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Schneemassen en gros Lust auf Farbgestaltung - Leipziger ...

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Palm<strong>en</strong>gart<strong>en</strong><br />

„In hiesiger Stadt findet ein Weißbier viel<br />

Beyfall, welches d<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong> Gohse führet<br />

und in Glauzig im Dessauisch<strong>en</strong> gebrauet<br />

wird“, so heißt es in einem Schreib<strong>en</strong> vom<br />

23. September 1776. Als Burgkellerpächter<br />

Hermann diese Zeil<strong>en</strong> zu Papier brachte,<br />

war der süffige Saft längst im Begriff, die<br />

Herz<strong>en</strong> und Kehl<strong>en</strong> der Messestädter zu<br />

erobern und zur <strong>Leipziger</strong> Spezialität zu<br />

werd<strong>en</strong>. „Erÿobert“ hatte das Bier die Stadt<br />

vom Nord<strong>en</strong> her: Der erste Ausschank lag an<br />

der Heerstraße in Eutritzsch, wo Gose seit<br />

1738 in einem Gasthof kred<strong>en</strong>zt wurde, der<br />

schon 1445 erbaut word<strong>en</strong> war – die spätere<br />

„Gos<strong>en</strong>schänke“.<br />

Der Ursprung dieses obergärig<strong>en</strong>, heute aus<br />

Weiz<strong>en</strong>, Gerste und Hopf<strong>en</strong> gebraut<strong>en</strong> Bieres<br />

lag in Goslar, wo es ein Flüssch<strong>en</strong> nam<strong>en</strong>s<br />

„Gose“ gibt. Als das Getränk dort in Blüte<br />

stand, gab es in der Harzstadt mehrere hundert<br />

kleine Brauerei<strong>en</strong>. Die „Trinkerÿgr<strong>en</strong>ze“<br />

verschob sich immer mehr zum nördlich<strong>en</strong><br />

Harzrand und erreichte schließlich anhaltinisches<br />

Gebiet.<br />

Das Bier g<strong>en</strong>oss Wohlwoll<strong>en</strong> auch am Fürst<strong>en</strong>hof<br />

von Anhalt-Dessau und war Lieblingsgetränk<br />

von Fürst Leopold I. Dieser<br />

veranlasste auch die erste Lieferung an d<strong>en</strong><br />

Eutritzscher Gasthof, dess<strong>en</strong> Wirt Giesecke<br />

er persönlich kannte – dieser hatte in einem<br />

seiner Regim<strong>en</strong>ter gedi<strong>en</strong>t. Auch musste<br />

die Erlaubnis des <strong>Leipziger</strong> Rates zum<br />

Ausschank eingeholt werd<strong>en</strong>, d<strong>en</strong>n dieser<br />

wachte über d<strong>en</strong> Biervertrieb in der Stadt.<br />

Seither betrachtete die wachs<strong>en</strong>de Gemeinde<br />

der Gosetrinker d<strong>en</strong> „alt<strong>en</strong> Dessauer“ als eine<br />

Art Stifterfigur: Seit 1747 hing sein Konterfei<br />

Wer früher nach Eutritzsch pilgerte, fand am Markt gleich zwei Ausschankstätt<strong>en</strong> für die <strong>Leipziger</strong><br />

Spezialität „Gose“: Neb<strong>en</strong> der „Gos<strong>en</strong>schänke“ (Bild links) bot auch die b<strong>en</strong>achbarte „Kümmelapotheke“<br />

d<strong>en</strong> süffig<strong>en</strong> Saft an.<br />

Er baute das preußische Heer zur schlagkräftigst<strong>en</strong> Armee Europas aus, kümmerte sich aber auch<br />

um Landwirtschaft und Gewerbe: Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau (1676-1747). (Bild Mitte.)<br />

Die Gaststube der Gos<strong>en</strong>schänke Ende des 19. Jahrhunderts. Rechts ob<strong>en</strong> an der Säule ein Bild des<br />

„alt<strong>en</strong> Dessauers“, <strong>auf</strong> d<strong>en</strong> Tisch<strong>en</strong> die charakteristisch<strong>en</strong> Goseflasch<strong>en</strong>. Im lang<strong>en</strong> Hals bildete<br />

sich währ<strong>en</strong>d der Nachgärung im Keller ein luftdichter Hefepfropf<strong>en</strong>, der vor dem G<strong>en</strong>uss kunstgerecht<br />

„abgeschwappt“ werd<strong>en</strong> musste (Bild rechts).<br />

Währ<strong>en</strong>d der Fahrt das „Zwickloch“ stets im Blick<br />

Verschwund<strong>en</strong>e <strong>Leipziger</strong> Bauwerke: Die Eutritzscher „Gos<strong>en</strong>schänke“<br />

14<br />

an der schwer<strong>en</strong> Eich<strong>en</strong>säule im Gastraum.<br />

Doch die Freude am neu<strong>en</strong> Getränk währte<br />

nur einige Jahrzehnte. Die napoleonisch<strong>en</strong><br />

Kriege, neue Gr<strong>en</strong>z<strong>en</strong> und die Kontin<strong>en</strong>talsperre<br />

bewirkt<strong>en</strong>, dass aus d<strong>en</strong> anhaltinisch<strong>en</strong><br />

