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08.01.2013 Aufrufe

Aufsätze Heiko Biehl/Uwe Kranenpohl – Große Politik in einer kleinen Partei [...] MIP 2011 17. Jhrg. 143f.), während sich auf Kreisebene bereits ein deutlicher Effekt zeigt (ibid.: 146f.). Diese Befunde schließen aber nicht aus, dass sozial schwächere Personen sich in Parteien beteiligen. Dies ermöglichen organisationsbasierte Ressourcen, die durch seine soziale Einbindung entwickelt werden können. Dabei sind soziale Kontakte und Netzwerke von entscheidender Bedeutung. Durch Engagement in Vereinen und Verbänden können Bürger Fähigkeiten erlangen, die ihnen ein innerparteiliches Engagement erleichtern. Von daher gilt es neben soziodemographischen Charakteristika auch die gesellschaftliche Einbindung als Teil der aktivitätsrelevanten Ressourcen zu erfassen. b) Der sozialpsychologische Ansatz Im Gegensatz zum Ressourcenmodell fragt der sozialpsychologische Ansatz nicht nach dem ‚Können’, sondern nach dem ‚Wollen’ des Einzelnen und betrachtet dessen Einstellungen als zentrale Voraussetzung für ein Engagement. Infolgedessen sind vor allem diejenigen engagiert, die politische Interessen hegen und sich mit ihrer Partei im besonderen Maße identifizieren. Daneben muss das einzelne Mitglied der Überzeugung sein, sich kompetent in politische Zusammenhänge einbringen zu können. Er muss davon ausgehen, dass seinem Engagement Gehör geschenkt und grundsätzlich auf politische Aktivitäten reagiert wird (Reaktionsbereitschaft der Politik bzw. external efficacy) und er den Anforderungen, die das politische Geschehen an ihn stellt, gewachsen ist (politisches Selbstvertrauen bzw. internal efficacy). Empirische Studien bestätigen in Teilen diese Annahmen. So üben bei Klein (2006: 57) insbesondere die Einschätzung der eigenen politischen Kompetenz (ebenso: Caleta u.a. 2004: 64; vgl. auch Bürklin 1997: 134) sowie das Interesse an der (Kommunal-)Politik einen Einfluss auf das Ausmaß innerparteilicher Beteiligung aus. Inwiefern die politische Grundausrichtung partizipationsfördernd wirkt, wird in der Literatur strittiger diskutiert. Hierzu finden sich zwei widersprechende Hypothesen: So könnte eine iden- 96 tische Position parteipolitische Aktivität stärken, weil das Mitglied davon ausgeht, genau für die Ziele einzutreten, die auch der Gesamtpartei wichtig sind. Mitglieder, die eine größere Distanz zwischen sich und der Partei wahrnehmen, sollten sich demgegenüber resigniert aus dem Parteigeschehen heraushalten. Umgekehrt könnte vermutet werden, dass die wahrgenommene Diskrepanz zur eigenen Partei partizipationsverstärkend wirkt, da das Mitglied das Bedürfnis hat, sich für eine Korrektur der Parteiziele einzusetzen. Mitglieder, die sich in Einklang sehen mit der Parteiposition, würde diesen Vorstellungen entsprechend, weniger Anreiz zur Beteiligung verspüren, da ihre Inhalte bereits repräsentiert werden. Welche dieser Überlegungen eher zutrifft, wird in den Auswertungen noch zu prüfen sein. c) Das Kosten-Nutzen-Kalkül Als drittes Erklärungsmuster wird im Folgenden ein an die Rational-Choice-Theorie angelehntes Kosten-Nutzen-Kalkül verfolgt. Dieses vergleicht die Vor- und Nachteile parteibezogener Partizipation aus Sicht des Mitgliedes. Dabei wird einem engen Verständnis der Rational-Choice-Theorie, wie es Anthony Downs (1957) und Mancur Olson (1965) angelegt haben, gefolgt. Den Erwartungen dieses Ansatzes gemäß sollte die Kosten-Nutzen-Bilanz den Ausschlag für oder gegen die innerparteiliche Partizipation geben. Entsprechend sollten Aktive einen höheren Nutzen bzw. niedrige Kosten mit ihrem Engagement verbinden, als Inaktive dies tun. Hierzu liegen einige Befunde vor, die im Großen und Ganzen den theoretischen Annahmen entsprechen: So zeigt sich in der Potsdamer Parteimitgliederstudie ein deutlicher Zusammenhang zwischen Kostenwahrnehmung und innerparteilichem Engagement (Heinrich et al. 2002: 164; Klein 2006: 57), der in den multivariaten Auswertungen zumindest mit Blick auf die gesellige Partizipation einen signifikanten Einfluss behält. Damit gehen diese Studien einen anderen Weg als Parteimitgliederstudien, die sich an das General- Incentives-Modell von Patrick Seyd und Paul F. Whiteley anlehnen. Dies ist durch zwei Überle-

