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Verona - Hamburg Ballett

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OPER PREMIERE<br />

ABOUT DEATH<br />

22 | Journal 6<br />

Petra Müller<br />

Aída Guardia<br />

Anna Skryleva<br />

Alexander Soddy<br />

Markus Petsch<br />

Ryszard Kalus<br />

Aber auch in Josts angejazztem ›Death knocks‹ gibt es eine starke<br />

Grundspannung«, betont Petra Müller. »Entgegen dem<br />

Klischee ist der Tod hier weiblich – das bringt natürlich knis -<br />

ternde Erotik ein. Und die Sympathiewerte werden auch auf<br />

den Kopf gestellt: Der Tod tut einem fast leid, während sein<br />

Opfer ein mit allen Wassern gewaschener Geschäftsmann ist.«<br />

Gutes Gespür fürs Musiktheater hat der Komponist Chris -<br />

tian Jost schon mehrfach bewiesen: Der 46-jährige Wahl-<br />

Berliner feierte bereits erfolgreiche Opernpremieren in<br />

Düsseldorf unter John Fiore und in Essen unter Stefan Soltesz;<br />

seine Orchesterwerke wurden von Dirigenten wie Sir Simon<br />

Rattle und Sir Roger Norrington uraufgeführt. An der Komi -<br />

schen Oper Berlin kommt im Juni sein neues Musik theater -<br />

werk »Hamlet« heraus. Und in der Reihe »Dirigierende Kom -<br />

ponisten« ist Christian Jost auch im November bei den<br />

Philharmonikern <strong>Hamburg</strong> zu Gast.<br />

Als attraktiver Tod wird Katerina Tretyakova die Karten<br />

mischen. Die russische Sopranistin ist seit dieser Spielzeit<br />

Mitglied des Internationalen Opernstudios und war auf der<br />

Bühne der Staatsoper bereits u. a. als Musetta in »La Bohème«<br />

und Valencienne in »Die lustige Witwe« zu hören. Ihren<br />

Gegenspieler Nat singt Dominik Köninger, der damit seinen<br />

vorläufigen Abschied von der Alster gibt, nachdem er hier u.<br />

a. als Papageno in der »Zauberflöte« reüssierte.<br />

Auch in Gustav Holsts »Savitri« liefert sich der Tod ein<br />

Duell. Hier ist er aber tatsächlich ein Mann – und sein Gegner<br />

eine junge Frau: Savitri, die Frau des Holzfällers Satyavan. Ein<br />

indischer Mythos inspirierte den britischen Spätromantiker zu<br />

seiner erfolgreichsten, mitten im 1. Weltkrieg uraufgeführten<br />

Oper, die freilich außerhalb Englands kaum bekannt ist.<br />

Weltberühmt wurde Holst dagegen durch sein Orchesterwerk<br />

»Die Planeten«: ein opulentes Tongemälde, das mit seiner<br />

Oper »Savitri« zwei Berührungspunkte hat. Hier wie dort verarbeitet<br />

er spirituelle Themen und setzt einen Frauenchor ein.<br />

Die textlos summenden Stimmen des Chors verstärken die<br />

suggestive Atmosphäre in »Savitri« zu einer fast magischen<br />

Überhöhung. Zeitlebens war Holst fasziniert von indischer<br />

Religion und Mythologie – er lernte sogar Sanskrit. In »Savitri«<br />

kreisen die Gedanken ebenfalls um eine Zentralidee des Hin -<br />

du ismus: »Maya«, die Täuschung durch verblendete Illusion,<br />

die überwunden werden muss. Auch der Tod, lehrt »Savitri«,<br />

sei letztlich nur »Maya«.<br />

Petra Müller sieht die Zeitlosigkeit dieser Legende als spannenden<br />

Kontrast zum ganz vom Groß stadtneurotikerleben<br />

durchpulsten Woody-Allen-Sketch: »In ›Savitri‹ geht es um die<br />

Idee von Mann und Frau als untrennbares Ganzes. Savitri entmachtet<br />

den Tod durch ihre Liebe zu Satyavan. Die beiden sind<br />

pure, einfache Menschen, und in dieser Schlichtheit liegt ihre<br />

Kraft. Ein ganz sanftes, schwebendes Stück, dem man mit einer<br />

großen Klarheit begegnen muss.«<br />

Die butterweichen lyrischen Klänge von Holst – angereichert<br />

durch einen Schuss britischer Folksong-Idylle – werden<br />

von Anna Skryleva dirigiert. Seit 2007 ist die Dirigentin und<br />

Pianistin aus Moskau nach Stationen in Bielefeld, Karlsruhe<br />

und Köln an der Staatsoper <strong>Hamburg</strong> engagiert. Konzertauf -<br />

