Aufsätze - PRuF
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Rezensionen MIP 2011 17. Jhrg.<br />
Parlamentsarbeit werde also aus Wissensbeständen<br />
und Einstellungen ebenso wie aus Handlungen<br />
konstruiert. Die Handlungen können dabei<br />
auf der Herstellungsebene formelle oder informelle<br />
sein. Daneben stehe die Darstellungsebene,<br />
auf welcher symbolisch gehandelt werde, da<br />
es hier um die Inszenierung politischer Entscheidungen<br />
für die Öffentlichkeit gehe. Daraus gewinnt<br />
Schöne ein Bündel von Fragen, welches<br />
die Untersuchung im Weiteren leiten soll. Dabei<br />
lassen sich vier Felder unterscheiden: Wahrnehmungen<br />
der Abgeordneten von Parlament und<br />
parlamentarische Arbeit; Alltagsarbeit in Parlament<br />
und Gremien; Techniken der Abgeordneten<br />
zur Selbstdarstellung und Durchsetzung politischer<br />
Ziele; verschiedene Schwerpunkte der parlamentarischen<br />
Arbeit unterschiedlicher Abgeordnetengruppen<br />
(Dauer der Parlamentszugehörigkeit,<br />
Fraktionszugehörigkeit, Führungsfunktionen).<br />
Das zweite Kapitel widmet sich methodischen<br />
Problemen und begründet die Kombination qualitativer<br />
Interviews mit der beobachtenden Teilnahme<br />
sowie die Auswahl der Stichprobe (Deutscher<br />
Bundestag, Sächsischer Landtag). Die methodologischen<br />
Ausführungen, insbesondere zur<br />
teilnehmenden Beobachtung, geben dabei auch<br />
einen Einblick in die bisweilen mühsame Praxis<br />
der Forscher, so etwa, wenn vom „Müdigkeitsbias“<br />
der Beobachter von Gremiensitzungen die<br />
Rede ist, der dazu führe, dass die Beobachtungsprotokolle<br />
zum Ende mehrstündiger Sitzungen<br />
hin immer dünner und lückenhafter werden.<br />
Aufschlussreich sind auch die Ausführungen zur<br />
teilweise EDV-gestützten Auswertung des insgesamt<br />
4200 Seiten starken Interviewmaterials.<br />
Im dritten Kapitel, das sich den Wissensbeständen<br />
und Vorstellungen der Abgeordneten von<br />
der Parlamentsarbeit widmet, wird zunächst der<br />
zeitliche Rahmen der Abgeordnetentätigkeit dargestellt.<br />
Erwartungsgemäß dominieren in beiden<br />
untersuchten Parlamenten Gremientermine die<br />
Arbeit der Parlamentarier. Die recht hohe Detailschärfe<br />
der Studie fördert aber auch interessante<br />
Unterschiede zu Tage: So ist, anders als im Bundestag,<br />
im Sächsischen Landtag die Öffentlichkeitsarbeit<br />
weitgehend den Fraktionsführungen<br />
vorbehalten. Dies mag damit zusammenhängen,<br />
200<br />
daß – wie Schöne ausführt – die Landtagsabgeordneten<br />
nur Mittel für einen Mitarbeiter erhalten<br />
und diesen meist in ihrem Wahlkreisbüro<br />
einsetzen. Für das Büro im Landtag bleiben daher<br />
meist nur der Abgeordnete selbst und die<br />
Fraktionsmitarbeiter. Interessant ist, daß die zeitliche<br />
Dominanz der Gremientätigkeit sich offenbar<br />
auch in der Wahrnehmung der Abgeordneten<br />
vom Parlament widerspiegelt: Das Parlament<br />
werde als Arbeitsplatz wahrgenommen, an dem<br />
die Abgeordneten spezifische Aufgaben zu erledigen<br />
haben, die sich aus einer hochgradig arbeitsteiligen<br />
Organisation ergeben, welche vor<br />
allem der Verabschiedung von Gesetzen dient.<br />
Die interne Funktionslogik des Parlaments als<br />
Gesetzgebungsmaschine dominiere dabei gegenüber<br />
anderen, symbolischen oder kommunikativen<br />
Aufgaben des Parlaments. Stark empfunden<br />
werde von Abgeordneten, als Folge der arbeitsteiligen<br />
Organisation, der thematische Spezialisierungsdruck.<br />
Ideologische Orientierungen<br />
scheinen dagegen von geringerer Bedeutung zu<br />
sein. Dazu passe auch, daß die eigene Fraktion<br />
vor allem als Ort teilweise intensiver persönlicher<br />
Konkurrenz wahrgenommen wird und nicht<br />
als homogene Gruppe politisch Gleichgesinnter.<br />
Aus dem vierten Kapitel, welches sich mit den<br />
Verhaltensweisen im Parlamentsalltag auseinandersetzt,<br />
sei als ein Ergebnis hervorgehoben,<br />
dass innerhalb der Gremien, deren Arbeit untersucht<br />
wurde, die Sachkunde des Abgeordneten<br />
für seine politische Durchsetzungsfähigkeit eine<br />
wesentlich größere Rolle zu spielen scheine, als<br />
bisher angenommen. Damit korrespondiere auch<br />
die große Sorgfalt, welche auch von Oppositionsfraktionen<br />
wegen des Öffentlichkeitsbezuges<br />
etwa auf die Formulierung von Gesetzgebungsvorschlägen<br />
verwendet werde, obwohl sie wegen<br />
der Mehrheitsverhältnisse ohnedies ohne Aussicht<br />
auf Erfolg sind. Auch die Kontaktnetze der<br />
Parlamentarier gehen, so Schöne, von ihrer fachpolitischen<br />
Spezialisierung aus. Ein weiterer<br />
wichtiger Ertrag des vierten Kapitels ist die Beschreibung<br />
und Analyse von Techniken der<br />
Mehrheitsfindung innerhalb von Gremien. Eindrucksvoll<br />
wird beschrieben, welch enormer Gesprächsaufwand<br />
getrieben wird, um im Wege<br />
des Kompromisses eine konsens- oder jedenfalls