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23 Verfahrenstechnische Optimierungen im Hochhausbau

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<strong>23</strong> <strong>Verfahrenstechnische</strong> <strong>Opt<strong>im</strong>ierungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Hochhausbau</strong><br />

Dipl.-Ing. Christof Sänger<br />

Ed. Züblin AG, Zentrale Technik, Stuttgart, Deutschland<br />

Dr.-Ing. Hubert Bachmann<br />

Ed. Züblin AG, Zentrale Technik, Stuttgart, Deutschland<br />

Abstract: Die Opt<strong>im</strong>ierung des Geschosstaktes <strong>im</strong> <strong>Hochhausbau</strong> ist unabdingbare Notwendigkeit<br />

für ein kostengünstiges Bauen. Dieser wird durch die Herstellung der wesentlichen<br />

Bauteile Kern, Stützen und Decken best<strong>im</strong>mt. Eine opt<strong>im</strong>ierte Abst<strong>im</strong>mung beinhaltet neben<br />

den Kosten und der Zeitdauer der Herstellung auch ein Kran-, Schalungs- und Personalkonzept.<br />

Um dieser Opt<strong>im</strong>ierungsaufgabe eine größere Variabilität zu geben, wurden Konstruktionen<br />

zur Herstellung der Decken und Stützen <strong>im</strong> <strong>Hochhausbau</strong> in Betonfertigteilbauweise<br />

entwickelt. Dabei ist es entscheidend, dass der in Ortbeton zu erstellende aussteifende Kern,<br />

systemtechnisch richtig in das Konzept der Fertigteilbauweise eingebunden wird.<br />

Die erste Anwendung fand be<strong>im</strong> Hochhaus Opernturm in Frankfurt a.M. statt. Hier wurde neben<br />

der vorgefertigten Balkendecke, erstmals ein hochfester Betonstahl SAS 670/800 in den<br />

Stützen eingesetzt. Die Weiterentwicklung dieses Systems erfolgte für die Anwendung bei<br />

Fertigteilstützen, welche be<strong>im</strong> Hochhaus Tanzende Türme in Hamburg zum Einsatz kamen.<br />

Be<strong>im</strong> Hochhaus TaunusTurm in Frankfurt a.M. soll in Kürze eine weitere Opt<strong>im</strong>ierung hin zu<br />

einem verbesserten Fertigteilkonzept erfolgen<br />

Baubetrieb<br />

Die Opt<strong>im</strong>ierungsaufgabe <strong>im</strong> Baubetrieb erfordert<br />

die Berücksichtigung verschiedenster<br />

Einflüsse. Neben den statisch konstruktiven<br />

Anforderungen spielen die Herstellungsdauer<br />

sowie die Herstellungskosten die entscheidende<br />

Rolle. Aber auch Kran-, Schalungs-<br />

und Personalkonzept können den<br />

Prozess maßgeblich beeinflussen.<br />

So wurden be<strong>im</strong> Hochhaus OpernTurm in<br />

Frankfurt a.M. alle vertikalen Bauteile in einer<br />

Selbstklettertechnik erstellt. Ein ausreichender<br />

Bewegungsspielraum sowie eine<br />

ausreichende Krankapazität sind unabdingbar.<br />

Be<strong>im</strong> Bauvorhaben TenTowers in München<br />

hingegen wurde auf den Einsatz der<br />

Gleitbautechnik gesetzt. Die mehrfache<br />

Wiederholung der Kernherstellung, es waren<br />

10 baugleiche Hochhäuser, erlaubte einen<br />

wirtschaftlichen Einsatz dieser Technik, obgleich<br />

die Regelmäßigkeit <strong>im</strong> Querschnitt<br />

sowie die relativ geringe Höhe eher für eine<br />

konventionelle Herstellung der Wände<br />

sprach.<br />

Abb. 1: Schalungstechnik für den Geschoßtakt<br />

be<strong>im</strong> OpernTurm in Frankfurt a.M.


