Nutzungsabsicht ausgegangen<br />
werden. Diese geplante Nutzungsdauer<br />
von Kanalsystemen kann, gestützt<br />
durch die „erfahrene“ Betriebsdauer<br />
des Bestands (Aufbau<br />
der Anlagen in Deutschland ab<br />
1850), durchaus mit einem Wert<br />
> 100 Jahre festgestellt werden.<br />
Die technische Konstruktion der<br />
Kanalsysteme und der Betrieb der<br />
Kanalsysteme sind mit einem solchen<br />
Nutzungsdaueranspruch in Bezug<br />
zu setzen. Gesichtspunkte für<br />
solche qualitativen Überlegungen<br />
sind:<br />
● eingesetzte Rohrwerkstoffe und<br />
deren Abnutzung im Betrieb<br />
● die im regelmäßigen Kanalbetrieb<br />
vorkommenden Konditionen<br />
● die Art und Weise des Einbaus,<br />
insbesondere die Lagerungskonditionen<br />
● die betriebliche Tauglichkeit des<br />
Systems bis zum Nutzungsdauerende<br />
Ohne die breite Palette von Materiallebensdauern<br />
darzustellen ist doch<br />
die allgemeine gesicherte Erfahrung<br />
hervorzuheben, dass das Material<br />
Steinzeug zu den dauerhaftesten<br />
Materialien zählt und gesicherte Erfahrung<br />
für eine Nutzungsdaueraussage<br />
100 Jahre + x vorliegt.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
Für das EDS-Verfahren kann daher eine Prognose der möglichen Nutzungsdauer<br />
● auf der sicheren Basis des Steinzeugrohres aufbauen<br />
● die genügend bekannten Eigenschaften des Epoxidharzes hiermit kombinieren<br />
● von einer gut steuerbaren Verfahrensausführung ausgehen<br />
Die Prognosevarianz wird im Wesentlichen durch das Material Epoxidharz<br />
und die Ausführung bestimmt.<br />
Bauliche Sanierung erforderlich<br />
örtlich begrenzte<br />
örtlich begrenzte Schäden umfangreiche Schäden<br />
wiederholte Schäden<br />
Reparatur<br />
technisch<br />
möglich?<br />
ja<br />
Reparatur<br />
wirtschaftlich<br />
vertretbar?<br />
nein<br />
Vergrößerung<br />
der Abflusskapazität<br />
erforderlich?<br />
Reparatur Renovierung<br />
Erneuerung<br />
Abb. 2: Entscheidungsprozess zur Wahl der baulichen Lösung. ATV-DVWK-M 143-1<br />
nein<br />
nein Verringerung<br />
der Abflusskapazität<br />
zulässig?<br />
nein<br />
ja ja<br />
nein<br />
Renovierung<br />
technisch<br />
möglich?<br />
Renovierung<br />
wirtschaftlich<br />
vertretbar?<br />
ja<br />
ja<br />
ja<br />
Verringerung<br />
der Abflusskapazität<br />
durch Renovierung?<br />
nein<br />
nein<br />
Sonstige<br />
Kriterien für Renovierung<br />
maßgebend?<br />
ja<br />
ja<br />
nein
Dichtung im Muffenspalt<br />
aus elastifiziertem<br />
Epoxidharz<br />
Boden der Rohrzone<br />
bzw. Rohrauflager<br />
Materialabtrag<br />
durch Vorfräsen<br />
definierter Muffenspalt<br />
12–20 mm<br />
Rest der Muffenabd.<br />
älterer Bauart<br />
Abb. 3 a: Konstruktionsprinzip der erneuerten Dichtung<br />
der Rohrverbindung.<br />
Unter Hinweis auf das Verfahrenshandbuch und die Risikoarmut der Verfahrensanwendung<br />
muss die technische Standfestigkeit des Epoxidharzes zur<br />
bestimmenden Prognosegröße definiert werden. Für Epoxidharze liegen sowohl<br />
die Erfahrungswerte als auch wissenschaftlich begründete Nutzungsdauerwerte<br />
bei über 40 Jahren. Die wissenschaftliche Nachweisführung über<br />
Zeitraffertests gibt keine Hinweise für einen messbaren Abbau von Eigenschaften<br />
infolge Alterung. Für das EDS-Verfahren kann daher die Prognosesicherheit<br />
mit „hoch“ eingestuft werden.<br />
Aspekte von Wirtschaftlichkeitsaussagen<br />
Wirtschaftlichkeit bestimmt sich zunächst aus einem Nutzen bzw. Ertrag oder<br />
auch Erfolg, der vom eigenen Interesse (ggf. persönlichem Interesse) definiert<br />
ist. Betrachtungen hierzu sind überflüssig.<br />
Zu unterstellendes Interesse eines Netzbetreibers<br />
Ein Netzbetreiber, zumal ein öffentlicher Betreiber eines Abwasserkanalnetzes,<br />
wird seine Interessenslage entsprechend seines Betreiberhorizonts aus<br />
den Erfahrungen seines Netzbetriebs, z. B. seit dem Jahr 1900, ableiten. Hierzu<br />
können besonders die Betriebskonditionen und die Langlebigkeit, d. h. eine<br />
langandauernde Nutzungsmöglichkeit, z. B. eines Kanalsystems, kombiniert<br />
mit den Anforderungen des zukünftigen Betriebs (Hydraulik, Abwasseranfall,<br />
Lasten u. a. m.) zählen.<br />
Nutzungsdauererwartung an die Kanalhaltung bestimmt das<br />
Gesamtsystem<br />
Die Nutzungsdauer einer Kanalhaltung bestimmt vorrangig die Erwartung<br />
an das Gesamtsystem. Daneben können aber auch „lokale“ Einflüsse aus äußeren<br />
und betrieblichen Randbedingungen die Nutzungsdauer, insbesondere<br />
die Erwartungen an eine zukünftige Nutzungsdauer, bestimmen.<br />
Die Kanalhaltung ist die maßgebende Einheit der Zustandsklassifizierung und<br />
bildet somit die Berechnungsbasis für alle Modelle einer technisch-wirtschaftlichen<br />
Prognoserechnung.<br />
Forschung + Technik<br />
Abb. 3 b: Sanierte Muffe, bündig mit Rohrinnenwand,<br />
Versatz simuliert.<br />
Spezielle Gesichtspunkte wirtschaftlicher<br />
Auswirkungen<br />
Renovierungsverfahren stellen für<br />
sich genommen einen ihrem technischen<br />
Ergebnis entsprechenden Vorrat<br />
an weiterer Nutzungsdauer einer<br />
Kanalhaltung sicher.<br />
Bei dem am meisten angewandten<br />
Verfahren des Schlauchlinings ist das<br />
technische Ergebnis der ausgehärtete<br />
Liner in einer Tragwerkskombination<br />
mit dem Altrohr. Die zukünftige<br />
Funktion des Kanals bestimmt jetzt<br />
der eingebrachte Liner.<br />
Die Wirtschaftlichkeit eines Renovierungsverfahrens<br />
kann, im Vergleich<br />
zu Reparatur bzw. Neubau, mit anerkannten<br />
Berechnungsverfahren<br />
nachgewiesen werden. Die für die<br />
Renovierung bzw. Reparatur und Erneuerung<br />
aufzubringenden Kosten<br />
und die jeweilige prognostische<br />
Nutzungsdauer (der Nutzen) bestimmten<br />
die Eingangsgrößen dieser<br />
Vergleichsrechnungen.<br />
Wirtschaftliche Auswirkungen<br />
des EDS-Verfahrens<br />
Das EDS-Verfahren bezieht (s. o.) seine<br />
Lebensdauer aus einem weiterreichenden<br />
Vorrat von Nutzungsdauer<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
31
32<br />
Forschung + Technik<br />
des Steinzeugrohres, gekoppelt mit<br />
der erneuerten Dichtung. Fasst man<br />
die erneuerte Dichtung als Bestandteil<br />
des „Bauwerks Kanal“ auf, so<br />
werden die absoluten Kosten der<br />
Verfahrensanwendung als zweitrangig<br />
nach einer Werterhöhung der<br />
Kanalhaltung einzuordnen sein.<br />
Beispielhaft dargestellt:<br />
● Eine Kanalhaltung aus dem Jahr<br />
1956 ist in <strong>2006</strong> zu 62,5 % abgeschrieben,<br />
wenn 80 Jahre Abschreibungsdauer<br />
angesetzt wurden. Die<br />
Renovierung mittels EDS-Verfahren<br />
erlaubt eine weitere Lebensdauerprognose<br />
(Funktionsprognose) von<br />
40 Jahren. Damit errechnet sich eine<br />
Werterhöhung des Kanals um 50 +<br />
40 – 80 = 10 Jahren weitere Nutzung<br />
auf der Kostenbasis <strong>2006</strong>. Diese<br />
Werterhöhung bedeutet Vermögenszuwachs,<br />
dessen Abnutzung<br />
über die Abschreibung in Jahreskosten<br />
und Gebührenkalkulation eingehen.<br />
● Eine Kanalhaltung aus dem Jahr<br />
1956 ist in <strong>2006</strong> zu 100 % abgeschrieben,<br />
wenn 50 Jahre Abschreibungsdauer<br />
angesetzt wurden. Die<br />
Renovierung mittels EDS-Verfahren<br />
erlaubt eine weitere Lebensdauerprognose<br />
(Funktionsprognose) von<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
40 Jahren. Damit ist ein Wertzugewinn des Kanals um 40 Jahre weitere Nutzung<br />
auf der Kostenbasis <strong>2006</strong> berechenbar. Dieser Wertzugewinn bedeutet<br />
Vermögenszuwachs, dessen Abnutzung über die Abschreibung in Jahreskosten<br />
und Gebührenkalkulation eingehen.<br />
Die Kosten der EDS-Sanierung können bei den vorgenannten Beispielen sowohl<br />
als Einmalkosten (= Reparaturkosten) als auch als Maßstab für die Werterhöhung<br />
= Vermögenszuwachs gelten, die dann über Abschreibungen abgetragen<br />
werden.<br />
Die Verfahrensweise ist letztlich dem Betreiber – im Rahmen der gesetzlichen/rechtlichen<br />
Vorgaben – freigestellt.<br />
Der Wertzuwachs des Kanals infolge der EDS-Sanierung kann, besonders bei<br />
älteren Kanälen, die direkten Kosten der EDS-Sanierung überschreiten.<br />
Bei noch nicht abgeschriebenen Kanälen ist die zur Restnutzungsdauer hinzuzuschlagende<br />
Nutzungsdauer als adäquater Vermögenswert zu quantifizieren.<br />
Die saldierten Kosten der Verfahrensanwendung im Ausführungsjahr<br />
errechnen sich dann aus „Kosten der Sanierung“ minus Vermögenszuwachs<br />
= reale Kosten.<br />
Zusammenfassung<br />
Die Anwendung des EDS-Verfahrens ist bereits vom technischen Ansatz her<br />
auf einen Hinzugewinn an betriebsgewöhnlicher Nutzungsdauer ausgelegt.<br />
Dieser Hinzugewinn ist seitens des Rohrsystems Steinzeug bei Feststellung<br />
der statischen Unversehrtheit i.d.R. für weit mehr als 100 Jahre Gesamtnutzungsdauer<br />
sicher.<br />
Die Berechnung von wirtschaftlichen<br />
Auswirkungen und damit die Möglichkeit<br />
des Nachweises von „Wirtschaftlichkeit“,<br />
auch im Vergleich mit<br />
anderen Sanierungsverfahren, muss<br />
in jedem Fall den Hinzugewinn an<br />
Nutzungsdauer einbeziehen.<br />
Kontakt<br />
Dipl.-Ing. Hans-Joachim Purde<br />
PURDE, JOHN & PARTNER<br />
85598 Baldham<br />
Tel.: 0 81 06/35 83 15<br />
E-Mail: purde@pjp.de
Aufgrund erschwerter Randbedingungen im städtischen Raum und der<br />
Erkenntnis, dass ein Großteil der Kanalschäden durch mangelhafte<br />
Bauausführung verursacht ist, ergibt sich die Notwendigkeit, für den<br />
Einbau von Rohrleitungen Verfahren und Technologien zu wählen, die diesen<br />
Anforderungen entsprechen. Eine Möglichkeit hierfür ist der Einsatz<br />
selbstverdichtender Materialien (SVM), auch stabilisierte Verfüllmaterialien<br />
genannt. Nach einem Vorschlag der ONR 23131 (Verfüllung von Künetten<br />
mit stabilisierten Verfüllmaterialien (SVM) – Kriterienkatalog für stabilisierte<br />
Verfüllmaterialien) wurden diese Materialien wie folgt definiert:<br />
Selbstverdichtende Materialien oder stabilisierte Verfüllmaterialien<br />
(SVM) sind konditionierte Verfüllmaterialien auf Basis von natürlichen Ge-<br />
Wiederverwendung<br />
des Aushubmaterials<br />
Forschung + Technik<br />
Pilotprojekt<br />
Einsatz von selbstverdichtenden Materialien<br />
Abb. 1: Übersicht über Rohrgraben-Verfüllmaterialien. Vorschlag ONR 23131, 2005<br />
Verfestigung durch Hydratation<br />
ohne Zuschläge<br />
Dämmer<br />
Blitzdämmer<br />
sibopress ®<br />
Rohrgrabenverfüllmaterialien<br />
Verwendung aufbereiteter<br />
Materialien<br />
aufbereiteter<br />
Bodenaushub<br />
Recycling-<br />
Baustoffe<br />
Selbstverdichtende Baustoffe<br />
Verfestigung durch Hydratation<br />
mit Zuschlägen<br />
füma ® Boden<br />
füma ® rapid<br />
Fluremix ®<br />
Verwendung von<br />
Austauschmaterialien<br />
natürliche<br />
Materialien<br />
aus natürl.<br />
Materialien<br />
SVM<br />
aus Recycling-<br />
Baustoffen<br />
Verfestigung durch Bindung<br />
der Bodenteilchen<br />
Weimarer Bau-Mörtel ®<br />
RSS ® -Flüssigboden<br />
Abb. 2: Marktübersicht selbstverdichtender Materialien. Redeker, M., 2005<br />
steinskörnungen oder Recycling-<br />
Baustoffen, die in fließfähigem Zustand<br />
in den Rohrgraben eingebracht<br />
werden und in einem anschließenden<br />
Abbinde- oder Verfestigungsprozess,<br />
ohne Einsatz von<br />
Verdichtungsenergie, eine dem geforderten<br />
Einsatzzweck im Rohrgraben<br />
entsprechende Festigkeit und<br />
Tragfähigkeit erreichen. Dabei bleiben<br />
sie über die gesamte Nutzungsdauer<br />
händisch, d.h. mit Krampen<br />
und Schaufel wieder aufgrabbar.<br />
Diese Materialien bestehen aus folgenden<br />
Inhaltsstoffen:<br />
● Grundmaterial (Sand, Kies, Bodenaushub,<br />
Baustoffrecycling)<br />
● Plastifikator (Bentonitsuspension,<br />
Cellulose)<br />
● Stabilisator (Zement oder Kalk)<br />
● Wasser<br />
Für die Herstellung bestehen folgende<br />
Möglichkeiten:<br />
● Zentrale Herstellung in Mischwerken<br />
(mixed-in-plant)<br />
● Lokale Herstellung vor Ort<br />
(mixed-in-place)<br />
Sie können entweder in Mischwerken<br />
(mixed in plant) oder vor Ort<br />
(mixed in place) hergestellt werden.<br />
Diese Materialien werden flüssig in<br />
den Rohrgraben eingefüllt und verfestigen<br />
sich ohne zusätzliche Verdichtungsenergie<br />
durch Entwässerung<br />
infolge Hydratation mit oder<br />
ohne Zuschläge oder durch Bindung<br />
von Bodenteilchen.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
33
34<br />
Forschung + Technik<br />
Bedarf an Arbeitskräften<br />
(Baufirma)<br />
Technikbedarf<br />
der<br />
Baufirma<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
Takt 1 Takt 2 Takt 3 Takt 4 Takt 5 Takt 6<br />
Setzen des<br />
Verbaus<br />
Setzen der<br />
Punktauflager<br />
Eine Übersicht über die derzeit angewendeten<br />
verschiedenen Rohrgrabenverfüllmaterialien<br />
zeigt Abb. 1.<br />
In den letzten Jahren wurden verschiedene<br />
selbstverdichtende Materialien<br />
entwickelt, verwendet und<br />
untersucht. In einer Diplomarbeit an<br />
der Fachhochschule Höxter ist eine<br />
Zusammenstellung und erste Bewertung<br />
der derzeitig verfügbaren Materialien<br />
erarbeitet worden (Abb. 2).<br />
Diese Materialien können in verschiedenen<br />
Bereichen angewendet<br />
werden. Folgende Einsatzbereiche<br />
sind bekannt:<br />
● Kanalbau<br />
● Einbau von Versorgungsleitungen<br />
(Gas- und Wasserleitungen)<br />
