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GB - Dez 2011 - Jan 2012.pdf 10,55 - Rattiszell

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„SEI BRAV, SUNST KIMMT DA RAUWUCKL!”<br />

Die „Raunächte“- Vom alten Volksglauben ist nicht mehr<br />

viel geblieben<br />

(kk) Im Volksglauben kam den sog. Losnächten besondere<br />

Bedeutung zu. Sie begannen schon mit der Andreasnacht<br />

(30. Nov.) und erreichten mit der Luziennacht einen „gar<br />

schröcklichen“ Gipfel.<br />

Vom alten Luzienbrauchtum, das sich um den 13.<br />

<strong>Dez</strong>ember rankte, ist nichts geblieben.<br />

Um was ging es bei diesem Luziatag?<br />

Lucia ist eine Heilige der katholischen Kirche, gest. 303 in<br />

Syrakus, als Märtyrerin während der diokletianischen<br />

Christenverfolgung: Der Legende nach gelobte sie am<br />

Grabe der heiligen Agathe für den Fall, dass ihre kranke<br />

Mutter geheilt werde, ewige Jungfräulichkeit. Als ihr Gebet<br />

erhört wurde und sie in Erfüllung ihres Gelübdes zur<br />

Auflösung ihres Verlöbnisses schreiten wollte, zeigte sie ihr<br />

Bräutigam als Christin an. Nach verschiedenen Martern<br />

wurde sie mit einem Schwert durchbohrt.<br />

Ihr Fest ist am 13. <strong>Dez</strong>ember. Im alten, in vorchristliche Zeit<br />

zurückreichenden Volksglauben verband sich die<br />

Vorstellung von der Luzier, die zum Kinderschreck geworden<br />

war, nur dem Namen nach mit der Heiligen im Kalender<br />

des Kirchenjahres. Sicher ist, die heilige Lucia hat mit der<br />

„Luzier“ nichts zu tun. Wer sich wirklich hinter dieser „gräuslichen<br />

Gestalt“ verbirgt, ist nicht sicher; jedenfalls eine vorchristliche,<br />

mythische Gestalt von finsterem Aussehen oder<br />

auch mit helleren Eigenschaften. Möglicherweise ist die<br />

„Luzier“ an die Stelle der Frau Bercht (Perchta) getreten, eine<br />

Annahme, für die auch der Zusammenhang des Namens<br />

Luzie mit „Lux“ = Licht spricht.<br />

Zwei Erscheinungsformen<br />

waren für den Bayerischen Wald zu unterscheiden: eine bewusst<br />

gestaltlose, unsichtbare und eine in Gestalt einer<br />

Schrecken erregenden Frau oder Ziege. In unserer Gegend<br />

erschien die Luzier im langen, weißen Gewand, mit verwirrtem<br />

Haar und verzerrtem Gesicht, messerwetzend in<br />

Eisenstein, Stallwang, Loitzendorf und <strong>Rattiszell</strong>, mit einer<br />