<strong>23</strong>2 <strong>Verfahrenstechnische</strong> <strong>Opt<strong>im</strong>ierungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Hochhausbau</strong><br />

Abb. 2: Die TenTowers in München –<br />

Kernherstellung mit der Gleitbautechnik<br />

Eine einfache konventionelle Schalung kam<br />

bei den Tanzenden Türmen in Hamburg zum<br />

Einsatz. Bauzeitenplan und Platzverhältnisse<br />

erlaubten diese, welche bei dem 22-geschossigen<br />

Gebäude noch durchaus eine wirtschaftliche<br />

Lösung darstellt.<br />

Neben den aussteifenden Wänden sind<br />

die Decken in den Geschosstakt mit einzuplanen.<br />

Hier werden heute überwiegend konventionelle<br />

Schalsysteme eingesetzt, wenngleich<br />

mit zunehmender Geschosszahl ein<br />

Verbunddeckensystem vorteilhaft aufgrund<br />

seines geringeren Gewichtes ist. Während<br />

be<strong>im</strong> Neubau des Messeturms in Frankfurt<br />

noch eine Verbunddecke mit Blechverschalung<br />

als sehr leichte und schnell montierbare<br />

Decke verwendet wurde, konnte von<br />

Züblin inzwischen eine Betonfertigteildecke<br />

als Alternative entwickelt werden. Die durch<br />

Vorspannung opt<strong>im</strong>ierte Decke kann als<br />

Plattenbalkendecke auch große Spannweiten<br />

überbrücken und so komplett stützenfreie<br />

Räume ermöglichen.<br />

Während be<strong>im</strong> OpernTurm auch die<br />

Randstützen mit einer Kletterschalung hergestellt<br />

wurden, sind Stützen <strong>im</strong> <strong>Hochhausbau</strong><br />

häufig als Verbundstützen konzipiert.<br />

Diese lassen sich nur singulär montieren und<br />

benötigen in der Regel noch eine zusätzliche<br />

Um-mantelung mit Beton, um den Brandschutz<br />

zu gewährleisten. Dieser Herstel-<br />

lungsprozess lässt sich nicht ohne weiteres<br />

beschleunigen und greift damit tief in den<br />

Bauprozess des Geschosstaktes ein. Auch<br />

be<strong>im</strong> Neubau des EZB-Hochhauses kommen<br />

Verbundstützen zum Einsatz.<br />

Abb. 3: Die Tanzenden Türme in Hamburg –<br />

konventioneller Wandschalungseinsatz<br />

Bei der Opt<strong>im</strong>ierung des Geschosstaktes <strong>im</strong><br />

<strong>Hochhausbau</strong> liegt der Fokus sehr stark auf<br />

der Herstellung der aussteifenden Bauteile,<br />

in der Regel sind das die aussteifenden<br />

Kernwände. Daneben dürfen aber die Stützen<br />

sowie die Deckenherstellung nicht vernachlässigt<br />

werden, denn diese komplettieren<br />

schließlich die Opt<strong>im</strong>ierung des Geschosstaktes.<br />

Durch den Einsatz von neuen<br />

Entwicklungen bei der Stützen- und Deckenherstellung<br />

konnte be<strong>im</strong> OpernTurm in<br />

Frankfurt der Geschosstakt auf 4 Tage reduziert<br />

werden. Für die Decken kam ein neu<br />

entwickeltes Betonfertigteilsystem zum Einsatz<br />

und bei den Stützen wurde ein hochfester<br />

Betonstahl verwendet, welcher die üblichen<br />

Stahlverbundstützen ersetzte und so zu<br />

einer Beschleunigung des Taktes beitrug.


<strong>Verfahrenstechnische</strong> <strong>Opt<strong>im</strong>ierungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Hochhausbau</strong> <strong>23</strong>3<br />

