Aufsätze - PRuF
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MIP 2011 17. Jhrg. Nikolas R. Dörr – François Mitterrand und der PCF [...] <strong>Aufsätze</strong><br />
kretär Georges Marchais (1920-1997) am 26.<br />
April 1981 nur noch 15,35% im ersten Wahldurchgang<br />
im Vergleich zu den 25,86% der<br />
Wählerstimmen, die François Mitterrand als<br />
Kandidat des Parti Socialiste und späterer Wahlsieger<br />
erzielte. Das gleiche Bild ergab sich bei<br />
den Wahlen unterer administrativer Gliederungen.<br />
Während der Parti Socialiste beispielsweise<br />
von 14,8% im Jahre 1970 über 21,9% 1973 seinen<br />
Wählerstimmenanteil auf 26,6% im ersten<br />
Wahlgang der Kantonalwahlen im März 1976<br />
beinahe verdoppelte, konnte der PCF mit Ergebnissen<br />
von 23,8% (1970), 22,7% (1973) und<br />
22,8% (1976) keine größeren Gewinne einfahren.<br />
10 Darüber hinaus waren die Sozialisten vom<br />
Wählerstimmenanteil her erstmals wieder stärkste<br />
Linkspartei Frankreichs geworden, wenn auch<br />
vorerst nur in den weniger wichtigen Kantonalwahlen.<br />
Nach der Wahl Mitterrands zum Staatspräsidenten<br />
und der deutlichen absoluten Parlamentsmehrheit<br />
nach den Wahlen zur Assemblée nationale<br />
im Jahre 1981 gab es keinen offensichtlichen<br />
Grund, eine weitere Partei mit in die nun zu<br />
bildende Regierung aufzunehmen. Trotzdem<br />
kam es zur ersten sozialistisch-kommunistischen<br />
Regierung Frankreichs der V. Republik. Im Gegensatz<br />
zur Volksfront, in welcher der PCF von<br />
1936 bis 1939 die sozialistisch geführten Regierungen<br />
unter Premierminister Léon Blum und<br />
seinem Nachfolger Camille Chautemps lediglich<br />
parlamentarisch unterstützt hatte, wurden die<br />
Kommunisten dieses Mal offizieller Teil der Regierungskoalition.<br />
Allerdings wurden dem PCF<br />
nur vier von insgesamt 36 Ministerposten zugestanden.<br />
11 Der Grund für die Einbindung der<br />
Kommunisten in die Regierung lag in der langfristigen<br />
Strategie Mitterrands im Umgang mit<br />
10 Helmut-Schmidt-Archiv im Archiv der sozialen Demokratie<br />
Bonn (AdsD), 1/HSAA006587, Vermerk von<br />
Herrn Massion an Bundeskanzler Schmidt über das Ergebnis<br />
der Kantonalwahlen in Frankreich 1976,<br />
16.03.1976, Bonn.<br />
11 Charles Fiterman wurde als Minister für das Transportwesen,<br />
Anicet Le Pors als Minister für den öffentlichen<br />
Dienst, Jack Ralite als Gesundheitsminister und Marcel<br />
Rigout als Minister für Berufsausbildung und Weiterbildung<br />
Bestandteil der neuen Regierung. Nach einer<br />
Kabinettsreform im März 1983 wurden die kommunistisch<br />
besetzten Ministerien auf drei reduziert.<br />
dem PCF begründet: Die massive Wahlniederlage<br />
des sozialistischen Kandidaten Defferre bei<br />
den Präsidentschaftswahlen im Juni 1969 hatte<br />
den letzten Beleg dafür geliefert, dass die französische<br />
Sozialdemokratie neu organsiert werden<br />
musste. Im Juli 1969 wurde der Parti Socialiste<br />
in Issy-les-Moulineaux aus der alten sozialistischen<br />
Partei, der Section française de l'Internationale<br />
ouvrière (SFIO), sowie weiteren Kleinparteien<br />
und Bewegungen neu gegründet. Aber<br />
erst die Übernahme der Führungsrolle in der<br />
neuen Sozialistischen Partei durch François Mitterrand<br />
auf dem Parteitag von Épinay im Juni<br />
1971 inklusive der Fusion mit weiteren Kleinparteien<br />
und Bewegungen der linken Mitte führten<br />
zu einer neuen Ausrichtung. 12 Mitterrand formulierte<br />
nach der Wahl zum Ersten Sekretär des<br />
Parti Socialiste die Strategie der rééquilibrage<br />
de la gauche, der Wiederherstellung des Gleichgewichts<br />
in der französischen Linken. Mit Mitterrand,<br />
der die Vorteile einer Unterstützung des<br />
PCF während seiner Präsidentschaftskandidatur<br />
1965 kennengelernt hatte, überwanden die Sozialisten<br />
somit erst zu Beginn der 1970er Jahre<br />
den massiven Antikommunismus der alten sozialistischen<br />
Partei SFIO. Mitterrands Strategie<br />
basierte zu Beginn der 1970er Jahre auf der treffenden<br />
Analyse, dass der Parti Socialiste auf die<br />
Wähler- und Mitgliederbasis des Parti Communiste<br />
angewiesen sein würde, wenn er Präsidentschaftswahlen<br />
gewinnen und Parlamentsmehrheiten<br />
erobern wolle. 13 Andererseits erkannte<br />
Mitterrand, dass der PCF auf die Sozialisten angewiesen<br />
war, um die Teilhabe an der Macht zu<br />
erlangen. Eine Wahl des orthodoxen Kommunisten<br />
Georges Marchais zum französischen Staatspräsidenten<br />
war undenkbar, die Wahl des populären<br />
Mitterrand hingegen schon. Zu diesem<br />
Zweck strebte François Mitterrand für den, sei-<br />
12 Zur Entwicklung Mitterrands hin zur neuen Führungsfigur<br />
der Sozialisten vgl: Michel Winock: La gauche<br />
en France, Paris 2006, S. 270-286.<br />
13 Der PCF verfügte 1975 mit ca. 500.000 Mitgliedern<br />
über knapp vier Mal so viele Mitglieder wie der Parti<br />
Socialiste und war deutlich besser organisiert (vgl.:<br />
Wolfgang Jäger, Die sozialistische und kommunistische<br />
Partei Frankreichs, in: Dieter Oberndörfer<br />
(Hrsg.), Sozialistische und kommunistische Parteien in<br />
Westeuropa, Band 1: Südländer, Opladen 1978, S. 35-<br />
132 [hier: 49].<br />
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