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MIP 2011 17. Jhrg. Stephan Klecha – Minderheitsregierungen und Wahlerfolge <strong>Aufsätze</strong><br />

Minderheitsregierungen und<br />

Wahlerfolge<br />

Dr. Stephan Klecha *<br />

Minderheitsregierungen gelten als Wagnisse im<br />

bundesdeutschen Regierungssystem. In dessen<br />

mehrheitsfixierter parlamentarischer Demokratie<br />

sind sie bislang jedenfalls selten anzutreffen.<br />

Ganze 23 Minderheitsregierungen hat es auf<br />

Bundes- oder Landesebene gegeben, damit sind<br />

weniger als ein Zehntel aller Regierungen in<br />

Deutschland diesem Format zuzurechnen.<br />

Sieben Minderheitsregierungen existierten zudem<br />

nur als amtierende geschäftsführende Regierungen,<br />

die bloß im Amt verblieben, weil sich<br />

nach regulären Landtagswahlen keine neue parlamentarische<br />

Mehrheit für eine Nachfolgeregierung<br />

ergeben hatte. Maximal zwei Jahre konnte<br />

sich eine solche Minderheitsregierung im Amt<br />

halten. Acht Minderheitsregierungen entstanden,<br />

nachdem eine vorherige Mehrheitsregierung ihre<br />

parlamentarische Unterstützung im Verlauf der<br />

Legislaturperiode verloren hatte. Bis zu meistens<br />

vorgezogenen Neuwahlen verging dann nicht<br />

mehr als ein Jahr. Gerade einmal acht Minderheitsregierungen<br />

sind schließlich originär auch<br />

als solche ins Amt gelangt. Originär meint, dass<br />

bereits bei der Investitur die sie tragenden Fraktionen<br />

über keine parlamentarische Mehrheit<br />

verfügten. Vier dieser Regierungen (sowie noch<br />

eine geschäftsführende) konnten im Verlauf der<br />

weiteren Wahlperiode in den Status einer Mehrheitsregierung<br />

wechseln, nachdem Minister einer<br />

weiteren Partei in das Kabinett eingetreten waren.<br />

Einmal war das Ziel der Minderheitsregierung<br />

dabei von vornherein Neuwahlen zu erwirken,<br />

und drei Minderheitsregierungen haben die<br />

gesamte Legislaturperiode durchgestanden beziehungsweise<br />

sind noch im Amt. Alles in allem<br />

sind Minderheitsregierungen also bislang recht<br />

selten und durchaus kurzlebig gewesen.<br />

* Der Autor ist als Sozialwissenschaftler im Lehrbereich<br />

Innenpolitik der Bundesrepublik Deutschland an der<br />

Humboldt-Universität zu Berlin tätig.<br />

Tabelle 1: Minderheitsregierungen in Deutschland<br />

GeschäftsführendeMinderheitsregierungen<br />

1<br />

Schleswig-Holstein<br />

1962<br />

Saarland 1975-<br />

1977<br />

Hamburg 1982<br />

Hessen 1982-<br />

1984<br />

Hamburg 1986-<br />

1987<br />

Schleswig-Holstein<br />

1987-1988<br />

Hessen 2008-<br />

2009<br />

Minderheitsregierungen<br />

nach Koalitionsbrüchen<br />

oder<br />

Mehrheitsverlusten<br />

Bund 1972<br />

Hessen 1987<br />

Niedersachsen<br />

1989-1990<br />

Berlin 1990-1991<br />

Brandenburg 1994<br />

Hamburg 2003-<br />

2004<br />

Schleswig-Holstein<br />

2009<br />

Hamburg 2010-<br />

2011<br />

Originäre Minderheitsregierungen<br />

Schleswig-Holstein<br />

1951<br />

Niedersachsen<br />

1976-1977<br />

Berlin 1981-<br />

1983<br />

Hessen 1984-<br />

1985<br />

Sachsen-Anhalt<br />

1994-1998<br />

Sachsen-Anhalt<br />

1998-2002<br />

Berlin 2001-<br />

2002<br />

Nordrhein-<br />

Westfalen seit<br />

2010<br />

Die gescheiterten Versuche in Schleswig-Holstein<br />

2005 und Hessen 2008 sowie die jüngste<br />

Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen 2010<br />

zeigen aber, dass Minderheitsregierungen möglicherweise<br />

künftig für die Regierungsbildung an<br />

Bedeutung gewinnen könnten. Der folgende Beitrag<br />

wird sich der Frage widmen, warum Parteien<br />

die Bildung solcher Regierungen überhaupt<br />

anstreben sollten. Dazu wird im ersten Teil herausgearbeitet,<br />

inwiefern Minderheitsregierungen<br />

im deutschen Regierungssystem systemwidrig<br />

erscheinen. Im zweiten Teil werden die Wandlungen<br />

des Parteiensystems betrachtet, welche<br />

möglicherweise verstärkt Minderheitsregierungen<br />

hervorrufen könnten. Im dritten und letzten<br />

Teil wird dann der Frage nachgegangen, mit<br />

welchen Konsequenzen Parteien dafür beim<br />

Wähler rechnen müssen.<br />

Minderheitsregierungen als Regierungsform<br />

In einer parlamentarischen Demokratie geht die<br />

Regierung aus einem vom Volk gewählten Parla-<br />

1 Unter Einbezug „immerwährender“ Regierungen, die<br />

nach Neuwahlen über keine parlamentarische Mehrheit<br />

mehr verfügten.<br />

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