Mitteilungen DMG 01 / 2008 - Deutsche Meteorologische ...
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wir<br />
Nachruf für Dr. Heinrich Kruhl<br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>01</strong>/<strong>2008</strong><br />
A. Kresling<br />
Hamburg<br />
Am 6. November 2007 ist unser Mitglied Dr. Heinrich<br />
Kruhl im Alter von 95 Jahren nach kurzer, schwerer<br />
Krankheit verstorben. Die Trauerfeier und Urnenbeisetzung<br />
fand auf dem Friedhof in Reinbek bei Hamburg<br />
statt. Dr. Kruhl war seit 1960 Mitglied der <strong>DMG</strong>.<br />
Heinrich Kruhl wurde am 1.8.1912 in Danzig geboren.<br />
Sein Vater war Schiffbauingenieur in Danzig und<br />
später in Wilhelmshaven. Dadurch wurden ihm die<br />
Schifffahrt, die See und die Küste schon in sehr jungen<br />
Jahren vertraut. Nach dem Abitur in Lübeck 1930<br />
studierte Heinrich Kruhl Geographie, Physik und Mathematik<br />
an den Universitäten München, Berlin und<br />
Hamburg. Dort legte er 1935 das Staatsexamen ab.<br />
Nach dem Militärdienst trat er 1936 in den Reichswetterdienst<br />
ein. Heinrich Kruhl wurde in den Fliegerhorstwetterwarten<br />
Warnemünde und Dievenow<br />
(jetzt polnisches Seebad) und in der Seefliegerschule<br />
auf Rügen eingesetzt. In den Kriegsjahren verrichtete<br />
er in der Flugwetterwarte Hamburg-Fuhlsbüttel seinen<br />
Dienst. 1945 kam Heinrich Kruhl über die Wetterwarte<br />
Schleswig nach List/Sylt zum Britischen Wetterdienst,<br />
1946 dann zum Seewetterdienst, der in einer Behelfsunterkunft<br />
in Quickborn von M. Rodewald wieder eingerichtet<br />
worden war. 1946 übernahm Heinrich Kruhl<br />
auch die Position eines Wissenschaftlichen Assistenten<br />
am Geophysikalischen Institut der Universität Hamburg<br />
unter P. Raethjen. In dieser Zeit schrieb er seine<br />
Dissertation über „Die Zirkulation der oberen Atmosphäre“.<br />
Am 1.4.1948 wurden die kriegsbedingt über Hamburg<br />
verteilten Dienststellen im heutigen Seewetteramt<br />
vereint, das bis zur Gründung des <strong>Deutsche</strong>n Wetterdienstes<br />
am 1.1.1953 zum MANWD (<strong>Meteorologische</strong>s<br />
Amt für Nord-West-Deutschland) in der Britischen<br />
Besatzungszone gehörte.<br />
Das Seewetteramt war fast 30 Jahre lang seine berufliche<br />
Heimat. In den 50er Jahren unternahm Dr.<br />
Heinrich Kruhl viele Reisen als Bordmeteorologe auf<br />
Fischereiforschungsschiffen und Fischereischutzbooten.<br />
Von 1950 an gehörte H. Kruhl zusammen mit F.<br />
Krügler, G. Roediger und H.O. Mertins etwa 10 Jahre<br />
lang zu den Pionieren, die die persönliche Präsentation<br />
der Fernsehwetterkarte auf den Weg brachten, bis deren<br />
Produktion schließlich nach Frankfurt verlegt wurde.1960<br />
übernahm Dr. Heinrich Kruhl das Dezernat<br />
„Seewetterdienst“ und 1970 bis zu seiner Versetzung<br />
in den Ruhestand 1977 die Leitung der Abteilung Wetterberatungsdienst<br />
des Seewetteramtes.<br />
Dr. Heinrich Kruhl war ein Synoptiker der „alten<br />
Schule“. Sein wissenschaftliches Interesse, oft ausge-<br />
Dr. Heinrich Kruhl im Seewetteramt, 1974<br />
löst durch synoptische Fehleinschätzungen, galt insbesondere<br />
der Entwicklung von „Warmfrontwellen“, der<br />
„induzierten Zyklogenese“ mit der Entstehung warmer<br />
Hochdruckgebiete und den Rückseitenstürmen von<br />
Orkantiefs und schweren Sturmtiefs. Die Kenntnisse<br />
und Erfahrungen auf diesem Gebiet konnte er häufig<br />
in die Tat umsetzen und sie ermöglichten ihm schon<br />
damals, als es noch keine oder noch keine brauchbaren<br />
numerische Vorhersagen gab, die Vorhersage schwerer<br />
Stürme mit sehr schweren Nordsee-Sturmfluten, wie<br />
im Februar 1962 und am 3.1.1976.<br />
Ende der 50er Jahre führte Dr. Heinrich Kruhl nach einer<br />
längereren Erprobungsphase den meteorologischen<br />
Schiffsroutenberatungsdienst ein. Anstöße hierzu kamen<br />
von Prof. Dr. H.U. Roll, dem damaligen Leiter des<br />
Seewetteramtes, der in den USA das Routeing-Verfahren<br />
nach R.W. James kennen gelernt hatte. Nach Besuchen<br />
beim Hydrographic Office in Washington und im<br />
Routeing Centre in De Bilt konnte Dr. Heinrich Kruhl<br />
die Verfahrensweisen ausbauen, so dass Ende 1959 der<br />
Routenberatungsdienst routinemäßig aufgenommen<br />
werden konnte. Eine besondere Herausforderung war<br />
die Beratung für die Verschleppung und den Aufbau<br />
der Forschungsplattform Nordsee nordwestlich von<br />
Helgoland 1975, wo er sich ganz persönlich in die Beratung<br />
einbrachte. Schließlich ging es um ein Objekt<br />
von einem zweistelligen Millionenbetrag.<br />
In der Zeit nach seiner Versetzung in den Ruhestand<br />
widmete sich Dr. Heinrich Kruhl neben synoptischen<br />
und anderen meteorologischen Themen auch neuen<br />
Forschungsergebnissen auf dem Gebiet der Atomphysik<br />
und der Astrophysik. Weitere Gebiete, die ihn<br />
beschäftigten, waren Evolutionstheorie, Verhaltensforschung<br />
und sozialkritische Themen, wie zum Beispiel<br />
die Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch die<br />
Massenmedien.