Aufsätze - PRuF

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08.01.2013 Aufrufe

Aufsätze Alexandra Bäcker – Das Problem der „Listenorientierung“ des Finanzierungsanspruchs politischer Parteien MIP 2011 17. Jhrg. die Summe ihrer selbst erwirtschafteten Einnahmen nicht übersteigen darf, also sicherstellt, dass sich eine politische Partei zumindest hälftig staatsfrei finanziert; zum anderen auch die sog. absolute Obergrenze (§ 18 Abs. 2 PartG), nach der die den Parteien insgesamt zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel der Höhe nach auf 133 Millionen Euro begrenzt sind. Der Maßstab für die Verteilung dieser Mittel ist die Verwurzelung der Parteien in der Gesellschaft. Diese Verwurzelung wird zum einen am Erfolg gemessen, den eine Partei bei der jeweils letzten Europa- und Bundestagswahl und den jeweils letzten Landtagswahlen erzielt hat (sog. Wählerstimmenanteil, § 18 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 und 2 PartG), zum anderen am Umfang der erlangten Spenden, Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge (sog. Zuwendungsanteil, § 18 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 3 PartG). Allerdings werden bei der Verteilung der Mittel nach diesen Kriterien nicht alle politischen Parteien berücksichtigt. § 18 Abs. 4 PartG rückt eine wesentliche Funktion der Parteien in den Mittelpunkt, wenngleich sich die Aufgaben der Parteien nicht hierauf beschränken: Die Teilnahme an Wahlen. Ebenso wie der Parteibegriff (§ 2 PartG), der erst den Anwendungsbereich des Parteiengesetzes – und damit auch der Finanzierungsvorschriften – erschließt, stellt § 18 PartG maßgeblich auf die Wahlteilnahme ab2 . Jedoch genügt es nach § 2 Abs. 2 PartG, wenn sich eine Partei innerhalb eines Zeitraums von 6 Jahren mit eigenen Wahlvorschlägen an einer Bundes- oder Landtagswahl beteiligt, sofern sie zudem nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bietet, dauernd oder für längere 2 Anders als der Parteibegriff bezieht § 18 Abs. 1 S. 2 PartG auch Europawahlen als anspruchsbegründend mit ein. Dies ist angesichts Art. 23 GG und Art. 10 Abs. 4 Vertrag von Lissabon jedoch auch verfassungsrechtlich geboten. Deshalb sind auch Wahlen zum Europäischen Parlament als statuserhaltend i.S.d. § 2 zu werten, so schon M. Morlok, in: DVBl. 1989, 393 ff. 6 Zeit auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Bundestag oder einem Landtag mitwirken zu wollen. Wahlerfolg wird nicht vorausgesetzt. Anders § 18 Abs. 4 PartG: Nur die erfolgreiche Teilnahme an Wahlen berechtigt zur Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung und nur soweit die in § 18 Abs. 4 PartG festgelegten Mindestquoren erreicht sind. Gleichwohl wird nach § 18 PartG nicht die Wahlteilnahme finanziert, sondern die Parteien erhalten Mittel zur Finanzierung der ihnen allgemein obliegenden Aufgaben, von denen die Beteiligung an Wahlen eben nur eine unter anderen ist. III. Anspruchsvoraussetzungen und -umfang nach § 18 Abs. 3 und Abs. 4 PartG Dass der Gesetzgeber seine finanzielle Unterstützung politischer Parteien von einem Mindestwahlerfolg als Anspruchsvoraussetzung abhängig macht, ist – nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden3 . Dies gilt auch für die Höhe der festgelegten Mindeststimmenanteile. Zwar ist das Recht der Parteien auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb (Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) streng formal und erlaubt Durchbrechungen des grundsätzlichen Differenzierungsverbots nur durch einen besonders zwingenden Grund4 . 3 So ausdrücklich – auch für das zwischenzeitlich umgestellte System der Parteienfinanzierung – BVerfGE 111, 382 (412), mit Hinweis auf E 20, 56 (117 f.); 24, 300 (340, 342); 41, 399 (422); 85, 264 (292 ff.). 4 So BVerfG in std. Rspr., zuletzt BVerfGE 111, 382 (398): „Das Recht der Parteien auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb folgt aus Art. 21 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG […]. Es steht in engem Zusammenhang mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG), die ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren. Aus diesem Grund ist es – ebenso wie die durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgte gleiche Behandlung der Wähler – streng formal […] und führt zu einem grundsätzlichen Differenzierungsverbot, dessen Durchbrechung nur durch einen besonders zwingenden Grund zu rechtfertigen ist.“

