Aufsätze - PRuF
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<strong>Aufsätze</strong> Heiko Biehl/Uwe Kranenpohl – Große Politik in einer kleinen Partei [...] MIP 2011 17. Jhrg.<br />
Partizipationsforschung gelten und auf die politischen<br />
Parteien übertragbar sein. Dazu kann auf<br />
eine Bandbreite von Theorien, Methoden und<br />
Befunden zurückgegriffen werden, da die Partizipationsforschung<br />
sich zu einem formidablen<br />
Forschungsstrang der Politikwissenschaft bzw.<br />
der politischen Soziologie entwickelt hat. Eine<br />
kaum noch zu überschaubare Fülle von einschlägigen<br />
– vorwiegend empirisch ausgerichteten –<br />
Arbeiten im nationalen wie internationalen Kontext<br />
liegt mittlerweile vor. Zudem ist in den letzten<br />
Jahren die Kanonisierung dieser Teildisziplin<br />
vorangeschritten, wie einschlägige Überblicksdarstellungen<br />
belegen (van Deth 2009; Hoecker<br />
2006; Niedermayer 2005). Andererseits weist<br />
das parteipolitische Engagement Besonderheiten<br />
auf, die es zu berücksichtigen gilt: So ist die<br />
Mitarbeit in Parteien vergleichsweise stark formalisiert<br />
und strukturiert. Sie findet in einem organisatorischen<br />
Rahmen statt, der sich merklich<br />
von freien Assoziationen (wie Bewegungen, Initiativen<br />
etc.) oder Aktionen (wie Demonstrationen,<br />
Petitionen etc.) unterscheidet. Die Arbeit in<br />
einer Partei umfasst mehrere Funktionen:<br />
– Sie dient der Artikulation politischer Absichten<br />
und mobilisiert diese vor allem,<br />
aber nicht alleine bei Wahlen.<br />
– Sie integriert und repräsentiert aber ebenso<br />
unterschiedliche soziale und politische<br />
Interessen sowie deren Vertreter.<br />
– Eine weitere Besonderheit stellt der restringierte<br />
Zugang zur innerparteilichen<br />
Partizipation dar. Dieser ist vorwiegend<br />
auf Parteimitglieder beschränkt. Im Zuge<br />
der jüngsten Parteireformen wurden die<br />
Möglichkeiten für Nicht-Parteimitglieder<br />
sich einzubringen, zwar gestärkt; gleichwohl<br />
dominieren Parteiangehörige weiterhin<br />
das Innenleben der Parteien.<br />
In den vergangenen beiden Jahrzehnten ist hierzulande<br />
ein geradezu sprunghafter Anstieg der<br />
Forschungsanstrengungen zu Parteimitgliedern<br />
zu verzeichnen. Melanie Walter-Rogg und Oscar<br />
W. Gabriel weisen in einer Übersicht (2004:<br />
313ff.) insgesamt 24 Studien zu bundesdeutschen<br />
Parteiangehörigen aus, von denen 13 nach<br />
1990 entstanden sind. Erklärlich wird diese In-<br />
94<br />
tensivierung der Forschungsbemühungen durch<br />
die deutsche Vereinigung und den Zusammenschluss<br />
mit den ostdeutschen Parteien bzw.<br />
die Ausweitung der westdeutschen Parteien nach<br />
Ostdeutschland sowie durch den scheinbar unaufhaltsamen<br />
Schwund der Parteiangehörigen<br />
(Niedermayer 2009). 2 Mithin besteht ein erhebliches<br />
Interesse seitens der Parteien an Informationen,<br />
wie die vorhandenen Mitglieder gebunden<br />
und neue hinzu gewonnen werden können. Zu<br />
diesem Zweck haben die Parteien sich mehr und<br />
mehr für sozialwissenschaftliche Untersuchungen<br />
ihrer Mitgliedschaft geöffnet. Die Analyse<br />
innerparteilicher Partizipation ist fester Bestandteil<br />
der vorliegenden Studien. Unter Vernachlässigung<br />
der Spezifika hinsichtlich befragter Partei,<br />
verwendetem Design, genutzter Methode<br />
und dahinter stehender Erklärungsansätze lassen<br />
sich einige übergreifende Befunde formulieren:<br />
– So bestehen in den Parteien zwei Sphären<br />
innerparteilicher Beteiligung (Bürklin<br />
1997: 77ff., Whiteley et al. 1994: 103f.,<br />
Heinrich et al. 2002: 61). 3 Parteiarbeit ist<br />
folglich nicht eindimensional auf politische<br />
Teilhabe ausgerichtet, sondern fächert<br />
sich auf: Einerseits gibt es ein genuin<br />
politisches Engagement, bei dem es<br />
um die Formulierung politischer Ziele,<br />
das Bestreiten von Wahlkämpfen und die<br />
Erlangung politischer Macht durch Amt<br />
und Mandat innerhalb und außerhalb der<br />
Partei geht. Diese Dimension, die gemeinhin<br />
mit dem Engagement in Parteien<br />
gleichgesetzt wird, erfährt eine Ergänzung<br />
durch eher vereinsmäßige Beteiligungsformen.<br />
Dazu zählen Aktivitäten<br />
wie sie auch in anderen Organisationen<br />
und Zusammenschlüssen zu finden sind:<br />
Seien es Versammlungen, Treffen und<br />
soziale Aktivitäten oder Feste und Fei-<br />
2 Auch im internationalen Rahmen ist ein Anstieg der<br />
Forschungsanstrengungen zu verzeichnen, wobei die<br />
Studien zu britischen (Whiteley/Seyd 1992; Whiteley<br />
et al. 1994; Seyd/Whiteley 2004; Seyd et al. 2006) und<br />
skandinavischen Parteimitgliedern (u.a. Heidar 1994;<br />
Saglie/Heidar 2004; Pedersen et al. 2004) nochmals<br />
herausstechen.<br />
3 Vgl. abweichend hiervon Heidar 1994: 74, der für die<br />
norwegischen Parteien drei Dimensionen nachweist.