● Hinterfüllungen jeglicher Art<br />
● Ringraumverfüllungen von<br />
Schutz- und Druckrohrleitungen<br />
● Gründung auf nicht tragfähigen<br />
Böden<br />
● Verfüllung stillgelegter Tunnelbauten,<br />
Unterführungen, Erdtanks usw.<br />
Rohreinbau auf<br />
Punktauflager<br />
Setzen der<br />
Haltungsbänke<br />
beginnend mit<br />
der „Begrenzungsbank“<br />
(bis über<br />
Sohlhöhe RW)<br />
Anforderungen an selbstverdichtende Materialien<br />
Da jedes Produkt unterschiedlich hergestellt, mit verschiedenen Zusätzen<br />
versehen wird und damit verschiedene Eigenschaften aufweist, müssen Anforderungen<br />
zum Umweltschutz während des Kanalbaus und nach Abschluss<br />
der Maßnahme definiert und erfüllt werden. So dürfen durch das Material<br />
keine nachteiligen Beeinträchtigungen der Bodenverhältnisse und Auswirkungen<br />
auf Boden und Grundwasser erfolgen. Beim Einbau des Materials in<br />
den Rohrgraben muss Folgendes erfüllt werden:<br />
● gleichmäßige Bettung und Einbettung der Leitung<br />
● ausreichende Fließfähigkeit im Leitungsgraben<br />
● schnelle Verfestigung<br />
● keine Entmischung beim Einbau<br />
● gleichmäßige Produktqualität<br />
Hausanschluss 2<br />
(Haltung 2, FÜMA)<br />
4,20 m<br />
BA I 20 m BA II + III 45 m<br />
Abb. 4: Pilotprojekt ZV Hachinger Tal.<br />
Verfüllung der<br />
Rohrleitungszone<br />
der SW-Leitung<br />
bis zu Sohlhöhe<br />
der RW-Leitung<br />
mit Hilfe von<br />
Laser und<br />
Zollstock<br />
1 1 2 – (1) – (1) 2<br />
1 Bagger<br />
Laser SW<br />
1 Radlader<br />
(Rohre holen)<br />
Laser SW<br />
1 Bagger<br />
Laser SW<br />
Ziehen des<br />
Verbaus bis<br />
zur Sohle RW<br />
(da Verbau 2-teilig,<br />
wird der obere<br />
Teil gelöst und<br />
seitlich gelagert)<br />
Laser RW Laser RW 1 Bagger<br />
Hausanschluss 1<br />
(Haltung 1, konventionell)<br />
3,50 m<br />
Sohle RW<br />
Sohle SW<br />
Abb. 3: Bauablauf mit Einbau von SVM. Olaf Stolzenburg, 2004, Firmenunterlagen<br />
1 m 1 m
Technische Daten füma rapid füma boden<br />
Trockenrohdichte in<br />
Abhängigkeit der Sieblinie<br />
Druckfestigkeit<br />
Elastizitätsmodul nach 28 d<br />
nach DIN 18136<br />
Wasserdurchlässigkeit<br />
nach DIN 18130<br />
Nach dem Einbau sind an das Material folgende Anforderungen zu stellen:<br />
● ausreichende Tragfähigkeit, ähnlich dem benachbarten Boden<br />
● leichte Lösbarkeit über die gesamte Nutzungsdauer des Rohrleitungssystems<br />
mit Schaufel, Spaten und Kreuzhacke, ohne Schädigung der Rohrleitung<br />
● Verträglichkeit mit Leitungswerkstoffen<br />
● konstante Druckfestigkeit über die gesamte Nutzungsdauer<br />
● Frostbeständigkeit<br />
● Oberflächen- und Grundwasserbeständigkeit<br />
Der Bauablauf einer Kanalbaustelle unterscheidet sich insbesondere durch<br />
die Herstellung des Rohrauflagers, der Fixierung des Rohres gegen<br />
Auftrieb, der Verfüllung der Leitungszone und des Rohrgrabens. Daher<br />
2,3 m<br />
0,5 m<br />
BA I BA II BA III<br />
FR, Do, 15.09<br />
1,8 – 2,0 kg/dm 3 1,3 – 1,7 kg/dm 3<br />
Entspricht der Bodenklasse<br />
3 – 4 nach DIN 18300<br />
1-1<br />
FB, Mi, 14.09 FB, Fr, 16.09<br />
Entspricht der Bodenklasse<br />
3 – 4 nach DIN 18300<br />
~ 60 N/mm 2 120 bis 150 N/mm 2<br />
durchlässig<br />
10 –4 bis 10 –6 m/s<br />
schwach durchlässig<br />
10 –6 bis 10 –7 m/s<br />
Tab. 1: Materialeigenschaften füma boden und füma rapid Firmenprospekt, 2005<br />
FR<br />
= Füma<br />
Rapid<br />
FB<br />
= Füma<br />
Boden<br />
20 m<br />
25 m<br />
20<br />
m<br />
Abb. 5: Längsschnitt, Einteilung in Bauabschnitte und Einbaubereiche.<br />
Forschung + Technik<br />
ist eine geänderte Ablauforganisation<br />
erforderlich. Ein Beispiel zeigt<br />
Abb. 3.<br />
Projekterfahrungen mit<br />
SVM<br />
Vom Zweckverband Hachinger Tal<br />
wurde gemeinsam mit der Universität<br />
der Bundeswehr München im<br />
Herbst 2005 ein Pilotprojekt zum<br />
Einbau von SVM (füma boden und<br />
füma rapid) durchgeführt, um Erfahrungen<br />
mit dem Einbau, dem Bauablauf,<br />
den Eigenschaften des Materials<br />
und den Kosten zu sammeln.<br />
Hintergrund war zudem, dass bei<br />
dem Projekt z. T. an den Straßen, in<br />
denen der Kanal eingebaut werden<br />
soll, sich Anwesen befinden, die<br />
schlecht gegründet und daher sehr<br />
erschütterungsempfindlich sind. Ein<br />
herkömmlicher Rohreinbau mit Verdichtungsgeräten<br />
hätte mögliche<br />
Schäden zur Folge gehabt. Es wurden<br />
eine Kanalstrecke mit zwei Hal-<br />
Einbau Füma-Flüssigboden, Baustelle Oberbiberg, 15.05.2005, „In-der-Eich-Str.“<br />
2-2 3-3<br />
0,7 m<br />
FR, Mo, 19.09<br />
FB, Fr, 16.09<br />
1,5 m<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
35
36<br />
Forschung + Technik<br />
Auflagerung auf Sandsäcken<br />
BA I<br />
Wasservollfühlung<br />
Sandsack<br />
Abb. 6: Auflagerung auf Sandsäcken.<br />
tungen (insgesamt 65 m) und zwei<br />
Hausanschlüssen (einer mit füma<br />
boden) in diesem Pilotprojekt hergestellt<br />
und untersucht.<br />
Das eingebaute Verfüllmaterial hat<br />
nach Herstellerangaben die in Tabelle<br />
1 gelisteten Eigenschaften.<br />
Um Erfahrungen mit dem Rohreinbau<br />
mit den selbstverdichtenden<br />
Materialien füma boden und füma<br />
rapid zu sammeln, wurden bei der<br />
Kanalbaumaßnahme des Zweckverbands<br />
Hachinger Tal an drei Bauabschnitten<br />
mit zwei Grundstücksanschlüssen<br />
beide Materialien in unterschiedlicher<br />
Weise eingebaut (Abb.<br />
5). Das Rohr wurde auf zwei Arten fixiert<br />
(Abb. 6 und 7).<br />
Die Baumaßnahmen wurden täglich<br />
begleitet, die wesentlichen Ergebnisse<br />
sowohl fotografisch als auch mit<br />
Video festgehalten, Bauzeiten dokumentiert<br />
und bodenmechanische<br />
Untersuchungen vom Institut für Bodenmechanik<br />
der UniBwm in verschiedenen<br />
Zeitabständen durchgeführt.<br />
Folgende Ergebnisse haben sich gezeigt:<br />
● Die Baumaßnahme mit füma boden<br />
und füma rapid ist ohne technische<br />
Schwierigkeiten verlaufen.<br />
● Die Rohrfixierung war sowohl<br />
mit Wasservollfüllung als auch mit<br />
Magerbetonbänken ausreichend. Eine<br />
anschließende TV-Inspektion ergab<br />
keine Mängel.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
DN 250<br />
0,10 m<br />
● Der Materialeinbau von füma boden und füma rapid war bei Außentemperaturen<br />
von bis zu –3 °C problemlos möglich.<br />
● Der Rohreinbau mit füma boden und füma rapid war ohne zusätzliche<br />
Verdichtung möglich, dadurch wurden Erschütterungen und Beeinträchtigungen<br />
der benachbarten Anwesen vermieden.<br />
● Beim Einfüllen von füma boden und füma rapid in den Rohrgraben war<br />
keine Entmischung des Materials erkennbar.<br />
● Für die Baumaßnahme war infolge der geänderten Rohrauflagerung und<br />
Rohrfixierung eine geänderte Baustellenorganisation/-ablauf erforderlich.<br />
● füma rapid ist nach 30 Minuten betretbar.<br />
● füma boden ist am nächsten Tag betretbar.<br />
● Beide Materialien sind auch nach Wochen mit einer Schaufel lösbar und<br />
bereiten keine Schwierigkeiten bei späteren Anschlüssen oder Aufgrabungen.<br />
● Untersuchungen zur Lagerungsdichte ergaben eine deutliche Zunahme<br />
über die Zeit, wobei die größte Zunahme in den ersten elf Tagen stattfand.<br />
● Die Lagerungsdichte von füma rapid erreichte in den untersuchten Bauabschnitten<br />
mitteldicht bis dicht.<br />
● Die Lagerungsdichte von füma boden erreichte Lagerungsdichten von<br />
locker bis mitteldicht.<br />
Konventionell<br />
( konv.<br />
) / Verfüllen<br />
mit<br />
füma<br />
Material<br />
HK+<br />
HA<br />
konv.<br />
HK+<br />
HA<br />
füma<br />
HK<br />
konv.<br />
HK<br />
füma<br />
HA<br />
konv.<br />
HA<br />
füma<br />
0%<br />
10%<br />
Auflager aus Magerbeton<br />
BA II und BA III<br />
46,<br />
77%<br />
46,<br />
77%<br />
46,<br />
04%<br />
46,<br />
04%<br />
49,<br />
35%<br />
49,<br />
35%<br />
20%<br />
30%<br />
40%<br />
Magerbeton<br />
Abb. 7: Auflager aus Magerbeton.<br />
50%<br />
28,<br />
87%<br />
26,<br />
03%<br />
30,<br />
19%<br />
26,<br />
42%<br />
24,<br />
22%<br />
24,<br />
67%<br />
60%<br />
Erdaushub<br />
Rohreinbau+<br />
Leitungszone<br />
Wiederverfüllen<br />
Einsparpotential<br />
70%<br />
16,<br />
24%<br />
18,<br />
87%<br />
6,<br />
94%<br />
80%<br />
24,<br />
36%<br />
23,<br />
77%<br />
26,<br />
43%<br />
10,<br />
96%<br />
8,<br />
68%<br />
19,<br />
04%<br />
90%<br />
0,15 m<br />
DN 250<br />
0,12 m<br />
100%<br />
Abb. 8: Zeitersparnis beim Einsatz von SVM (HK = Hauptkanal, HA = Hausanschluss).
● Das Entfernen<br />
des Verbaus aus<br />
dem Rohrgraben<br />
bereitete keine<br />
Schwierigkeiten.<br />
● Durch den Einbau<br />
von füma boden<br />
und füma rapid<br />
konnten Zeit-<br />
ersparnisse erreicht werden, obwohl bei den Baustellen der Bauablauf und<br />
die Bauorganisation noch nicht optimiert waren (Pilotprojekt).<br />
Damit hat sich in dem Pilotprojekt ergeben, dass der Einbau von füma boden<br />
und füma rapid technisch ohne Schwierigkeiten verlaufen ist, Zeitersparnisse<br />
erzielt und technische Vorteile bei besonderen Randbedingungen erreicht<br />
werden können.<br />
Die Zeitersparnisse sind in Abb. 8 dargestellt, wobei zu beachten ist, dass die<br />
Zeitersparnisse noch nicht bei einem optimiertem Bauablauf erreicht wurden.<br />
Die Bauunternehmung sowie die Bauleitung haben das erste Mal das<br />
Material eingebaut und daher den geeigneten Ablauf erst erarbeitet.<br />
Diese selbstverdichtenden Materialien kosten aufgrund des aufwändigeren<br />
Herstellungsprozesses, der Zuschlagsstoffe und des Antransportes deutlich<br />
mehr als übliche Verfüllmaterialien. Dies zeigt sich in den Gesamtkosten per<br />
lfm (Tabelle 2). Diesen Kosten stehen dafür technische und wirtschaftliche<br />
Vorteile gegenüber, wie:<br />
● Vermeidung von Erschütterungen<br />
● Nachhaltiges Bauen<br />
– verbesserte Rohrstatik/Bettung<br />
– Vermeidung von Einbaufehlern<br />
– Vermeidung von Oberflächensetzungen<br />
– Verlängerung der Nutzungsdauer<br />
● Verkürzung der Bauzeiten<br />
– Keine Bettungsschicht<br />
– Keine Verfüllung mit Verdichtung Leitungszone<br />
● Reduzierung der Grabenbreite<br />
Zusammenfassung<br />
Konventionelle Bauweise Wiederverfüllen mit Füma<br />
26,3 min/lfm (Sammler)<br />
(Gesamte Baumaßnahme)<br />
247 Euro/lfm (Sammler)<br />
inkl. Schächte o. MwSt.<br />
23,9 min/lfm (Sammler)<br />
(Gesamte Baumaßnahme)<br />
375 Euro/lfm (Sammler)<br />
inkl. Schächte o. MwSt.<br />
Tab. 2: Zeiten und Kosten der Baumaßnahme ZV<br />
Hachinger Tal.<br />
Aus den bisherigen Erkenntnissen und Erfahrungen des vorgestellten Pilotprojektes<br />
ergeben sich folgende wesentliche Punkte:<br />
● Erhöhte Materialkosten<br />
● Verkürzte Bauzeiten<br />
● Erschütterungsfreier Einbau<br />
● Verbesserung der Einbaubedingungen<br />
● Änderungen des Bauablaufes<br />
● Beachtung der Einbauvorgaben (Rohrsicherung, Einfüllvorgang u. a.)<br />
● Prüfung der Materialeigenschaften für vorgesehenen Einsatzzweck<br />
Forschung + Technik<br />
Damit ergeben sich zunächst technische<br />
Vorteile für den Rohreinbau, die<br />
in Einzelfällen auch zu wirtschaftlichen<br />
Vorteilen führen können. Allerdings<br />
sind für differenzierte, gesicherte<br />
Ergebnisse noch weitere Untersuchungen<br />
notwendig.<br />
Das Projekt wurde finanziell durch<br />
die Firma CEMEX unterstützt.<br />
Literaturhinweise<br />
[1] Vorschlag ONR 23131 – Verfüllung<br />
von Künetten mit stabilisierten Verfüllmaterialien<br />
(SVM) – Kriterienkatalog für<br />
stabilisierte Verfüllmaterialien, 1. Februar<br />
2005<br />
[2] Diplomarbeit MICHAEL REDEKER,<br />
FH Höxter: „Einsatz selbstverdichtender<br />
Baustoffe im Kanalbau“, Ausgabe 2. November<br />
2005<br />
[3] Bericht „Einbau von füma boden<br />
und füma rapid, Baustellenbetreuung<br />
Baustelle Oberbiberg“, ZV Hachinger<br />
Tal (April <strong>2006</strong>) Prof. Günthert/Prof. Boley,<br />
UniBwM, bisher nicht veröffentlicht<br />
[4] OLAF STOLZENBURG, 2004 RSS ® –<br />
Flüssigboden im Kanalbau – Ein Praxisbericht,<br />
(Firmenunterlagen)<br />
[5] Firmenprospekt CEMEX 2005, füma<br />
boden, füma rapid<br />
Kontakt<br />
Prof. Dr.-Ing. F. Wolfgang Günthert,<br />
Dipl.-Ing. Darius Cvaci<br />
Institut für Wasserwesen<br />
Professur für Siedlungswasserwirtschaft<br />
und Abfalltechnik<br />
Universität der Bundeswehr<br />
München<br />
85577 Neubiberg<br />
Tel.: 0 89/60 04-21 56<br />
Internet: www.swa.bauv.unibwmuenchen.de<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
37
38<br />
Baustellenbericht/-reportage<br />
Nord-Süd Stadtbahnbau in Köln<br />
Drei dicke Mädchen mit<br />
Tunnelblick beißen sich durch<br />
Auch wenn es nicht gerade<br />
schmeichelhaft klingt: Ihre<br />
Statur ist alles andere als zierlich.<br />
Aber das stört Tosca, Rosa und<br />
Carmen nicht im Geringsten. Auch<br />
nicht, dass die Kölner sie in Anlehnung<br />
an einen Song der Band „De<br />
Höhner“ nur die „dicken Mädchen“<br />
nennen. Denn ganz objektiv betrachtet<br />
sind sie alle drei echte<br />
Schwergewichte. Rosa und Tosca<br />
wiegen 1.020 t, etwa das Gewicht<br />
von zwei Einfamilienhäusern, während<br />
Carmen immerhin noch 574 t<br />
auf die Waage bringt, so viel wie 765<br />
VW-Käfer.<br />
Rosa und Co. sind nämlich die<br />
Schildmaschinen, die die Tunnelröhren<br />
für die im Bau befindliche<br />
Nord-Süd Stadtbahn<br />
in Köln auffahren. Nachdem<br />