Abb. 4: Neubau der EZB–Zentrale in Frankfurt<br />

a.M. – Einsatz von Verbundstützen<br />

Druckglieder mit hochfestem Betonstahl<br />

SAS 670/800<br />

Druckglieder dürfen nach DIN 1045-1 mit<br />

einer max<strong>im</strong>alen Dehnung von 2,0 ‰ resp.<br />

2,2 ‰ ausgenützt werden. Um nun den<br />

hochfesten Betonstahl mit einer Fließgrenze<br />

von 670 N/mm 2 vollständig, also mit der Designspannung<br />

von 585 N/mm 2 an der Tragfähigkeit<br />

der Stütze zu beteiligen, muss nicht<br />

nur der Betonstahl sondern auch der Beton<br />

mit einer Dehnung von ca. 2,9 ‰ beansprucht<br />

werden. Eine Möglichkeit, den Stahl<br />

<strong>im</strong> Bruchzustand bis zur Stauchgrenze voll<br />

auszunutzen, ist die Berücksichtigung des<br />

meist ohnehin vorhandenen Kriechens und<br />

Schwindens von Beton.<br />

Abb. 5 zeigt die Lastanteile Beton und<br />

Stahl (Bewehrungsgrad μ~13%, C55) vom<br />

Gebrauchs- bis zum Bruchzustand bei<br />

schneller (gestrichelt) und langsamer Lastaufbringung<br />

mit Kriechphase (durchgehender<br />

Strich). Deutlich gehen daraus die Verformungsunterschiede<br />

ε1 + ε2 + ε3 hervor, die<br />

zur Erhöhung der Bruchstauchung <strong>im</strong> Stahl<br />

genutzt werden können:<br />

Δεs = ε1 + ε2 + ε3<br />

ε1= Kriech- und Schwindverformung<br />

ε2= Wiederbelastbarkeit des Betons<br />

nach Kriech- und Schwindabfall<br />

ε3= Verformungsunterschied durch unterschiedlicheBelastungsgeschwindigkeit<br />

(wird später in der Regel<br />

vernachlässigt)<br />

Abb. 5: Kraftverlauf während der gesamten Belastungsgeschichte<br />

unter zentrischem Druck bis<br />

zum Bruch bei schnell belasteter Stütze und langsam<br />

belasteter Stütze mit Kriechphase<br />

Die wirtschaftlichen Vorteile von S 670 liegen<br />

<strong>im</strong> Substitut von Stahl- und Verbundstützen<br />

durch Betonstützen sowie bei einer<br />

Querschnittsmin<strong>im</strong>ierung. Im <strong>Hochhausbau</strong><br />

spielt die nutzbare zu vermietende Geschossfläche<br />

die maßgebende Rolle bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

eines Projekts.<br />

Mit dem Einsatz von hochfestem Betonstahl<br />

kann der Stützenquerschnitt gegenüber einer<br />

mit BSt 500 hoch bewehrten Stütze weiter<br />

reduziert werden und so kostbare Mietfläche<br />

gewonnen werden.<br />

Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist die<br />

Möglichkeit, durch große Bewehrungsdurchmesser<br />

auch hohe Bewehrungsgrade bei einfacher<br />

Herstellung zu realisieren. Betonage<br />

und Verdichtung des Betons stellen kein<br />

Qualitätsrisiko mehr dar.<br />

Abb. 6 zeigt den OpernTurm in Frankfurt,<br />

bei dem erstmalig der hochfeste Betonstahl<br />

<strong>im</strong> <strong>Hochhausbau</strong> eingesetzt wurde. Die<br />

Megastützen in der über 5 Geschosse durchgehenden<br />

Lobby des Opernturms sollten aus


<strong>23</strong>4 <strong>Verfahrenstechnische</strong> <strong>Opt<strong>im</strong>ierungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Hochhausbau</strong><br />

architektonischen Gründen möglichst kleine<br />

Querschnitte aufweisen. Diese Forderung<br />

wäre bei Verwendung eines normalen Betonstahls<br />

nur durch Einsatz von hochfestem<br />

Beton bei gleichzeitig hohem Bewehrungsgrad<br />

umsetzbar gewesen. Als wesentlich einfacher<br />

und wirtschaftlicher erwies es sich jedoch,<br />

diese Stützen unter Einsatz eines<br />

Normalbetons (C 50/60) mit dem hochfesten<br />

Bewehrungsstahl der Fa. Stahlwerk Annahütte<br />

(SAS 670/800) auszuführen.<br />

Die hoch belasteten Fassadenstützen<br />

stellten eine ähnliche Herausforderung dar.<br />

So sollten diese aufgrund der Architektur,<br />

der technischen Gebäudeausstattung und des<br />

Gewinns an Nutzfläche ebenfalls möglichst<br />

kleine Querschnitte aufweisen. Eine Bewehrung<br />

mit normalem Betonstahl wäre hier<br />

ebenfalls ohne den kostenaufwändigen Einsatz<br />

eines hochfesten Betons nicht möglich<br />

gewesen. Aus diesem Grund wurden auch<br />

die hoch belasteten Fassadenstützen mit SAS<br />

670/800 bewehrt.<br />

Neben der Überschreitung des max<strong>im</strong>al<br />

zulässigen Bewehrungsgrades von 9 % gemäß<br />

DIN 1045-1 war der Einsatz von Stabdurchmessern<br />

d = 75 mm und die hohe<br />

Stahlgüte ausschlaggebend für die Erfordernis<br />

einer Zust<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Einzelfall (vgl.<br />

