Aufsätze - PRuF

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08.01.2013 Aufrufe

Rezensionen MIP 2011 17. Jhrg. nerseits und den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine demokratisch legitimierte staatliche Wahl andererseits. Dennoch überlässt das Parteiengesetz in § 17 die Ausgestaltung des Verfahrens in weiten Teilen den Parteisatzungen und gibt ausdrücklich lediglich eine geheime Wahl der Kandidaten vor. Weitere Vorgaben für das Verfahren finden sich nur noch in §§ 21 BWahlG und § 10 EuWG. De facto ist aber mit den Vorentscheidungen in den Parteien bereits festgelegt, welche Personen überhaupt erst wählbar sind, denn Wahlvorschläge von parteilosen Bürgern sind angesichts der Hürde des § 20 III BWahlG verschwindend gering. Die innerparteiliche Kandidatenkür ist damit eine zentrale Vorbereitungshandlung für staatliche Wahlen. Aus diesem Grund müssen bereits in diesem Stadium grundlegende demokratische Regeln eingehalten werden, damit die demokratische Legitimationskette der anschließenden öffentlichen Wahl nicht unterbrochen wird. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die durch § 17 PartG eröffnete Satzungsfreiheit der Parteien tatsächlich verfassungs- und gesetzeskonform ausgeübt wurde, dies insbesondere mit Blick auf die durch die Verfassung aufgestellten Anforderungen an eine demokratische Wahl. Zu überprüfen sind Verfahrensvorschriften, die die einzelnen Parteien erlassen haben, um den Vorgang der Wahl aus ihrer Sicht ökonomisch und effektiv zu gestalten. Diese Frage bildet den Kern der Arbeit von Werner. Damit liefert sie einen wertvollen Beitrag zu einem bislang nur wenig bearbeiteten Feld des Parteienrechts. Eine umfassende Analyse zu allen satzungsrechtlichen Regelungen der Kandidatenaufstellung im Zusammenhang hat es noch nicht gegeben. Die Abhandlung kann in zwei grundlegende Teile gegliedert werden. Der erste ist als rechtliche und tatsächliche Grundlagenermittlung zu verstehen, die Analyse einer Konformität von Satzungsrecht der Parteien mit höherrangigem Recht erfolgt in einem zweiten Schritt. Werner arbeitet zunächst heraus, welche Anforderungen Verfassungs- und einfaches Recht an das Verfahren der Kandidatenaufstellung innerhalb der Parteien stellen. Sie nimmt ausführlich zur Reichweite der Parteienfreiheit aus Art. 21 I 1 206 GG und den Wahlrechtsgrundsätzen aus Art. 38 I 1 GG Stellung, sodann erläutert sie die Konkretisierungen der §§ 21 III BWahlG und 10 III EuWG. Auch die staatliche Rechtsprechung wird zur Ermittlung der Anforderungen an die Kandidatenaufstellung bemüht, eine Beleuchtung der Entscheidungen der Parteischiedsgerichte findet jedoch nicht statt. Diese Darstellung bleibt überwiegend abstrakt, es fehlt ein direkter Bezug zu den möglichen Details der Kandidatenaufstellung. Im darauffolgenden Schritt wird den gesetzlichen Forderungen die tatsächliche Ausgestaltung in den Satzungen der im Bundestag in Fraktionsstärke vertretenen Parteien gegenübergestellt. Durch Betrachtung der Bundessowie relevanten Landessatzungen gelingt Werner eine genaue und sehr umfangreiche empirische Ermittlung dessen, was CDU, CSU, SPD, Die Grünen, FDP und die Linke für die parteiinterne Kandidatenwahl festgesetzt haben. Dabei treten Regelungen über Frauenquoten, Quoren für Kandidatenvorschläge, Vorstellungsrechte der Bewerber und alternierende Bewerberaufstellungen zutage, die zum Teil auch in einen historischen Kontext gestellt werden. Zum Abschluss jedes parteibezogenen Abschnitts nimmt Werner eine Synopse zum geltenden Gesetzesrecht vor. Damit erhält der Leser einen umfänglichen Überblick über die grundlegenden rechtlichen Maßstäbe für die Überprüfung der Kandidatenaufstellung einerseits und die satzungsmäßige Umsetzung der Parteien andererseits. Allerdings ist die Lektüre der reinen Darstellung, die fast die Hälfte des Buches ausmacht, recht schwerfällig. Der Wunsch des Lesers nach einer wertenden Stellungnahme zu den Parteisatzungen bleibt zunächst unerfüllt. Diese erwartet den Leser erst im zweiten Teil der Arbeit, in dem Werner die Konformität der soeben dargestellten Satzungsbestimmungen mit höherrangigem Recht überprüft. Mit dem unbeschränkten Vorschlagsrecht gem. §§ 21 III 2, 3 BWahlG und 10 III 2, 3 EuWG seien beispielsweise die Festlegung einer Frauenquote, das Verfahren der Blockwahl und die Forderung von Quoren für Personalvorschläge nicht vereinbar, was in zumindest dieser plakativen Form bestritten werden kann. Die verfassungsrechtliche Ana-