die Kanalbauarbeiten – wir<br />
berichteten hierüber in der<br />
Steinzeug <strong>Information</strong> 2004<br />
– mittlerweile weitgehend<br />
abgeschlossen sind, konnte<br />
Tosca Anfang Juni<br />
dieses Jahres mit der<br />
Auffahrt der Oströhre<br />
des Tunnels vom Bonner<br />
Wall bis zum Kurt-Hackenberg-Platz<br />
beginnen. Am<br />
anderen Ende der Strecke<br />
ging Carmen Anfang Juli in<br />
Dienst, um den Ursula-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
„Et Schild kütt!“ Zwei Kräne sindnotwendig,umCarmenzu ihremArbeitsplatzzubringen.<br />
Tunnel vom Breslauer Platz bis zur Philharmonie herzustellen. Komplettiert<br />
wurde das Kölner „Dreigestirn“ schließlich durch Rosa, die sich Anfang<br />
August auf den Weg nach Norden machte. Sie wird parallel zu der Tunnelröhre,<br />
die ihre baugleiche Schwester Tosca gräbt, die Weströhre zwischen<br />
Bonner Wall und Kurt-Hackenberg-Platz auffahren.<br />
Dommetropole erhofft sich enorme Vorteile<br />
Für diejenigen, die geographisch in der Domstadt nicht so bewandert sind<br />
und jetzt nur noch Bahnhof verstehen, eine Längenangabe: Die erste Baustufe<br />
der Nord-Süd Stadtbahn erstreckt sich auf rund 4.000 m. Der größte<br />
Teil dieser Trasse, die den dicht bebauten Innenstadtbereich umfasst, verläuft<br />
unterirdisch in zwei eingleisigen, parallel liegenden Röhren. Von den acht<br />
Haltestellen der künftigen Nord-Süd Stadtbahn in der ersten Baustufe sind<br />
sieben unterirdisch geplant; einzig die Haltestelle Marktstraße ist oberirdisch<br />
konzipiert. Damit ist dieses städtebauliche Projekt das derzeit größte<br />
Deutschlands – und dazu eines, von dem man sich in der Domstadt enorme<br />
Vorteile verspricht: schnellere und direktere U-Bahn-Anbindungen, weniger
Autoverkehr und damit verbunden weniger Lärm und Abgase sowie eine Entspannung<br />
der Parkplatzsituation im gesamten Stadtgebiet.<br />
Erste Tunnelröhre fertiggestellt<br />
Einen ersten Teilerfolg in diesem „Jahrhundert-Projekt“ konnte die Kölner<br />
Verkehrs-Betriebe AG (KVB) als Bauherrin bereits verkünden: Am 9. September<br />
war die erste, 260 m lange Tunnelröhre fertiggestellt. Mit einem Außendurchmesser<br />
ihres Schildes von 6,80 m, 24 Vortriebspressen, einer Vortriebskraft<br />
von 44.575 kN und 440 kW (600 PS) hatte sich Carmen ihren Weg<br />
durch das Erdreich gebahnt. Der Stromverbrauch dabei war enorm: Carmen<br />
benötigte ca. 1.200 kW in der Stunde – so viel etwa wie ein europäischer<br />
Haushalt in einem Vierteljahr. Pro Tag schaffte sie im Schnitt zwischen zehn<br />
und zwölf Meter vorwärts. Dabei hielt sie drei Schichten à 13 Mann durchgängig<br />
sieben Tage die Woche auf Trab. Die Statistik bei ihren beiden großen<br />
Schwestern Rosa und Tosca fällt sogar noch beeindruckender aus: Mit<br />
einem Außenschilddurchmesser von 8,40 m und 28 Vortriebspressen verfügen<br />
sie über eine installierte Vortriebskraft von 60.300 kN. Zum Vergleich:<br />
Diesen Schub benötigen 60 Boeing 747 zum Abheben!<br />
Die Wahl der Baumethode<br />
Doch trotz der gigantischen Zahlen: Bei der Wahl der Baumethode musste<br />
die Stadt Köln nicht lange überlegen. Die Dommetropole ist nämlich dicht<br />
bebaut; eine offene Bauweise kam mit Blick auf die Anwohner, Geschäftsleute<br />
und den Innenstadtverkehr nicht infrage. So entschied man sich für das<br />
unterirdische Schildvortriebsverfahren, mit dem man schon im Stadtteil Mülheim<br />
gute Erfahrungen gesammelt hatte. „Die dichte Bebauung und die beengten<br />
Platzverhältnisse sind eine große Herausforderung bei diesem Bauprojekt“,<br />
erklärt die Mediensprecherin der KVB, Gudrun Meyer. Stolz fügt sie<br />
hinzu: „Und trotz Baustellen kann das Alltagsleben weitergehen.“<br />
Bei der Schildbauweise wird ein rundes Schneidrad, der mit Schälmessern<br />
und Meißelrollen bestückte Schild, von einer Maschine rotierend in das Erdreich<br />
vorgeschoben. Die Werkzeuge – bei Rosa und Tosca sind es z. B. 174<br />
Schälmesser und 19 Rollenmeißel – schneiden eine kegelförmige Kontur in<br />
die Erde, die sich einem natürlichen Druckgewölbe im Boden annähert. Dafür,<br />
dass die Ortsbrust stabil bleibt und der darüber liegende Sand und Kies<br />
nicht nachrutschen kann, sorgt die Stützflüssigkeit Bentonit-Suspension, die<br />
vor das Schneidrad gepumpt wird und zusätzlich mit Hilfe von Druckluft den<br />
umliegenden Boden verfestigt.<br />
Eine Förderleitung transportiert die gelöste Erde in Richtung Tunnelausgang.<br />
Wie aus Tübbingen eine runde Sache wird<br />
Zur Auskleidung der Wand werden direkt hinter dem Bohrkopf von einem<br />
sogenannten Ring-Erektor Fertigteile aus Stahlbeton, die Tübbinge, eingesetzt.<br />
Jeweils sieben Tübbinge und ein Schlussstein ergeben einen Ring. So<br />
entsteht langsam, Meter um Meter, der neue Tunnel. Die Schildmaschinen<br />
bewegen sich vorwärts, indem sie sich mit hydraulischen Pressen an dem zu-<br />
Baustellenbericht/-reportage<br />
letzt gefertigten Tunnelring abdrücken.<br />
Auf diese Weise existieren zu<br />
keiner Zeit Hohlräume, in die Erdreich<br />
abstürzen könnte. Allerdings<br />
entsteht ein Ringspalt, der dadurch<br />
zustande kommt, dass die Tunnelröhre<br />
einen wenige Zentimeter geringeren<br />
Durchmesser besitzt als die<br />
Schildmaschine selbst. Dieser Ringspalt<br />
wird jedoch kontinuierlich mit<br />
Zementmörtel verpresst.<br />
Mit dem Fortgang des Tunnelbaus<br />
zeigen sich die Verantwortlichen zufrieden.<br />
„Klar geschehen wie bei allen<br />
Baumaßnahmen ab und an Dinge,<br />
die nicht vorhersehbar waren,<br />
z. B. Hindernisse im Boden. Dies kam<br />
So sieht der geplante Streckenverlauf<br />
der Nord-Süd Stadtbahn aus.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
39
40<br />
Baustellenbericht/-reportage<br />
bei den Schlitzwandarbeiten öfter<br />
vor. Aber insgesamt gesehen verlaufen<br />
die Arbeiten planmäßig. Zeitweilige<br />
Verzögerungen konnten bislang<br />
immer noch wieder aufgeholt werden“,<br />
zieht Gudrun Meyer Zwischenbilanz.<br />
Schwierigkeiten ohne<br />
Patentrezept<br />
Wie alle anderen Techniken auch,<br />
bringt der Schildvortrieb eine<br />
Schwierigkeit mit sich: So ausgereift<br />
die Methode auch ist, der Abbau<br />
von Boden und die durch den Betrieb<br />
der Tunnelbohrmaschinen verursachten<br />
Erschütterungen führen<br />
zu Veränderungen der Spannungsverhältnisse<br />
im Boden und – damit<br />
einhergehend – zu Verformungen<br />
im Bodengefüge. Es können Setzungsmulden<br />
entstehen, und minimale<br />
Schiefstellungen der Fundamente<br />
können Rissbildungen in den<br />
unmittelbar beeinflussten Gebäuden<br />
hervorrufen. Ob sich die Fundamente<br />
verformungsbedingt verdrehen,<br />
hängt von ihrem Abstand zueinander<br />
ab, von den jeweiligen Senkungseinflüssen<br />
sowie auch von der<br />
Bausubstanz. Ein Patentrezept, das<br />
auf alle Gegebenheiten vor Ort anzuwenden<br />
ist, gibt es demnach<br />
nicht.<br />
Hohe Sicherheitsvorkehrungen<br />
Umso wichtiger sind die statischen<br />
Prüfungen und Gebäudesicherungen,<br />
die Experten sowohl im Vorfeld<br />
der Schildfahrt als auch während ihres<br />
Verlaufs vornehmen. Dabei beurteilen<br />
sie jedes Haus individuell. Als<br />
erste Maßnahme stehen stets Bodenuntersuchungen<br />
auf dem Aktionsplan,<br />
mit denen die Beschaffenheit<br />
des Untergrundes und dessen<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
Die Abnahmebeteiligten vor dem Schneidrad Carmen (v. l. n. r.): Maschinenmeister<br />
Los Nord Volker Heyder, Dipl.-Ing. Oliver Boiger von der Firma Herrenknecht, der<br />
Projektleiter Arge Nord Dipl.-Ing. Peter Jakobs, der Projektleiter KVB Nord-Süd Stadtbahn<br />
Köln Dipl.-Ing. Karl Bücker, Dipl.-Ing. Hartmut Graf vom Amt für Brücken und<br />
Stadtbahnbau der Stadt Köln, Hajo Kuhlisch von der Bezirksregierung Köln sowie<br />
der Tunnelbauleiter Arge Nord Dipl.-Ing. Stephan Assenmacher.<br />
Festigkeit überprüft werden. Wo erforderlich, führ(t)en die Sachverständigen<br />
auf die Situation abgestimmte Bodenverfestigungsmaßnahmen durch. Eine<br />
andere Untersuchung betrifft die Bausubstanz der Gebäude, die sich im Einflussbereich<br />
der Schildfahrt befinden. Wo Bautechniker und Statiker kritische<br />
Setzungsberechnungen feststell(t)en oder der Zustand es erforderlich<br />
macht(e), wurden und werden Vorkehrungen getroffen. Dabei kann es sich<br />
z. B. zur zusätzlichen Sicherung um Giebelabstützungen zwischen zwei Häusern,<br />
in deren Mitte ein wesentlich niedrigeres Haus steht, handeln oder um<br />
Abstützungen innerhalb eines Hauses.<br />
Um die stattfindenden Bewegungen im Erdreich kontrollieren zu können,<br />
wurden an jedem Haus Messbolzen angebracht. Zusätzlich befinden sich<br />
oberhalb der Schildfahrt im Abstand von rund 25 m weitere Messpunkte. Im<br />
Wirkungskreis von Rosa und Co. sind außerdem Gebäudebeobachter unterwegs,<br />
die alle im Einflussbereich der Tunnelröhre liegenden Häuser regelmäßig<br />
im Abstand weniger Stunden begehen und auf Rissbildungen hin überprüfen.
Trotz der Größe der Tunnelbohrmaschine: Über allem wacht in Köln der Dom.<br />
Vorbildliche <strong>Information</strong>spolitik<br />
Von ihrer Notwendigkeit zur Schadensvermeidung einmal abgesehen, die<br />
hohen Sicherheitsstandards haben noch einen positiven Nebeneffekt: Sie geben<br />
den Anwohnern und Geschäftsleuten das Gefühl, dass alles unter Kontrolle<br />
ist. Denn wie der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma bei einer<br />
Tunneltaufe am Bonner Wall Mitte Mai selbst zugab: „Die Vorstellung, dass<br />
diese Kolosse sich durch die Erde unter unserer Stadt und unseren Häusern<br />
hindurch fressen, kann da manchmal schon beängstigend sein.“<br />
Um den Betroffenen ihre Ängste z. B. um die Standfestigkeit der Häuser, den<br />
Lärm und die Erschütterungen, Grundwasserprobleme oder Verkehrsbehinderungen<br />
zu nehmen, hat die KVB eine vorbildliche <strong>Information</strong>spolitik ins<br />
Leben gerufen. So wurde als Anlaufstelle für alle Fragen rund um das Projekt<br />
ein Infocenter am Alter Markt eingerichtet. Zusätzlich erscheinen regelmä-<br />
Stück für Stück und Schritt für Schritt wird aus den Tübbingen eine runde Sache.<br />
Baustellenbericht/-reportage<br />
ßig „AnwohnerInfos“, die den Stand<br />
der Dinge beim Bau der Nord-Süd<br />
Stadtbahn dokumentieren. Wöchentlich<br />
aktualisiert geben zudem<br />
20 Baustellenschilder in der Innenstadt<br />
Einblicke in die einzelnen Baubereiche.<br />
Außerdem waren die Kölner<br />
bei der Namensgebung für die<br />
Tunnelbohrmaschinen – eine alte<br />
bergmännische Tradition – involviert.<br />
500 Bürger nahmen an dem<br />
Wettbewerb teil, dessen Ergebnis die<br />
eingangs erwähnten „Höhner“ sicherlich<br />
gefreut haben mag. Für<br />
Transparenz sorgen zudem die aktuellen<br />
Internetseiten (www.nordsued-stadtbahn.de)<br />
mit Webcams.<br />
Auch bei der Wiedereröffnung des<br />
gesperrten Teilbereichs der Severinstraße,<br />
die mit einem verkaufsoffenen<br />
Sonntag gefeiert wird, will sich<br />
die Kölner Verkehrs-Betriebe AG beteiligen,<br />
indem u.a. das eigene Orchester<br />
aufspielt.<br />
Präventive Unterstützung<br />
für Geschäftsleute<br />
Besonders wichtig ist den Verantwortlichen<br />
allerdings die Existenz<br />
der Gewerbetreibenden. Die Initiative,<br />
die die KVB hier ins Leben gerufen<br />
hat, ist laut Gudrun Meyer bisher<br />
deutschlandweit einmalig: Ge-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
41
42<br />
Baustellenbericht/-reportage<br />
schäftsleute werden bei schwer wiegenden<br />
Umsatzeinbußen, die im<br />
Zusammenhang mit der Baustelle<br />
stehen, bereits im Vorfeld unterstützt.<br />
Präventive Hilfe also, nicht<br />
erst Entschädigung, wenn das Kind<br />
längst in den Brunnen gefallen ist<br />
und der Händler Konkurs anmelden<br />
muss. Gewerbetreibende müssen<br />
durch die Bilanzen der vergangenen<br />
drei Jahre nachweisen können, dass<br />
sie aktuell Rückgänge zu beklagen<br />
haben. Sind Einbußen absehbar, gewährt<br />
die KVB finanzielle Hilfen in<br />
Form von Vorschusszahlungen oder<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
zinsbegünstigten Darlehen, die auf die gesetzlich begründeten Entschädigungsansprüche<br />
angerechnet werden. „Diese Maßnahme hilft, umsatzschwache<br />
Zeiten zu überbrücken. Und sie wird auch genutzt“, erzählt Gudrun<br />
Meyer.<br />
Auf den Spuren der Vergangenheit<br />
Jeden Tag kommen die Tunnelbohrmaschinen im Untergrund der Domstadt ein<br />
paar Meter voran. Anfang September war bereits die erste, 260 m lange Tunnelröhre<br />
fertiggestellt.<br />
Neben der beeindruckenden Technik gibt es noch einen weiteren Grund für<br />
das Interesse der Kölner an der Baustelle: Man wäre nicht in der Dommetropole,<br />
wenn man nicht von vornherein mit archäologischen Funden hätte<br />
rechnen müssen. Die gesamte Trasse sowie die dazugehörigen Baustellenflächen<br />
sind als Bodendenkmal in die Denkmalliste der Stadt eingetragen. Der<br />
größte Teil der Strecke wird zwar unterhalb der archäologischen Schichten<br />
gebaut. Eingriffe in diese Schichten sind aber insbesondere im Bereich der<br />
Haltestellen, der Versorgungs- und Anfahrschächte sowie dem südlichen<br />
Streckenabschnitt auf der Bonner Straße<br />
gegeben, der in offener Bauweise<br />
hergestellt wird. Die Eingriffsfläche ist<br />
