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Aufsätze - PRuF

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MIP 2011 17. Jhrg. Nikolas R. Dörr – François Mitterrand und der PCF [...] <strong>Aufsätze</strong><br />

dem sozialistischen Kandidaten die Teilnahme<br />

am zweiten Wahlgang zu sichern.<br />

Mitterrands Strategie muss ebenso vor dem Hintergrund<br />

der willentlich in Kauf genommenen<br />

Stärkung des Front National kritisch gesehen<br />

werden. Die Einführung des Verhältniswahlrechts<br />

hatte erwartungsgemäß eine weitere<br />

Schwächung des PCF zur Folge, der durch seine<br />

elektoralen Hochburgen im Mehrheitswahlsystem<br />

einen Vorteil hatte, während es den Front<br />

National, der wiederum im Mehrheitswahlsystem<br />

bislang keinen Kandidaten hatte durchbringen<br />

können, erstmals in Fraktionsstärke in die<br />

Nationalversammlung einziehen ließ. In der Parteienforschung<br />

wird dies als Durchbruch des<br />

Front National gewertet, der bis dato kaum Medienaufmerksamkeit<br />

erfahren hatte. 44<br />

Langfristig gesehen hat es der Parti Socialiste<br />

versäumt, den Weg der Neogaullisten einzuschlagen.<br />

Diese haben im November 2002 mit<br />

der Union pour un Mouvement Populaire (UMP)<br />

eine Sammlungsbewegung begründet, die ideologisch<br />

gesehen das gesamte Spektrum der Mitte<br />

bis zum rechten Rand hin abdeckt. In dieser<br />

Breite ist die UMP ein Novum für Frankreich.<br />

Neben dem neogaullistischen RPR sind der<br />

Großteil der UDF sowie zahlreiche Kleinparteien<br />

aus dem liberalen, christlichen und konservativen<br />

Spektrum der UMP beigetreten. Ebenso hat<br />

sich ein Teil namhafter und langjähriger Sozialisten<br />

der UMP angeschlossen oder unterstützen<br />

diese, so wie der ehemalige französische Außenminister<br />

Bernard Kouchner.<br />

Der Parti Socialiste hat hingegen in Folge des<br />

Niedergangs des PCF in den letzten 15 Jahren<br />

auf das Bündnis einer Vielzahl eigenständiger<br />

linker Parteien gesetzt (sog. Majorité plurielle<br />

bzw. Gauche plurielle). Diesen Kleinparteien ist<br />

ein, im französischen Wahlvolk gerne angenommener,<br />

Populismus aus verschiedenen Richtungen<br />

möglich, der dazu führte und führt, dass sich<br />

die Sozialistische Partei in den vergangenen Jahren<br />

nicht mehr ausreichend positionieren konnte.<br />

Eine tragfeste Koalition auf der französischen<br />

44 Vgl. Jonathan Marcus, The National Front and French<br />

Politics. The Resistible Rise of Jean-Marie Le Pen,<br />

London 1995.<br />

Linken unter der Führung des Parti Socialiste zu<br />

bilden, erscheint momentan kaum möglich. Der<br />

minimierte PCF reicht als Koalitionspartner<br />

nicht mehr aus. Und die Folgen dieser Minimierung<br />

– zersplitterte äußere Linke mit mehreren<br />

Kleinparteien, ehemals kommunistisch wählende<br />

Arbeiter, die nun den rechtsextremen Front National<br />

wählen – lassen eine erfolgreiche Blockbildung<br />

unwahrscheinlich erscheinen. Eine koordinierte<br />

Unterstützung für sozialistische Kandidaten<br />

in den zweiten Wahlgängen bei Parlamentsund<br />

Präsidentschaftswahlen, wie sie im Falle<br />

Mitterrands erfolgreich durch den PCF praktiziert<br />

wurde, ist durch die Vielzahl von neu entstandenen<br />

Parteien links des Parti Socialiste<br />

kaum denkbar. Folge hiervon ist, dass die Sozialisten<br />

seit dem Ende von Mitterrands Amtszeit<br />

als Staatspräsident am 17. Mai 1995 nur noch<br />

einmal zwischen 1997 und 2002 mit Lionel Jospin<br />

als Premierminister eines der höchsten<br />

Staatsämter bekleiden konnten. Die Folgen der<br />

mitterrandschen Strategie im Umgang mit dem<br />

PCF sind demnach bis heute deutlich erkennbar<br />

und prägen das aktuelle französische Parteiensystem.<br />

Quellen und Literatur<br />

David Scott Bell/Byron Criddle, The french<br />

communist party in the fifth republic, Oxford<br />

1994.<br />

Maud Bracke, Which socialism, whose détente.<br />

West European Communism and the Czechoslovak<br />

crisis 1968, Budapest, New York, 2007.<br />

Patrice Buffotot/David Hanley, The normalisation<br />

of French Politics? The elections of 2002, in:<br />

Modern & Contemporary France, Nr. 2/2003,<br />

S. 131-146.<br />

Sylvie Colliard, La Campagne présidentielle de<br />

François Mitterrand en 1974, Paris 1979.<br />

Stéphane Courtois/Marc Lazar, Histoire du Parti<br />

communiste français, Paris 1995.<br />

Alfons Dalma et al. (Hrsg.), Euro-Kommunismus.<br />

Italien, Frankreich, Jugoslawien, Spanien,<br />

Portugal, Zürich 1977.<br />

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