MIP 2011 17. Jhrg. Alexandra Bäcker – Das Problem der „Listenorientierung“ des Finanzierungsanspruchs politischer Parteien Aufsätze Jedoch dürfen an die Ernsthaftigkeit des Bemühens um einen Wahlerfolg und damit um die Verwirklichung eines politischen Programms für den Bereich der Parteienfinanzierung strengere Anforderungen gestellt werden, um zu verhindern, dass sich kleine Splittergruppen nur deshalb am Wahlkampf beteiligten, weil dieser vom Staate finanziert wird. Indem der Gesetzgeber diese Gefahr bekämpft, wirkt er bei der Parteienfinanzierung zugleich der Gefahr einer übermäßigen Aufsplitterung der Stimmen und der Parteien entgegen5 . Bei der konkreten Ausgestaltung des Finanzierungsanspruchs muss allerdings die grundsätzliche Offenheit des politischen Wettbewerbs für Konkurrenz und politische Alternativen gewahrt bleiben. Das Recht muss auch die Chancen neu entstehender und kleinerer Parteien gewährleisten, in den politischen Wettbewerb einzutreten und sich dort zu behaupten und darf nicht die Wettbewerbssituation zugunsten der etablierten Parteien – quasi im Sinne einer Bestandsgarantie – verfestigen. Vor diesem Hintergrund sind die in § 18 Abs. 4 PartG festgelegten Mindeststimmenanteile – jedenfalls der Höhe nach – nicht zu beanstanden6 . Als „Prüfsteine“ der Ernsthaftigkeit der Wahlerfolgsbemühungen einer politischen Partei bauen die dort genannten Mindeststimmenanteile, die jeweils den Zugang zur staatlichen Parteienfinanzierung ermöglichen, keine allzu hohen Hürden auf. Zugleich vermögen sie hinreichend von 5 BVerfGE 20, 56 (117); 24, 300 (341 ff.); 73, 40 (95). 6 S. Bericht der Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der Parteienfinanzierung - Empfehlungen für Änderungen im Recht der Parteienfinanzierung, Berlin 2001, S. 69 f. Nach std. Rspr. des BVerfG müssen die Mindeststimmenanteile deutlich unter der wahlrechtlichen 5%-Sperrklausel verbleiben, s. nur BVerfGE 85, 264 (293 f.) m.w.N. In concreto bescheinigte das BVerfG bereits einem Mindeststimmenanteil von 2,5% einen nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen den Chancengleichheitsgrundsatz und hielt unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse bei den Bundestagswahlen (1965) rechnerisch einen Mindeststimmenanteil von 0,5% für zulässig, s. BVerfGE 24, 300 (339 ff.). Zur Verfassungswidrigkeit des „Drei- Länder-Quorums“ s. BVerfGE 111, 382 (397 ff.); dazu auch M. Morlok, Das BVerfG als Hüter des Parteienwettbewerbs, in: NVwZ 2005, 157 ff. etwaigen missbräuchlichen Parteigründungen und Wahlteilnahmen, die nur um des erhofften Geldes wegen erfolgen, abzuschrecken. Dies gilt sowohl für den Mindeststimmenteil von 0,5% bei einer Europa- oder Bundestagswahl als auch von 1% bei einer Landtagswahl, insbesondere aber auch für die deutlich höhere Hürde von 10% in einem Wahlkreis. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum sog. „Drei-Länder-Quorum“ diese zuvor geltenden Mindeststimmenanteile indirekt gebilligt. Es verwies ausdrücklich auf die bisherige Rechtsprechung zur Wahlkampfkostenerstattung und betonte, dass die dort genannten Gründe für einen Mindeststimmenanteil als Anspruchsvoraussetzung auch für das zwischenzeitlich umgestellte System der Parteienfinanzierung ihre Gültigkeit behalten7 . Die Mindeststimmenanteile standen bereits unmittelbar nach Erlass des Parteiengesetzes 1967 auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts8 . In diesem Verfahren geriet auch – erstund einmalig – die Wahlkreisregelung (heute § 18 Abs. 4 S. 2 PartG) ins Blickfeld des Bundesverfassungsgerichts. Jedoch fand allein die Höhe des festgelegten Mindeststimmenteils Beachtung: Zum einen ist die Zulassung von Kreiswahlvorschlägen an leichter zu erfüllende Voraussetzungen geknüpft als die Zulassung von Landeslisten und zum anderen steht hinter einer Partei, die keine Landesliste einreicht, in der Regel nur eine kleinere politische Gruppe als hinter einer Partei mit Landesliste; deshalb bietet die enge räumliche Begrenzung eines einzelnen Wahlkreises lokalen Splittergruppen, die sich nur deshalb am Wahlkampf beteiligen, weil er vom Staat finanziert wird, eine größere Chance als das Wahlgebiet im Ganzen. Um dieser Missbrauchsgefahr entgegenzutreten, billigte es das Bundesverfassungsgericht, „wenn als Nachweis der Ernsthaftigkeit von Wahlkampfbemühungen in einem Wahlkreis 10 v.H. der abgegebenen 7 S. BVerfGE 111, 382 (412), mit Hinweis auf E 20, 56 (117 f.); 24, 300 (340, 342); 41, 399 (422); 85, 264 (292 ff.). 8 BVerfGE 24, 300 (328 ff.). 7