somit rund 20.000 m 2 groß und befindet<br />
sich vor allem in Bereichen der römischen<br />
bis frühneuzeitlichen Stadtbesiedlung.<br />
Ein echtes Eldorado also<br />
für die mehr als einhundert Archäologen<br />
und Naturwissenschaftler, die sich<br />
bedeutende Zeugnisse von den verschiedenen<br />
Stadtentwicklungsphasen<br />
versprechen. Tosca, Rosa und Carmen<br />
schaffen nun die Voraussetzung dafür,<br />
dass mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme<br />
der ersten Baustufe der<br />
Nord-Süd Stadtbahn im Jahr 2010 ein<br />
neues Kapitel dieser Stadtentwicklung<br />
aufgeschlagen werden kann.<br />
Fotos: KVB/David Rossi
Mit einem<br />
künstlerisch gestalteten<br />
Bauschild werden Bevölkerung<br />
und Gäste von der Steb und der<br />
ARGE Hohe Straße über die aufwendige<br />
Tunnelbaumaßnahme informiert<br />
Es ist ein ganz normaler Tag.<br />
Auch auf der Hohe Straße, wo<br />
mal wieder reger Betrieb<br />
herrscht. Einige Passanten bummeln<br />
gemütlich über die Kölner<br />
Einkaufsmeile und bleiben hier<br />
und da vor den Schaufenstern stehen,<br />
andere wiederum versuchen<br />
sich hektisch an Geschäftsauslagen<br />
und Straßenmusikanten vorbeizuschlängeln.<br />
Viel los ist hier eigentlich<br />
immer zu den Ladenöffnungszeiten.<br />
Erst kürzlich hat eine Studie<br />
des Maklerunternehmens Kemper’s<br />
die Shoppingmeile zur meist-<br />
besuchten Deutschlands gekürt. Mit über 17.000 Besuchern pro Stunde<br />
führt die Hohe Straße die Liste der beliebtesten Geschäftszonen an, noch vor<br />
der Frankfurter Zeil und der Königsstraße in Stuttgart, und – was die Kölner,<br />
die sich seit der Schlacht von Worringen im 13. Jahrhundert mit den Düsseldorfern<br />
nicht so ganz grün sind, am meisten freut – weit vor der nordrheinwestfälischen<br />
Landeshauptstadt (8. Platz).<br />
Wo Besucherströme so stark fließen und Geld in die Kassen der Geschäftsleute<br />
spülen, sind Baustellen natürlich ungern gesehen.<br />
Mit Rücksicht auf Touristen, Anwohner und Gewerbetreibende haben die<br />
Stadtentwässerungsbetriebe (Steb) Köln AöR deshalb ein Projekt in Auftrag<br />
gegeben, das im wahrsten Sinne im Verborgenen durchgezogen wird: Die<br />
Erneuerung des über 100 Jahre alten Kanalrohrsystems Hohe Straße/Salomongasse/Marspfortengasse<br />
in geschlossener Bauweise, speziell in der Kölner<br />
Stollenbauweise. Die Friedrich Wassermann GmbH & Co., Köln, hat für<br />
diese Bauweise mehrere Verfahren entwickelt, erfüllt die hohen Anforderungen<br />
an ein solches Projekt, verfügt über die entsprechenden Qualifizierungsnachweise<br />
und erhielt nach der öffentlichen Ausschreibung den Zuschlag der<br />
Steb Köln AöR in einer Arbeitsgemeinschaft mit der Firma Weitz & Co. aus<br />
Leverkusen.<br />
Dort, wo gut gefüllte Schaufenster verführerisch locken und Besucher entlang<br />
schlendern, wird seit zwei Jahren ca. 6 m darunter in der Erde unbemerkt<br />
von den Passanten gearbeitet.<br />
Baustellenbericht/-reportage<br />
Kölner Hohe Straße – Kanalerneuerung<br />
Ganz im Verborgenen ...<br />
Zeitplan musste überarbeitet<br />
werden<br />
Der Startschuss für diese bemerkenswerte,<br />
5,2 Mio. Euro teure Maßnahme,<br />
fiel im Oktober 2004 mit dem<br />
Bau eines großen Förderschachtes in<br />
der Salomongasse, der einen Durchmesser<br />
von ca. 6 m aufweist. Von<br />
hier aus wurden zentral beinahe<br />
gleichzeitig drei Spritzbetonstollen<br />
in unterschiedliche Richtungen aufgefahren.<br />
Insgesamt belaufen sich<br />
die Vortriebsarbeiten auf den 660 m<br />
Hauptstollen (N-S-verlaufend) und<br />
250 m Querstollen für die Hausanschlüsse.<br />
Hierbei kommen bei drei<br />
bis vier zeitgleich laufenden Vortrieben<br />
10 bis 15 Mineure zum Einsatz.<br />
Nach Fertigstellung der Vortriebsarbeiten<br />
werden noch etwa fünf Monate<br />
lang die Verlegung der Steinzeugrohre<br />
und der Bau der Schachtbauwerke<br />
durch sechs Kanalbauer<br />
durchgeführt. Im Juli diesen Jahres<br />
konnten die Verantwortlichen ein<br />
größeres Zwischenergebnis präsentieren:<br />
Der Bau des nördlichen Teils<br />
des Hauptstollens unter der Hohe<br />
Straße in Richtung Wallrafplatz war<br />
abgeschlossen. Die Fertigstellung<br />
des Südstollens steht unmittelbar<br />
bevor, sodass im Dezember der<br />
Stollenausbau mit dem Einbau der<br />
Steinzeugrohre beginnen kann.<br />
Eigentlich hatte man bei den anfänglichen<br />
Planungen gehofft, dass<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
43
44<br />
Baustellenbericht/-reportage<br />
Beim Austreten und beim Aufprall des erdfeuchten Spritzbetonmörtels<br />
kommt es im Arbeitsbereich der Ortsbrust zu<br />
einer starken Staubentwicklung. Deshalb ist es unerlässlich,<br />
dass die Mineure mit einer entsprechenden Schutzausrüstung<br />
ausgestattet sind und ständig mit Frischluft versorgt werden.<br />
die gesamten Bauarbeiten bis Mitte<br />
<strong>2006</strong> abgeschlossen sein würden.<br />
Doch immer wieder sorgen Mauerwerksabbruch<br />
usw. für hohe Stillstandszeiten.<br />
Vor allem aber müssen<br />
die zeitintensiven archäologischen<br />
Arbeiten durch das Römisch-Germanische<br />
Museum in den Bauablauf integriert<br />
werden, da sich die Baumaßnahme<br />
direkt unter dem historischen<br />
Stadtkern der ehemaligen<br />
römischen Hauptstraße, dem „Kardo<br />
Maximus“ – etwa um 50 n. Chr.<br />
ein großer Boulevard in der römischen<br />
Kolonie Colonia Claudia – erstreckt.<br />
Mittlerweile rechnen die Verantwortlichen<br />
für das kommende<br />
Frühjahr mit der Fertigstellung.<br />
Warum Spritzbeton?<br />
Welche Größendimension das Projekt<br />
hat, kommt am besten zum Ausdruck,<br />
wenn man sich die gesamte<br />
Aushubmasse vor Augen hält: 1.300<br />
Lkw sind im Verlauf der Arbeiten damit<br />
beschäftigt, die 8.000 m 3 Aushub<br />
abzutransportieren. Darunter<br />
sind 500 t Mauerwerksabbruch, bei<br />
dem es sich sowohl um römisches<br />
Mauerwerk aus Fundamenten und<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
Abwasserkanälen, aus mittelalterlichen Gebäuderesten als auch aus Schuttauffüllungen<br />
aus mehreren Jahrhunderten handelt.<br />
Dass man sich bei der Wahl des Stollenverbaus für Spritzbeton entschied, hat<br />
gleich mehrere Gründe: kreuzende Leitungen, eine angespannte Verkehrssituation,<br />
die schwierigen Baugrundverhältnisse und archäologische Anforderungen.<br />
Die Verarbeitung von Spritzbeton belastet durch die hier eingesetzte<br />
modernste Technik die Umwelt nur in geringem Maß und ist bei diesen<br />
schwierigen Bodenverhältnissen Voraussetzung für eine fast setzungsfreie<br />
Bauweise. Diese Vorgabe der Steb Köln AöR, bedingt durch die zahlreichen<br />
Versorgungsleitungen oberhalb des Stollens und eine gepflasterte Fußgängerzone,<br />
wurde von den eingesetzten Mineuren mit handwerklichem Können<br />
hervorragend umgesetzt. Es sind auch nach zwei Jahren keine Setzungen<br />
zu erkennen. Insgesamt werden für die Arbeiten fast 200 Sattelzüge mit<br />
etwa 5.000 t Spritzbetonmörtel verarbeitet.<br />
Das Verfahren, das im Grunde auf der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise<br />
NÖT basiert und für den innerstädtischen Kanalbau modifiziert wurde,<br />
ist eine Spezialität der Friedrich Wassermann GmbH. Der Spritzbetonstollen<br />
setzt eine gewisse Standfestigkeit der Böden voraus. Beim Stollenvortrieb<br />
wird der anstehende Boden daher abschnittsweise abgebaut und mit einer<br />
Spritzbetonsicherung versehen. Der Vorgang wird so lange wiederholt, bis<br />
der gesamte lichte Stollenquerschnitt – unter der Hohe Straße sind es, abhängig<br />
von der späteren Kanaldimension bzw. dem Gefälle der Steinzeugrohrkanäle<br />
zwischen 3,5 und 7,0 m 2 – freigelegt und gesichert ist. Dann wird<br />
in einem weiteren Schritt die eigentliche Spritzbetonauskleidung mit einer<br />
Mattenbewehrung hergestellt.<br />
Für die nächsten 100 Jahre ...<br />
Zwei Stollenmineure schaufeln das Abbruchmaterial auf<br />
das Förderband. Im Stollenverlauf sind die Kanalprovisorien zu<br />
erkennen.<br />
Die Nennweite der neu einzubauenden Steinzeugrohre beträgt bei einer<br />
Rohrlänge von 2,50 m DN 300 bis DN 600, für die Hausanschlüsse 150 DN.<br />
In Teilabschnitten wird aus hydraulischen Gründen eine Vergrößerung des
Die unterirdische Tunnelverzweigung Hohe Straße/Salomongasse. Hier gehen im<br />
engen Tunnelbogen mit einem Radius von etwa 6 m der Nord- bzw. Südstollen Hohe<br />
Straße ab. Im Stollenscheitel liegen die Be- und Entlüftungsleitungen sowie die Kanalprovisorien.<br />
Ein Mineur transportiert den Stollenabbruch auf einer E-Lok ab.<br />
Querschnitts vorgenommen. Es ist erstaunlich, wie viele der über 100 Jahre<br />
alten Steinzeugrohre noch in einem passablen Zustand sind; manche sehen<br />
sogar aus, als könnten sie noch ein paar Jahre liegenbleiben. 25 % der Hausanschlüsse<br />
müssen definitiv erneuert werden, 25 % sind noch in gutem Zustand.<br />
50 % der Leitungen werden vom Stollen aus überprüft und – je nach<br />
Zustand – erneuert oder auch mit Inlinern saniert.<br />
Ungewöhnliche Arbeitsweisen<br />
Damit Besucher und Gewerbetreibende von den Baumaßnahmen weitgehend<br />
verschont bleiben, nehmen die Bauunternehmen erhebliche Anstrengungen<br />
in Kauf: So wird der Stollenvortrieb nur von einem Förderschacht in<br />
der Salomongasse aus durchgeführt, was zu ungewöhnlich langen Förderwegen<br />
im Stollen führt. 260 m sind es beispielsweise, die die E-Lok mit Lore<br />
von der Salomongasse aus bis zur Schildergasse zurücklegen muss.<br />
Auf der gesamten Strecke werden Betonfertigteilschächte mit Klinkergerinne<br />
gebaut, die an die bereits im Stollen eingebauten Kanalrohre angebunden<br />
werden können. Allerdings bekommen auch hiervon nur wenige Passanten<br />
überhaupt etwas mit: Denn die erforderlichen Schachtbauwerke dürfen<br />
nur morgens bis 10 Uhr und an Sonntagen – zu verkaufsfreien Zeiten also –<br />
gebaut werden. Schließlich will doch in der Domstadt niemand, dass die Hohe<br />
Straße durch Baustellentrubel in der Beliebtheitsskala zurückfällt – womöglich<br />
noch hinter Düsseldorf!<br />
Abb. 1–4: www.manosmeisen.de<br />
Abb. 5: <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />
Baustellenbericht/-reportage<br />
Voraussichtlich im Frühjahr 2007 soll<br />
die Erneuerung des Steinzeug-Kanalsystems<br />
abgeschlossen sein.<br />
Kontakt<br />
Friedrich Wassermann<br />
Bauunternehmung für Hochund<br />
Tiefbauten GmbH & Co.<br />
Dipl.-Ing. Horst Fischer<br />
50933 Köln<br />
Tel.: 02 21/4 98 76-50<br />
E-Mail: h.fischer@friedrichwassermann.de<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
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46<br />
Baustellenbericht/-reportage<br />
Sanierung der Wasserversorgung von Weimar-Belvedere<br />
Großherzogliche Grüße aus dem Erdreich<br />
Die Arbeiter staunten nicht<br />
schlecht, als sie im Februar<br />
und März diesen Jahres an<br />
der Wasserzuführung von den Quellfassungen<br />
an der Autobahn A 4 zum<br />
Schirmteich im Schlosspark von Belvedere<br />
Sanierungsarbeiten an einer<br />
Gussrohrleitung vornehmen wollten.<br />
Im Erdreich stießen sie gleich<br />
mehrfach auf die Spuren der Vergangenheit:<br />
Die jetzt einzuziehenden<br />
Kunststoffrohre sind nämlich bereits<br />
die fünfte Generation dieser Rohrleitungsstrecke.<br />
Zunächst wurden<br />
Holzrohre eingebaut, danach Steinzeugrohre<br />
(um 1820), nachfolgend<br />
wieder Holzrohre und um 1870<br />
schließlich gusseiserne Rohre, in die<br />
nun PE-Rohr eingezogen wurde.<br />
Technisches Denkmal<br />
Da es sich um ein technisches Denkmal<br />
handelt, wird das Wasserversorgungssystem<br />
heute noch so betrieben<br />
wie zu seiner Entstehungszeit<br />
nach 1733: Von den Quellfassungen<br />
führt eine 1,7 km lange Rohrleitung<br />
aus Gusseisen zum Behälter und<br />
Schirmteich und von dort zu den<br />
Wasserspielen und Teichen.<br />
„Gekrönte“ Steingutröhren<br />
Von den anfangs verwendeten Holzrohren<br />
fanden die Schachtarbeiter<br />
lediglich die gusseisernen Buchsen;<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
das „Drumherum“ war längst verwittert. Wesentlich „präsenter“ dagegen<br />
waren die Steingutröhren: Sie tragen einen Prägestempel aus dem Jahre<br />
1818, die Initialen Carl Augusts, die Krone sowie das Zeichen G. S. für Großherzogtum<br />
Sachsen. Die Zeichen F. Z. stehen für Steingutröhren aus einer<br />
Fabrik in Zwätzen bei Jena. Weitere gefundene Teilstücke von Tonröhren<br />
stammen aus Großalmerode in Hessen mit einer Prägung CHRI. RUDOLPH<br />
und darunter GROSSALMERODE.<br />
Oft wurden jedoch Holzrohre anstelle der Steingutröhren eingesetzt. So<br />
wurden im Januar 1821 z. B. Mittel bewilligt, mit denen auf Befehl Carl Augusts<br />
die „thönernen Röhren“ entlang der Belvederer Allee wieder durch hölzerne<br />
ersetzt werden sollten.<br />
Know-how für gusseiserne Wasserleitung früh belegt<br />
Gusseisenrohre mit den zu dieser Zeit üblichen Stemm-Muffenverbindungen,<br />
lösten um 1870 ihre Vorgänger ab, aber bereits nach 1820 hatte man<br />
sich das Know-how für die Verlegung gusseiserner Wasserleitungen angeeignet.<br />
Schriftlich festgehalten hatte Ernst Fr. Donage im Dezember 1820 die<br />
Obwohl das Steinzeugrohr schon knapp 200 Jahre im Erdreich „schlummert“, ist<br />
es noch eindeutig zu erkennen.
