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Aufsätze - PRuF

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<strong>Aufsätze</strong> Nikolas R. Dörr – François Mitterrand und der PCF [...] MIP 2011 17. Jhrg.<br />

Mitterrand gelungen. Bei den Wahlen zur Assemblée<br />

Nationale am 16. März 1986 erhielt der<br />

PCF erstmals seit 1932 wieder weniger als zehn<br />

Prozent der Wählerstimmen bei einer landesweiten<br />

Wahl. 38 Ebenso gravierend war aus kommunistischer<br />

Perspektive, dass der rechtsextreme<br />

Front National nun ebenso viele Abgeordnete in<br />

die Nationalversammlung entsenden konnte wie<br />

die Kommunistische Partei. Durch den Wahlsieg<br />

der Neogaullisten kam es zur ersten Cohabitation<br />

39 der V. Republik. Jacques Chirac wurde neuer<br />

Premierminister. Die Wahlgesetzänderung<br />

wurde von der neuen Regierung umgehend wieder<br />

rückgängig gemacht.<br />

VII. Die langfristigen Folgen der rééquilibrage<br />

de la gauche<br />

Das Fazit der mitterrandschen Strategie im Umgang<br />

mit dem PCF fällt somit ambivalent aus:<br />

Einerseits wurde die bis Ende der 1970er Jahre<br />

größte Partei der französischen Linken in ihrem<br />

Einfluss deutlich minimiert und der Parti Socialiste<br />

erreichte somit nach Jahrzehnten wieder die<br />

Führungspositionen in der Linken. Andererseits<br />

erwuchsen im Laufe der 1980er- und 1990er-<br />

Jahre weitere Parteien, die verhinderten, dass die<br />

verlorenen Wählerschichten des PCF vollständig<br />

zum Parti Socialiste wanderten. 40 Hierzu gehören<br />

die in den letzten Jahren zunehmend erfolgreichen<br />

trotzkistischen Parteien Lutte Ouvrière und<br />

Ligue Communiste Révolutionnaire 41 bzw. seit<br />

38 Der PS erreichte in den Parlamentswahlen 1986<br />

31,02% der Stimmen und 206 Mandate, der PCF<br />

9,78% und 35 Mandate und der FN gewann 9,65% und<br />

ebenfalls 35 Mandate.<br />

39 Cohabitation bezeichnet den Sonderzustand im semipräsidentiellen<br />

System Frankreichs, wenn der Präsident<br />

als Staatsoberhaupt und der Premierminister als Regierungschef<br />

unterschiedlichen politischen Lagern entstammen.<br />

40 Vgl. Alistair Cole, Das französische Parteiensystem in<br />

den 90er Jahren. Wandlungstendenzen und Erklärungsmuster,<br />

in: Sabine Ruß et al. (Hrsg.), Parteien in Frankreich.<br />

Kontinuität und Wandel in der V. Republik,<br />

Opladen 2000, S. 35-56.<br />

41 Am 8. Februar 2009 hat sich die Ligue Communiste<br />

Révolutionnaire in den Nouveau Parti anticapitaliste<br />

umgewandelt. Vgl. hierzu auch : Renaud Dély, Links<br />

von der PS. Frankreichs linker politischer Rand organisiert<br />

sich neu, Paris, 2009, in: http://www.fesparis.org/<br />

50<br />

Februar 2009 der neugegründete Parti de Gauche.<br />

Von der Hauptwählerklientel des PCF, der<br />

französischen Arbeiterschaft, ist nur ein Bruchteil<br />

zum Parti Socialiste gewechselt. Wahlanalysen<br />

zeigen dort weiterhin eine deutliche Schwäche<br />

der seit der Parteigründung vor allem von<br />

Angestellten, Beamten und Akademikern gewählten<br />

Sozialistischen Partei. Der größte Teil<br />

der kommunistischen Wählerbasis ist zum<br />

rechtsextremen Front National abgewandert. 42<br />

Bei der Parlamentswahl im Jahr 2002 stieg der<br />

von Jean-Marie Le Pen geführte Front National<br />

zur stärksten Partei in der ehemals mehrheitlich<br />

kommunistisch wählenden französischen Arbeiterschaft<br />

auf.<br />

Für den Parti Socialiste ist somit eine, im Vergleich<br />

zum gut und straff organisierten PCF,<br />

deutlich schwierigere und kontrollierbare Masse<br />

an linken Splitterparteien entstanden. Prägnantestes<br />

Ergebnis dieser Spätfolge der Strategie<br />

Mitterrands ist die verheerende Niederlage des<br />

Parti Socialiste im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen<br />

am 21. April 2002. 43 Premierminister<br />

Lionel Jospin schied als Kandidat des<br />

Parti Socialiste mit 16,18% der Stimmen als<br />

drittplatzierter Kandidat hinter dem amtierenden<br />

neogaullistischen Präsident Jacques Chirac<br />

(19,88%) und dem Vorsitzenden des rechtsextremen<br />

Front National Jean-Marie Le Pen (16,86%)<br />

für den entscheidenden Wahlgang am 5. Mai<br />

2002 aus. Ein Bruchteil der ehemals kommunistischen<br />

Wähler, welche sich größtenteils auf Le<br />

Pen sowie die trotzkistischen Kandidaten Arlette<br />

Laguiller (5,72%), Olivier Besancenot (4,25%)<br />

und Daniel Gluckstein (0,47%) verteilten – PCF-<br />

Kandidat Robert Hue erhielt selbst lediglich<br />

3,37% der Stimmen –, hätte ausgereicht, um<br />

common/pdf/publications/Dely.pdf (Abruf am 25. Jan.<br />

2011).<br />

42 Vgl.: Françoise Platone / Henry Rey, Le FN en terre<br />

communiste, in: Nonna Mayer / Pascal Perrineau<br />

(Hrsg.), Le Front National à découvert, Paris 1989, S.<br />

268-282.<br />

43 Zur Analyse der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen<br />

2002 siehe: Patrice Buffotot / David Hanley, The<br />

normalisation of French Politics? The elections of<br />

2002, in: Modern & Contemporary France, Nr. 2/2003,<br />

S. 131-146.

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