MIP 2011 17. Jhrg. Heiko Biehl/Uwe Kranenpohl – Große Politik in einer kleinen Partei [...] Aufsätze gungen begründet, die hier zumindest angedeutet werden sollten: – Erstens handelt es sich bei dem General- Incentives-Ansatz um kein echtes Rational-Choice-Modell in dem Sinne, dass auf Basis sparsamer Annahmen über individuelle Präferenzen (Nutzenmaximierung in (sozio-)ökonomischer Hinsicht) politisches Handeln erklärt wird. Vielmehr werden alle möglichen Handlungsmotive als Präferenzen und Nutzen definiert und dies oftmals ex post. Beim General-Incentive-Ansatz handelt es sich mithin um ein catch-all-Modell, das keine Trennschärfe zu anderen Erklärungsmustern, insbesondere sozialpsychologischen, erkennen lässt. In der Folge erscheint hinfort jede Handlung rational, da es aufgrund individueller Präferenzen zu einer positiven Kosten-Nutzen-Kalkulation kommt. Das Modell verliert jedweden prognostischen Gehalt und liefert keine Erklärung sozialen Verhaltens mehr, sondern dient lediglich als ein Beschreibungsmuster mit theoriespezifischer Begrifflichkeit. Im Bereich der Partizipationsforschung stellt eine solch weite Auslegung der Rational-Choice-Theorie allenfalls „eine Neuverpackung früherer Ergebnisse des sozialpsychologischen Paradigmas“ (Fuchs/Kühnel 1998: 351) dar. – Zweitens – und dies ist oftmals Folge der theoretischen Erweiterung – erweisen sich in den empirischen Auswertungen oftmals Indikatoren als erklärungsstark, die zwar in die Sprache des General-Incentives-Modells verpackt werden, die aber in großer inhaltlicher Nähe zur zu erklärenden Größe stehen. So verbergen sich in der Studie von Heinrich et al. (2002: 174) hinter den positionsorientierten Anreizen, die den stärksten Einfluss auf die ämterorientierte Partizipation ausüben, vor allem die Antworten „aus Interesse an einem öffentlichen Mandat“ und „aus Interesse an einem Parteiamt“ auf die Frage nach den Motiven der Parteizugehörigkeit. Vergleichbar diskussi- onswürdige Operationalisierungen finden sich bei Klein (2006: 38, 41), Bürklin (1997: 102), Spier (2010: 132) und Whiteley et al. (1994: 89). Um solche tautologischen Zusammenhänge zu umgehen und Umschreibungen sozialpsychologischer Einflussgrößen zu vermeiden, wird im Folgenden alleine Nutzen im engeren Sinne (als soziale Anerkennung, Kontakte und exklusive Informationen) betrachtet. d) Besondere Annahmen zur ödp als Kleinpartei Bislang wurden Erklärungsmodelle und empirische Erwartungen präsentiert, die für die parteipolitische Partizipation im Allgemeinen Gültigkeit haben sollten. Mit Blick auf die ödp lassen sich zusätzlich Hypothesen formulieren, die mit ihrem Status als ‚kleiner’, nicht etablierter, vorrangig auf kommunaler Ebene präsenter Partei zusammenhängen: – So sollten die Parteimitglieder durchschnittlich aktiver sein als die der großen Parteien. Wer in die ödp eintritt, so eine Vermutung, trifft diese Entscheidung sehr bewusst. Entsprechend sollte sich die Aktivität nicht in einer bloßen Mitgliedschaft erschöpfen, sondern weitergehend sein, zumal die Partei recht übersichtlich ist und es dem einzelnen Angehörigen – entsprechende soziale Normen und Erwartungen vorausgesetzt – schwerer fällt, sich den Partizipationserwartungen seiner Parteifreunde zu entziehen. In diese Richtung weist auch die vergleichende Studie von Steven Weldon (2006: 474), die einen negativen Zusammenhang zwischen Parteigröße und innerparteilichem Beteiligungsniveau offenlegt. Demzufolge sollte die Aktivität in der ödp eher hoch sein. – In diesem Zusammenhang ist zu beobachten, inwiefern sich innerhalb einer kleinen Partei überhaupt zwei Sphären der Beteiligung ausbilden können: Unterscheiden sich auch in der ödp ämterori- 97