Sichel, um den Kindern, die unfolgsam waren, den Bauch<br />

aufzuschneiden, mit Kieselsteinen (Neukirchen, Eisenstein,<br />

Viechtach), Ziegelbrocken (<strong>Rattiszell</strong>) oder wie in<br />

Grafenwiesen und Kötzting mit Granitblöcken zu füllen und<br />

wieder zuzunähen. Sie führte einen Korb mit sich, in dem<br />

sie die „Gedärme“ der unfolgsamen Kinder sammelte.<br />

Wenn sie das Haus verließ, sang sie: „Schwingerl voll Darm,<br />

Schwingerl voll Darm.“<br />

Etwas anders erschien sie in Straubing, wo sie in Stroh gekleidet<br />

ging, mit hohen Stiefeln und einem feststehenden<br />

Messer im Stiefelschaft. In Schwarzach bei Bogen führten<br />

Niklo und Luzier am Luzierabend unter deutlich vernehmbarem<br />

Messerwetzen vor der Haustür folgendes<br />

Zwiegespräch: „Nickl, Nickl, wetz mei Messer!“ „Luzi, Luzi,<br />

’s schneidt scho besser!“<br />

Habergeiß, lange Hannes und Rauwuckl<br />

In der Deggendorfer Donaugegend war die Luzier von einer<br />

Habergeiß begleitet. Auch in Lam ging als Erinnerung<br />

an die Vermummung der Germanen zur Winterszeit und<br />

Wintersonnenwende die Habergeiß um. Sie ist eine in Fell<br />

gehüllte Gestalt mit in das Gesicht hängenden und dieses<br />

verdeckenden Strohzöpfen, mit einer Kürbe (Kirm) auf dem<br />

Rücken, in der sie unartige Kinder „mitnahm“. Bei der „langen<br />

Hannes“, die auf dem Einödhof Gillisberg bei<br />

Chamerau in der Weihnachtszeit umging, hatten wir es mit<br />

einem ähnlichen Wesen zu tun. Sie kam um Mitternacht und<br />

rief: „A Multerl voll Darm!“ Der Bauer soll ihr einmal geantwortet<br />

haben: „Hol dir den Hund!“, worauf man nun das<br />

Heulen des Hundes vernahm. Die „lange Hannes“ aber war<br />

für immer verschwunden. Am anderen Tag war der Hund tot<br />

und der Gedärme beraubt. „Multerl“ war eine oval geformte<br />

Holzschale, in die man den Teig legte.<br />

Im gesamten Bayerischen Wald ging auch der Rauwuckl<br />

um. Er war ein haariger, wilder Dämon, der sich als<br />

Nachtgespenst und, wie es früher gang und gäbe war, als<br />

Kinderschreck zeigte.<br />

Noch heute kann man gelegentlich die „Drohung“ hören:<br />

„Sei brav, sunst kimmt da Rauwuckl!“<br />

Die dunklen Zeiten sind vorbei<br />

Über die finstere Gestalt der Luzier, von der man sich heute<br />

kaum noch erzählt, leuchtet am gleichen Tage die helle<br />

Gestalt der heiligen Lucia, wie auch das Licht über die<br />

Finsternis siegte. In wenigen Tagen kommt der Thomastag<br />

(21. <strong>Dez</strong>ember); er ist der kürzeste Tag des Jahres und<br />

bringt die Wintersonnenwende. Zahlreiche „Neujahrsbräuche“<br />

haben sich diesem Thomastag angeschlossen. Mit ihm<br />

beginnen die Raunächte, in denen man früher nach dem<br />

Abendläuten Haus und Stall „ausräucherte“. Auch wiederholen<br />

sich die Orakel des Andreastages. Mit diesem Tag hatten<br />

sich Volksglaube und Volksbrauchtum stark verflochten,<br />

auch wenn heute davon kaum oder überhaupt nichts mehr<br />

zu spüren ist. In Kötzting aß man an diesem Tage von einem<br />

Hörndl oder Weckl die Mitte, am Neujahrsabend die Spitze.<br />

Auch in der Thomasnacht ging eine Schreckensgestalt um,<br />

ein Überrest der alten Vermummung, ein Brauch, der heute<br />

völlig verschwunden ist. So erschien einstens der „blutige<br />

Dammerl“, da und dort gekleidet wie ein Metzger, mit dem<br />

Streicher um die Hüften, mit Metzgermesser und weißleinernem,<br />

blutigem Vürfleck (Schürze). Er schlug mit einem<br />

Hammer an die Tür und streckte sein blutiges Bein herein.<br />

Nun, man wird all diesem „Brauchtum“ aus finsterer Zeit<br />

nicht nachtrauern, wenn es auch „schön gruslig“ ist, darüber<br />

zu erzählen.<br />

Nach den Raunächten ist auch die dunkelste Zeit vorbei und<br />

der Tag beginnt wieder zu wachsen:<br />

An Stefanie ein Hahnentritt,<br />

an Neujahr ein ganzer Schritt,<br />

an Hl. Dreikönig ein Hirschensprung<br />

und an Lichtmess eine ganze Stund.<br />

Quelle: Archiv Haymo Richter, Kötzting<br />

siehe auch Gemeindebote Nr. 7, Seite 13 „Aberglaube“<br />

Josef Fruth: Aus alter Zeit: Rauwuckl im winterlichen Walddorf<br />

22 <strong>Dez</strong>ember <strong>2011</strong>/<strong>Jan</strong>uar 2012/Nr. 25

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