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Aufsätze - PRuF

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MIP 2011 17. Jhrg. Alexandra Bäcker – Das Problem der „Listenorientierung“ des Finanzierungsanspruchs politischer Parteien <strong>Aufsätze</strong><br />

sprechend ihrer Verwurzelung in der Gesellschaft<br />

teilhaben. Die Normgeschichte erhärtet<br />

diesen Eindruck überraschenderweise auch auf<br />

den zweiten Blick.<br />

a) Normgeschichte<br />

Wie eingangs bereits erwähnt, unterscheidet<br />

schon das Parteiengesetz in seiner ersten Fassung<br />

aus dem Jahre 1967 zwischen der Listenund<br />

der Wahlkreisregelung. Zum damaligen<br />

Zeitpunkt war das Parteienfinanzierungssystem,<br />

entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts<br />

aus dem ersten Parteienfinanzierungsurteil12<br />

, als reine Wahlkampfkostenerstattung<br />

ausgestaltet. Bei der Formulierung der<br />

Norm orientierte sich der Parteiengesetzgeber an<br />

der – damals noch recht jungen – Wahlrechtsänderung<br />

aus dem Jahre 1953, mit der für die zweite<br />

Bundestagswahl das Wahlverfahren auf unser<br />

heutiges Bundestagswahlsystem der personalisierten<br />

Verhältniswahl mit Erst- und Zweitstimme<br />

umgestellt wurde. Unmittelbar im damaligen<br />

§ 18 Abs. 3 PartG (1967) geregelt war ausschließlich<br />

die Wahlkampfkostenerstattung für<br />

diejenigen Parteien, die sich an Bundestagswahlen<br />

mit eigenen Wahlvorschlägen beteiligen13 .<br />

Den Gesetzesmaterialien lässt sich nicht entnehmen,<br />

von welchen Motiven sich der Parteiengesetzgeber<br />

bei der Einführung der Wahlkreisregelung<br />

tatsächlich leiten ließ. Lediglich in einem<br />

Bericht des Innenausschusses findet sich folgende<br />

Begründung: „Eine Sonderregelung erschien<br />

für Parteien erforderlich, die zwar einen Bewerber<br />

in einem oder mehreren Wahlkreisen aufgestellt<br />

hatten, für die jedoch keine Landesliste zugelassen<br />

war.“ 14 Es steht zu vermuten, dass der<br />

Gesetzgeber wie selbstverständlich davon ausging,<br />

dass die Parteien nach Einführung der Listenwahl<br />

grundsätzlich auch von ihrem Recht zur<br />

12 BVerfGE 20, 56 (96 ff.).<br />

13 § 21 PartG (1967) stellte es in das Ermessen der jeweiligen<br />

Landesgesetzgeber, ob auch die Beteiligung an<br />

Landtagswahlen nach Maßgabe der parteiengesetzlichen<br />

Regelung finanziert werden soll. Dazu W. Henke,<br />

in: Dolzer u.a. (Hrsg.), BK-GG, Art. 21 Rn. 330 (S.<br />

291) und Rn. 393.<br />

14 Schriftlicher Bericht des Innenausschusses, BT-Drs.<br />

V/1918, S. 5 (zu § 18 a.E.).<br />

Listenaufstellung Gebrauch machen. Weshalb<br />

aber Parteien, die mit eigenen Listen zur Wahl<br />

angetreten sind und das Mindeststimmenquorum<br />

verfehlt haben, von der Möglichkeit zur Finanzierung<br />

nach der Wahlkreisregelung ausgeschlossen<br />

wurden, bleibt gänzlich im Dunklen.<br />

Es kann spekuliert werden, dass bei der Einschätzung<br />

der tatsächlich regelungsbedürftigen<br />

Sachverhalte an derartige Fälle schlicht nicht gedacht<br />

wurde.<br />

An die Parteien, die sich lediglich mit einzelnen<br />

Wahlkreisbewerbern an Wahlen beteiligen, wurde<br />

wiederum schon bei der nächsten bedeutenden<br />

Gesetzesänderung offenbar nicht mehr gedacht.<br />

Die Wahlkampfkostenerstattung wurde im<br />

Jahre 1983 ergänzt um einen äußerst komplizierten<br />

sog. „Chancenausgleich“, der die ungleichen<br />

Wirkungen der Steuerbegünstigung von Spenden<br />

an politische Parteien bereinigen sollte15 . Ohne<br />

dass Gründe dafür ersichtlich sind, gewährte der<br />

Gesetzgeber ausschließlich den mit eigenen Listen<br />

zur Wahl angetretenen Parteien bei Erreichen<br />

des Mindestquorums auch einen Anspruch auf<br />

ebendiesen Chancenausgleich.<br />

Schlicht übergangen wurden die „listenlosen“<br />

Parteien auch bei der nächsten großen Gesetzesänderung:<br />

der Umstellung auf die Allgemeinfinanzierung<br />

der Tätigkeit politischer Parteien im<br />

Jahre 1994, die hinsichtlich Anspruchsberechtigung<br />

und -umfang (mit Ausnahme der festgelegten<br />

Erstattungsbeträge) der bis heute geltenden<br />

Regelung entspricht. Wie die Wahlkreisregelung<br />

den Weg in den Gesetzestext genommen hat,<br />

bleibt rätselhaft. Den Gesetzesmaterialien lässt<br />

sich kein Hinweis entnehmen.<br />

Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seinem<br />

zweiten Parteienfinanzierungsurteil16 im<br />

Jahre 1992 die bisherigen Regelungen zur Wahlkampfkostenerstattung<br />

für verfassungswidrig<br />

und eine Allgemeinfinanzierung nunmehr für zulässig<br />

erklärt hatte, wurde eine Kommission unabhängiger<br />

Sachverständiger einberufen, die<br />

Empfehlungen für eine künftige Neuregelung<br />

des Parteienfinanzierungsrechts erarbeiten sollte.<br />

15 Im Einzelnen dazu W. Henke, in: Dolzer u.a. (Hrsg.),<br />

BK-GG, Art. 21 Rn. 335 ff.<br />

16 BVerfGE 85, 264 (283 ff.).<br />

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