SBB - Sächsischer Bergsteigerbund
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Wie ihr alle wisst, sind Fossilien Versteinerungen von Tier- und Pflanzenresten aus der<br />
erdgeschichtlichen Vergangenheit. Im Elbsandsteingebirge kann man davon eine ganze<br />
Menge finden: kleine, das sind Abdrücke von Pflanzen und Tieren im Sandstein, die<br />
großen Versteinerungen aber sind so ohne weiteres für uns Menschen nicht erkennbar.<br />
Es sind einzelne Felsen, die weit verstreut in verschwiegenen Tälern und versteckten<br />
Schluchten des Gebirges stehen, verborgen in dichten, finsteren Wäldern oder an und<br />
auf unzugänglichen Felsriffen. Diese Felsen tragen schon seit grauer Vorzeit ihre Namen;<br />
niemand kann sich erinnern, wer ihnen diese gab. Es gibt da die Barbarine, die Nonne,<br />
den Falkenstein, um nur einige zu nennen, und es gibt auch Felsen, die tragen den<br />
Namen von Säugetieren, Lurchen, Vögeln und Insekten. Von denen will ich euch berichten.<br />
Da es aber ein Geheimnis ist, dürft ihr es niemandem weitersagen, und euch teile<br />
ich es nur deshalb mit, weil ich kaum Gelegenheit haben dürfte, es euch in 100 Jahren<br />
zu erzählen.<br />
Es ist nämlich so: Alle 100 Jahre, am Heiligabend, wenn die Glocken von Stolzenhain<br />
und Jentschdörfel, längst versunkenen Orten, Mitternacht einläuten, treten die Tiere<br />
aus ihrer steinernen Gestalt. Dann passieren am Falkenstein, im Schrammsteingebiet,<br />
ganz besondere Dinge. Da findet dort eine große Versammlung statt. Die Abgeordneten<br />
kommen aus allen Ecken und Winkeln des Gebirges.<br />
Aus dem Rathener Teil kommen Reh, Lamm, Biene, Eule, Habicht; aus dem Brandgebiet<br />
Ameise, Nashorn und Elefant. Bär, Dachs, Kiebitz, Waldkauz, Unke und Raupe kommen<br />
aus dem Bielatal und der Bussard aus dem Schmilkaer Gebiet. Aus den Affensteinen<br />
fliegt der Dompfaff, aus dem Großen Zschand der Auerhahn und aus dem Wildensteiner<br />
Gebiet der Grünling heran. Weitere Abgeordnete sind Ratte, Maus, Frosch und Sprotte.<br />
Die Drohne, der Pinguin und der Saurier haben den kürzesten Weg, denn sie haben<br />
ihren Wohnsitz nicht weit vom Falkenstein entfernt.<br />
Während sich Vögel und Insekten noch auf Ästen und Zweigen der knorrigen Kiefern<br />
vor der steilen Nordwand des Falkensteins niederlassen, kommen bereits die Lurche<br />
durchs modernde Laub gekrochen, gefolgt von den wieselflinken Nagern. Ganz zuletzt<br />
schreiten die Riesen unter den Tieren gemächlich heran, und meist tönt auch dann<br />
bereits der erste Glockenschlag über die Wälder.<br />
Es ist nicht viel Zeit, sich im Gespräch auszutauschen. An diesem Heiligabend wird die<br />
Sprotte zu den Versammelten sprechen. Sie wird erzählen, dass der Lachs wieder in<br />
den Bächen des Gebirges Heimat gefunden hat. Der Elefant wird über die unerfreuliche<br />
Klimaentwicklung auf der Erde sprechen und der Saurier davon, dass er Hauptdarsteller<br />
vieler heute gezeigter Filme ist. Die Vögel werden Auskunft über die reduzierte<br />
Luftverschmutzung geben und die Lurche über ihren zunehmenden Schutz vor dem<br />
Straßenverkehr berichten.<br />
Und alle werden sich einig sein, dass die Menschen zunehmend sorgsamer mit der<br />
Umwelt umgehen. Nur Kriege, werden die Versammelten wieder traurig feststellen, sind<br />
auch in den letzten 100 Jahren wieder und wieder geführt worden ...<br />
Aber da ertönt schon der letzte Glockenschlag: Heiligabend 2011.<br />
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Die Jahresendgeschichte<br />
Georg Willenberg