MIP 2011 17. Jhrg. Heiko Biehl/Uwe Kranenpohl – Große Politik in einer kleinen Partei [...] <strong>Aufsätze</strong><br />

gungen begründet, die hier zumindest angedeutet<br />

werden sollten:<br />

– Erstens handelt es sich bei dem General-<br />

Incentives-Ansatz um kein echtes Rational-Choice-Modell<br />

in dem Sinne, dass<br />

auf Basis sparsamer Annahmen über individuelle<br />

Präferenzen (Nutzenmaximierung<br />

in (sozio-)ökonomischer Hinsicht)<br />

politisches Handeln erklärt wird. Vielmehr<br />

werden alle möglichen Handlungsmotive<br />

als Präferenzen und Nutzen definiert<br />

und dies oftmals ex post. Beim General-Incentive-Ansatz<br />

handelt es sich<br />

mithin um ein catch-all-Modell, das keine<br />

Trennschärfe zu anderen Erklärungsmustern,<br />

insbesondere sozialpsychologischen,<br />

erkennen lässt. In der Folge erscheint<br />

hinfort jede Handlung rational,<br />

da es aufgrund individueller Präferenzen<br />

zu einer positiven Kosten-Nutzen-Kalkulation<br />

kommt. Das Modell verliert jedweden<br />

prognostischen Gehalt und liefert<br />

keine Erklärung sozialen Verhaltens mehr,<br />

sondern dient lediglich als ein Beschreibungsmuster<br />

mit theoriespezifischer Begrifflichkeit.<br />

Im Bereich der Partizipationsforschung<br />

stellt eine solch weite Auslegung<br />

der Rational-Choice-Theorie allenfalls<br />

„eine Neuverpackung früherer Ergebnisse<br />

des sozialpsychologischen Paradigmas“<br />

(Fuchs/Kühnel 1998: 351) dar.<br />

– Zweitens – und dies ist oftmals Folge der<br />

theoretischen Erweiterung – erweisen<br />

sich in den empirischen Auswertungen<br />

oftmals Indikatoren als erklärungsstark,<br />

die zwar in die Sprache des General-Incentives-Modells<br />

verpackt werden, die<br />

aber in großer inhaltlicher Nähe zur zu<br />

erklärenden Größe stehen. So verbergen<br />

sich in der Studie von Heinrich et al.<br />

(2002: 174) hinter den positionsorientierten<br />

Anreizen, die den stärksten Einfluss<br />

auf die ämterorientierte Partizipation<br />

ausüben, vor allem die Antworten „aus<br />

Interesse an einem öffentlichen Mandat“<br />

und „aus Interesse an einem Parteiamt“<br />

auf die Frage nach den Motiven der Parteizugehörigkeit.<br />

Vergleichbar diskussi-<br />

onswürdige Operationalisierungen finden<br />

sich bei Klein (2006: 38, 41), Bürklin<br />

(1997: 102), Spier (2010: 132) und Whiteley<br />

et al. (1994: 89). Um solche tautologischen<br />

Zusammenhänge zu umgehen<br />

und Umschreibungen sozialpsychologischer<br />

Einflussgrößen zu vermeiden, wird<br />

im Folgenden alleine Nutzen im engeren<br />

Sinne (als soziale Anerkennung, Kontakte<br />

und exklusive Informationen) betrachtet.<br />

d) Besondere Annahmen zur ödp als Kleinpartei<br />

Bislang wurden Erklärungsmodelle und empirische<br />

Erwartungen präsentiert, die für die parteipolitische<br />

Partizipation im Allgemeinen Gültigkeit<br />

haben sollten. Mit Blick auf die ödp lassen<br />

sich zusätzlich Hypothesen formulieren, die mit<br />

ihrem Status als ‚kleiner’, nicht etablierter, vorrangig<br />

auf kommunaler Ebene präsenter Partei<br />

zusammenhängen:<br />

– So sollten die Parteimitglieder durchschnittlich<br />

aktiver sein als die der großen<br />

Parteien. Wer in die ödp eintritt, so eine<br />

Vermutung, trifft diese Entscheidung<br />

sehr bewusst. Entsprechend sollte sich<br />

die Aktivität nicht in einer bloßen Mitgliedschaft<br />

erschöpfen, sondern weitergehend<br />

sein, zumal die Partei recht übersichtlich<br />

ist und es dem einzelnen Angehörigen<br />

– entsprechende soziale Normen<br />

und Erwartungen vorausgesetzt – schwerer<br />

fällt, sich den Partizipationserwartungen<br />

seiner Parteifreunde zu entziehen. In<br />

diese Richtung weist auch die vergleichende<br />

Studie von Steven Weldon<br />

(2006: 474), die einen negativen Zusammenhang<br />

zwischen Parteigröße und innerparteilichem<br />

Beteiligungsniveau offenlegt.<br />

Demzufolge sollte die Aktivität in<br />

der ödp eher hoch sein.<br />

– In diesem Zusammenhang ist zu beobachten,<br />

inwiefern sich innerhalb einer<br />

kleinen Partei überhaupt zwei Sphären<br />

der Beteiligung ausbilden können: Unterscheiden<br />

sich auch in der ödp ämterori-<br />

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