MIP 2011 17. Jhrg. Alexandra Bäcker – Das Problem der „Listenorientierung“ des Finanzierungsanspruchs politischer Parteien <strong>Aufsätze</strong><br />

Jedoch dürfen an die Ernsthaftigkeit des Bemühens<br />

um einen Wahlerfolg und damit um die<br />

Verwirklichung eines politischen Programms für<br />

den Bereich der Parteienfinanzierung strengere<br />

Anforderungen gestellt werden, um zu verhindern,<br />

dass sich kleine Splittergruppen nur deshalb<br />

am Wahlkampf beteiligten, weil dieser vom<br />

Staate finanziert wird. Indem der Gesetzgeber<br />

diese Gefahr bekämpft, wirkt er bei der Parteienfinanzierung<br />

zugleich der Gefahr einer übermäßigen<br />

Aufsplitterung der Stimmen und der Parteien<br />

entgegen5 .<br />

Bei der konkreten Ausgestaltung des Finanzierungsanspruchs<br />

muss allerdings die grundsätzliche<br />

Offenheit des politischen Wettbewerbs für<br />

Konkurrenz und politische Alternativen gewahrt<br />

bleiben. Das Recht muss auch die Chancen neu<br />

entstehender und kleinerer Parteien gewährleisten,<br />

in den politischen Wettbewerb einzutreten<br />

und sich dort zu behaupten und darf nicht die<br />

Wettbewerbssituation zugunsten der etablierten<br />

Parteien – quasi im Sinne einer Bestandsgarantie<br />

– verfestigen.<br />

Vor diesem Hintergrund sind die in § 18 Abs. 4<br />

PartG festgelegten Mindeststimmenanteile – jedenfalls<br />

der Höhe nach – nicht zu beanstanden6 .<br />

Als „Prüfsteine“ der Ernsthaftigkeit der Wahlerfolgsbemühungen<br />

einer politischen Partei bauen<br />

die dort genannten Mindeststimmenanteile, die<br />

jeweils den Zugang zur staatlichen Parteienfinanzierung<br />

ermöglichen, keine allzu hohen Hürden<br />

auf. Zugleich vermögen sie hinreichend von<br />

5 BVerfGE 20, 56 (117); 24, 300 (341 ff.); 73, 40 (95).<br />

6 S. Bericht der Kommission unabhängiger Sachverständiger<br />

zu Fragen der Parteienfinanzierung - Empfehlungen<br />

für Änderungen im Recht der Parteienfinanzierung,<br />

Berlin 2001, S. 69 f. Nach std. Rspr. des BVerfG<br />

müssen die Mindeststimmenanteile deutlich unter der<br />

wahlrechtlichen 5%-Sperrklausel verbleiben, s. nur<br />

BVerfGE 85, 264 (293 f.) m.w.N. In concreto bescheinigte<br />

das BVerfG bereits einem Mindeststimmenanteil<br />

von 2,5% einen nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen<br />

den Chancengleichheitsgrundsatz und hielt unter<br />

Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse bei den<br />

Bundestagswahlen (1965) rechnerisch einen Mindeststimmenanteil<br />

von 0,5% für zulässig, s. BVerfGE 24,<br />