Quellfassung – Blick in den Innenraum.<br />
Technik samt Maßen, Preisen und technischen Details in seinem Werk „Einige<br />
data zur Veranschlagung einer Wasserleitung von gegossenen eisernen<br />
Röhren hinsichtlich des Eisenaufwandes“.<br />
Mit Äpfeln gegen Frost<br />
Ob Kälte oder Kalk: Zu keiner Zeit waren Wasserleitungen von schädlichen<br />
äußeren Einflüssen gefeit. Anfang des 18. Jahrhunderts gab man sich bei der<br />
Abwehr mangels Alternativen allerdings erfindungsreich: Um die Röhrenfahrten,<br />
wie man die Wasserleitungen damals nannte, in der Winterzeit gegen<br />
Frost zu schützen, wurden sie kurzerhand in Pferdemist eingelegt. Verbote<br />
für Überfahrten zu Carl Augusts Zeiten sollten außerdem Rohrbrüche durch<br />
mechanische Einwirkungen verhindern. Die Verlegetiefe betrug nämlich lediglich<br />
zwei bis vier Fuß (zwischen 50 und 100 cm). Auch die hohe Wasserhärte<br />
führte immer wieder zu Inkrustationen, sodass jetzt eine Sanierung<br />
durch Einziehen von PE-Rohrleitungen entschieden wurde. Die Fundstücke<br />
Baustellenbericht/-reportage<br />
Gruß an die Nachwelt: Großherzog<br />
Carl August hatte sich per Initialen auf<br />
den Steinzeugrohren verewigen lassen.<br />
aller drei Generationen von Röhrenfahrten<br />
befinden sich im Bohrstock<br />
am historischen Gärtnereigelände.<br />
Wer mehr über die Entstehung der<br />
„Röhrfahrt“ wissen möchte, kann<br />
dies in dem Buch „Wasser im Barock,<br />
Geschichte der Wasserversorgung“,<br />
erschienen im Zabern-Verlag 2004,<br />
ISBN 3-8053-3331-5, nachlesen.<br />
Der Co.-Autor Prof. Dr.-Ing. Harald<br />
Roscher konnte dabei auf Unterlagen<br />
der Mitarbeiter des Dezernates<br />
Gartendenkmalspflege der Stiftung<br />
Weimarer Klassik zurückgreifen.<br />
Alle Bilder: Harald Roscher<br />
Kontakt<br />
Prof. Dr.-Ing. Harald Roscher<br />
99425 Weimar<br />
Tel.: 0 36 43/50 13 81<br />
E-Mail: roscher@fh-erfurt.de<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
47
48<br />
Portrait/Interview<br />
Im Gespräch ...<br />
... mit Prof. Jens Hölterhoff<br />
Auf der Jahresmitgliederversammlung<br />
der GSTT German<br />
Society for Trenchless Technology<br />
e.V. im November 2005 im<br />
Congress Center in Hamburg wurde<br />
Prof. Jens Hölterhoff zum neuen Vorsitzenden<br />
des Vorstandes der GSTT<br />
gewählt. Damit wurde er Nachfolger<br />
von Dipl.-Ing. Rolf Bielecki, der dieses<br />
Amt 16 Jahre innehatte und die<br />
GSTT zu einer weltweit anerkannten<br />
Gesellschaft führte. Mit Jens Hölterhoff<br />
ist im Januar <strong>2006</strong> ein erfahrener<br />
Fachmann angetreten, der weiß<br />
wo's langgeht, der sich für die vielen<br />
Vorteile der grabenlosen Technologien<br />
ins Zeug legt: auf politischer<br />
Ebene und auf Bürgerebene. Seine<br />
langjährigen Erfahrungen in der<br />
Baupraxis und seine Ausbildungstätigkeit<br />
an der Hochschule Wismar<br />
sind ihm dabei gelehrige Begleiter.<br />
?<br />
Herr Hölterhoff, Sie sind seit 1. Januar<br />
diesen Jahres Vorstandsvorsitzender<br />
der GSTT German Society for<br />
Trenchless Technology e.V. Worin bestand<br />
und besteht für Sie der Reiz, diese<br />
ehrenamtliche Tätigkeit wahrzunehmen?<br />
J. Hölterhoff: Die grabenlosen<br />
Technologien haben mein Berufsleben<br />
in den letzten 22 Jahren stark<br />
geprägt und ich bin fest davon überzeugt,<br />
dass selbst heute noch eine<br />
Menge getan werden kann, um den<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
Einsatz dieser Technologien zu fördern. Vor allem vor dem Hintergrund, dass<br />
bei den Kommunen, beim Vergleich der offenen und geschlossenen Bauweisen,<br />
nach wie vor nur die direkt zuzuordnenden Kosten eine Rolle spielen.<br />
?<br />
Werden Sie andere Schwerpunkte Ihrer Arbeit legen als Ihr Vorgänger und<br />
wenn ja, wie sehen diese aus?<br />
J. Hölterhoff: Die Situation in der Baubranche hat sich in den letzten 16<br />
Jahren stark gewandelt; vor allem in den letzten Jahren mussten die Unternehmen<br />
starke Einbußen hinnehmen. Diese Entwicklung ist natürlich auch<br />
nicht spurlos an der GSTT vorbeigegangen. In den letzten beiden Geschäftsjahren<br />
konnten die geplanten Einnahmen bei weitem nicht realisiert werden,<br />
sodass ein hoher Fehlbetrag meinen Start überschattet hat. Damit war der<br />
Schwerpunkt meiner Arbeit vorgegeben.<br />
Die Organisationsstrukturen des Vereins bedurften einer grundlegenden Anpassung,<br />
und vor allem die Ausgaben mussten drastisch reduziert werden.<br />
Verhandlungen mit den Gläubigern wurden geführt, mit dem Erfolg eines<br />
erheblichen Forderungsverzichtes. Hier gebührt unser Dank vor allem der<br />
Hamburger Messe Gesellschaft, dem Bauverlag (Springer science+business<br />
media ) und der ISTT. Nach unserer momentanen Planung werden wir bereits<br />
im Jahr 2007 wieder schwarze Zahlen schreiben und uns intensiver unserer<br />
eigentlichen Arbeit widmen können. Ziel unserer Umstrukturierung soll<br />
sein, dass für die Mitglieder ein erkennbarer Nutzen aus der Mitgliedschaft<br />
und den damit verbundenen Beiträgen entsteht. Sponsoring wird zur Deckung<br />
der Kosten in der Zukunft keine Rolle spielen, zusätzliche Einnahmen<br />
werden immer in Verbindung mit zusätzlichen Leistungen stehen.<br />
?<br />
Die geschlossene Bauweise hat sich ja bislang nicht wirklich durchgesetzt;<br />
viel wird noch in offener Bauweise errichtet. Woran liegt das? Fehlt es da an<br />
„Überzeugungsarbeit“, die die GSTT leisten könnte?<br />
J. Hölterhoff: Es muss vor allem Überzeugungsarbeit bei den politischen<br />
Entscheidungsträgern geleistet werden, um die volkswirtschaftlichen Einsparungen<br />
der grabenlosen Bauweise, wie die Vermeidung von Staus, Schonung<br />
der Umwelt und der Wegfall von witterungsbedingten Ausfallzeiten, beim<br />
Vergleich mit der offenen Bauweise zu berücksichtigen.
?<br />
Sie hatten zur diesjährigen WASSER BERLIN eine wunderbare „oben ohne“-<br />
Plakataktion. War die Resonanz darauf spürbar positiv, sodass man eine solche<br />
Aktion bundesweit ausdehnen könnte?<br />
J. Hölterhoff: Wir hatten tatsächlich eine sehr positive Resonanz. Vor allem<br />
die Lokalpresse wurde inspiriert, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.<br />
An der deutlichen Steigerung der Zugriffe auf unsere Homepage war erkennbar,<br />
dass wir anscheinend auch das Interesse der betroffenen Bürger für das<br />
Thema geweckt haben. Bezüglich einer bundesweiten Aktion haben wir bereits<br />
die ersten Gespräche geführt.<br />
?<br />
Die geschlossene Bauweise hat so viele Vorteile. Warum wird sie Ihrer Meinung<br />
nach nicht häufiger angewendet?<br />
J. Hölterhoff: Siehe oben!<br />
?<br />
Es gibt Vergleichsstudien über die social costs von offenen und geschlossenen<br />
Baumaßnahmen. Warum werden diese so wenig publik gemacht? Gerade<br />
mit den social cost-Faktoren könnte man bezüglich der geschlossenen Bauweise<br />
wunderbar punkten!<br />
J. Hölterhoff: Die von Ihnen angesprochenen Untersuchungen über die<br />
Möglichkeiten der Erfassung der social costs zeigen, dass in angrenzenden<br />
ingenieurtechnischen Tätigkeitsfeldern sinnvolle Ansätze existieren, die auf<br />
Projekte des Leitungsbaues und der Leitungssanierung übertragen werden<br />
können. Ihre Anwendung ermöglicht eine konkrete Monetarisierung dieser<br />
Kostenanteile. Die Ergebnisse zeigen, dass die indirekten Kosten erhebliche<br />
Größenordnungen einnehmen und in exponierten Situationen die entstehenden<br />
direkten Kosten sogar übersteigen können! Indirekte Kosten werden<br />
derzeit in Deutschland den jeweiligen Auftraggebern nur in Ausnahmefällen<br />
angelastet. Sie sind selten zahlungswirksam und werden daher häufig vernachlässigt.<br />
Angesichts der möglichen Größenordnungen erscheint diese<br />
Praxis überdenkenswert. Die indirekten Kosten sollten nicht nur in Entscheidungsgrenzfällen,<br />
sondern generell in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen<br />
einbezogen werden. Für die ausschreibenden Stellen sollten dann finanzielle<br />
Anreize geschaffen werden. Eine Möglichkeit ist die Gebührenerhebung<br />
für die Benutzung von Straßenraum, wie es in Großbritannien bereits seit langer<br />
Zeit praktiziert wird. Ansatzweise gibt’s das auch in Deutschland, z. B. im<br />
Berliner Straßengesetz. Allerdings bedürfen diese Ansätze noch einer gründlichen<br />
Überarbeitung. Die GSTT ist dabei, die GSTT-<strong>Information</strong> Nr. 11 von<br />
Oktober 1999 „Kostenvergleich offener und geschlossener Bauweisen unter<br />
Berücksichtigung der direkten und indirekten Kosten beim Leitungsbau und<br />
der Leitungssanierung“ zu überarbeiten, um dann mit aktuellen Fakten die<br />
öffentliche Diskussion zu beleben.<br />
?<br />
Sie arbeiten als GSTT auch viel mit der ISTT, bei der die GSTT auch Mitglied<br />
ist, und mit anderen europäischen Nodig-Gesellschaften zusammen. Pflegen<br />
Sie da auch (gemeinsame) Kontakte mit der EU-Kommission und mit europäischen<br />
Normungsgremien, und nehmen Sie da auch beratende Funktionen ein?<br />
Portrait/Interview<br />
J. Hölterhoff: In der Vergangenheit<br />
gab es wenig Kooperationen zwischen<br />
den europäischen STTs. Diese<br />
Zusammenarbeit wird von der ISTT<br />
auch nicht unbedingt gefördert, hier<br />
ist unsere eigene Initiative notwendig.<br />
Zurzeit beschränkt sich unser<br />
Engagement auf einen Normenausschuss<br />
beim DIN Deutsches Institut<br />
für Normung e. V. und vor allem auf<br />
unsere eigenen <strong>Information</strong>sschriften,<br />
die wir in Kürze als Buch herausgeben<br />
werden. Das GSTT- Buch wird<br />
jährlich aktualisiert und kann über<br />
den Handel bestellt werden. Die<br />
neueren <strong>Information</strong>en werden bereits<br />
zweisprachig, deutsch/englisch<br />
gedruckt.<br />
Mit diesem Plakat warb die GSTT in<br />
Berlin für das grabenlose Bauen.<br />
?<br />
Welche Rolle nimmt für Sie als<br />
Vorstandsvorsitzender der GSTT<br />
der Begriff „Nachhaltigkeit“ ein? Ist er<br />
für Sie eine abgedroschene Floskel oder<br />
könnten Sie sich Nachhaltigkeit übertragen<br />
auf den Bau und Betrieb unserer<br />
Ver- und Entsorgungssysteme vorstellen?<br />
J. Hölterhoff: Nachhaltigkeit ist für<br />
mich keineswegs eine abgedrosche-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
49
50<br />
Portrait/Interview<br />
Zur WASSER BERLIN <strong>2006</strong> organisierte die<br />
GSTT den Besuch einer „oben ohne“-Baustelle.<br />
ne Floskel und gerade beim Bau von<br />
Ver- und Entsorgungsleitungen sollte<br />
die Nachhaltigkeit eine ganz entscheidende<br />
Rolle spielen. Wir bauen<br />
dann nachhaltig, wenn unser Bauwerk<br />
den Bedürfnissen der heutigen<br />
Generation entspricht, ohne die<br />
Möglichkeiten künftiger Generationen<br />
zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse<br />
zu befriedigen. Gerade aus<br />
dieser Sichtweise bieten besonders<br />
grabenlose Technologien in Verbindung<br />
mit sicheren, langlebigen Baustoffen<br />
sowohl eine ökologische wie<br />
auch eine ökonomische Nachhaltigkeit.<br />
?<br />
Szenenwechsel: Sie sind nicht nur<br />
ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender<br />
der GSTT, sondern in erster Linie<br />
Professor an der Hochschule Wismar<br />
für „Baubetrieb und Verfahrenstechnik“<br />
sowie Mitinhaber der Prof. J.<br />
Hölterhoff & Partner Ingenieursozietät<br />
in Berlin. Die Studentenzahlen im Bauingenieurwesen<br />
haben deutlich abgenommen.<br />
Nach zehnjähriger Rezession<br />
ist das wenig verwunderlich. Wie<br />
sehen Sie die Entwicklung? Wird man<br />
wieder junge Leute für den Beruf begeistern<br />
können, oder werden wir bald<br />
an Fachkräftemangel leiden?<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
J. Hölterhoff: Die schlechte Situation der Branche hat natürlich viele junge<br />
Leute davon abgehalten sich in den letzten Jahren im Bereich Bauingenieurwesen<br />
zu immatrikulieren. Wir spüren allerdings schon wieder einen leichten<br />
Aufwärtstrend. Es hat sich anscheinend bei den Schulabsolventen herumgesprochen,<br />
dass in Kürze die Absolventen eines Bauingenieurstudiums wieder<br />
sehr gefragt sein werden.<br />
?<br />
Sie unterrichten „Baubetrieb und Verfahrenstechnik“. Wie sehen heute die<br />
Vorlesungen dazu aus? Als erfahrener Praktiker haben Sie den Studenten viel<br />
zu bieten. Was ist für die Studenten heute besonders wichtig?<br />
J. Hölterhoff: Neben der praxisnahen Vermittlung fachlicher Qualifikationen<br />
ist es heute aus meiner Sicht ungeheuer wichtig, die Studenten im Bereich<br />
der sogenannten „soft skills“ zu schulen: Präsentations- und Moderationstechniken,<br />
Kommunikation, Teamfähigkeit, Führungsfähigkeit u. Ä. sollten<br />
ein Schwerpunkt der Ausbildung sein. Zusätzlich sollten die Studenten<br />
Englisch in Wort und Schrift beherrschen.<br />
?<br />
Nach welchen Kriterien würden Sie heute einen Studienabsolventen einstellen?<br />
J. Hölterhoff: Nach den eben genannten.<br />
Persönlich gefragt, persönlich geantwortet<br />
● Was ist(sind) Ihre Stärke(n)? Teamfähigkeit, Motivationsfähigkeit<br />
● Was ist(sind) Ihre Schwäche(n)? Kann oft nicht „nein“ sagen!<br />
● Worüber können Sie lachen? Komödie im Kino.<br />
● Worüber können Sie sich aufregen? Staus.<br />
● Worauf könnten Sie auf der berühmten einsamen Insel nicht verzichten?<br />
Ein gutes Buch und ein Glas Wein.<br />
● Wem möchten Sie dort keinesfalls begegnen? Meinem Zahnarzt.<br />
● Haben Sie eine Lieblingslektüre? Im letzten Urlaub: Nachtzug nach<br />
Lissabon.<br />
● Sie haben unerwartet einen freien Tag. Was würden Sie damit anfangen?<br />
Ausschlafen, lange frühstücken, Ausstellung, Kino, schön essen gehen.<br />
● Welcher Ort/Stadt ist für Sie der/die schönste?<br />
Halbinsel Fischland/Darß.<br />
● Welche Persönlichkeit würden Sie einmal gerne treffen? Bill Gates.<br />
● Was ist Ihr Magen- und Leibgericht? Austern, Boeuf bourginon.<br />
● Welchen Beruf würden Sie in einem zweiten Leben ergreifen?<br />
Ich habe bereits meinen Traumberuf.
