Aufsätze - PRuF
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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2011 17. Jhrg.<br />
tungskörperschaft, doch die Übertragung der<br />
Volkssouveränität und Demokratie auf die Ebene<br />
der Gemeinden durch Art. 28 I 2 GG bedeutet,<br />
dass durch die Gemeindevertretung die Bürger<br />
vertreten werden. Das Mehrheitsprinzip als<br />
kollidierender Belang vermag nach Auffassung<br />
des BVerwG einen gemeinsamen Vorschlag der<br />
Fraktionen nicht zu rechtfertigen, denn eine stabile<br />
Mehrheitsbildung kann auch auf anderem,<br />
die Legitimationskette der Ausschussbesetzung<br />
weniger beeinträchtigendem Weg erzielt werden.<br />
Gemeinsame Wahlvorschläge von Fraktionen<br />
für die Wahl zur Besetzung der Ausschüsse sind<br />
damit auch in Gemeindevertretungen unzulässig.<br />
Anders fiel die Bewertung des BVerwG91 eines<br />
gemeinsamen Wahlvorschlags von CDU und<br />
Grünen für die Wahl der ehrenamtlichen Mitglieder<br />
des Gemeindevorstands in Hessen aus.<br />
Im Gegensatz zu einem Ausschuss92 ist der Gemeindevorstand<br />
kein Vertretungsorgan der Bürger.<br />
Er ist kein aus der Gemeindevertretung abgeleitetes<br />
Gremium, das bei der Erfüllung von<br />
Aufgaben des Plenums mitwirkt. Daraus folgt,<br />
dass der aus Art. 28 I 2 GG i.V.m. 20 I, II GG<br />
abgeleitete Spiegelbildlichkeitsgrundsatz nicht<br />
anwendbar und folglich nicht verletzt ist. Aufgrund<br />
der Tatsache, dass der Gemeindevorstand<br />
der Verwaltungstätigkeit zuzuordnen ist, verletzt<br />
der gemeinsame Wahlvorschlag auch nicht die<br />
Chancengleichheit der Wahl. Die Vorschriften<br />
der HessGO lassen sich nicht so auslegen, dass<br />
der Gemeindevorstand nach dem Stärkeverhältnis<br />
der Fraktionen besetzt werden muss. Der eingereichte<br />
Vorschlag war damit zulässig.<br />
Bezogen auf die Landtagswahl 2009 in Schleswig-Holstein<br />
ergingen zwei bedeutsame Entscheidungen<br />
des LVerfG SH93 . Im Verfahren<br />
der Normenkontrolle94 stellte das Verfassungsgericht<br />
die Unvereinbarkeit des aktuellen LWahlG<br />
SH mit der schleswig-holsteinischen Verfassung<br />
fest. Nach bestehender Rechtslage – genauer<br />
durch das Zusammenspiel von § 1 I 2 und II, § 3<br />
91 NVwZ-RR 2010, S. 818.<br />
92 So die Grundlage im Urteil des BVerwG vom<br />
9.12.2009, NVwZ 2010, S. 834.<br />
93 NordÖR 2010, S. 401, und NordÖR 2010, S. 389.<br />
94 NordÖR 2010, S. 389.<br />
184<br />
V und § 16 LWahlG – besteht die Möglichkeit,<br />
dass die Regelparlamentsgröße von 69 Abgeordneten<br />
erheblich überschritten wird. Die Verfassungsvorgabe<br />
des Art. 10 II 1 und 2 LVerf SH<br />
wird damit verfehlt. Gleichzeitig können aufgrund<br />
der Deckelung der zu vergebenden Ausgleichmandate<br />
in § 3 V 3 LWahlG SH ungedeckte<br />
Mehrsitze entstehen. Eine nur begrenzte<br />
Vergabe von Ausgleichsmandaten beeinträchtigt<br />
den Grundsatz der Wahlgleichheit aus Art. 3 I<br />
LVerf SH und Art. 10 II 5 LVerf SH. Letztere<br />
Norm verlangt für den Fall des Entstehens von<br />
Überhangmandaten die Vergabe von Ausgleichsmandaten,<br />
ohne dafür eine zahlenmäßige Begrenzung<br />
zu nennen. Die Verzerrung der Erfolgsgleichheit<br />
der Stimmen durch die Deckelung<br />
der Ausgleichsmandate kann nur durch<br />
„zwingende Gründe“ gerechtfertigt werden. Weder<br />
die Einhaltung der Sollgröße des Landtages<br />
in Art. 10 II LVerf SH noch die Stärkung der<br />
Funktionsfähigkeit des Parlaments können dafür<br />
herangezogen werden. Nicht die Deckelung der<br />
Ausgleichsmandate sondern das geltende Wahlrecht,<br />
das das Anfallen einer großen Zahl von<br />
Überhangmandaten ermöglicht, ist der Ursprung<br />
für eine erheblichen Zuwachs an Landtagssitzen<br />
über die Sollgröße hinaus. Angesichts der zahlreichen<br />
anderen Mittel zur Verhinderung eines<br />
Anstiegs der Sitzzahl im Parlament hielt das<br />
LVerfG SH die Deckelung der Zahl der Ausgleichsmandate<br />
für ein weder geeignetes noch<br />
erforderliches Mittel, um der Vorgabe des Art.<br />
10 II 1 und 2 LVerf SH gerecht zu werden. Gerade<br />
weil die Zahl von Überhangmandaten bei den<br />
letzten Wahlen erheblich angestiegen ist, darf<br />
umso weniger die Zahl der Ausgleichsmandate<br />
begrenzt werden, weil so die Verzerrung des<br />
Stimmengleichgewichts in großem Maße bestehen<br />
bliebe. Diese Verfassungswidrigkeit des<br />
LWahlG SH muss der Landesgesetzgeber nach<br />
Anordnung des LVerfG SH bis zum 31.05.2011<br />
ausräumen. Das LVerfG SH gab außerdem den<br />
gegen die Gültigkeit der Landtagswahl 2009 erhobenen<br />
Wahlprüfungsbeschwerden 95 statt. Die<br />
im Wege der Normenkontrolle festgestellte Verfassungswidrigkeit<br />
des LWahlG SH wirkte sich<br />
als mandatsrelevanter Wahlfehler aus. Zum<br />
95 NordÖR 2010, S. 401.