MIP 2011 17. Jhrg. Rezensionen lyse der satzungsmäßigen Ausprägungen der Kandidatenwahl fällt sehr knapp aus. Das mag aus dem Anliegen Werners resultieren, im Anschluss die §§ 21 III 2 und 3 BWahlG, 10 III 2 und 3 EuWG selbst einer verfassungsrechtlichen Kontrolle zu unterziehen. Ihrer Ansicht nach beschränken diese Vorschriften die Parteienfreiheit aus Art. 21 I 2 GG in unverhältnismäßiger Weise, weil sie den Parteien zu strikte Vorgaben für das Verfahren der Kandidatenaufstellung auferlegen. Das habe zur Folge, dass die Verfahrensbestimmungen der Parteien, die nun gegen verfassungswidriges höherrangiges Recht verstoßen, rechtmäßig sind, da die Nichtigkeit der §§ 21 III 2, 3 BWahlG und 10 III 2, 3 EuWG ipso iure und ex tunc eintrete. Die Begründung dieser Aussage bleibt dabei verborgen, ebenso leuchtet der komplizierte Argumentationsgang nicht auf Anhieb ein. Werner beendet ihre Ausführungen mit einer kurzen Darstellung der verfahrensrechtlichen Instrumente, die zur Verfügung stehen, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften bei der Kandidatenaufstellung zu überprüfen. Verdienst dieses Werkes ist es, in übersichtlicher und umfangreicher Form eine tatsächliche Aufnahme der Kandidatenaufstellung auf Gesetzesund Satzungsebene abzubilden. In dieser Form ist eine gründliche Darstellung bisher noch nicht erfolgt und verdient Anerkennung. Sicherlich erfordert die Problematik der Kandidatenaufstellung wegen der Überschneidung von Wahl- und Parteienrecht innerhalb der Norm des § 17 PartG einen genauen Überblick über die verfassungsrechtlichen Maßstäbe, die bei der Kontrolle der Kandidatenaufstellung anzulegen sind; erst dann erhält man ein Instrument zur Begutachtung der einzelnen Parteisatzungen. Allerdings ist diese Grundlage im Vergleich zum wesentlichen Teil der Arbeit, nämlich die tiefgehende Analyse des Satzungsrechtes, zu ausschweifend geraten. Das schlägt sich auch in dem Aufbau der eigentlichen rechtlichen Bewertung nieder, denn dort ist die Autorin gezwungen, erneut auf die bereits grundsätzlich dargestellten Voraussetzungen zurückzugreifen. Trotz dieser Schwierigkeiten gelingt es Werner, die rechtliche Einhegung der Kandidatenaufstellung strukturiert darzustellen und notwendige Überprüfungsmaßstäbe aus Verfassungs- und einfachem Recht zu kondensieren. Hana Kühr Stefan Zotti: Politische Parteien auf europäischer Ebene - Grundzüge der politischen und rechtlichen Entwicklung des europäischen Parteiensystems, Nomos, Baden-Baden 2010, 113 S., ISBN 978-3-8329-5647-9, 19,90 €. Das Buch von Stefan Zotti basiert auf einer an der Donau-Universität Krems vorgelegten Abschlussarbeit des Post-Graduate Europastudiums European Advanced Studies (EURAS). Der Autor hat einen auch im Bezug auf das Thema interessanten Hintergrund: Zotti ist promovierter Theologe, studierte European Studies an der Donau-Universität Krems, war zuvor parlamentarischer Mitarbeiter und ist seit 2010 Mitglied des Kabinetts von EU-Kommissar Johannes Hahn. „Politische Parteien sind ein essenzieller Bestandteil der modernen Demokratie und aus dieser kaum wegzudenken“, wie der Autor treffend zu Beginn seiner Einleitung feststellt. Seit dem Vertrag von Maastricht mit seinem Art. 138a und den Regelungen über politische Parteien und deren Finanzierung auf europäischer Ebene in der Verordnung vom 4. November 2001 sind die Regelungen über politische Parteien auch auf europäischer Ebene zum integralen Bestandteil des europäischen Demokratiekonzeptes geworden. Nach einer kurzen Einleitung wird im zweiten Kapitel der Studie die Entstehungsgeschichte der europäischen Parteien nachgezeichnet, die bei der Gründung der EGKS ansetzt. Zwangsläufig wird hier auch eine im europäischen Kontext schwierige Klärung des Begriffs der politischen Parteien vorgenommen, die an den Funktionen, die Parteien in politischen Systemen zu erfüllen haben, ansetzt und die Besonderheiten des politischen Systems der EU beachtet. Das dritte Kapitel widmet sich der primärrechtlichen Verankerung der politischen Parteien. Die entsprechenden Artikel im EUV und AEUV werden von ihrer Entstehung, über ihre Weiterentwicklung bis hin zu ihrer heutigen Ausformulierung analysiert. 207