auch [1] bis [6]).<br />

Be<strong>im</strong> Opernturm Frankfurt wurden Bewehrungsdurchmesser<br />

von 35, 43, 57,5, 63,5<br />

und 75 mm verwendet. Der hochfeste Stahl<br />

S 670 wurde nur <strong>im</strong> Bereich von voll überdrückten<br />

Querschnitten eingesetzt. Die Bewehrungsstöße<br />

erfolgten mit speziellen Kontaktmuffen.<br />

Generell kann gesagt werden, dass mit<br />

dem Bewehrungssystem nicht nur sehr wirtschaftliche<br />

sondern auch qualitativ besonders<br />

hochwertige Stützen hergestellt werden<br />

können, was sich insbesondere in der sehr<br />

guten Betonierbarkeit zeigt. Selbst bei Bewehrungsgraden<br />

von über 10 % sind die<br />

lichten Stababstände so groß, dass der Beton<br />

leicht eingebracht und mit handelsüblichen<br />

Innenrüttlern sicher verdichtet werden kann.<br />

Die Gefahr von Fehlstellen, Kiesnestern etc.<br />

wird dadurch min<strong>im</strong>iert. Der Betonierschlauch<br />

kann bis tief in die Stütze einge-<br />

bracht werden, um eine große Fallhöhe und<br />

die damit verbundene Gefahr der Entmischung<br />

des Betons auszuschließen.<br />

Abb. 6: OpernTurm in Frankfurt – Einsatz von<br />

hochfestem Betonstahl SAS 670/800 in den Stützen<br />

Abb. 7: Bewehrungsstoß einer Megastütze be<strong>im</strong><br />

OpernTurm


<strong>Verfahrenstechnische</strong> <strong>Opt<strong>im</strong>ierungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Hochhausbau</strong> <strong>23</strong>5<br />

