Verona - Hamburg Ballett
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BALLETT SCHÜLER MACHEN ZEITUNG<br />
Man kann ein ganz anderer sein<br />
Zwischen Tutu, Ballerina und Pirouette – ein Nachmittag in der <strong>Ballett</strong>schule des HAMBURG BALLETT<br />
■ Filme wie »Center Stage« und »Save the last<br />
Dance« machten es groß. Und auch für 34 Kinder<br />
und Jugendliche im Alter von 11 bis 18 Jahren ist<br />
es schon längst zu einem großen, wenn nicht<br />
sogar zum wichtigsten Aspekt in ihrem Leben<br />
geworden: Das <strong>Ballett</strong>tanzen!<br />
Ich schaute mich in der großen Eingangs -<br />
halle des <strong>Ballett</strong>zentrums in Hamm um, wäh -<br />
rend ich auf meine Begleiterin wartete. An den<br />
Wänden hingen Bilder von <strong>Ballett</strong>tänzern auf<br />
gro ßen Bühnen. Vor mir eine breite, weiße Wen -<br />
del trep pe, die in die oberen Etagen des Gebäudes<br />
führte. Ja, so in der Art hatte ich mir das Bal lett -<br />
haus vorgestellt. Schritte. Meine Begleiterin kam<br />
die Treppe herunter. Nach einer herzlichen Be -<br />
grü ßung führte sie mich zu den oberen Etagen<br />
in das Internat, in dem die jungen <strong>Ballett</strong>tän -<br />
zerInnen leben. 13 unterschiedliche Nationen<br />
treffen hier aufeinander. Darunter insbesondere<br />
Jugendliche aus Italien, Japan und Spanien –<br />
eben eine kunterbunte Mischung verschiedens -<br />
ter Länder.<br />
Mit dem Betreten der Internatsetage sah ich<br />
bereits mehrere der TänzerInnen. Es herrschte<br />
eine ausgelassene und entspannte Atmosphäre.<br />
Einige grüßten sogleich, andere huschten von<br />
einem Zimmer ins andere oder unterhielten sich<br />
auf dem Flur. Durch die lockere Stimmung verflog<br />
meine anfängliche Aufregung glücklicherweise<br />
recht schnell, und die Freude auf das Inter -<br />
view mit einigen der TänzerInnen stieg von Mo -<br />
ment zu Moment.<br />
Nachdem ich mir noch einige formale Dinge<br />
über das <strong>Ballett</strong>zentrum notiert hatte, sollte ich<br />
mich im sogenannten TV-Room schon einmal<br />
für das Interview einrichten. Kurze Zeit später<br />
standen bereits meine ersten Interviewpartner<br />
hinter mir: Manuel (16) und Valerio (14) aus<br />
Italien und Patrick (16) aus Deutschland. In der<br />
Annahme, es würde bei diesen drei Jungen bleiben,<br />
begann ich mein Interview mit der Frage<br />
nach einem typischen Tagesablauf im Internat:<br />
Nach dem Aufstehen und Fertigmachen geht es<br />
ab in die Schule bis ca. 16 Uhr. Zurück im Internat<br />
gibt es dann erst einmal Essen und kurz darauf<br />
wartet auch schon das zweistündige Training.<br />
Doch dies beinhalte nicht nur das <strong>Ballett</strong> selbst,<br />
sondern auch Modern Dance, Folklore oder Krafttraining,<br />
wie die Jungen betonen. Um ca. 20 Uhr<br />
ist dann auch Schluss – jedenfalls was das Tanzen<br />
angeht. Schließlich gibt es da nach dem Essen ja<br />
auch immer noch sowas wie Hausaufgaben –<br />
viele Hausaufgaben!<br />
Und während ich so mitschrieb, bemerkte ich<br />
nicht, wie sich der Raum zunehmend füllte. So<br />
waren es statt drei Jungen als Interview partner<br />
schlussendlich so manches Mädchen und so man -<br />
cher Junge mehr. In der Hoffnung, wenigstens<br />
noch halbwegs den Überblick behalten zu können,<br />
fuhr ich fort. Trotz dessen, dass der Groß teil<br />
nicht deutschsprachig aufgewachsen ist, erwies<br />
14 | Journal 6<br />
sich das Gespräch auf Deutsch zu meiner<br />
Erleichterung als sehr aufgelockert und vor allem<br />
