Verona - Hamburg Ballett
Verona - Hamburg Ballett
Verona - Hamburg Ballett
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
BALLETT NEWS<br />
STIFTUNG JOHN NEUMEIER<br />
Wer hätte nicht gerne Bakst oder Diaghilew<br />
tanzen gesehen?<br />
Neues aus der Stiftung John Neumeier<br />
Vergangenes Jahr hatte John Neumeier die Spen -<br />
derinnen und Spender in die Stiftung eingeladen,<br />
die großzügig den Erwerb der Zeichnungen Vas -<br />
la w Nijinskys unterstützt hatten. Bereits damals<br />
hatten wir die Hoffnung ausgesprochen, dass zum<br />
100. Jahrestag der Premiere der Ballets Russes in<br />
Paris diese Zeichnungen in der <strong>Hamburg</strong>er<br />
Kunst halle zu sehen sein werden. Nun ist es<br />
soweit, die Ausstellung eröffnete am 19. Mai und<br />
zeigt Nijinskys Werk im Zusammenklang mit<br />
anderen Künstlern seiner Zeit. Als Dank für die<br />
Unter stüt zung werden alle Spenderinnen und<br />
Spender noch mals herzlich von der Stiftung in die<br />
Kunsthalle ein geladen.<br />
Neben den Zeichnungen Nijinskys werden<br />
dort auch Werke gezeigt, die den Blick verschiedener<br />
Künstler auf Nijinsky präsentieren. Hier wird<br />
auch eine Neuerwerbung aus der Sammlung von<br />
John Neumeier vorgestellt werden, die erst kürzlich<br />
ins Haus kam und zwei Besonderheiten mit<br />
sich brachte. Die Zeichnung ist in der Kunst halle<br />
zu sehen, die Beigaben sind hier veröffentlicht.<br />
Die Tuschezeichnung auf Bleistift von Jean<br />
Cocteau stellt Vaslaw Nijinsky in einer seiner<br />
Paraderollen dar, er tanzt »Le Spectre de la Rose«<br />
– und allein die Pose würde dies auch ohne Kos -<br />
tüm und Kopfschmuck aus Rosenblättern verraten.<br />
Das Blatt ist unten rechts signiert mit<br />
Cocteaus, von ihm gerne und häufig verwendetem<br />
Monogramm »JC«, das er gerne flüchtig setzt<br />
und sich wie in einer gespiegelten Klammer vereinfacht<br />
oder gar, wie auf diesem Blatt, sich in ein<br />
vermeintliches »H« der alten Schulschrift versteckt.<br />
Die am Fuß geschnittene Figur steht rechts<br />
der Blattmitte und schaut über die rechte Schulter<br />
in das Blatt, wo drei Beschriftungen zu entdecken<br />
sind. Augenfällig ist die mittige Signatur Nijinskys,<br />
zusätzlich von seiner Hand datiert der 1. Januar<br />
1912. Darüber quer von Jean Cocteau annotiert,<br />
hier übersetzt: »Für Madame la Marquise de<br />
Ripon / ein zufälliger Zeichner / Hochachtungs voll<br />
und entzückt«, ebenso signiert und mit gleichem<br />
Tag datiert. Constance Gwladys Robinson, Lady<br />
de Grey, später Marchioness of Ripon, hatte<br />
großen Einfluss am Royal Opera House in Lon -<br />
don. Nachdem sie Diaghilews Compagnie in Paris<br />
gesehen hatte, kam es 1911 durch ihre Veranlas -<br />
sung zur historischen ersten Saison der Ballets<br />
Russes in London. Ergänzt ist das Blatt um eine<br />
weitere Inschrift Cocteaus unten links: »Watzlav<br />
F. begeistert und beruhigt, da er das einzige Genie<br />
ist, dem dieser Beweis seiner Lyrik immer ge lingt.«<br />
Dieses Blatt ist schon für sich alleine faszinierend,<br />
doch im Auktionskatalog war das Los bereits<br />
erweitert um den Hinweis auf zwei weitere Blätter<br />
von unbestimmter Hand. So war es nach dem<br />
Zuschlag spannend abzuwarten, welche Beigaben<br />
12 | Journal 65<br />
sich zeigen würden. Erfreulicher wei se handelt es<br />
sich um zwei weitere Tusche blät ter Cocteaus mit<br />
Karikaturen von Léon Bakst und Serge Diaghilew<br />
in den beiden Kostümen aus »Le Spectre de la<br />
Rose«. Bakst, mit gezwirbeltem Schnurr bart und<br />
Zwicker, steht mit muskulösem Oberkörper vor<br />
uns und blickt, ganz dem Vorbild entsprechend,<br />
über seine rechte Schulter nach links. Am rechten<br />
Bildrand endet die äußere Linie des Oberarms im<br />
Monogramm Cocteaus »JC«. Von links zum unteren<br />
Blattrand wird erläutert: »Watzlavs schlechter<br />
Laune wegen opfert sich Bakst und tanzt den<br />
Geist an seiner Stelle. Ein gewaltiger Erfolg veranlasst<br />
Diaghileff ihm die Rolle zu überlassen.«<br />
Diaghilew hingegen wirkt leicht eingezwängt in<br />
das Kostüm der Debü tantin, damals hauptsächlich<br />
getanzt von Tamara Karsawina. Diaghilew<br />
stürmt fast das Bild von rechts, es wirkt als würde<br />
sein Monokel durch die lebhaft gesetzten Linien<br />
Cocteaus hüpfen. Auch für seinen Auf tritt gibt es<br />
eine Erklärung: »Um uns von Ma da me Chechins -<br />
ka zu erlösen, opfert sich Diaghilev, Spectre mit<br />
