Düsseldorf ist ARTig – ein innovatives Bildungsprojekt - Musenkuss ...
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nennt man das, m<strong>ein</strong> Vater <strong>ist</strong> Amerikaner. Aber ich habe von ihm nichts als den Namen Anne Kowalski, wobei das<br />
Kowalski auch nicht sehr amerikanisch klingt, jedenfalls nicht so amerikanisch wie Stevens, Miller, Jones, Simpson<br />
oder Bush. Ich mach Schluss, aber ich habe vorher noch <strong>ein</strong>e Frage: Warum hast Du mir geantwortet? Es klang, um<br />
ehrlich zu s<strong>ein</strong>, nicht gerade so, als wärst Du auf der Suche nach Brieffreunden gewesen. Auf Wiedersehen. Anne.<br />
Hi Anne! Die Frage <strong>ist</strong> doch, wieso hast Du mir geantwortet? Du hast doch bestimmt noch andere Kassetten bekommen,<br />
Kassetten, auf denen Dich k<strong>ein</strong>er beschimpft und stundenlang s<strong>ein</strong> Leid geklagt hat. Wie siehst Du aus? Was<br />
machst Du den ganzen Tag? Willst Du wissen, wie ich aussehe? Ich seh aus wie <strong>ein</strong> Ge<strong>ist</strong>. Wenn Du auf D<strong>ein</strong>en Arm<br />
guckst, dann siehst Du braun, rosa oder schwarz. Ich seh weiß. Weiß mit blauen Adern, wie Würmer, voll ekelhaft.<br />
Seit <strong>ein</strong>em Monat seh ich rechts leider nochwas. Ein F und <strong>ein</strong> E. Ich war mit m<strong>ein</strong>em beschissenen Freund in der<br />
Stadt. Da <strong>ist</strong> so <strong>ein</strong> Tatooshop. Und m<strong>ein</strong> beschissener Freund: „Ey, Maya, liebsu misch?“ und ich:“Kann s<strong>ein</strong>.“ Und<br />
er: „Lass mal unsere Namen aufn Arm tätowieren.“ Naja, Tatoos sind cool. Die haben sowas von Unverwundbars<strong>ein</strong>,<br />
von M<strong>ein</strong>e-Harley-und-ich,-wir-reiten-in-den-Sonnenuntergang. Oder nicht? Leider hab ich erst beim zweiten Buchstaben<br />
gemerkt, wie weh das tut, weil ich so benebelt war von dem ganzen Harley-in-den-Sonnenuntergang-Ding.<br />
Und wie beschissen ich m<strong>ein</strong>en Freund finde. Es hätte Felix werden sollen. Also, ich bin raus und Felix hinterher.<br />
Vorm Laden habe ich ihm dann ganz ruhig erklärt. Warum ich das Tatoo nicht will. Dass ich, wenn ich es am Oberarm<br />
habe, m<strong>ein</strong> Leben lang nur noch mit Typen was haben kann, die Felix heißen, weil sich jeder Andere ja vor den Kopf<br />
gestoßen fühlen würde, wenn er m<strong>ein</strong> Shirt auszöge und dann <strong>ein</strong>en fremden Männernamen auf m<strong>ein</strong>em Arm<br />
vorfände. Wär ich ja auch, umgekehrt. Felix fand das irgendwie nicht gut und hat rumgeschrien und gefragt, ob er<br />
nicht m<strong>ein</strong> Mann fürs Leben wäre. Obwohl m<strong>ein</strong> Arm so wehgetan hat, von wegen unverwundbar, blieb ich nett. Ich<br />
hab ihn nicht beleidigt oder angespuckt. Ich war sehr erwachsen und habe ihm gesagt, dass ich, wenn alles gut<br />
geht, noch so 65 Jahre lebe. Was macht der Scheißkerl? Haut <strong>ein</strong>fach ab. Vollidiot. Jetzt steht Fe auf m<strong>ein</strong>em Arm.<br />
Ich hab überlegt, ob ich <strong>ein</strong> E dranhängen lasse. Aber das tut dann wieder so weh und dann wäre es FEE, und ich<br />
<strong>ein</strong>e Art fleischgewordenes „Zicke“- T-Shirt. Und <strong>ein</strong> bisschen Anstand hab ich dann doch noch. Also, ich bin weißblau<br />
mit Buchstaben drauf und hab rote Haare. Frankreichflagge, ätzend. Ich wäre lieber <strong>ein</strong>e Latina, braun, dicke,<br />
schwarze Haare und so, aber n<strong>ein</strong>, Frankreichflagge. Beschissen. Ende. Neunter Mai 2008/Bleicherhof 12a/m<strong>ein</strong><br />
Zimmer/Bett Liebe Maya. Bevor ich Dir D<strong>ein</strong>e Fragen beantworte, übrigens, Du musst mir k<strong>ein</strong>e Fragen stellen, um<br />
unsere Konversation am Leben zu halten, oder um höflich zu s<strong>ein</strong>, muss ich Dir etwas erzählen. M<strong>ein</strong>e Schwester<br />
<strong>ist</strong> wieder da. Sie war nämlich lange weg, wie Du Dir vielleicht denken kannst, sonst wäre es ja k<strong>ein</strong>e Neuigkeit, dass<br />
sie da <strong>ist</strong>, also, sie war über <strong>ein</strong> Jahr weg und jetzt <strong>ist</strong> sie wieder da. Sie hat nämlich studiert, bildende Kunst in<br />
Maastricht, das <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e Universität in den Niederlanden, Jetzt <strong>ist</strong> sie fertig und wieder zu Hause. Sie kam ganz früh<br />
mit dem Zug an und war, als ich um halb sechs in die Küche gekommen bin, schon da und hatte m<strong>ein</strong>e Mutter,<br />
Cornflakes, Tee und <strong>ein</strong> paar von ihren Bildern dabei. Ihre Bilder- die sind so schön. Sie sind furchtbar groß, ich<br />
wusste nicht, dass Gemälde so groß s<strong>ein</strong> müssen. Auf den me<strong>ist</strong>en sind nackte Frauen, aber Mila, so heißt m<strong>ein</strong>e<br />
Schwester nämlich, das <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> schöner Name, oder? Mila sagt, das <strong>ist</strong> Kunst und deshalb nicht anzüglich oder so.<br />
Mila saß in der Küche zwischen all den wunderschönen Bildern und war selber so wunderschön. Als sie nach Maastricht<br />
gezogen war, war sie anders gewesen, nicht so strahlend. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was sich an<br />
ihr geändert hat. Es war da und es war unübersehbar, aber ich konnte es nicht exakt benennen. Sie sieht genauso<br />
aus wie vor <strong>ein</strong>em Jahr. Natürlich trägt sie andere Kleidung, aber sie <strong>ist</strong> immer noch riesig und hat diesen Pferdeschwanz,<br />
den die Künstlerinnen in Filmen immer tragen, wenn gezeigt wird, wie wenig sie sich um ihr Äußeres…