Abb. 8: Bewehrungskorb einer Megastütze be<strong>im</strong><br />

OpernTurm in Frankfurt<br />

Entwicklung eines Stützenstumpfstoßes<br />

für Fertigteilstützen<br />

Der hochfeste Betonstahl SAS 670/800 wurde<br />

be<strong>im</strong> Hochhaus Opernturm in Frankfurt<br />

bereits erfolgreich eingesetzt. Dabei konnte<br />

der Verbundstahl und der hochfeste Beton<br />

durch hochfesten Betonstahl ersetzt werden.<br />

Mit dem Ziel, die Herstelldauer von Stützen<br />

bei Hochhäusern weiter zu reduzieren, wurde<br />

in der Zentralen Technik der Ed. Züblin<br />

AG eine Betonfertigteilstütze respektive der<br />

Stoß einer Fertigteilstütze mit hochfestem<br />

Stahl entwickelt.<br />

Abb. 9 zeigt die grundlegenden Zusammenhänge<br />

bei einem Stumpfstoß einer Betonfertigteilstütze.<br />

Dabei wird der Kraftanteil<br />

in den Bewehrungsstäben großteils über<br />

Verbund in die Stütze eingetragen und dann<br />

durch den Mörtelstoß hindurchgeführt. Ein<br />

geringerer Anteil der Stahlkraft von ca. 25 %<br />

wird über Spitzendruck übertragen.<br />

Abb. 9: Ingenieurmodelle für den Stoßbereich<br />

von stumpf gestoßenen Betonfertigteilstützen [7]<br />

Weil bei einer Stütze mit hochfestem Betonstahl<br />

deren Kraftanteil in der Regel mehr als<br />

50 % von der Gesamtkraft beträgt, wird davon<br />

ausgegangen, dass die Mörtelfuge diese<br />

hohe Stützenkraft nicht ohne weiteres übertragen<br />

kann. Daher wurde für einen Stützenstumpfstoß<br />

mit hochfestem Betonstahl ein<br />

alternatives Tragkonzept erforderlich. Insbesondere<br />

ist wegen der großen Stabdurchmesser<br />

eine Kraftausleitung <strong>im</strong> Stoßbereich nicht<br />

möglich. Die Kraft in den Bewehrungsstäben<br />

muss daher von Stabstahl zu Stabstahl direkt<br />

übertragen werden. Dabei wird davon ausgegangen,<br />

dass die Übertragung der Betonkraft<br />

durch den Mörtel erfolgt, während die<br />

Kraft in den Bewehrungsstäben direkt<br />

hindurchgeführt wird.<br />

Soll diese Kraftübertragung gelingen,<br />

müssen die Stäbe direkt übereinander stehen<br />

und als Stumpfstoß ausgebildet werden. Jedoch<br />

wird als wesentliches Problem dabei<br />

die notwendige Ausführungstoleranz gesehen.<br />

Selbst bei einer Fräsung aller Stäbe auf<br />

die gleiche Länge müssten die Toleranzen in<br />

der Montage beachtet werden. Diese entstehen<br />

durch eine Schiefstellung der gesamten<br />

Stütze. Der Kontakt wäre nicht gewährleistet.<br />

Zur Lösung des Problems wurde vorgeschlagen,<br />

die Kraft <strong>im</strong> Bewehrungsstahl<br />

durch eine dünne Mörtelfuge zwischen den<br />

Stäben hindurchzuführen. Die Mörtelfuge<br />

muss so dick sein, dass die notwendigen<br />

Herstellungstoleranzen aufgenommen werden<br />

können und gleichzeitig so dünn sein,<br />

dass die Kraftübertragung erfolgen kann.


<strong>23</strong>6 <strong>Verfahrenstechnische</strong> <strong>Opt<strong>im</strong>ierungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Hochhausbau</strong><br />