Portrait/Interview<br />
Zu Gast bei <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH<br />
Traditionell, hochmodern und innovativ<br />
Die <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH ist weltweit operierender<br />
Marktführer und Europas größter Hersteller von Steinzeugrohren<br />
und Formstücken mit Produktionsstandorten in Frechen (Nordrhein-<br />
Westfalen), Bad Schmiedeberg (Sachsen-Anhalt) und Hasselt (Belgien). Das<br />
mittelständische Unternehmen mit seinen rund 630 Mitarbeitern wird von<br />
Elk Eckert und Frank Franco vom Standort Frechen aus geführt. Auf die hohe<br />
Qualität der Produkte, auf die kontinuierliche Marktbeobachtung sowie<br />
auf den engen Kundenkontakt legen beide größten Wert. Mit welchen<br />
grundsätzlichen strategischen, strukturellen und organisatorischen Maßnahmen<br />
das im Unternehmen umgesetzt wird und wie sich das Unternehmen<br />
im Markt positioniert und behauptet, erfuhr die Redaktion in einem Gespräch<br />
mit Geschäftsführer Elk Eckert.<br />
?<br />
In der Fachpresse war kürzlich zu lesen, dass sich das Unternehmen STEIN-<br />
ZEUG Abwassersysteme neu aufgestellt hat und unter einer neuen Dachmarke<br />
firmiert. Was muss man sich im Einzelnen darunter vorstellen? Was hat sich<br />
geändert?<br />
E. Eckert: Zwei Firmen – <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH in Deutschland<br />
und KERAMO-<strong>STEINZEUG</strong> N.V. in Belgien – jeweils mit grenzüberschreitenden<br />
Aktivitäten, unterschiedlichem Logo, aber innerhalb einer Unternehmensgruppe!<br />
Das klärt nicht auf. Das stiftet eher Verwirrung.<br />
Deshalb war es so wichtig, unter bewusster Beibehaltung der beiden traditionellen<br />
Firmennamen eine neue und einheitliche DACHMARKE zu entwickeln<br />
und einzuführen.<br />
Wo auf der Welt auch immer – das neue Logo vermittelt jetzt<br />
auch visuell unser „one voice“-Marketing. Die verwendeten drei Elemente<br />
Weltkarte, Kreis und parallel aufgestellte Namen symbolisieren die weltweite<br />
Marktführerschaft, das exakt runde Steinzeugrohr, das auch gleichzeitig<br />
als Symbol für den Kreislauf des Wassers steht, sowie die bewusst gewählte<br />
Beibehaltung der beiden bekannten Unternehmensnamen.<br />
?<br />
Die <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme ist Weltmarktführer. Welche Märkte bedient<br />
das Unternehmen hauptsächlich, wo liegen die Schwerpunkte?<br />
E. Eckert: Der Mittelpunkt unserer Aktivitäten verschiebt sich nach Osten.<br />
Außerhalb Deutschlands wächst die Nachfrage nach Steinzeugrohren in EN-<br />
Qualität, besonders in den neuen<br />
EU-Ländern und im Mittleren Osten.<br />
?<br />
Wo und wie „intensiv“ ist das Unternehmen<br />
auf dem osteuropäischen<br />
Markt vertreten? Sehen Sie in<br />
den EU-Beitrittsländern Bulgarien und<br />
Rumänien auch Marktpotenziale?<br />
E. Eckert: Unsere Lieferungen nach<br />
Polen und Tschechien wachsen kräftig.<br />
Beides sind Länder, die durch eigene<br />
Verkaufsteams seit einigen Jahren<br />
betreut wurden. Selbstverständlich<br />
sehen wir in Bulgarien und Rumänien<br />
Marktpotenziale. Die Struktur<br />
unserer Aktivitäten in diesen und<br />
anderen neuen EU-Ländern ist organisiert;<br />
erste Aufträge liegen bereits<br />
vor.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
51
52<br />
Portrait/Interview<br />
?<br />
Das Unternehmen gehört, wie<br />
man heute sagt, zu den global<br />
playern. Wie sieht diese weltweite<br />
„Präsenz“ aus, sprich, wie ist dabei<br />
der Vertrieb organisiert/strukturiert?<br />
E. Eckert: Das ist eine unserer<br />
schwierigsten Aufgaben im weltweiten<br />
Vertrieb. Wollen wir Nachfrage<br />
erzeugen, dann muss in neue Märkte<br />
investiert werden. Das bedeutet<br />
eine Entscheidung zwischen eigener,<br />
aber dennoch jeweils nationaler<br />
„manpower“. Oder es bedeutet das<br />
Übertragen der Beratungs- und Vertriebsaufgaben<br />
auf Spezialfirmen/<br />
Agenturen oder Allianz-Partner in<br />
den einzelnen Zielländern. Das heißt<br />
also: Je nach Markterfordernis und<br />
Entwicklungsgrad der Zielmärkte<br />
mit Blick auf unsere Produkte strukturieren<br />
wir unseren weltweiten Vertrieb,<br />
wobei eine wichtige Konstante<br />
die Umsetzung unserer Ziele und<br />
Vernetzung aller Aktivitäten gewährleistet:<br />
Das sind unsere Senior Verkaufsmanager<br />
für die einzelnen Regionen:<br />
● Peter Peters für Deutschland<br />
● Christian Weidinger für Mittelund<br />
Osteuropa<br />
● Ronny Neys für West- und Südeuropa<br />
● Helmut Jürges für Übersee<br />
Sie sind Botschafter unseres Unternehmens,<br />
Teamleader, Motivatoren,<br />
Impulsgeber und Ratgeber für Verkaufsteams<br />
und Kunden. Sie sind<br />
aber gleichzeitig auch Seismographen<br />
für Entwicklungen, seien es<br />
Wachstums- oder auch Gefahrenpotenziale.<br />
Zusammengefasst heißt das: In entwickelten<br />
Märkten mit stetiger<br />
Nachfrage sind wir „direkt“, in neuen<br />
Zielmärkten am Anfang „indirekt“<br />
aufgestellt, wobei die Vertriebsverantwortung<br />
immer beim<br />
Verkaufsmanagement verbleibt.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
?<br />
Haben Sie je daran gedacht, auch im Ausland, also in Übersee, zu produzieren?<br />
E. Eckert: Aus logistischer Sicht ist das nicht erforderlich. Jedoch mit Blick<br />
auf unsere Wettbewerbsfähigkeit kann das Sinn machen. Eines unserer Unternehmensziele,<br />
die Sicherung der Arbeitsplätze, spricht allerdings dagegen.<br />
Kurz: Überlegungen gibt es, aber aktuell keine konkreten Schritte. Vertriebsallianzen<br />
mit Produzenten im Mittleren und Fernen Osten gibt es dagegen<br />
sehr wohl.<br />
?<br />
Sind Fachmessen (im In- und Ausland) für Ihr Unternehmen eine Plattform,<br />
neue Märkte zu erschließen?<br />
E. Eckert: Durchaus, wenn Charakter der Messe und Zielmärkte in unserem<br />
Interesse liegen.<br />
?<br />
Wie hoch ist Ihre Jahresproduktion, wie hoch ist der Umsatz?<br />
E. Eckert: Es werden jährlich gut 250.000 t in den drei Werken hergestellt.<br />
Das entspricht einem Jahresumsatz von gut 100 Mio. Euro.<br />
?<br />
Sie bieten Ihren Kunden – so steht es im Prospekt und auch im Internet – zusätzlichen<br />
Service an. Wie sieht der in der Praxis aus, was ist konkret damit<br />
gemeint?<br />
E. Eckert: Unsere Teams beraten auf allen Feldern rund um den Kanalrohrbau.<br />
Konkret handelt es sich um Systemfragen, wie z. B. Druck- oder Gefälleleitungen,<br />
Misch- oder Trennverfahren, Verlegung im offenen Graben oder<br />
im unterirdischen Rohrvortrieb. Ferner stellen wir Berechnungen zu Statik,<br />
Hydraulik oder Wirtschaftlichkeit zur Verfügung. Schließlich begleiten wir unser<br />
Produkt von der Herstellung über den Transport bis zum Einbau und zur<br />
Bauabnahme mit fachmännischem Rat.<br />
Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die <strong>STEINZEUG</strong>-Seminarreihen zu<br />
all diesen Themen und die Beteiligung an externen Veranstaltungen mit<br />
Fachreferaten, Moderations- und Diskussionsbeiträgen sowie regelmäßig erscheinende<br />
Fachveröffentlichungen aus unserem Haus.<br />
?<br />
Das in Ihrem Hause neu entwickelte Keramische Hausanschlusselement<br />
C100-150 erreichte im kürzlich abgeschlossenen IKT-Warentest in allen<br />
„Disziplinen“ die Bestnote „SEHR GUT“. Was bedeutet dieses hervorragende Ergebnis<br />
für das Unternehmen, was bedeutet es für Sie als Geschäftsführer?<br />
E. Eckert: Diese Neuentwicklung belegt konkret unsere Botschaft: STEIN-<br />
ZEUG ist nicht nur ein traditioneller, sondern gleichzeitig ein hochmoderner<br />
und innovativer Rohrwerkstoff. Das Entwicklungspotenzial der Keramik ist bei<br />
weitem noch nicht ausgeschöpft. Mein Geschäftsführer-Kollege, Frank<br />
Franco, unsere Führungskräfte und ich haben die feste Absicht, die Branche<br />
auch in Zukunft mit neuen Entwicklungen herauszufordern.
Hier laufen die Fäden zusammen: Die Zentrale des Unternehmens in Frechen bei<br />
Köln.<br />
?<br />
Was sind Ihre wichtigsten Verkaufsargumente für Steinzeugrohre?<br />
E. Eckert: Eine aktuell und bundesweit vom IKT durchgeführte Markt-Umfrage<br />
bei den deutschen Netzbetreibern – die Ergebnisse werden in Kürze<br />
veröffentlicht – ermittelte diese Rangfolge der Argumente, die bei der Wahl<br />
des Rohrmaterials angewendet werden:<br />
1. Hohe Lebensdauer 5. Verformungsrisiko<br />
2. Korrosionsbeständigkeit 6. Biegefestigkeit<br />
3. Beständigkeit gegen HD-Reinigung 7. Niedrige Einbaukosten<br />
4. Umweltfreundlichkeit 8. Niedrige Materialkosten<br />
Dieses Ergebnis spricht für sich selbst und vor allem für Steinzeug.<br />
?<br />
Mit dem Werkstoff Steinzeug werden immer wieder noch Begriffe wie „althergebracht“,<br />
„unmodern“, „verstaubt“ etc. assoziiert. Wie räumen Sie mit<br />
diesen Vorurteilen auf? Was haben Sie dem entgegenzusetzen und womit überzeugen<br />
Sie für den Werkstoff Steinzeug?<br />
E. Eckert: Schauen Sie auf meine Antwort zum Thema Neuentwicklungen!<br />
Zu nennen sind aber auch die Erweiterung der Rohrnennweiten im Großrohr-<br />
und Vortriebsrohrbereich mit DN 1400 – die ersten Rohre werden gerade<br />
erfolgreich gefertigt, eine Weltneuheit – oder auch verbesserte physikalische<br />
und chemische Materialkennwerte durch veränderte Rezepturen.<br />
?<br />
In welchem Kontext spielt für Sie das Thema Nachhaltigkeit eine Rolle?<br />
E. Eckert: Nachhaltigkeit spielt für uns in unserer Vision, unserer Mission<br />
aber auch in unseren Firmenleitsätzen eine Rolle. Kurz zusammengefasst<br />
kann ich das so darstellen:<br />
Unsere Vision:<br />
● Wasser ist Leben. Dieser Verantwortung stellen wir uns.<br />
Unsere Mission:<br />
● Sicherheit ist ein Grundbedürfnis des Menschen.<br />
● Umweltschutz ein Selbstverständnis als Beitrag zur Generationengerech-<br />
Portrait/Interview<br />
tigkeit. Das leisten wir mit unseren<br />
Produkten.<br />
Unsere Firmenleitsätze:<br />
● Wir stehen zu unserer Verantwortung,<br />
eine intakte Umwelt zu erhalten.<br />
● Wir wissen, dass die Kanalisation<br />
wichtiger Teil des Gewässerschutzes<br />
und der Gesundheitspolitik ist.<br />
All dies ist für uns Nachhaltigkeit.<br />
Denn wir alle im Unternehmen erstreben<br />
mit unseren Produkten<br />
größtmögliche Nachhaltigkeit in sozialer,<br />
ökologischer und ökonomischer<br />
Hinsicht.<br />
?<br />
Ist in naher Zukunft mit weiteren<br />
Produktneuheiten aus dem Hause<br />
<strong>STEINZEUG</strong> zu rechnen?<br />
E. Eckert: Aber ja! Lassen Sie sich<br />
mittelfristig überraschen.<br />
?<br />
Was bedeutet für Sie die Mitgliedschaft<br />
im <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
e.V.?<br />
E. Eckert: Unser Unternehmen stellt<br />
Rohre her, verkauft und distributiert<br />
diese. Wir haben sozusagen unser<br />
Ohr am Markt und unsere Finger am<br />
Puls des Kunden. Was jedoch die<br />
Entwicklung und Veränderung der<br />
Rahmenbedingungen in der Wasserwirtschaft<br />
angeht – da kennt sich der<br />
<strong>Fachverband</strong> besser aus. Der <strong>Fachverband</strong><br />
bündelt die Ergebnisse dieser<br />
Entwicklungen, vernetzt <strong>Information</strong>sstränge<br />
aus Deutschland<br />
und Europa, kommuniziert mit relevanten<br />
Regierungsstellen und Nicht-<br />
Regierungsorganisationen auf<br />
Europa-, Bundes-, Länder- und kommunaler<br />
Ebene. Und er vertritt die<br />
wirtschaftlichen und sozialpolitischen<br />
Interessen unserer Branche.<br />
Davon profitieren alle Mitglieder des<br />
<strong>Fachverband</strong>es, auch unser Unternehmen.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
53
54<br />
Portrait/Interview<br />
Zu Gast bei Osmose Baukeramik<br />
Steinzeug ist „ein gutes Gefühl“<br />
Westerwälder Elektro Osmose<br />
Müller GmbH &<br />
Co. KG ist der vollständige<br />
Name eines Familien geführten<br />
Unternehmens im Westerwälder<br />
Örtchen Staudt nahe Montabaur,<br />
dessen Erfolg sich seit über 90 Jahren<br />
auf den Werkstoff Steinzeug gründet.<br />
Was es mit diesem Namen auf<br />
sich hat, welchen Stellenwert die<br />
Unternehmenstradition und -erfahrung<br />
einnimmt und wie sich das Unternehmen<br />
im heutigen Markt präsentiert<br />
und aufgestellt hat, erfuhr<br />
die Redaktion in einem Gespräch mit<br />
den Geschäftsführern Dipl.-Kfm.<br />
Werner Müller und Dipl.-Wirt.-Ing.<br />
Dirk Zühlke.<br />
?<br />
Die Familie Aloys Josef Müller hat<br />
1924 von der Graf-Schwerin-Aktiengesellschaft<br />
in Berlin das Werk und<br />
die dazugehörige Tongrube „Timpel“<br />
gekauft. Was wurde dort damals produziert?<br />
W. Müller: 1915 wurde die Westerwälder<br />
Elektro Osmose in der bergrechtlichen<br />
Geschäftsform einer<br />
Tongewerkschaft gegründet. Man<br />
stellte nach dem Osmose-Verfahren<br />
einen veredelten und gereinigten<br />
Ton, den „Osmo-Ton“ her und verkaufte<br />
ihn vorwiegend an die Elektroporzellanindustrie.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
?<br />
Warum wurde gerade dieses Werk gekauft?<br />
W. Müller: Meinen Großvater, Aloys Josef Müller, interessierte nur die Tonlagerstätte<br />
mit der Tonbelehnung „Timpel“, nie die Produktion der Firma.<br />
Das Belehnungsrecht auf Ton ist ein altes Bergrecht und ist heute noch gültig.<br />
Insgesamt haben wir hier am Standort Staudt zu der Belehnung „Timpel“<br />
zwei weitere Belehnungen. Eine davon wurde erworben, eine weitere<br />
gepachtet.<br />
?<br />
Kommen Sie heute, nach so vielen Jahren, noch ohne Zukauf aus?<br />
W. Müller: Es ist möglich, alle heute hergestellten Produkte mit Tonen aus<br />
der eigenen Grube herzustellen. Aber wir kaufen 25 % Fremdtone aus der Region<br />
hinzu.<br />
?<br />
Wie entwickelte sich das Unternehmen nach dem Kauf 1924 bis heute?<br />
W. Müller: Von Beginn an bis in die 60er Jahre wurden hier ausschließlich<br />
Steinzeugrohre bis DN 250 in 1 m Länge hergestellt. Heute produzieren wir<br />
Rohre DN 100 bis DN 200 in den Baulängen 1 m, 1,25 m und 1,50 m; In<br />
Zukunft möchten wir auch die Baulänge 2 m produzieren. Dazu stellen wir<br />
auch die entsprechenden Formstücke her.<br />
Aber zurück zur Historie: Um unseren Tunnelofen voll auszulasten, sind wir<br />
Die beiden Geschäftsführer Werner Müller (links) und Dirk Zühlke (rechts).
