Verona - Hamburg Ballett
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BALLETT ENSEMBLE<br />
MITGLIEDER DER COMPAGNIE<br />
Südamerikanisches Temperament und europäische Herausforderungen<br />
Carolina Agüero und Thiago Bordin, Erste Solisten des HAMBURG BALLETT<br />
■ Im Sommer 2009 sind sie im »Pavillon d’Armide« verabredet: Carolina<br />
Agüero und Thiago Bordin. Auch Aschenbachs Konzepte im »Tod in<br />
Venedig« verkörperten die beiden Ersten Solisten des HAM BURG BAL-<br />
LETT gemeinsam. Die Argenti nierin und der Brasilianer hatten zu unterschiedlichen<br />
Zeiten den gleichen Traum: Ihre südamerikanische Heimat<br />
Richtung Europa zu verlassen, denn dort sollte ihre tänzerische Zukunft<br />
liegen. Die Hoffnungen haben sich erfüllt, wenn auch auf verschiedenen<br />
Wegen.<br />
Carolina Agüero war ein wildes Mädchen. Als Dreijährige schickte ihre<br />
Mutter sie zum Tanzunterricht, damit sie sich dort austoben möge. Der<br />
Plan gelang: Carolina konnte ihren Energieüberschuss in spanischen und<br />
südamerikanischen Folkloretänzen loswerden, tanzte sich wenige Jahre später<br />
auch in Stepp- und klassischem Tanz gezielt müde. Dass in dieser privaten<br />
<strong>Ballett</strong>schule in Córdoba der Grundstein für eine internationale<br />
Karriere gelegt wurde, daran dachte damals noch niemand. Erst mit dem<br />
Wechsel zur <strong>Ballett</strong>schule der Oper in Córdoba reifte in der zwölfjährigen<br />
Carolina der Wunsch, Tanz zum Beruf zu machen. Nun folgte sie ihrem eigenen<br />
Plan – und einer strengen zeitlichen Einteilung von Montag bis Freitag:<br />
Die allgemeinbildende Schule belegte den Vormittag, nach einer kurzen<br />
Pause am Mittag zu Hause trainierte sie in der Oper von 17 bis 20 Uhr,<br />
danach nahm sie noch zwei weitere Stunden Unterricht an einer privaten<br />
Schule; die Hausaufgaben wurden während der täglichen Busfahrten erledigt.<br />
Mit 17 Jahren schloss sie ihre Ausbildung zur Tänzerin ab, zwei Jahre<br />
früher als üblich, dank des regelmäßigen, zusätzlichen Trainings am Abend.<br />
Als harte Belastung habe sie ihren Stundenplan nie empfunden, »wenn man<br />
etwas wirklich liebt, ist es keine Anstrengung«, sagt die 33-Jährige – und<br />
das gilt für die täglichen tänzerischen Herausforderungen bis heute, ob bei<br />
Proben oder auf der Bühne.<br />
18 | Journal 6<br />
Ihr erstes Engagement erhielt Carolina Agüero in ihrer Heimatstadt<br />
beim Córdoba Ballet, dort tanzte sie ab 1994. Drei Jahre später wechselte<br />
sie nach Chile zum Ballet de Santiago, um nach nur einem weiteren Jahr<br />
den Sprung nach Europa zu wagen: Eine Spielzeit lang bereicherte sie das<br />
Stuttgarter <strong>Ballett</strong>, in der folgenden zog sie nach Dresden – denn dort war<br />
ihr Mann engagiert, der argentinische Tänzer Dario Franconi. Gemeinsam<br />
übersiedelte das Paar im Jahr 2000 dann nach Helsinki, dem Finnischen<br />
Nationalballett gehörten beide sechs Jahre lang an. Was sie in den ersten<br />
Jahren begonnen hatte, setzte Carolina Agüero in Finnland fort: Ihren Tanz<br />
durch die wichtigsten Rollen des klassischen Repertoires mit Titelpartien<br />
in »La Sylphide«, »Raymonda« und »Dornröschen«, aber auch als<br />
Odette/Odile aus »Schwanensee«, Kitri in »Don Quixote« und Clara aus<br />
»Der Nussknacker«.<br />
Und dann kam John. Dieser Satz taucht in mehreren Tänzer-Biografien<br />
auf, wenn von einem markanten Wendepunkt die Rede ist, denn er meint:<br />
Nach der Arbeit mit John Neumeier war nichts mehr wie zuvor. Der<br />
<strong>Hamburg</strong>er <strong>Ballett</strong>intendant studierte Anfang des Jahres 2006 mit dem<br />
Finnischen Nationalballett seine Choreografie »Die Möwe« ein; kurz vor<br />
der Premiere am 31. März 2006 fassten sich Carolina Agüero und ihr Mann<br />
ein Herz und fragten den Choreografen, ob es eine Chance gäbe, nach<br />
<strong>Hamburg</strong> zu wechseln. Die gab es tatsächlich: Nur zehn Tage später kam<br />
der entscheidende Anruf von John Neumeier, und so stand im Sommer 2006<br />
der Umzug in die Hansestadt an. Was Carolina bis dahin in nur wenigen<br />
Werken von John Cranko in Stuttgart und Jirí Kylián in Helsinki erlebt hatte,<br />
war nun ihr täglich Brot: Eine Körpersprache, die weit über klassische<br />
Bewegungsmuster hinaus den ganzen Menschen fordert und ihr Freiheit<br />
in der individuellen Gestaltung der jeweiligen Figuren lässt. Das gilt auch<br />
für die Solisten-Rollen in John Neumeiers »Le Sacre«; Jahre bevor sie nach<br />
<strong>Hamburg</strong> kam, sah sie den Klassiker der Moderne einmal in Dresden, als<br />
sie Dario dort besuchte – »es war anders als alles, was ich bisher gesehen<br />
hatte«, erinnert sie sich. Inzwischen hat sie selbst einen der Solo-Parts in<br />
»Le Sacre« getanzt und lernt gerade die Rolle der »Auserwählten« in<br />
Millicent Hodsons und Kenneth Archers Rekonstruktion von Nijinskys »Le<br />
Sacre du Printemps« für die diesjährigen 35. <strong>Hamburg</strong>er <strong>Ballett</strong>-Tage. Und<br />
auch die »Sylvia«, der Carolina Agüero ein ganz eigenes Profil mit kämpferischem<br />
Temperament verleiht – das wilde Mädchen von einst bricht hier<br />
immer noch durch.