Dieser Mörtel muss dabei näherungsweise<br />

die Fließspannung des hochfesten Betonstahls<br />

aufnehmen.<br />

Zur Klärung der Frage der Fugendicke<br />

zwischen den hochfesten Bewehrungsstäben<br />

wurden mehrere Kleinversuche durchgeführt.<br />

Die Proben hatten alle die Abmessungen<br />

von 15 x 15 cm mit einer Länge von ca.<br />

65 cm. Die Fuge zwischen den Betonquerschnitten<br />

wurde mit einer Dicke von 30 mm<br />

ausgebildet und mit einem hochfesten Mörtel<br />

vergossen. Variiert wurde dabei die Ausbildung<br />

der Fuge zwischen den Stählen. Es<br />

wurden sowohl ein direkter Stahlkontakt als<br />

auch eine Vergussschicht aus hochfestem<br />

Mörtel sowie ultrahochfestem Beton ausgebildet.<br />

Die Versuche sollten zeigen, mit welchen<br />

Lösungsansätzen es möglich ist, die<br />

Kraft aus den dicken Stahlstäben durch die<br />

Fuge zu leiten.<br />

Abb. 10: Versagen der Stützen bei einer Mörtelfugendicke<br />

von 6 mm und 20 mm<br />

Als wesentliche Ergebnisse dieser Vorversuche<br />

sind zu nennen;<br />

� Die Tragkraft einer ungestoßenen Stütze<br />

konnte erreicht werden<br />

� Die Tragkraft der ungestoßenen Stütze<br />

kann durch den direkten Stahlkontakt<br />

übertragen werden<br />

� Die Tragkraft der ungestoßenen Stütze<br />

kann auch durch einen Mörtelverguss<br />

zwischen den Stahlstäben übertragen<br />

werden.<br />

� Der Mörtelverguss zwischen den Stützen<br />

darf (bei den hier vorliegenden geometrischen<br />

Verhältnissen) nicht dicker als<br />

13 % des Stabdurchmessers sein.<br />

Infolge der Querdehnungsbehinderung kann<br />

die Festigkeit des Mörtels um das mehrfache<br />

gesteigert werden. Allerdings muss die zulässige<br />

Fugendicke auf ca. 13 % des Stabdurchmessers<br />

begrenzt werden. Bei einem<br />

Stabdurchmesser von 57,5 mm darf die Fugendicke<br />

8mm nicht überschreiten.<br />

Erstanwendung der Betonfertigteilstütze<br />

mit hochfestem Betonstahl bei<br />

den Tanzenden Türmen in Hamburg<br />

Die Fertigteilstützen werden erstmalig be<strong>im</strong><br />

Neubau des Hochhauses Tanzende Türme in<br />

Hamburg eingesetzt. Der von den Architekten<br />

Bothe-Richter-Teherani entworfene Bau<br />

wird durch die Strabag Real Estade realisiert.<br />

Planung und Bauausführung liegen in der<br />

Hand der Ed. Züblin AG Direktion Nord.<br />

Eine Besonderheit <strong>im</strong> Tragwerk stellen<br />

die Knicke der vertikalen Tragglieder dar.<br />

Beide Türme besitzen schräg verlaufende<br />

Außenstützen die <strong>im</strong> 6.OG beziehungsweise<br />

<strong>im</strong> 17. OG ihre Richtung verändern.<br />

Die Innenstützen werden äquivalent zum<br />

Opernturm in Ortbeton hergestellt. Der Beton<br />

besitzt eine Festigkeit von C 50/60 und<br />

wird mit bis zu 10 % hochfestem Betonstahl<br />

SAS 670/800 bewehrt.<br />

Als Außenstützen kommen nun erstmalig<br />

Fertigteilstützen mit hochfestem Betonstahl<br />

und einem Bewehrungsgrad von max<strong>im</strong>al<br />

12 % zum Einsatz.<br />

Der Beton der Fertigteilstütze endet an<br />

der Unterkante der Decke, während der<br />

hochfeste Stahl bis über die Decke geführt<br />

wird. Dadurch kann die Decke kontinuierlich<br />

betoniert und die Stütze des darüberliegenden<br />

Geschosses montiert werden. Anschließend<br />

erfolgt der Fugenverguss. Die Fertigteilstütze<br />

besitzt an der Unterseite jeweils<br />

eine Stahlplatte zur Aufnahme der Querzugspannungen<br />

und wird mit einem max<strong>im</strong>alen<br />

Abstand von 7 mm zu den Stäben der unteren<br />

Stütze montiert. Hierzu wurden die Stäbe<br />

mit einer Toleranz von +/- 1 mm gesägt und<br />

entgratet. Damit die Bewehrungsstäbe direkt<br />

übereinander stehen, werden 2 Führungsdollen<br />

vorgesehen, welche eine einfache Montage<br />

ermöglichen.


<strong>Verfahrenstechnische</strong> <strong>Opt<strong>im</strong>ierungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Hochhausbau</strong> <strong>23</strong>7<br />

Die Reduktion des Deckenbetons von C<br />

50/60 auf C 30/37 kann durch die Querdehnungsbehinderung<br />

der umlaufenden Betondecke<br />

ausgeglichen werden [8].<br />

Da sowohl der hochfeste Stahl, als auch<br />

der Stützenstumpfstoß normativ nicht geregelt<br />

sind, war eine Zust<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Einzelfall<br />