Waslaw Formich zu tanzen.« Mathil de Kschessinska,<br />
Prinzessin Romanovsky-Krassinsky, war wohl<br />
aufgrund ihrer Nähe zum Zarenhaus und dem<br />
Kaiserlichen <strong>Ballett</strong> nicht immer wohlgelitten.<br />
Diese beiden Karikaturen bilden mit dem<br />
großen Blatt ein seltenes, und hier vor allem unerwartetes<br />
Konvolut. Diese frühen Blätter Jean<br />
Cocteaus sind ebenso kunstgeschichtlich bedeutsam,<br />
wie sie einen Blick auf Cocteaus Einbindung<br />
in die Welt der Ballets Russes werfen und den<br />
Künstler wie auch die Compagnie von einer ge -<br />
lungenen humoristischen Seite zeigen. Wer von<br />
uns hätte nicht gerne Bakst oder Diaghilew tanzen<br />
gesehen?<br />
Neben Neuerwerbungen steht in der Stiftung<br />
jedoch nach wie vor die Erschließung aller Be -<br />
stände im Vordergrund. Der Sammlungsbereich<br />
der Druckgrafik des 17. bis 18. Jahrhunderts ist<br />
wissenschaftlich erschlossen worden, die um fang -<br />
reichere Grafik des 19. Jahrhunderts folgt dem<br />
nach. Parallel wird bereits die Sammlung des<br />
Porzellans dieser drei Jahrhunderte gesichtet –<br />
deren Dokumentation und Erschließung bereits<br />
mit den frühen Porzellanen begann und dieses<br />
Jahr abgeschlossen wird.<br />
Besonderes Aufgabengebiet war im vergangenen<br />
Jahr die Beteiligung an zahlreichen Aus stel -<br />
lungen, nicht zuletzt durch das 100. Jubiläums jahr<br />
der Ballets Russes. Leihgaben gingen an das Centre<br />
Pompidou in Paris, zum Haus der Kunst in<br />
München und besonders zu der Jubiläumsaus -<br />
stellung »Schwäne und Feuervogel. Die Ballets<br />
Russes 1909-1929« im Deutschen Theater muse -<br />
um in München sowie ab dem 24. Juni im Österreichischen<br />
Theatermuseum in Wien. Die Stif -<br />
tung beteiligt sich ebenso an der Ausstellung<br />
»›Etonne-moi!‹ Sergei Diaghilev and the Ballets<br />
Russes«, die im Nouveau Musée National de<br />
Monaco im Juli beginnt und anschließend in der<br />
Tretiakow Galerie in Moskau zu sehen sein wird.<br />
In Planung befindet sich eine Ausstellung auf der<br />
Ostseereise der MS Europa der Reederei Hapag-<br />
Lloyd diesen August sowie die im kommenden<br />
Jahr stattfindende Aus stellung zu den Ballets<br />
Russes im Victoria & Albert Museum in London.<br />
Auch sind die Nijinsky-Zeichnungen an gefragt<br />
für ein Ausstel lungs projekt der Sammlung Prinz -<br />
horn an der Psychiatrischen Universitätsklinik in<br />
Heidelberg.<br />
John Neumeier freut sich über das große Inte -<br />
resse an den Beständen der Sammlungen und<br />
über die zahlreichen Anfragen um Leihgaben für<br />
internationale Ausstellungen. Die Aufmerk sam -<br />
keit, die der Stiftung entgegengebracht wird, ist –<br />
nicht zuletzt dank der Aus stellung der Zeich -<br />
nungen von Vaslaw Nijinsky – in vielen Publi -<br />
kationen der letzten Zeit deutlich spürbar geworden.<br />
Von der überregionalen Tages presse über<br />
Kunst- und Architekturzeitschriften, bis hin zu<br />
ausführlichen Berichten der Fachpresse für Tanz<br />
und <strong>Ballett</strong> reicht das Spektrum, in welchem über<br />
die Sammlungen und die Tätigkeiten der Stiftung<br />
berichtet wird.<br />
An vielen Orten wurde auch die Buchausgabe<br />
»In Bewegung«, zur über 30-jährigen Tätigkeit<br />
John Neumeiers in <strong>Hamburg</strong>, sehr positiv be spro -<br />
chen. Dieser umfassende Band stieß auf großes<br />
Interesse und ist im Buchhandel bereits vergriffen,<br />
kann jedoch weiterhin über die Stiftung John<br />
Neumeier bezogen werden.<br />
Wie im vergangenen Jahr kamen Studierende<br />
und Wissenschaftler zu Arbeiten mit den Be stän -<br />
den in die Stiftung. Neben den bereits laufenden<br />
Forschungsprojekten und Abschlussarbeiten ent -<br />
stehen immer wieder neue Vorhaben aus den vielen<br />
Anfragen. Aktuell ist ge plant, die Ausgabe der<br />
CD-Reihe mit Musiken der Diaghilew-Bal lette<br />
der SWR music und hänssler CLASSIC zu unterstützen.<br />
Wir freuen uns sehr über diesen Zuspruch<br />
und sehen darin die Be stä tigung, wie wichtig es<br />
war, die Sammlungen John Neumeiers durch die<br />
Stiftung schrittweise zur Nutzung auch vermehrt<br />
in die Öffentlichkeit zu tragen. So bleibt es das<br />
Ziel, die Sammlungen weiter zu institutionalisieren,<br />
und wir würden uns freuen, wenn Sie uns<br />
darin weiterhin unterstützen wollen!<br />
Stiftung John Neumeier<br />
Geffckenstraße 26, 20249 <strong>Hamburg</strong><br />
Telefon: 040-413 053 880<br />
HANS- MICHAEL SCHÄFER