1968 auch in den Hochbau eingeschwenkt: mit der Produktion plastisch gepresster<br />
Schamotte-Schornsteinrohre. Das war dann unser zweites Standbein.<br />
Vor ca. sechs Jahren haben wir dieses zweite Standbein mit der Produktion<br />
von isostatisch gepressten Schamotte-Schornsteinrohren erweitert. Mit<br />
diesem besonderen Pressverfahren genießen wir eine Sonderstellung im<br />
Markt, diese Technologie beherrschen insgesamt nur drei Hersteller in<br />
Deutschland.<br />
1973 startete dann die Produktion von salzglasierten Spaltplatten in einem<br />
Kammerringofen, 1978 von glasierten Spaltplatten im Tunnelofen. 1973 ist<br />
also der Beginn der Fliesenproduktion – unser drittes Standbein. In allen drei<br />
Bereichen vermittelt Steinzeug ein gutes Gefühl.<br />
?<br />
Sie bieten also heute drei verschiedene Produkte aus dem Rohstoff Ton an:<br />
Steinzeugrohre, Schamotte-Schornsteinrohre und Feinsteinzeugfliesen. Auf<br />
welchem „Pferd“ sitzen Sie ruhiger? Ändert sich das im Lauf der Jahre?<br />
W. Müller: Im Lauf der Jahre hat sich die Gewichtung der drei Standbeine<br />
immer wieder verändert. 1968 haben wir 100 % Umsatz mit Steinzeugrohren<br />
und Formstücken gemacht; heute sind es ca. 6 % und 83 % des Umsatzes<br />
erreichen wir mit Fliesen.<br />
D. Zühlke: Man kann Ihre Frage, auf welchem Pferd sitzen Sie ruhiger, so<br />
nicht beantworten. Es gibt saisonal, aber auch über die Jahre verschiedene<br />
Phasen, wo das eine Produkt sich besser, das andere schlechter entwickelt.<br />
Man hat so mit den drei Standbeinen immer einen gewissen Ausgleich.<br />
W. Müller: Das Pferd „Steinzeugrohre“ war über mehr als 80 Jahre ein sehr<br />
nützliches und auch ertragreiches Pferd. Es hat damit auch nie Probleme gegeben,<br />
wir haben uns immer um Solidität über all die Jahre bemüht. Wir sind<br />
halt ein Familien geführtes Unternehmen, unser innovativer Punkt zeigt sich<br />
in den drei Standbeinen ...<br />
D. Zühlke: ... und der kontinuierlichen Weiterentwicklung. Als Familienunternehmen<br />
ist auch eine größere Verbundenheit mit den Produkten vorhanden.<br />
?<br />
Fokussieren wir uns auf die Steinzeugrohre. Wo und welche Märkte bedienen<br />
Sie?<br />
W. Müller: Primär bedienen wir den Inlandsmarkt und hierin aus Frachtgründen<br />
einen Radius von ca. 300 km. Das ist unser Schwerpunkt. Wir beliefern<br />
allerdings auch das benachbarte Ausland, wie Belgien, Luxemburg<br />
und Frankreich. Im nächsten Schritt werden wir uns auch in Richtung Osteuropa<br />
orientieren, etwa nach Polen und Tschechien, dort verfügen wir über<br />
Vertreter.<br />
?<br />
Sehen Sie in Osteuropa auch Marktpotenziale?<br />
D. Zühlke: Unser Absatz hat also seinen Schwerpunkt ganz klar in Deutschland,<br />
aber in Richtung Osten sehen wir für uns auch Entwicklungspotenzial.<br />
Wir verfügen über einen Fliesenvertrieb in Osteuropa, v. a. in Tschechien und<br />
Portrait/Interview<br />
Polen, der auch an Steinzeugrohren<br />
und Schamotte-Schornsteinrohren<br />
interessiert ist. Die müssen sich aber<br />
erst einmal mit den beiden Produkten<br />
vertraut machen, um die richtigen<br />
Händler ansprechen zu können.<br />
Auch als kleiner Marktteilnehmer sehen<br />
wir in Osteuropa Potenzial für<br />
uns.<br />
W. Müller: Auch in Deutschland sehe<br />
ich noch Potenzial.<br />
Die Produktion von Schamotte-Schornsteinrohren<br />
ist das zweite Standbein des Unternehmens.<br />
?<br />
Wie viele Vertriebsleute haben<br />
Sie?<br />
W. Müller: Wir haben ca. 25 Partner<br />
im Vertrieb.<br />
?<br />
Sind Fachmessen für Ihr Unternehmen<br />
eine Plattform, neue<br />
Märkte zu erschließen?<br />
W. Müller: Fachmessen sind für uns<br />
ganz klar ein Thema. Da liegt die Gewichtung<br />
aber ganz deutlich beim<br />
Produkt Fliese. Dennoch: Auf den<br />
Fliesenmessen sind unsere beiden<br />
anderen Produkte immer in irgendeiner<br />
Form dabei, als Produkt zum<br />
Anfassen oder in Form von Bildern.<br />
Darauf werden wir auch angesprochen.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
55
56<br />
Portrait/Interview<br />
D. Zühlke: Aber hier möchte ich<br />
schon differenzieren: Auf einer Fliesenmesse<br />
erschließen wir natürlich<br />
keine neuen Märkte für Steinzeugoder<br />
Schamotte-Schornsteinrohre!<br />
Im Ausland sieht das anders aus.<br />
Dort ist man auf einer Baumesse offen<br />
für alle möglichen neuen Produkte.<br />
In Tschechien etwa wird man<br />
eben nicht nur auf Fliesen, sondern<br />
auch auf alle möglichen anderen<br />
Steinzeugprodukte angesprochen.<br />
Hier kann man schon eher von<br />
Markterschließung sprechen.<br />
?<br />
Wie ist der Vertrieb der Steinzeugrohre<br />
strukturiert?<br />
W. Müller: Der Vertrieb wird ausschließlich<br />
über den Fachhandel abgewickelt.<br />
Wir können nur die Nischen-Strategie<br />
fahren. Und das<br />
funktioniert sehr gut. In den Tiefbauabteilungen<br />
des Baustoffhandels sitzen<br />
absolute Vollprofis, gut ausgebildete<br />
Fachleute, die sich bestens auskennen.<br />
Bedauerlicherweise gibt’s<br />
inzwischen zu wenig Baustoffhändler.<br />
Wir müssen uns darüber klar werden,<br />
wie es in 10 oder 20 Jahren aussieht,<br />
wenn diese Entwicklung so<br />
weitergeht. Wenn es immer weniger<br />
gute Händler gibt, die unsere Rohre<br />
bevorraten und verkaufen.<br />
?<br />
Was sind Ihre Verkaufsargumente<br />
für Steinzeugrohre, was ist für Sie<br />
am Werkstoff Steinzeug so überzeugend?<br />
W. Müller: Für die Baufachhändler<br />
brauche ich keine Verkaufsargumente,<br />
die wissen, dass Steinzeug ein<br />
hervorragendes Rohrmaterial ist.<br />
Aber für jeden anderen sind meine<br />
Argumente pro Steinzeug: Steinzeug<br />
hat einfach jede Menge chemische<br />
und physikalische Eigenschaften,<br />
die überzeugend sind, und die-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
Hochmodern ist die Produktionsstraße Fliesen, das dritte Standbein von Osmose<br />
Baukeramik.<br />
se Eigenschaften halten über Jahrhunderte. Ein Steinzeugrohr kann ich nach<br />
100 Jahren Betrieb ausgraben und es ist immer noch voll funktionstüchtig.<br />
Steinzeug ist eben ein Werkstoff, der überzeugt! Wenn hohe Anforderungen<br />
gestellt werden, hat Steinzeug als alleiniger Werkstoff seine Daseinsberechtigung.<br />
Weshalb werden sonst in Saudi Arabien, in Ägypten usw. hohe Investitionen<br />
in Steinzeugwerke getätigt? Weil der Werkstoff maßgebend ist. Weil<br />
das Produkt Steinzeugrohr überzeugt und weil es den dortigen hohen Anforderungen<br />
standhält. Wir werfen Gutes über Bord und sagen, modern sind<br />
Kunststoffrohre. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Argumente für den Werkstoff<br />
Steinzeug beim Bau und Betrieb dauerhafter und sicherer Kanäle sind<br />
einfach überzeugend und haben Zukunft.<br />
?<br />
Was bedeutet für Sie die Mitgliedschaft im <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
e.V.?<br />
W. Müller: Alle europäischen Steinzeugrohrhersteller gehören meiner Meinung<br />
nach in den <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong>. Alle zusammen bedienen<br />
nämlich einen nicht unerheblichen Markt in Deutschland, und wir haben<br />
auch immer noch Wachstumsmärkte in Deutschland. Es ist kurzsichtig, sich<br />
nicht in dem Verband zu organisieren. Außerdem kann man unmittelbaren<br />
hohen Nutzen daraus ziehen: aus dem <strong>Information</strong>saustausch, aus der Normungsarbeit<br />
und auch aus speziellen Veranstaltungen. Die gemeinsame Basis<br />
ist das gute Produkt Steinzeugrohr, für das wir Hersteller doch alle „kämpfen“.<br />
D. Zühlke: Und da ist die Gesprächsebene die Plattform <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
genau die richtige! Da treffen sich alle Hersteller, da treffen sich<br />
ja auch Teile der Zuliefererindustrie, d. h., wenn's auch um technische<br />
Schwierigkeiten und Lösungen geht, ist man dort im absoluten richtigen Gremium.<br />
Das gemeinsame Ziel, das Produkt Steinzeug im Markt nach vorne zu<br />
bringen, sehe ich als Basis für den <strong>Fachverband</strong>. Es geht doch bei der Verbandsarbeit<br />
letztendlich um grundsätzliche Fragestellungen, die z. B. auch<br />
in die verschiedenen Normungsausschüsse hineingetragen werden, wo für<br />
das Produkt jemand auch kämpft und arbeitet. Das ist für mich Sinn und<br />
Zweck des <strong>Fachverband</strong>es.<br />
W. Müller: Die Gewichtung des Verbandes spielt natürlich auch eine große<br />
Rolle. Je mehr Hersteller dort vertreten sind, umso größer ist die Gewichtung.<br />
Und deswegen kann man nur ein Ziel verfolgen: Möglichst alle in ein Boot.
Beim Neubau eines Abwasserkanals ist die Bestimmung seiner betriebsgewöhnlichen<br />
Nutzungsdauer zunächst relativ klar: Sie wird vorgegeben;<br />
die Festlegungen zu Planung, Bauausführung und Betrieb müssen<br />
sicherstellen, dass das Ziel erreicht wird.<br />
Der Begriff „betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer“ nach DWA-Arbeitsblatt A<br />
133 beschreibt den Zeitraum, in dem das Wirtschaftsgut mit einiger Sicherheit<br />
bei üblicher Nutzung für den Betrieb brauchbar sein dürfte. Diese Beurteilung<br />
muss insbesondere bei langlebigen Anlagegütern, zu denen die Kanalisation<br />
unstrittig zählt, unter Abwägung des Einzelfalls erfolgen. Die hierzu<br />
notwendigen technischen und wirtschaftlichen <strong>Information</strong>en sowie die<br />
notwendigen Erfahrungen stehen in unterschiedlichem Umfang bereit.<br />
Mit der Übergabe des Anlageguts in den Bestand erfolgt die Festlegung der<br />
Abschreibungszeit, die dann in die Gebühren einfließt.<br />
Für die Arbeiten im Bestand gelten zur Beurteilung und Ermittlung der betriebsgewöhnlichen<br />
Nutzungsdauer von Einbauteilen ganz andere Randbedingungen.<br />
Ohne Kenntnis des Ist-Zustands des Rohr-Boden-Systems und<br />
Wirtschaft + Recht<br />
Beurteilung der Nutzungsdauer<br />
Lang – länger – am längsten?<br />
der betrieblichen Beanspruchungen<br />
können keine gesicherten Aussagen<br />
erstellt werden. Die umfassende Zustandserfassung<br />
ist daher unverzichtbar<br />
und dringend erforderlich.<br />
Voraussetzung dafür sind notwendigerweise<br />
die Kenntnisse hinsichtlich:<br />
● Baugrund, Untergrundverhältnisse<br />
(Tragfähigkeit des Bodens, Setzungen,<br />
natürlicher Boden, Auffüllboden,<br />
Grundwasser, Senkungen)<br />
● Statische Belastungen (Verkehrsbelastungen<br />
und Änderungen<br />
daraus, Übereinstimmung Statik<br />
und Bauausführung)<br />
● Einbaubedingungen der Bauteile<br />
(Auflagerung der Rohre, Einbettung<br />
der Rohre, Zustand der Einbettung)<br />
● Bauausführung (Offener Einbau,<br />
Mikrotunnelbau, Rohrvortrieb,<br />
Stollenbau)<br />
● Betriebsbedingungen im Abwasserkanal<br />
(Beschaffenheit des<br />
Abwassers und Rohrmaterial, Untergrund-/Bodenbeschaffenheit,Betriebsbedingungen,<br />
inkl. Verschleiß)<br />
Das DWA-Arbeitsblatt A 133 weist in<br />
Anhang D „Abschreibungszeiten“<br />
auf diese Situation hin (siehe Tabelle,<br />
Auszug DWA-Arbeitsblatt A 133).<br />
Bei Arbeiten im Bestand kann nicht<br />
etwa das angewandte Sanierungsverfahren<br />
isoliert vom vorhandenen<br />
Altrohr beurteilt werden, sondern<br />
nur zusammen mit ihm! Eine Ausnahme<br />
gibt es für die Erneuerungs-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
57
58<br />
Wirtschaft + Recht<br />
Ausgewählte Eingangsgrößen<br />
zur Festlegung<br />
der betriebsgewöhnlichen<br />
Nutzungsdauer<br />
Einbaubedingungen Abnahmekriterien für<br />
Bauwerk und Boden,<br />
Kontrolle der Bauausführung<br />
Bauausführung Offene Bauweise, geschlossene<br />
Bauweise<br />
Baugrundverhältnisse Gründung; Tragfähige<br />
Böden, nichttragfähige<br />
Böden; Grundwasserverhältnisse/<br />
-beschaffenheit<br />
Baustoffe Technische Eigenschaften<br />
Betriebsbedingungen Abwasserbeschaffenheit;Abflussverhältnisse<br />
Bauwerk Umsetzung der<br />
Planung<br />
Auszug DWA-Arbeitsblatt A 133.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
Kriterien beim Neubau Kriterien bei der Bewertung<br />
im Bestand<br />
Kenntnisse über das Tragwerksystem<br />
Rohr/Boden<br />
Offene Bauweise, geschlossene<br />
Bauweise<br />
Ergebnisse von Boden-/Grundwasseruntersuchungen;Sondersituationen<br />
(u. a. Bergbau)<br />
Zustandserfassung mit Kanal-TV<br />
und weiteren Methoden;<br />
Technischer Verschleiß<br />
Abwasserbeschaffenheit; Abflussverhältnisse;Beanspruchungsdauer<br />
und -intensität; Art der Bedienung<br />
und der Pflege; Äußere<br />
Belastungen des Bauwerkes<br />
Kenntnis der wirtschaftlichen<br />
Entwertung durch technischen<br />
Fortschritt, Kenntnis des natürlichen<br />
Verschleißes; Kenntnis<br />
individueller Umstände<br />
verfahren. Die Angabe einer vom<br />
Altrohr isolierten Nutzungsdauer ist<br />
absolut ungenügend und auch nicht<br />
nachvollziehbar, da sie grundsätzlich<br />
von der technischen (Rest)-Nutzungsdauer<br />
der jeweiligen Haltung<br />
abhängig ist. Dies gilt natürlich auch<br />
für andere Verfahren, die vom Zustand<br />
des vorhandenen Altrohres<br />
abhängig sind!<br />
Das beantwortet auch die Frage, warum<br />
Nutzungsdauern nicht im technischen<br />
Regelwerk niedergeschrieben<br />
sind: Weil sie grundsätzlich von<br />
zahlreichen Parametern abhängig<br />
sind. Materialtechnische Angaben<br />
alleine reichen bei Weitem nicht aus.<br />
Den Praxistest für Freispiegelkanäle<br />
im Labor gibt es nicht.<br />
Kontakt<br />
Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />
<strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />
Alfred-Nobel-Straße 17<br />
50226 Frechen<br />
Tel.: 0 22 34/5 07-2 71<br />
E-Mail: fachverband@steinzeug.com
Im Oktober diesen Jahres ist die umfassend aktualisierte Vergabe- und Vertragsordnung<br />
für Bauleistungen (VOB) als Gesamtausgabe neu erschienen.<br />
Sie enthält den Teil A (DIN 1960), in dem die EU-Richtlinie über die Koordinierung<br />
der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge und zur Koordinierung<br />
der Zuschlagserteilung sowie das ÖPP-Beschleunigungsgesetz umgesetzt<br />
werden. Ebenfalls überarbeitet ist Teil B (DIN 1961) sowie Teil C mit<br />
19 fachlich und 19 redaktionell überarbeiteten ATVen und der gänzlich neu<br />
aufgenommenen ATV DIN 18322 Kabelleitungstiefbauarbeiten und der ATV<br />
DIN 18459 Abbruch- und Rückbauarbeiten. Im Folgenden sind stichpunktartig<br />
die wichtigsten Änderungen dieser neuen VOB <strong>2006</strong> zusammengestellt.<br />
Die VOB bleibt damit der Maßstab für solide Bauverträge im öffentlichen und<br />
privaten Bereich.<br />
A. Überblick über das neue Vergaberecht (VOB <strong>2006</strong>)<br />
I. Wesentliche Änderungen der Vergabeverordnung<br />
1. Erhöhung der Schwellenwerte<br />
Im Kommunalbereich gelten neu folgende Schwellenwerte:<br />
● 5,278 Mio. Euro statt bisher 5 Mio. Euro im Baubereich<br />
● 211.000 Euro statt bisher 200.000 Euro im Bereich der VOL- und VOF-<br />