durch die oberste Hamburger Baubehörde erforderlich<br />

[9]. Hierzu wurden exper<strong>im</strong>entelle<br />

Untersuchungen notwendig. Getestet wurden<br />

insgesamt 3 Stützen mit einem Durchmesser<br />

von 40 cm und der maßgebenden Stützenbewehrung.<br />

Als Referenzstütze wurde eine<br />

Stütze ohne Stumpfstoß getestet, sowie 2<br />

Stützen mit Stumpfstoß. Den Versuchsstand<br />

sowie den Bruchkörper mit den Probestützen<br />

zeigt Abb. 11.<br />

Abb. 11: Versuchsaufbau und Bruchbild – Bruch<br />

außerhalb des Stoßbereichs-<br />

Die Versuche haben gezeigt, dass mit dem<br />

Stumpfstoß die volle Tragfähigkeit einer<br />

ungestoßenen Stütze erreicht wird. Das Versagen<br />

der gestoßenen Stützen trat in beiden<br />

Versuchen außerhalb des Stumpfstoßes auf.<br />

Nachfolgend sind die <strong>im</strong> Versuch erreichten<br />

Bruchlasten <strong>im</strong> Vergleich zur berechneten<br />

Max<strong>im</strong>allast aufgeführt:<br />

Rechnerisch 13.485 KN (100 %)<br />

Versuch V12 ohne Stoß 13.927 KN (103 %)<br />

Versuch V13 mit Stoß 13.770 KN (102 %)<br />

Versuch V14 mit Stoß 13.338 KN ( 99 %)<br />

Abb. 12: Fertigteilstützen und Gebäudeansicht<br />

der Tanzenden Türme, Hamburg<br />

Ebenso bedeutend wie die Tragfähigkeit ist<br />

die Sicherung der Ausführungsqualität auf<br />

der Baustelle. Im vorliegenden Fall wurden<br />

umfangreiche QM Maßnahmen ergriffen,<br />

wie Materialprüfung und Abnahmen der<br />

Stützenstöße vor dem Mörtelverguss. Letzterer<br />

wurde ebenso umfangreich überwacht.<br />

Das neu eingesetzte Fertigteilstützensystem<br />

hat sich auf der Baustelle Tanzende<br />

Türme in Hamburg hervorragend bewährt.<br />

Die Geschwindigkeit der Stützenmontage<br />

konnte bei gleichbleibend hoher Ausführungsqualität<br />

um das Mehrfache gesteigert<br />

werden. Mit dem neuen Fertigteilsystem<br />

konnte somit auch die Taktzeit zur Herstellung<br />

der Hochhausgeschoße weiter verkürzt<br />

werden.<br />

Literatur:<br />

[1] Falkner, H., Gerritzen, D., Jungwirth,<br />

D.,Sparowitz, L.: Das neue Bewehrungssystem;<br />

Druckglieder mit hochfestem<br />

Betonstahl SAS 670/800: Teil 1:<br />

Entwicklung, Versuche, Bemessung,<br />

Konstruktion. Beton- und Stahlbetonbau<br />

103 (2008) Heft 5, Ernst und Sohn<br />

Verlag, Berlin<br />

[2] Bachmann, H., Benz, M., Falkner, H.,<br />

Gerritzen, D., Wlodkowsky, H.: Das<br />

neue Bewehrungssystem; Druckglieder<br />

mit hochfestem Betonstahl SAS<br />

670/800: Teil 2: Opernturm Frankfurt -<br />

Anwendung. Beton- und Stahlbetonbau<br />

103 (2008) Heft 8, Ernst und Sohn Verlag,<br />

Berlin


<strong>23</strong>8 <strong>Verfahrenstechnische</strong> <strong>Opt<strong>im</strong>ierungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Hochhausbau</strong><br />

[3] Falkner, H.; Gerritzen, D.: Gutachterliche<br />

Stellungnahme zur Bemessung und<br />

Konstruktion der Stützen mit hochfestem<br />

Bewehrungsstahl SAS 670/800 –<br />

Opernturm Frankfurt<br />

[4] Graubner, C.-A.; Zink, M.: Gutachten<br />

zur Anwendung von hochfestem Gewinderippenstahl<br />

SAS 670/800 in Stützen<br />

des Bauvorhabens Opernturm in<br />

Frankfurt am Main<br />

[5] Hosser, D.; Richter, E.: Gutachtliche<br />

Stellungnahme Nr. G 07011 – Zum<br />

Brandverhalten von Stützen mit hochfestem<br />

Stahl SAS 670/800 be<strong>im</strong> Bauvorhaben<br />

Opernturm Frankfurt<br />

[6] Zust<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Einzelfall nach § 19<br />

Hessischen Bauordnung (HBO) für die<br />

Verwendung von Gewinderippenstahl<br />

SAS 670/800 als Betonstahlbewehrung<br />

be<strong>im</strong> Bauvorhaben Opernturm, Bockenhe<strong>im</strong>er<br />

Landstraße 2 bis 8 in<br />

Frankfurt am Main (BA-Nr. B-2006-<br />

1598-4)<br />

[7] Minnert, J., Günther, G.: Bemessungsvorschlag<br />

für die verstärkte Querbewehrung<br />

bei mehrgeschossigen Ortbetonstützen<br />

ohne Übergreifungsstoß der<br />

Längsbewehrung. Beton- und Stahlbetonbau<br />

102 (2007) Heft 2, Ernst und<br />

Sohn Verlag, Berlin.<br />

[8] Weiske, R.: Durchleitung hoher Stützenlasten<br />

bei Stahlbetonflachdecken.<br />

Institut für Baustoffe, Massivbau und<br />

Brandschutz, Heft 180 der Schriftenreihe,<br />

TU Braunschweig, 2004<br />

[9] Zust<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Einzelfall für die Verwendung<br />

von Gewinderippenstahl SAS<br />

670/800 als Betonstahlbewehrung in<br />

Ortbeton- und Fertigteilstützen be<strong>im</strong><br />

Bauvorhaben Tanzende Türme in Hamburg,<br />

Reeperbahn 1, Oberste Baubehörde<br />

Freie und Hansestadt Hamburg,<br />

2010

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