tritte und Festivals führten sie u. a. nach Kopenhagen, Mexiko<br />

und zum Festival »Kunst ohne Grenzen« nach Berlin. »In<br />

Holsts Oper herrscht zwischen der Realität des Liebespaars<br />

und der irrealen Welt eine deutliche atmosphärische Tren -<br />

nung«, so die junge Russin. »Savitri und Satyavan singen oft<br />

volksliedhaft einfach, nicht nur mit opernhafter Stimme. Dies<br />

mit der mysteriösen ›Maya‹-Welt zu verbinden, ist eine gestalterische<br />

Herausforderung.«<br />

Die Titelrolle der mutigen Savitri übernimmt Vida<br />

Mikneviciute. Seit dieser Spielzeit ist die Sopranistin aus<br />

Litauen Mitglied des Opernstudios, wo sie zuletzt als Adina<br />

in »L’Elisir d’Amore« und im Weihnachtsoratorium überzeugte.<br />

Sein begeistert aufgenommenes <strong>Hamburg</strong>debüt gab<br />

Dovlet Nurgeldiyev (Satyavan) als Fenton in Verdis »Falstaff«.<br />

Der Tenor aus Turkmenistan hat in seiner ersten Saison als<br />

Opern studio mitglied auch bereits als Cheva lier in Poulencs<br />

»Dia logues des Carmélites« viel Beifall erhalten. Als Tod kehrt<br />

Ryszard Kalus zurück; der polnische Bariton war von 2005 bis<br />

2007 im Opernstudio engagiert.<br />

In John Taveners »A Gentle Spirit« hat der Tod aber doch<br />

einmal zugeschlagen: Eine junge Frau stürzt sich aus dem<br />

Fenster, in ihren Händen umklammert sie eine Ikone. An ihrer<br />

Leiche reflektiert ihr Mann über die fehlgeschlagene Ehe und<br />

die Gründe der Katastrophe. 1976 schrieb der britische Kom -<br />

ponist seine Kammeroper nach der 100 Jahre zuvor erschienenen<br />

Erzählung »Die Sanfte« von Fjodor Dostojewski: ein<br />

atemberaubender innerer Monolog über Schuld, Sühne und<br />

die Hölle einer sprach- und lieblosen Beziehung. »Hier tritt<br />

der Tod nicht selbst auf«, erzählt Petra Müller, »der Überlebende<br />

ist ganz allein und erlebt die Vergangenheit nur in Rück -<br />

blenden. Die Tote ist aber ständig präsent und löst damit den<br />

Blick in die menschlichen Abgründe des Mannes aus. Er ist<br />

ein psychisches Wrack, sozial völlig isoliert, und erst ganz zum<br />

Schluss kann er seine Trauer zulassen.« Der Tenor Markus<br />

Petsch, in <strong>Hamburg</strong> zuletzt in »Tannhäuser« und den »Meis -<br />

ter singern von Nürnberg« zu Gast, nimmt die Heraus forde -<br />

rung an. Ihm zur Seite lässt sich Trine W. Lund auf die vokale<br />

Drahtseilartistik ein. Die norwegische Sopranistin, u. a. als<br />

Gretel und Ännchen in <strong>Hamburg</strong> erfolgreich, verabschiedet<br />

sich vom Opernstudio.<br />

John Tavener, mittlerweile ganz in der esoterischen Musik<br />

angekommen, beißt in diesem Frühwerk noch kräftig auf den<br />

Granit der Avantgarde, obwohl er auch schon den ihn später<br />

so prägenden Einfluss der russisch-orthodoxen Glaubenswelt<br />

verarbeitet. Beiden Seiten der Partitur wird Alexander Soddy<br />

gerecht werden. Der junge englische Dirigent hat bereits die<br />

letzte Opernstudio-Produktion, Cavallis »La Calisto«, zu um -<br />

jubeltem Erfolg geführt. Auch im Orchestergraben der Staats -<br />

oper hat er sich bei Mozarts »Zauberflöte« bereits bestens<br />

bewährt. »Die Rahmenstücke von Jost und Tavener sind denkbar<br />

verschieden«, meint Alexander Soddy. »Bei Josts Woody-<br />

Allen-Oper ist das Thema Tod durch einen trockenen, schnellen,<br />

bissigen Humor dargestellt. Josts Musik ist locker, jazzig<br />

und rhythmusbetont. Dagegen verarbeitet Taveners Dosto -<br />

jewski-Vertonung den existenziellen Verlust in einer sehr kompromisslosen<br />

Tonsprache, einer strengen, dennoch sehr emotional<br />

aufgeladenen Zwölftonmusik.«<br />

Den eng geknüpften dramaturgischen Faden zwischen den<br />

drei Stücken will die Regisseurin deutlich ausrollen – gemeinsam<br />

mit ihrer Bühnenbildnerin Aída Guardia, die bei Johannes<br />

Leiacker studierte und nach Assistenzen u. a. an der Wiener<br />

Staatsoper und der Oper Leipzig seit 2006 mit Petra Müller<br />

zusammenarbeitet: »In allen drei Stücken ist die Kon -<br />

frontation mit dem Tod sehr individuell behandelt. Aber sie<br />

kommt für jeden unerwartet. Der Boden gleitet unter den<br />

Füßen weg, man kann sich nirgendwo festhalten. Dieser<br />

Situation der Ver gänglichkeit wollen wir nachspüren.«<br />

Ein nachtschwarzer Abend wird es aber nicht, verrät Petra<br />

Müller: »Die Quintessenz der drei Stücke ist die Sehnsucht<br />

nach Leben.« Und zu den musikalisch eindringlichsten<br />

Passagen gehört die Mahnung in »A Gentle Spirit«, der<br />

Dostojewski-Oper: »Let my soul live«, ruft die junge Frau aus<br />

dem Jenseits.<br />

KERSTIN SCHÜSSLER- BACH

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