Aufsätze - PRuF
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MIP 2011 17. Jhrg. Rezensionen<br />
mehrheitsfähige Position zu finden. Als ein letztes<br />
von vielen Ergebnissen aus dem vierten Kapitel<br />
sei auf die Bedeutung der parlamentarischen<br />
Arbeitskreise der Mehrheitsfraktionen für<br />
die Abstimmung mit der Regierung hingewiesen:<br />
Ein guter Kontakt mit dem einschlägigen<br />
Arbeitskreis lohne sich für den Minister bei der<br />
Durchführung politischer Vorhaben. Dafür komme<br />
es nicht zuletzt auf eine transparente Tätigkeit<br />
des Ministeriums an. Die parlamentarischen<br />
Arbeitskreise erfüllten so die Funktion eines Instrumentes<br />
zur Feinkontrolle der Regierungsarbeit.<br />
Das fünfte und letzte Kapitel schließlich nimmt<br />
die parlamentarischen Arbeitskreise und Arbeitsgruppen<br />
unter genaue Beobachtung. Es wird eingeleitet<br />
mit einer lesenswerten Beschreibung der<br />
Entwicklung und gegenwärtigen Struktur sowie<br />
der Arbeitsorganisation dieser Gremien in den<br />
verschiedenen Fraktionen. Wichtig ist der Hinweis<br />
Schönes auf die große politische Bedeutung<br />
der Arbeitskreise, die daraus resultiere, dass die<br />
jeweilige Fraktion sich im Regelfall die Haltung<br />
des Arbeitskreises zu bestimmten Sachfragen zu<br />
eigen mache. Diese Bedeutung der Arbeitskreise<br />
tritt noch deutlicher hervor, wenn man sich bewusst<br />
mache, dass es die Regierungsmehrheit in<br />
den parlamentarischen Ausschüssen in aller Regel<br />
vermeiden wird, die innerhalb der eigenen<br />
Reihen hergestellten Kompromisse wieder aufzuschnüren.<br />
In seinem Fazit schließlich bringt Schöne die<br />
vielfältigen Einzelergebnisse seiner Arbeit auf<br />
den Begriff der „fragmentierten Expertenkultur“.<br />
In einer Expertenkultur kann es angesichts der<br />
gewaltigen Themenvielfalt parlamentarischer<br />
Tätigkeit für einzelne Sachgebiete nur wenige<br />
Experten geben. Die Ausdifferenzierung verschiedener<br />
Politikfelder führe, so Schöne, zu einer<br />
arbeitsteiligen Organisation von Parlament<br />
und Fraktionen, in der alle Parlamentarier Verantwortung<br />
für einzelne Politikbereiche tragen.<br />
Insbesondere die Fraktionen seien daher auf die<br />
Kompetenz und Motivation ihrer einzelnen Mitglieder<br />
angewiesen. Die komplexe Massengesellschaft<br />
führt demnach innerhalb der Parlamente<br />
zu einem Bedeutungsgewinn des einzelnen<br />
Abgeordneten.<br />
„Alltag im Parlament“ besticht insgesamt durch<br />
die große Fülle interessanter Detailbeobachtungen,<br />
die dem Leser ein plastisches Bild parlamentarischer<br />
Arbeit vermittelt. Die Einzelergebnisse<br />
bleiben jedoch nicht vereinzelt, sondern<br />
werden geordnet, in einen Zusammenhang gebracht<br />
und so für die Entdeckung von Regeln<br />
parlamentarischer Tätigkeit fruchtbar gemacht.<br />
Die Begrenzung auf zwei untersuchte Parlamente<br />
stellt dabei allerdings eine mögliche Einschränkung<br />
der Verallgemeinerungsfähigkeit der<br />
gewonnenen Erkenntnisse dar, deren Ausmaß<br />
ohne weitere Untersuchungen gleichen Zuschnitts<br />
schwer zu beurteilen ist. Dennoch,<br />
Schönes Werk ist äußerst lesenswert und in weiten<br />
Teilen – für eine Habilitationsschrift nicht<br />
unbedingt typisch – auch mit Vergnügen zu lesen.<br />
Dr. Sebastian Roßner, M.A.<br />
Ulrich Sieberer: Parlamente als Wahlorgane<br />
- Parlamentarische Wahlbefugnisse und ihre<br />
Nutzung in 25 europäischen Demokratien,<br />
Nomos, Baden-Baden 2010, 326 S., ISBN 978-<br />
3-8329-5250-1, 39 €.<br />
Im Mittelpunkt der politikwissenschaftlichen<br />
Dissertation von Ulrich Sieberer steht die Wahlfunktion<br />
von Parlamenten. Hier wiederum bildet<br />
die wichtigste Wahl, nämlich diejenige der Regierung,<br />
das Zentrum. Das Buch untersucht die<br />
Wahlfunktion von Parlamenten in einem Vergleich<br />
über 25 europäischen Staaten, die dem<br />
Typus der parlamentarischen Demokratie angehören.<br />
Zunächst steckt Sieberer in der Einleitung und in<br />
Teil I seines Buches den theoretischen Rahmen<br />
der Arbeit ab. Er geht dabei von drei Anforderungen<br />
aus, die ein solcher Rahmen erfüllen müsse:<br />
Akteurszentriertheit, Einbindung des Parlaments<br />
in ein Modell des gesamten politischen Entscheidungsprozesses<br />
sowie Berücksichtigung der zentralen<br />
Rolle der politischen Parteien und damit der<br />
innerparlamentarischen Konfliktlinien zwischen<br />
Regierungs- und Oppositionsparteien.<br />
Diese Forderungen sieht Sieberer am besten erfüllt<br />
durch die Wahl eines delegationstheoreti-<br />
201