Aufsätze - PRuF
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MIP 2011 17. Jhrg. Stephan Klecha – Minderheitsregierungen und Wahlerfolge <strong>Aufsätze</strong><br />
Im Wählerverhalten lassen sich aus Sicht der beteiligten<br />
Parteien ebenfalls gute Gründe finden,<br />
um Große Koalitionen zu vermeiden. Nur bei<br />
zwei Wahlen seit 1990 (Bürgerschaftswahl in<br />
Bremen 1999 und Landtagswahl in Brandenburg<br />
2009) gingen SPD und CDU aus einer Großen<br />
Koalition heraus gleichermaßen gestärkt hervor.<br />
Ansonsten hat immer mindestens eine der beiden<br />
Parteien an Stimmenanteilen verloren. Zudem<br />
gibt es Hinweise darauf, dass eine Große Koalition<br />
auf Bundesebene die Wahlergebnisse beider<br />
Parteien auf Landesebene negativ beeinflusst<br />
(Hunsicker/Schroth 2010: 344).<br />
Weil die Parteien ihren potentiellen Erfolg bei<br />
den folgenden Wahlen in die Suche nach einer<br />
geeigneten Regierungskonstellation einbeziehen<br />
(siehe Budge/Keman 1990: 121ff; Kropp/Schüttemeyer/Sturm<br />
2002: 13; Decker 2009b: 442f),<br />
sind die negativen Folgen einer Großen Koalition<br />
also ein durchschlagendes Argument, solche<br />
Bündnisse zu vermeiden. Nun sind aber auch andere<br />
Bündnisse abseits der gewohnten nicht<br />
ohne Risiko. Die beiden vorzeitig zerbrochenen<br />
Ampelkoalitionen in Bremen und Brandenburg<br />
und die ebenfalls vorzeitig gelöste CDU/Schill/<br />
FDP-Koalition in Hamburg dienen kaum als positive<br />
Referenzbeispiele für Dreierkoalitionen.<br />
Freilich konnte die Partei des Ministerpräsidenten<br />
danach ihre Position als stärkste Partei behaupten<br />
und teilweise sogar ausbauen. Der Erfolg<br />
ging jedoch eindeutig auf Kosten der kleineren<br />
Parteien, die hinterher keine Regierungsverantwortung<br />
mehr tragen konnten und überdies<br />
mit einer Ausnahme durchweg aus den jeweiligen<br />
Landtagen ausscheiden mussten. Lagerübergreifende<br />
Bündnisse schließlich dürften nach<br />
dem Ende der schwarz-grünen Koalition in<br />
Hamburg gegenwärtig ebenfalls eher außerhalb<br />
des koalitionspolitischen Präferenzrahmens liegen.<br />
Alle Parteien haben sich zudem damit auseinanderzusetzen,<br />
dass die Wähler sehr skeptisch bis<br />
ablehnend reagieren, wenn die Parteien ihre gewohnten<br />
Lager durchbrechen und sich machtbewusst<br />
neuen Koalitionen öffnen (Schöppner<br />
2009: 261; Oberndörfer/Mielke/Eith 2009: 265).<br />
Wenn Parteien sich zudem viele Koalitionsoptionen<br />
offenhalten, weichen einige ihrer vorheri-<br />
gen Wähler eher auf eine vorhandene Zweitpräferenz<br />
aus, die ihnen in dieser Frage eine klare<br />
Orientierung verspricht (Meffert/Geschwend<br />
2009; Linhart/Huber 2009). Insofern ist es nachvollziehbar,<br />
dass die Parteien allesamt bislang<br />
wenig Bereitschaft verspüren, sich koalitionspolitisch<br />
besonders innovativ zu verhalten.<br />
Damit schrumpft aber der Möglichkeitsraum, regierungsfähige<br />
Bündnisse abzuschließen, beträchtlich.<br />
Im Prinzip verbleiben dann vielfach<br />
keine mehrheitsfähigen Bündniskonstellationen.<br />
Nur eine Minderheitsregierung kann dann noch<br />
eine mit den bisherigen Erfahrungswerten halbwegs<br />
konforme Regierungsbildung ermöglichen.<br />
Immerhin sind dann gegebenenfalls lagerimmanente<br />
Regierungskoalitionen auf exekutiver Ebene<br />
möglich. Außerdem kann die punktuelle Kooperation<br />
mit Parteien des anderen Lagers oder<br />
mit der bislang eher koalitionsunwilligen Linken<br />
angetestet werden. Mögliche neue Mehrheitsoptionen<br />
lassen sich so eventuell behutsam erschließen.<br />
Unter dem Gesichtspunkt Ämterbesetzung<br />
und Durchsetzung politischer Inhalte mögen<br />
Minderheitsregierungen dabei für die exekutiv<br />
beteiligten Parteien durchaus Vorteile mit<br />
sich bringen. Sie brauchen nämlich keine weitere<br />
Kraft mit Ämtern auszustatten und können in<br />
Anbetracht der exekutiven Vorteile die Mehrheitsbildung<br />
im Parlament zu ihren Gunsten beeinflussen.<br />
Weil legislativ stützende oder tolerierende<br />
Kräfte vielfach ein rationales Interesse am<br />
Fortbestand einer Minderheitsregierung entwickeln,<br />
besitzen Minderheitsregierungen zudem<br />
oftmals eine beträchtliche Handlungsfähigkeit.<br />
Nutzen von Minderheitsregierungen für die beteiligten<br />
Parteien<br />
Fraglich ist, wie Minderheitsregierungen sich<br />
aber auf die Wähler auswirken. Zunächst einmal<br />
wäre es zu erwarten, dass die Öffentlichkeit die<br />
Arbeit einer Minderheitsregierung interessierter<br />
und ausführlicher begleitet als die einer Mehrheitsregierung.<br />
Dieses mag einerseits an der Seltenheit<br />
des Modells liegen. Dieses könnte aber<br />
andererseits auch gelten, weil die Arbeit einer<br />
Minderheitsregierung aus strukturellen Gründen<br />
erhöhte Aufmerksamkeit auf sich zieht. In der<br />
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