Vergaben<br />
● 422.000 Euro statt bisher 400.000 Euro bei Auftragsvergaben durch Sektorenauftraggeber<br />
2. Neuregelung über elektronische Vergabe<br />
Die bisherige Regelung über die elektronische Angebotsabgabe wird aufgehoben.<br />
Diese Regelung findet sich zukünftig in § 21 Nr. 1 VOB/A und § 21<br />
Nr. 1 Abs. 2 VOL/A.<br />
3. Schätzung der Auftragswerte, § 3 VgV<br />
II. Die neuen Regelungen der VOB/A<br />
1. Die Schwellenwerte und Arten der Vergabe<br />
In der neuen VOB/A sind die Schwellenwerte an die EU-Vorgaben folglich angepasst.<br />
Bauaufträge werden nach § 3 a Nr. 1 c) VOB/A auch im Wettbewerblichen<br />
Dialog vergeben.<br />
Wirtschaft + Recht<br />
Wichtige Änderungen in allen Teilen<br />
Die neue VOB <strong>2006</strong><br />
2. Eignung der Bewerber und<br />
Bieter, § 8 a VOB/A<br />
Das Ermessen des Auftraggebers bei<br />
der Entscheidung über einen Ausschluss<br />
von Bewerbern und Bietern<br />
vom Vergabeverfahren wegen Unzuverlässigkeit<br />
wurde deutlich eingeschränkt.<br />
3. Nachweis der Eignung,<br />
§ 8 VOB/A<br />
Als Nachweis der Eignung (Fachkunde,<br />
Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit)<br />
ist auch die vom Auftraggeber<br />
direkt abrufbare Eintragung in<br />
die allgemein zugängliche Liste des<br />
Vereins für die Präqualifikation von<br />
Bauunternehmen (Präqualifikationsverzeichnis)<br />
zulässig.<br />
4. Nachweis der Erfüllung von<br />
Qualitätssicherungsnormen und<br />
Normen für Umweltmanagement,<br />
§ 8 a VOB/A<br />
Auftraggeber können gemäß § 8 a<br />
Nr. 11 Nachweise der Erfüllung von<br />
Qualitätssicherungsnormen und<br />
Normen für Umweltmanagement<br />
verlangen.<br />
5. Gleichwertigkeit technischer<br />
Spezifikationen bei der Leistungsbeschreibung,<br />
§ 9 VOB/A<br />
§ 9 VOB/A erlaubt es, technische<br />
Spezifikationen durch eine Bezugnahme<br />
auf Normen zu formulieren.<br />
Diese Bezugnahme ist gemäß § 9 Nr.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
59
60<br />
Wirtschaft + Recht<br />
6 Abs. 1 nun mit dem Zusatz „oder<br />
gleichwertig“ zu versehen.<br />
Zudem wird die Beweislast umgekehrt:<br />
ab sofort trägt der Auftragnehmer<br />
die Beweislast für die Erfüllung<br />
der Anforderungen der in Bezug<br />
genommenen technischen Spezifikation<br />
und dass die der Norm<br />
entsprechende Bauleistung den Leistungs-<br />
oder Funktionsanforderungen<br />
entspricht.<br />
6. Vergabeunterlagen, § 10 a<br />
VOB/A<br />
§ 10 a VOB/A sieht bezüglich der Bekanntmachung<br />
der Zuschlagskriterien<br />
wesentlich ausführlichere Anforderungen<br />
vor.<br />
7. Grundsätze der Ausschreibung<br />
und <strong>Information</strong>sübermittlung<br />
Den Grundsätzen der Ausschreibung<br />
in § 16 VOB/A wurden Grundsätze<br />
der <strong>Information</strong>sübermittlung<br />
hinzugefügt.<br />
8. Anforderungen an Teilnahmeanträge,<br />
§ 16a VOB/A<br />
Neu eingefügt wurden §§ 16 a und<br />
16 b VOB/A, die die Anforderungen<br />
an Teilnahmeanträge bestimmen.<br />
Kontakt<br />
Ax/Schneider & Kollegen<br />
Büro Rhein-Neckar<br />
69141 Neckargemünd<br />
Tel.: 0 62 23/86 58-20<br />
Internet:<br />
www.ax-schneider-kollegen.de<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
9. Angebotsfristen, § 18 a VOB/A<br />
Die VOB/A sieht nun eine Kürzungsmöglichkeit für Angebotsfristen im Offenen<br />
Verfahren in § 18 a Nr. 1 Abs. 4, 5 vor.<br />
10. Wertung der Angebote, § 25 a VOB/A<br />
Die Regelung der Wertung der Angebote wurde u.a. im Hinblick auf staatliche<br />
Beihilfen erweitert.<br />
11. Nichtberücksichtigte Bewerbungen, § 27 a VOB/A<br />
Auf Verlangen sind den nicht berücksichtigten Bewerbern oder Bietern unverzüglich,<br />
spätestens jedoch innerhalb einer Frist von 15 Kalendertagen die<br />
Gründe für die Nichtberücksichtigung ihres Angebots mitzuteilen.<br />
12. Inhalt der Vergabevermerke, § 30 a VOB/A<br />
§ 30 a VOB/A sieht nun bestimmte Mindestinhalte für den Vergabevermerk<br />
vor.<br />
13. Neue Vergabeart: Der Wettbewerbliche Dialog<br />
Der Wettbewerbliche Dialog ist bereits durch das ÖPP-Beschleunigungsgesetz<br />
vom 8. September 2005 in § 101 Abs. 5 und 6 GWB sowie in § 6 a VgV<br />
umgesetzt worden.<br />
Überblick über das neue Vertragsrecht (VOB/B <strong>2006</strong>)<br />
I. Die Änderungen der VOB/B <strong>2006</strong><br />
● Klarstellende Hervorhebung zum Pauschalvertrag (§ 2 VOB/B)<br />
● Anwendung von Teilen A, B, C bei Weitervergabe (§ 4 VOB/B)<br />
● Entschädigung des AN bei Verletzung der Mitwirkungspflicht des AG<br />
(§ 6 VOB/B)<br />
● Kündigung im Insolvenzfall (§ 8 VOB/B)<br />
● Verjährungsfrist (§ 13 VOB/B)<br />
● Verjährungsfrist bei maschinellen und elektr. Anlagen (§ 13 VOB/B)<br />
● Abschlagszahlungen zu vereinbarten Zeitpunkten (§ 16 VOB/B)<br />
● Einwendungen gegen die Prüffähigkeit (§ 16 VOB/B)<br />
● Beginn der Frist für den Vorbehalt (§ 16 VOB/B)<br />
● Keine doppelte Fristsetzung vor Einstellung der Arbeiten wegen Verzug<br />
des AG (§ 16 VOB/B)<br />
● Erläuterungen zum Sperrkonto (§ 17 VOB/B)<br />
● Bemessungsgrundlage bei Berechnung des Sicherheitseinbehalts im Hinblick<br />
auf § 13 b UStG (§ 17 VOB/B)<br />
● Einführung eines Verfahrens zur Streitbeilegung (§ 18 VOB/B)
Vom 3. bis 7. April <strong>2006</strong> stand Berlin im Mittelpunkt der europäischen<br />
Wasser- und Gaswirtschaft. Mehr als 26.000 Fachbesucher aus 42 Ländern<br />
informierten sich über die technologischen und energiepolitischen<br />
Entwicklungen der Branche. „Besonders erfreulich ist die wachsende<br />
Zahl der internationalen Aussteller, Fachbesucher und Delegationen,“ so Dr.<br />
Christian Göke, Geschäftsführer der Messe Berlin GmbH. Eine optimistische<br />
Grundstimmung unter Ausstellern und Fachbesuchern prägte die WASSER<br />
BERLIN/GAS BERLIN <strong>2006</strong>, wie Umfragen zeigen. Dazu trug der gestiegene<br />
Anteil an internationalen Fachbesuchern um 5 % auf 20 % wesentlich bei.<br />
630 Aussteller aus 30 Ländern (187 aus dem Ausland) präsentierten in sechs<br />
Hallen innovative Produkte und Dienstleistungen thematisiert nach Schwerpunkten.<br />
Die begleitenden internationalen Kongresse mit ihren Partnerveranstaltungen<br />
waren ebenso ein starker Anziehungspunkt für die Fachbesucher. Über<br />
700 Teilnehmer und zu allen Veranstaltungen insgesamt 5.498 Teilnehmer<br />
Auf Herz und Nieren geprüft: Mit einem ausgeklügelten Messsystem wird die<br />
Rohrbelastung beim Rohrvortrieb online überwacht.<br />
Messen + Kongresse<br />
WASSER + GAS BERLIN <strong>2006</strong><br />
Spürbare Aufbruchstimmung<br />
nutzten die Chance zum Wissenstransfer.<br />
Berlins Microtunneling-<br />
Baustellen<br />
Besonders erfolgreich war das 5. InternationaleRohrleitungsbausymposium<br />
mit 13 Baustellenbesichtigungs-Touren<br />
in verschiedenen Teilen<br />
der deutschen Hauptstadt mit<br />
rund 400 Teilnehmern. An sechs der<br />
angefahrenen Baustellen wurden<br />
Rohrvortrieb, Pipe Eating und doppelschalige<br />
Bauweisen in Wasserschutzzone<br />
II vorgeführt, bei denen<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-Rohrsysteme zum Einsatz<br />
kamen. Eine herausragende<br />
Vorführung bot dabei die „Online-<br />
Überwachung der Rohrbelastung<br />
beim Rohrvortrieb“ (Baustelle Semmelweißstraße,<br />
Berlin-Altglienicke),<br />
ein Überwachungssystem, dass am<br />
Institut für Baumaschinen und<br />
Baubetrieb der RWTH Aachen aktuell<br />
entwickelt wurde. Die Besucher<br />
hatten hier die einmalige Gelegenheit,<br />
einen Teil des Einbaus der<br />
insgesamt 1.100 m langen Vortriebsstrecke<br />
(DN 800-Vortriebsrohre)<br />
mit der parallelen Online-Überwachung<br />
der zulässigen Vortriebskräfte<br />
bei Rohrabwinkelungen zu<br />
besichtigen.<br />
Aber auch zwei weitere Vortriebsprojekte<br />
sowie der doppelschalige<br />
Bau von Schmutzwasserkanälen in<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
61
62<br />
Messen + Kongresse<br />
Wasserschutzzone II und eine Pipe-<br />
Eating-Baustelle, fanden großes Interesse<br />
bei den Besuchern.<br />
Im Rahmen der Baustellenbesichtigung<br />
hatte die GSTT die Fach- und<br />
Lokalpresse zu einem gesonderten<br />
Baustellenbesuch im Rahmen ihrer<br />
Imagekampagne „Wir bauen oben<br />
ohne Störung“ eingeladen. An der<br />
Startgrube einer Vortriebsstrecke mit<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-Vortriebsrohren DN<br />
600 in der Potsdamer Straße, erläuterte<br />
Prof. Jens Hölterhoff, Vorstandsvorsitzender<br />
der GSTT, die<br />
Imagekampagne, mit der die ökologischen<br />
und ökonomischen Vorteile<br />
der unterirdischen Bauweise auch<br />
den Bürgern verdeutlicht werden<br />
soll.<br />
2007<br />
Branchentermine im Überblick<br />
Im Rahmen ihrer Imagekampagne „Wir bauen oben ohne Störung“ lud die GSTT<br />
zum Baustellenbesuch in die Potsdamer Straße ein.<br />
Water Middle East 2007 22.01.–24.01.2007 Bahrain<br />
ENVIRONMENT 2007 28.01.–31.01.2007 Abu Dhabi<br />
21. Oldenburger Rohrleitungsforum 08.02.–09.02.2007 Oldenburg<br />
TERRATEC 2007 05.03.–08.03.2007 Leipzig<br />
Mediterranean NO-DIG 2007 10.09.–12.09.2007 Rom<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong>
Frankreich würdigte die Kugelpost mit einer Europa-Marke.<br />
Während der Belagerung<br />
von Paris im Deutsch-<br />
Französischen Krieg<br />
1870/71 waren rund zwei Millionen<br />
Menschen in der Seine-Metropole<br />
von der Außenwelt abgeschnitten.<br />
Es gab weder Kontakt zum unbesetzten<br />
Teil Frankreichs noch zu den<br />
nach Bordeaux geflüchteten Mitgliedern<br />
der Regierung. Mit Heißluftballonen<br />
und Brieftauben gelang es<br />
zwar, zahlreiche Sendungen aus Paris<br />
in das unbesetzte Frankreich zu<br />
schleusen, die Verbindung in umgekehrter<br />
Richtung war allerdings von<br />
allerhand Zufällen abhängig und nahezu<br />
unmöglich.<br />
Seltener Kugelpost-Beleg mit Postwertzeichen, die während<br />
der Belagerung in Paris gedruckt wurden.<br />
Schwebend unter Wasser<br />
Last Minute<br />
(Ab)Wassertransport<br />
Französische Zinkkugelpost<br />
Der einzig sichere und von Windrichtungen unabhängige<br />
Weg schien mit der Strömung der Seine zum Ziel zu führen:<br />
Eine Reihe von Erfindern und Tüftlern machte sich ans Werk,<br />
eine Lösung des Problems zu finden, sprich einen „Weg“ zu<br />
finden, um Post unbemerkt via der Seine durch den dichten Belagerungsgürtel<br />
nach Paris zu bringen. Die meisten Vorschläge wurden vom Generalpostmeister<br />
Rampont abgelehnt, sie erwiesen sich in seinen Augen als undurchführbar.<br />
Nur der von den Erfindern Delort, Robert und Vonoven eingebrachte<br />
Vorschlag fand praktische Verwendung, jedoch keinen Erfolg im gedachten<br />
Sinne – weder für die potenziellen Postadressaten, noch für die Erfinder:<br />
Es handelte sich um verzinkte und wasserdicht verschließbare kleine Kugeln<br />
(ca. 20 cm Durchmesser), die maximal 600 Briefe á 4 g aufnehmen konnten.<br />
Die Verschlusskappen der Kugeln wurden verlötet und mit Wachs gegen eindringende<br />
Feuchtigkeit versiegelt. Durch einen gut durchdachten Mechanismus<br />
sollten diese Kugeln wenig unter dem Wasserspiegel in der Schwebe gehalten<br />
werden und dadurch für den Feind unsichtbar bleiben; als „Transportmittel“<br />
der Kugeln war nämlich das Wasser der Seine ausersehen.<br />
Als Sammelstelle für die neue Zinkkugelpost wurde von der französischen<br />
Post die Stadt Moulins im Departement Allier (südöstlich von Bourges) bestimmt;<br />
die für diese Beförderungsart vorgesehenen Briefe mussten mit „Paris<br />
par Moulins“ gekennzeichnet sein.<br />
Kugelpost, frankiert mit geschnittenen Postwertzeichen.<br />
Deutlich zu lesen: par Moulins.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
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Last Minute<br />
Entwurf einer Postkugel, der 1870 vom Generalpostmeister<br />
abgelehnt wurde.<br />
Das Unternehmen<br />
misslingt<br />
Mit vier Kugeln startete das infolge<br />
der Beendigung der Belagerung nur<br />
27 Tage dauernde Unternehmen<br />
„Paris par Moulins“ am 4. Januar<br />
1871. In Moulins wurden die Briefe<br />
Buchtipp<br />
Kunststoffrohre „in der Mangel“<br />
Mehdi Farshad, Professor an<br />
der ETH Zürich, hat mit<br />
dem Buch Plastic Pipe<br />
Systems – Failure Investigation<br />
and Diagnosis eine vollständige Zusammenstellung<br />
über Kunststoffrohre<br />
und ihre Fehler erarbeitet. Er stellt<br />
methodische Untersuchungen zur<br />
Erkennung und Identifizierung der<br />
Fehler sowie deren Ursache vor. Die<br />
systematische Darstellung von Rissen,<br />
Beulen, Verformungen und Ver-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2006</strong><br />
Ballonpost-Beleg<br />
mit typischer<br />
Stempelung<br />
in die Kugeln verpackt<br />
(deshalb auch „Boules de<br />
Moulins“ = Kugeln von Moulins<br />
genannt), zur Ortschaft Braye-sur-<br />
Seine verbracht und dort der Seine anvertraut.<br />
Das Porto für einen Zinkkugelbrief<br />
betrug 1 Franc. Davon beanspruchte die französische<br />
Post zunächst nur 20 Centimes, 80 Centimes<br />
sollten den Erfindern zukommen. Da man jedoch<br />
hinsichtlich der Ankunft der Briefe doch Zweifel<br />
hegte, erhielten die Erfinder für jeden „angekommenen“<br />
Brief nur 40 Centimes Vorschuss, die restlichen 40 Centimes sollten<br />
nach Ankunft der Kugeln in Paris ausgezahlt werden – wozu es<br />
niemals kam. Denn: Von den insgesamt 55 abgelassenen Kugeln (mit<br />
rund 40.000 Briefen) traf keine einzige an der Tag und Nacht besetzten<br />
Auffangstelle am Place Port-à-Anglais in Paris ein.<br />
Erst im Mai 1871 wurde die erste Kugel gefunden, viele sanken auf den Seinegrund,<br />
andere blieben im Ufergestrüpp hängen oder passierten Paris unbemerkt.<br />
Bis heute sind nicht einmal 20 der ehemals 55 abgesetzten Kugeln<br />
entdeckt worden, die bisher letzte 1969 in der Nähe von Rouen.<br />
Dennoch: Die erhalten gebliebenen Zinkkugeln mit ihren außergewöhnlichen<br />
Inhalten sind seltene Dokumente einer äußerst ungewöhnlichen Postbeförderung.<br />
Alle Abb. freundlich zur Verfügung gestellt<br />
von Christian Alt, Redakteur „postfrisch“, Gütersloh.<br />
änderungen, Blasen und Delaminationen, Spannungskorrosion,<br />
Abrieb und Hindernissen ist<br />
erstmalig und umfassend gelungen. Der Autor<br />
hat – basierend auf seinen umfangreichen praktischen<br />
Erfahrungen und Materialuntersuchungen<br />
– ein für die Anwendung von Kunststoffrohren<br />
hilfreiches Buch aufgelegt. Die konstruktiv kritische Herangehensweise<br />
wird durch eine gute Lesbarkeit unterstützt. Der Planer findet Kriterien zur<br />
Werkstoffwahl und umfangreiche Hinweise zu Einflüssen, die die Nutzung der<br />
Rohrleitung bestimmen.<br />
1. Ausgabe <strong>2006</strong>, Verlag Elsevier, 224 Seiten, 99,95 Euro zzgl. Versandkosten.<br />
Zu beziehen unter: www.nodig-books.com