Aufsätze - PRuF
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Rezensionen MIP 2011 17. Jhrg.<br />
schen Ansatzes innerhalb des rational choice Institutionalismus.<br />
Dahinter steht die grundlegende<br />
Überlegung, daß die Bedeutung eines Parlaments<br />
sich nicht nur und auch nicht in erster Linie an<br />
der unmittelbaren Einflußnahme auf sachpolitische<br />
Fragen – etwa über Gesetzgebung – ablesen<br />
lasse, sondern vielmehr die Auswahl und Kontrolle<br />
des politischen Personals, insbesondere der<br />
Regierung, durch das Parlament einen wesentlichen<br />
Einfluß auf die Politikgestaltung vermittele.<br />
Die Regierung erscheint als „Agentin“ des<br />
„Prinzipals“ Parlament oder, schlicht juristisch<br />
formuliert, als dessen Vertreter. Daneben delegieren<br />
Parlamente auch Befugnisse an weitere<br />
Amtsträger in „Schrankeninstitutionen“, etwa<br />
Verfassungsgerichte, Rechnungshöfe oder<br />
Staatsoberhäupter. Zusammenfassend faßt Sieberer<br />
Parlamente in parlamentarischen Demokratien<br />
als Machtverteilungszentren auf.<br />
Entscheidende Faktoren des über Wahlen durch<br />
das Parlament zu verteilenden Einflusses sind<br />
dann die Möglichkeiten der ex ante Auswahl und<br />
in geringerem Maße der ex post Kontrolle von<br />
Amtsträgern. Damit werden die Art der Bestellung<br />
von Amtsträgern und die daraus ggfs. resultierenden<br />
Möglichkeiten der ex post Beeinflussung<br />
zu wesentlichen Größen. Durch die Wahl<br />
der Regierung hat das Parlament die Chance,<br />
eine Übereinstimmung der Regierungspräferenzen<br />
mit der eigenen politischen Präferenz herzustellen.<br />
Allerdings hängt die Größe dieser Chance<br />
von den Wahlregeln ab: So können etwa Vorschlagsrechte<br />
außerparlamentarischer Akteure,<br />
typischerweise des Staatsoberhauptes, die Entscheidungsspielräume<br />
des Parlaments wesentlich<br />
einengen und zu einem geringeren Maß an Präferenzübereinstimmung<br />
führen.<br />
Sieberer arbeitet daneben die mögliche Bedeutung<br />
der Wahl von Amtsträgern in den Schrankeninstitutionen<br />
als Mittel der Beschränkung der<br />
Entscheidungsspielräume von Regierungen heraus.<br />
Das Maß der Beschränkung hängt wiederum<br />
von den verfügbaren Machtressourcen und den<br />
Präferenzen im Verhältnis zur Regierung ab.<br />
Einen wesentlichen Teil der Grundlage seiner<br />
weiteren Untersuchung legt Sieberer im dritten<br />
Kapitel der Untersuchung: Mit der zulässigen<br />
202<br />
Kandidatenzahl, dem Nominierungsrecht, der für<br />
eine Wahl erforderlichen Mehrheit und dem verwendeten<br />
Abstimmungsmodus werden vier Variablen<br />
eingeführt, die sich auf die formellen Regeln<br />
beziehen, nach welchen eine Wahl abläuft<br />
und welche die Wahlfreiheit des Parlaments bestimmen.<br />
Die Effekte der Variablen auf die Wahl werden<br />
in räumlichen Modellen durchgespielt. Erwartungsgemäß<br />
fallen die Ergebnisse dieser Erwägungen<br />
aus: So hat die nominierungsberechtigte<br />
Instanz einen größeren Einfluß auf das Wahlergebnis,<br />
falls nur ein Kandidat entweder bestätigt<br />
oder abgelehnt werden kann im Vergleich zu einer<br />
Auswahlmöglichkeit des Parlaments unter<br />
mehreren Kandidaten. Auch scheint es naheliegend,<br />
daß das Erfordernis einer qualifizierten<br />
Mehrheit eher zu Blockadesituationen führt als<br />
geringere Mehrheitsanforderungen. Immerhin<br />
führt die Modellierung aber zu einer Überprüfbarkeit<br />
der inneren Konsistenz der getroffenen<br />
Annahmen und stellt insofern einen deutlichen<br />
Fortschritt gegenüber einer rein intuitiven Aussage<br />
oder auch einem informed guess dar.<br />
Allerdings macht die Anwendung formaler Modelle<br />
meist auch die Unterstellung vereinfachender<br />
Annahmen notwendig, welche die Erklärungsreichweite<br />
des Modells einschränkt. So<br />
auch hier: So werden die Akteure etwa als rein<br />
policy-motiviert modelliert, was vermutliche<br />
eine ebenso unvermeidbare wie unzutreffende<br />
Annahme darstellt. Auf diese Schwierigkeit und<br />
die Möglichkeiten einer Remedur geht Sieberer<br />
auch ein (ausführlich zu Beginn von Teil III).<br />
Problematisch ist weiterhin – wie Sieberer auch<br />
zugesteht – die Reduktion des Politikraums auf<br />
eine Dimension: Diese Vereinfachung ist wohl<br />
bei der Wahl von Zentralbankchefs oder Rechnungshofmitgliedern<br />
vertretbar. Für die Beschickung<br />
von Verfassungsgerichten oder die Wahl<br />
von Regierungsmitgliedern steht diese Annahme<br />
aber im Gegensatz zur multidimensionalen Tätigkeit<br />
dieser Organe und mag auch die vom Parlament<br />
getroffene tatsächlich Wahlentscheidung<br />
nicht mehr hinreichend erfassen. Problematisch<br />
erscheint weiterhin die Entscheidung, Wahlen<br />
als einmaliges Spiel mit nicht strategischem Abstimmungsverhalten<br />
zu modellieren: Gerade im