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Aufsätze - PRuF

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<strong>Aufsätze</strong> Nikolas R. Dörr – François Mitterrand und der PCF [...] MIP 2011 17. Jhrg.<br />

deutlicher Oppositionsrhetorik übte. 25 Transportminister<br />

Charles Fiterman, einst als potentieller<br />

Nachfolger Marchais gehandelt, avancierte mit<br />

seinem späteren Übertritt zum Parti Socialiste<br />

gar zum „highest ranking dissident since the<br />

1920s“ 26 .<br />

Mit der Schwächung der französischen Kommunisten<br />

würde sich, so Mitterrands Annahme, die<br />

für das französische Parteiensystem der V. Republik<br />

charakteristische Quadrille Bipolaire auflösen.<br />

27<br />

Der Begriff der Quadrille Bipolaire wurde von<br />

Maurice Duverger in die französische Politikwissenschaft<br />

eingeführt. 28 Er bezeichnet das für<br />

das französische Parteiensystem bis zum Niedergang<br />

des PCF typische Ergebnis eines Bipolarismus<br />

von je zwei in etwa gleichstarken Parteien<br />

der politischen Linken und Rechten: auf der Linken<br />

die Kommunisten und die Sozialisten, auf<br />

der Rechten die Neogaullisten des Rassemblement<br />

pour la République (RPR) und die Zentristen<br />

der Union pour la Démocratie Française<br />

(UDF). Aufgrund des französischen Wahlsystems<br />

für Parlamentswahlen in der V. Republik –<br />

die Sonderstellung der später noch zu besprechenden<br />

Parlamentswahlen 1986 ausgenommen<br />

– hätte eine Reduktion des kommunistischen<br />

Wahlergebnisses zu einem strukturellen Übergewicht<br />

des Parti Socialiste führen sollen. Die verbleibenden<br />

Parteien der Rechten in der Quadrille<br />

Bipolaire, RPR und UDF, sollten sich, da sie<br />

eine ähnliche Wählerklientel ansprachen, bei<br />

Wahlen weiterhin gegenseitig Stimmen abnehmen,<br />

während es auf der linken keinen direkten<br />

Konkurrenten für die Sozialisten mehr geben<br />

würde, so Mitterrands Annahme. Auf diese Weise<br />

sollten zahlreiche Wahlkreise bereits im ers-<br />

25 Vgl. Charles Fiterman, Profession de foi. Pour l’honneur<br />

de la politique, Paris 2005; Anicet Le Pors, Pendant<br />

la mue, le serpent est aveugle. Chronique d’une<br />

différence, Paris 1993.<br />

26 David Scott Bell / Byron Criddle, The french communist<br />

party in the fifth republic, Oxford, 1994, S. 234.<br />

27 Zur Quadrille Bipolaire siehe: Andrew Knapp: Parties<br />

and the Party System in France. A Disconnected Democracy?,<br />

Basingstoke u.a. 2004, S. 42f.<br />

28 Vgl. Maurice Duverger, La système politique français,<br />

Paris 1996, S. 468ff.<br />

48<br />

ten Wahldurchgang mit absoluter Mehrheit vom<br />

Parti Socialiste gewonnen werden.<br />

Bereits das erste Regierungsprogramm von 1981<br />

wurde zu einem „Gang nach Canossa“ für die<br />

Kommunistische Partei. 29 Insbesondere die französische<br />

Zustimmung zum NATO-Doppelbeschluss<br />

sowie die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts<br />

des polnischen und afghanischen<br />

Volkes in der gemeinsamen Regierungserklärung<br />

waren, zu einem Zeitpunkt der kommunistischen<br />

Unterdrückung der freien Gewerkschaft<br />

Solidarność in Polen und weniger als zwei<br />

Jahre nach dem Beginn der sowjetischen Okkupation<br />

Afghanistans, ein Affront gegenüber dem<br />

weitestgehend moskautreuen PCF. 30<br />

Die massiven und vor allem kontinuierlichen<br />

Wahlniederlagen des Parti Communiste Français<br />

seit der Regierungsbeteiligung 1981 führten vorerst<br />

zu Mitterrands gewünschtem Ergebnis. 31 Innerhalb<br />

der Kommunistischen Partei kam es zu<br />

intensiven Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern<br />

einer eurokommunistischen Reform<br />

im Stil des italienischen Partito Comunista Italiano<br />

(PCI) 32 und den moskautreuen Kommunisten<br />

um Generalsekretär Marchais. Die Rufe nach<br />

einer grundlegenden Reform des PCF wurden<br />

weitestgehend mit – in ihrer Wirkung auf die<br />

französische Öffentlichkeit verheerenden – Parteiausschlüssen<br />

durch die orthodox-kommunistische<br />

Führung beantwortet. Lediglich vier Monate<br />

nach dem Eintritt in die Regierung Mauroy<br />

schloss die Kommunistische Partei im Oktober<br />

1981 mit Henri Fiszbin den ehemaligen Ersten<br />

Sekretär der Pariser PCF-Sektion und Parlamentsabgeordneten<br />

wegen dessen reformorientierter<br />

29 Vgl. Klaus Kellmann, Die kommunistischen Parteien<br />

in Westeuropa. Entwicklung zur Sozialdemokratie<br />

oder Sekte?, Stuttgart 1988, S. 145f.<br />

30 Die gemeinsame Erklärung vom 25. Juni 1981 über die<br />

Zusammenarbeit in der Regierung des Parti Socialiste<br />

und des Parti Communiste Français ist abgedruckt in:<br />

Lawrence L. Whetten, New International Communism.<br />

The Foreign and Defence Policies of the Latin<br />

European Communist Parties, Lexington (Massachusetts),<br />

Toronto 1982, S. 235-237.<br />

31 Vgl. Stéphane Courtois / Marc Lazar, Histoire du Parti<br />

communiste français, Paris 1995, S. 398-407.<br />

32 Zum Eurokommunismus im PCI vgl.: Dörr: Eurokommunismus,<br />

S. 60-80.

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