lustig.<br />
Auf die Frage, wie sie denn überhaupt zu dem<br />
<strong>Ballett</strong>zentrum gekommen seien, antworteten die<br />
meisten, dass sie schon vorher hobbymäßig<br />
getanzt oder sich sportlich betätigt hätten und<br />
im Folgenden zumeist über ihre Eltern zum Bal -<br />
lett gekommen seien. Wobei Patrick mit einem<br />
Grinsen gestehen muss, dass ihn das <strong>Ballett</strong> zu<br />
Anfang nicht sonderlich begeistert hat.<br />
Bezüglich der Frage nach der Besonderheit<br />
des <strong>Ballett</strong>zentrums, kam die Antwort eher zögerlich.<br />
Zwar verbanden alle Anwesenden etwas Be -<br />
sonderes mit ihrem »zweiten Zuhause« – dieses<br />
Etwas jedoch in Worte zu fassen, erwies sich als<br />
schwieriger als man glaubt. Nach einer kurzen<br />
Phase des Überlegens tat sich aber doch noch so<br />
manche Antwort auf. So bezog sich die kleine<br />
Chloe (14, Italien) auf die Strenge und Dis zi plin<br />
einerseits und den Spaß und die Professio nalität<br />
unter der Regie John Neumeiers andererseits.<br />
Zwar herrsche ein gewisser Druck auf den Tän -<br />
zern und Tänzerinnen, aber den bräuchten sie<br />
auch, um voran zu kommen und besser zu werden.<br />
Man müsse immer positiv denken – ge rade<br />
auch hinsichtlich der jährlichen Prüfung im Mai,<br />
bei der entschieden wird, ob man noch ein Jahr<br />
länger bleiben darf oder nicht – Prüfungs stress,<br />
Zweifel, Angst.<br />
Doch gerade in diesen Momenten genieße<br />
man die gemeinsame Zeit besonders intensiv und<br />
versuche sich abzulenken – Musik hören, mit<br />
Freunden treffen oder einfach mal ein großes<br />
Stück Schokolade in den Mund schieben.<br />
In Hinblick auf meine Frage nach den Be zie -<br />
hungen untereinander und inwieweit Kon kur -<br />
renzdruck besteht, erklingt zuerst eine relativ einheitliche<br />
Antwort, nach der alle gleich einer gro -<br />
ßen Familie seien und es keinen wirklichen Kon -<br />
kurrenzdruck gebe. Offen und ehrlich er wähnt<br />
Chloe dann aber doch, dass sich das Kon kur renz -<br />
denken nicht komplett vermeiden ließe. Es entstehe<br />
aber auch kein Zickenkrieg, wie man es aus<br />
so manchem Film kennt. Neben den »normalen«<br />
Freundschaften bilde sich aber auch die eine oder<br />
andere Liebesbeziehung heraus. Ob sich diese<br />
negativ auf das Training auswirke? Ein einheitliches<br />
»Nein«!<br />
Schließlich wollte ich noch wissen, was das<br />
<strong>Ballett</strong> für meine Interviewpartner ausdrücke: Ein<br />
Weg, seine Gefühle auszudrücken. »Man kann je -<br />
mand ganz anderes sein«, fügt Ornella (15, Ita -<br />
lien) hinzu. Das ganze Herz steckt in dieser Leiden -<br />
schaft – der Leidenschaft zum <strong>Ballett</strong> tan zen. Letz -<br />
te res stimmt mich noch heute, Wochen nach meinem<br />
Interview, nachdenklich, erinnere ich mich<br />
daran, dass ich vor Jahren selbst einmal <strong>Ballett</strong><br />
getanzt habe, mich dann entschied, aufzuhören.<br />
Eine Entscheidung, die ich in manchen Mo men -<br />
ten bereue, wenn ich erlebe, wie viel das <strong>Ballett</strong><br />
den Jugendlichen doch bedeutet und mit welcher<br />
Emotion sie hinter ihrer Leidenschaft stehen. Im<br />
Dezember hatten die Jugendlichen eine Weih -<br />
nachtsvorführung, bei der ich eingeladen war. Ein<br />
letztes Mal wurden mir die Türen in diese zauber -<br />
hafte Welt geöffnet. Türen, die für mich in Zu kunft<br />
wohl für immer verschlossen bleiben werden.<br />
Marika M. D. Williams<br />
Klasse 11, Kurt-Körber-Gymnasium