Rezensionen MIP 2011 17. Jhrg.<br />

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staatliche Wahl andererseits. Dennoch überlässt<br />

das Parteiengesetz in § 17 die Ausgestaltung des<br />

Verfahrens in weiten Teilen den Parteisatzungen<br />

und gibt ausdrücklich lediglich eine geheime<br />

Wahl der Kandidaten vor. Weitere Vorgaben für<br />

das Verfahren finden sich nur noch in §§ 21<br />

BWahlG und § 10 EuWG. De facto ist aber mit<br />

den Vorentscheidungen in den Parteien bereits<br />

festgelegt, welche Personen überhaupt erst wählbar<br />

sind, denn Wahlvorschläge von parteilosen<br />

Bürgern sind angesichts der Hürde des § 20 III<br />

BWahlG verschwindend gering. Die innerparteiliche<br />

Kandidatenkür ist damit eine zentrale Vorbereitungshandlung<br />

für staatliche Wahlen. Aus<br />

diesem Grund müssen bereits in diesem Stadium<br />

grundlegende demokratische Regeln eingehalten<br />

werden, damit die demokratische Legitimationskette<br />

der anschließenden öffentlichen Wahl nicht<br />

unterbrochen wird. Es stellt sich daher die Frage,<br />

inwieweit die durch § 17 PartG eröffnete Satzungsfreiheit<br />

der Parteien tatsächlich verfassungs-<br />

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dies insbesondere mit Blick auf die durch die<br />