Brauerein<strong>en</strong> nichts mehr nach<br />

Leipzig kam. Doch 1824 begründete der<br />

K<strong>auf</strong>mann Johann Gottlieb Goedecke <strong>auf</strong><br />

dem Rittergut Döllnitz im Saalkreis ein förmliches<br />

Gose-Imperium, das zahlreiche Gaststätt<strong>en</strong><br />

im Raum Leipzig-Halle belieferte.<br />

Aus der Brauerei kam allerdings keineswegs<br />

ein ausschankfähiges Getränk: In Döllnitz<br />

Flasch<strong>en</strong>rekord: Was an schön<strong>en</strong> Sommertag<strong>en</strong><br />

in der Eutritzscher Gos<strong>en</strong>schänke weggesüffelt<br />

wurde.<br />

bereitete man aus Hopf<strong>en</strong> und Malz d<strong>en</strong><br />

Sud, füllte ihn in große Holzfässer und fügte<br />

erst dann die Hefe hinzu. Währ<strong>en</strong>d das Pferdefuhrwerk<br />

viereinhalb Stund<strong>en</strong> g<strong>en</strong> Leipzig<br />

rollte, setzte die stürmische Gärung ein. Das<br />

stellte d<strong>en</strong> Fuhrmann nam<strong>en</strong>tlich im Sommer<br />

vor große Probleme: Er musste das Fass<br />

am „Zwickÿloch“ mehrfach <strong>en</strong>tlüft<strong>en</strong>, damit<br />

die bei der Gärung <strong>en</strong>tsteh<strong>en</strong>de Kohl<strong>en</strong>säure<br />

sein Transportbehältnis nicht spr<strong>en</strong>gte,<br />

was aber hin und wieder doch vorkam.<br />

Im Gasthaus erst wurde das Getränk in die<br />

charakteristisch<strong>en</strong> grün<strong>en</strong> Langhalsflasch<strong>en</strong><br />

gefüllt und über mehrere Woch<strong>en</strong> im Keller<br />

gelagert. Erst bei dieser Nachgärung erhielt<br />

das Bier Reife und Geschmack, was<br />

Variant<strong>en</strong> ermöglichte: Der Kunde konnte<br />

zwisch<strong>en</strong> einer „jung<strong>en</strong>“, einer „mittler<strong>en</strong>“<br />

und einer „alt<strong>en</strong>“ Gose wähl<strong>en</strong>. Was aber<br />

eine umfangreiche „Flasch<strong>en</strong>wirtschaft“ mit<br />

sich brachte: Die Eutritzscher Gos<strong>en</strong>schänke<br />

hielt rund 7000 Flasch<strong>en</strong> „im Gang“, die l<strong>auf</strong><strong>en</strong>d<br />

gereinigt, neu gefüllt und schließlich<br />

ausgetrunk<strong>en</strong> werd<strong>en</strong> musst<strong>en</strong> ...<br />

Hieß es Ende des 18. Jahrhunderts über<br />

Eutritzsch noch, der „Weg dahin sei traurig,<br />

das Dorf kothig und die Schänke eine<br />

wahre Kneipe“, so änderte sich das nach<br />

Ausbaut<strong>en</strong> grundleg<strong>en</strong>d. Das nunmehr „gehob<strong>en</strong>e“<br />

Lokal, zu dem die Messestädter<br />

in Mass<strong>en</strong> „in die Gose“ pilgert<strong>en</strong>, verfügte<br />

nun über ein<strong>en</strong> Gart<strong>en</strong>saal, ein<strong>en</strong> groß<strong>en</strong><br />

Restaurantgart<strong>en</strong> und eine Kegelbahn. Der<br />

2. Weltkrieg läutete das Ende der vergnüglich<strong>en</strong><br />

Stätte ein: Beim Bomb<strong>en</strong>angriff am<br />

20. Februar 1944 brannte das Obergeschoss<br />

aus. Notdürftig wurde der Betrieb noch bis<br />

1950 weitergeführt, dann die Gaststätte geschloss<strong>en</strong>.<br />

Bemühung<strong>en</strong> des Kulturbundes<br />

zu DDR-Zeit<strong>en</strong>, dies<strong>en</strong> Zeitzeug<strong>en</strong> zu erhalt<strong>en</strong><br />

und zu restaurier<strong>en</strong>, blieb<strong>en</strong> eb<strong>en</strong>so<br />

erfolglos wie Pläne zu einem Neubau. Im<br />

Februar 2001 wurde das Gebäude schließlich<br />

abgeriss<strong>en</strong>. Dabei hätte es die Gos<strong>en</strong>schänke<br />

verdi<strong>en</strong>t gehabt, die „Neuÿgeburt“<br />

der Gose würdig zu erleb<strong>en</strong> - auch diese gab<br />

es über Jahrzehnte nicht mehr. Heute hat<br />

Leipzig glücklicherweise gleich zwei neue<br />

Braustätt<strong>en</strong>. s hans-JoachiM hoffMann<br />

wohnzeit 2 /2010

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