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BEST OF Otto Brenner Preis 2007 - Otto Brenner Shop

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scheinbar nahtloser Glätte der Spiegel einen Mann mit unqualifizierten Mitteln<br />

verhöhnt und verteufelt und ihn dann mit kaum zu begreifender Unbefangenheit<br />

zu einem Gespräch einlädt.“<br />

Springers Zorn gipfelte damals in dem bezaubernden Satz: „Natürlich bringt es auf<br />

die Dauer gar keinen Spaß, den Kakao immer zu trinken, durch den man gezogen<br />

wird.“ Die Medienberichterstattung des Spiegel, einst ein Markenzeichen, ist tot.<br />

Spiegel-Aust, FAZ-Schirrmacher, Springer-Döpfner sind sich einig. Man feiert sich<br />

gegenseitig, hat Freude aneinander. Auch wenn der gemeinsame Kampf gegen<br />

die Rechtschreibreform schiefgegangen ist. Austs Kumpels lancieren gerne die<br />

Idee, nach Dienstschluss auf der Spiegel-Brücke könnte er einen TV-Vorstandssessel<br />

bei Springer erklimmen.<br />

Und die Redaktion? Wie kann man sich sein Leben so zur Hölle machen? Unter –<br />

zumindest theoretisch – beinahe idealen journalistischen Bedingungen? In<br />

einem Blatt, das obendrein zur Hälfte der Belegschaft gehört? Ist die Kehrseite<br />

des Klugschisses der Komplex? Als der Spät-Thatcherist Matthias Matussek zum<br />

Kulturchef ernannt wurde, sagte mir ein alter Spiegel-Mann: „Wir haben ein neues<br />

Rekrutierungsprinzp für Ressortleiter: ,Das größte Arschloch wird’s.’“<br />

Der Schlüssel heißt Angst. Ihr ursprünglicher Erzeuger, wohl Rudolf Augstein,<br />

dieser hochbegabte Menschenfeind, der wirkte wie einer, der an vielem litt: an<br />

den Verhältnissen, an der Dummheit, an sich selbst. Je älter man wird, desto<br />

besser versteht man das. Welch eine Tragödie. Er saß ganz oben, im zwölften<br />

Stock, spottete über sein „komfortables Gefängnis“ und schaute mit wachsender<br />

Verachtung auf sein Fußvolk. Auf all die alerten Jungs, die ihn nicht zu stürzen<br />

vermochten, nicht einmal zu kritisieren wagten. Keiner traute sich, dort hinaufzusteigen<br />

und zu sagen: Rudolf, das ist jetzt Mist. Augstein spuckte auf sein<br />

Schloss. Er säte Misstrauen und erntete Feigheit. Wer ihn erlebte, schrieb Dieter<br />

Wild, langgedienter Spiegel-Offizier, „war oft verblüfft über seine Angst, die vor<br />

allem eine Angst vor Nähe war, der seiner Freunde oft mehr als der seiner Feinde“.<br />

Es herrscht die Omertà, das Schweigegebot der Mafiosi. Wobei sich immer<br />

wieder Leute finden, die Angst und Feigheit eingestehen. Ehemalige.<br />

Und Spiegel-Leute, die in innerem Exil verharren. Ganz offen, aber nie öffentlich.<br />

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