Verfassung aufgestellten Anforderungen an eine<br />

demokratische Wahl. Zu überprüfen sind Verfahrensvorschriften,<br />

die die einzelnen Parteien<br />

erlassen haben, um den Vorgang der Wahl aus<br />

ihrer Sicht ökonomisch und effektiv zu gestalten.<br />

Diese Frage bildet den Kern der Arbeit von<br />

Werner. Damit liefert sie einen wertvollen Beitrag<br />

zu einem bislang nur wenig bearbeiteten<br />

Feld des Parteienrechts. Eine umfassende Analyse<br />

zu allen satzungsrechtlichen Regelungen der<br />

Kandidatenaufstellung im Zusammenhang hat es<br />

noch nicht gegeben.<br />

Die Abhandlung kann in zwei grundlegende Teile<br />

gegliedert werden. Der erste ist als rechtliche<br />

und tatsächliche Grundlagenermittlung zu verstehen,<br />

die Analyse einer Konformität von Satzungsrecht<br />

der Parteien mit höherrangigem<br />

Recht erfolgt in einem zweiten Schritt. Werner<br />

arbeitet zunächst heraus, welche Anforderungen<br />

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der Kandidatenaufstellung innerhalb der<br />

Parteien stellen. Sie nimmt ausführlich zur<br />

Reichweite der Parteienfreiheit aus Art. 21 I 1<br />

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I 1 GG Stellung, sodann erläutert sie die Konkretisierungen<br />

der §§ 21 III BWahlG und 10 III<br />

EuWG. Auch die staatliche Rechtsprechung<br />

wird zur Ermittlung der Anforderungen an die<br />

Kandidatenaufstellung bemüht, eine Beleuchtung<br />

der Entscheidungen der Parteischiedsgerichte<br />

findet jedoch nicht statt. Diese Darstellung<br />

bleibt überwiegend abstrakt, es fehlt ein direkter<br />

Bezug zu den möglichen Details der Kandidatenaufstellung.<br />

Im darauffolgenden Schritt wird<br />

den gesetzlichen Forderungen die tatsächliche<br />

Ausgestaltung in den Satzungen der im Bundestag<br />

in Fraktionsstärke vertretenen Parteien gegenübergestellt.<br />

Durch Betrachtung der Bundessowie<br />

relevanten Landessatzungen gelingt Werner<br />

eine genaue und sehr umfangreiche empirische<br />

Ermittlung dessen, was CDU, CSU, SPD,<br />

Die Grünen, FDP und die Linke für die parteiinterne<br />

Kandidatenwahl festgesetzt haben. Dabei<br />

treten Regelungen über Frauenquoten, Quoren<br />

für Kandidatenvorschläge, Vorstellungsrechte<br />

der Bewerber und alternierende Bewerberaufstellungen<br />

zutage, die zum Teil auch in einen<br />

historischen Kontext gestellt werden. Zum Abschluss<br />

jedes parteibezogenen Abschnitts nimmt<br />

Werner eine Synopse zum geltenden Gesetzesrecht<br />

vor. Damit erhält der Leser einen umfänglichen<br />

Überblick über die grundlegenden rechtlichen<br />

Maßstäbe für die Überprüfung der Kandidatenaufstellung<br />

einerseits und die satzungsmäßige<br />

Umsetzung der Parteien andererseits. Allerdings<br />

ist die Lektüre der reinen Darstellung, die<br />

fast die Hälfte des Buches ausmacht, recht<br />

schwerfällig. Der Wunsch des Lesers nach einer<br />

wertenden Stellungnahme zu den Parteisatzungen<br />

bleibt zunächst unerfüllt.<br />

Diese erwartet den Leser erst im zweiten Teil der<br />

Arbeit, in dem Werner die Konformität der soeben<br />

dargestellten Satzungsbestimmungen mit<br />

höherrangigem Recht überprüft. Mit dem unbeschränkten<br />

Vorschlagsrecht gem. §§ 21 III 2, 3<br />

BWahlG und 10 III 2, 3 EuWG seien beispielsweise<br />

die Festlegung einer Frauenquote, das<br />

Verfahren der Blockwahl und die Forderung von<br />

Quoren für Personalvorschläge nicht vereinbar,<br />

was in zumindest dieser plakativen Form bestritten<br />

werden kann. Die verfassungsrechtliche Ana-

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