300 (339 ff.). Zur Verfassungswidrigkeit des „Drei-<br />

Länder-Quorums“ s. BVerfGE 111, 382 (397 ff.); dazu<br />

auch M. Morlok, Das BVerfG als Hüter des Parteienwettbewerbs,<br />

in: NVwZ 2005, 157 ff.<br />

etwaigen missbräuchlichen Parteigründungen<br />

und Wahlteilnahmen, die nur um des erhofften<br />

Geldes wegen erfolgen, abzuschrecken.<br />

Dies gilt sowohl für den Mindeststimmenteil von<br />

0,5% bei einer Europa- oder Bundestagswahl als<br />

auch von 1% bei einer Landtagswahl, insbesondere<br />

aber auch für die deutlich höhere Hürde von<br />

10% in einem Wahlkreis. Das Bundesverfassungsgericht<br />

hat in seinem Urteil zum sog.<br />

„Drei-Länder-Quorum“ diese zuvor geltenden<br />

Mindeststimmenanteile indirekt gebilligt. Es<br />

verwies ausdrücklich auf die bisherige Rechtsprechung<br />

zur Wahlkampfkostenerstattung und<br />

betonte, dass die dort genannten Gründe für<br />

einen Mindeststimmenanteil als Anspruchsvoraussetzung<br />

auch für das zwischenzeitlich umgestellte<br />

System der Parteienfinanzierung ihre Gültigkeit<br />

behalten7 .<br />

Die Mindeststimmenanteile standen bereits unmittelbar<br />

nach Erlass des Parteiengesetzes 1967<br />

auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts8<br />

. In diesem Verfahren geriet auch – erstund<br />

einmalig – die Wahlkreisregelung (heute<br />

§ 18 Abs. 4 S. 2 PartG) ins Blickfeld des Bundesverfassungsgerichts.<br />

Jedoch fand allein die<br />

Höhe des festgelegten Mindeststimmenteils Beachtung:<br />

Zum einen ist die Zulassung von Kreiswahlvorschlägen<br />

an leichter zu erfüllende Voraussetzungen<br />

geknüpft als die Zulassung von<br />

Landeslisten und zum anderen steht hinter einer<br />

Partei, die keine Landesliste einreicht, in der Regel<br />

nur eine kleinere politische Gruppe als hinter<br />

einer Partei mit Landesliste; deshalb bietet die<br />

enge räumliche Begrenzung eines einzelnen<br />

Wahlkreises lokalen Splittergruppen, die sich<br />

nur deshalb am Wahlkampf beteiligen, weil er<br />

vom Staat finanziert wird, eine größere Chance<br />

als das Wahlgebiet im Ganzen. Um dieser Missbrauchsgefahr<br />

entgegenzutreten, billigte es das<br />

Bundesverfassungsgericht, „wenn als Nachweis<br />

der Ernsthaftigkeit von Wahlkampfbemühungen<br />

in einem Wahlkreis 10 v.H. der abgegebenen<br />

7 S. BVerfGE 111, 382 (412), mit Hinweis auf E 20, 56<br />

(117 f.); 24, 300 (340, 342); 41, 399 (422); 85, 264<br />

(292 ff.).<br />

8 BVerfGE 24, 300 (328 ff.).<br />

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