Aufsätze - PRuF

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08.01.2013 Aufrufe

Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2011 17. Jhrg. einstweiligen Anordnung entschieden, dass einer Partei das Plakatieren in bislang seitens der Stadt nicht für die Wahlsichtwerbung freigegebenen Straßenzügen erlaubt wurde. Durch Ratsbeschluss war Wahlsichtwerbung für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nicht im gesamten Stadtgebiet, sondern nur auf bestimmten Straßenzügen zugelassen worden, ohne dass eine zahlenmäßige Begrenzung der Wahlplakate oder eine weitere Regelung hinsichtlich der Aufstellorte vorgesehen war. Darin sah das VG Gelsenkirchen einen Verstoß gegen den Chancengleichheitsgrundsatz. „Dadurch wird hier ein tatsächliches Prioritätsprinzip etabliert, welches diejenigen Parteien bevorzugt, die als schnellste und am umfassendsten in der Lage sind, mögliche Werbestandorte zu besetzen. Ein Ausweichen auf andere Standorte ist aufgrund der Begrenzung nicht möglich. Dies führt entweder zu einer unangemessenen Drängelei der Parteien vor den Wahlen im Streben nach den begehrtesten Stellplätzen, oder sogar während des gesamten Wahlkampfes zu einem 'Verdrängungswettbewerb' durch rechtlich zumindest zweifelhaftes 'Überplakatieren'. In beiden Fällen würden die finanzstärkeren Parteien, die in der Lage sind schnell und umfassend die vorhandenen Werberäume zu besetzen, klar im Vorteil sein, so dass den 'kleineren' Parteien kein angemessener Raum zur Selbstdarstellung im Wahlkampf verbliebe.“ 41 Unter anderem Fragen unzulässiger Wahlsichtwerbung waren auch Gegenstand einer Klage vor dem VG Dresden 42 , gerichtet auf Feststellung der Ungültigkeit der Neuwahl (§ 48 Abs. 2 Satz 2 SächsGemO) eines hauptamtlichen Bürgermeisters einer Gemeinde im Landkreis Bautzen. Das VG Dresden wies die Klage des bei der Wahl unterlegenen Bürgermeisterkandidaten der SPD als unbegründet ab, weil die Wahl nicht auf einer Verletzung wesentlicher Wahlvorschriften oder einer gesetzeswidrigen Wahlbeeinflussung im Sinne von § 27 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG Sachsen beruhe. Gerügt hatte der Kläger zum Ersten, dass einer der Mitbewerber am Wahltag 41 VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30.03.2010 – 14 L 295/10, online veröffentlicht bei juris, Rn. 21. 42 Urteil vom 29.04.2009 – 4 K 1333/08, online veröffentlicht bei juris. 172 unmittelbar vor dem Zugang zum Wahllokal, genauer in einer Entfernung von 25 Schritten bis zur Grundstücksgrenze des Wahlgebäudes, unzulässige Wahlpropaganda durch Plakatierung betrieben habe. Tatsächlich betrug der Abstand zwischen dem Lichtmast, an dem sich das Plakat befand, und der Eingangstür des Gebäudes jedenfalls 70m. Danach befand sich das umstrittene Wahlplakat nicht in dem maßgeblichen Sperrbereich nach § 17 Abs. 2 KomWG Sachsen, nach dem während der Wahlzeit in und an dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet, sowie unmittelbar vor dem Zugang zu dem Gebäude jede Beeinflussung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild verboten ist. Eine verbotene Wählerbeeinflussung im Sinne des § 17 Abs. 2 KomWG Sachsen „unmittelbar vor dem Zugang zu dem Gebäude“ kommt nach herrschender Ansicht erst in Betracht, wenn ein freizuhaltender Bereich von 10-20m bis zum Eingang in das Wahlgebäude unterschritten wird. Zum Zweiten rügte der Kläger, dass die Gemeinde nicht gegen eine Verletzung ihrer Plakatierungsvorschriften über die Höchstzahl von Wahlplakaten durch den politischen Gegner eingeschritten sei. Allerdings sah das Gericht auch darin keine Wahlbeeinflussung durch die Gemeinde, weil wegen der überzähligen Plakate ein Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis bestand. Zum Dritten rügte der Kläger, dass die Überlassung eines gemeindlichen Grundstücks für eine Wahlveranstaltung eines politischen Gegners einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht der Gemeinde darstellt. Jedoch hatten weder der Kläger noch ein anderer Kandidat einen Antrag auf Nutzung dieses (oder eines anderen) Platzes für denselben Zweck gestellt und es gab auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gemeinde eine Überlassung verwehrt hätte. Zum Vierten rügte der Kläger, dass der CDU-Bürgermeisterkandidat in seinem Internetauftritt das amtliche Wappen der Gemeinde verwendete. Tatsächlich war das gemeindliche Wappen nicht etwa auf der Startseite abgebildet, sondern nur auf drei von insgesamt zwanzig Unterseiten der Homepage. Die Art der Verwendung des Wappens lies weder auf eine – angemaßte – amtliche Funktion des Verwenders, noch eine amtliche Unterstützung schließen. Ins-

MIP 2011 17. Jhrg. Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung besondere ermöglicht die Gemeinde generell eine Nutzung des Wappens durch Dritte, die mit der Nutzung eine gewisse Ortsverbundenheit und Identifikation mit der Gemeinde zum Ausdruck zu bringen möchten. Fünftens rügte der Kläger, das sein Gegenkandidat sich als „Diplom Verwaltungs-Betriebswirt (VWA)“ bezeichnet und durch die eigenmächtige Verwendung des Zusatzes „Diplom“ einen akademischen Grad vorgetäuscht habe, der für eine größere Zahl von Wählern durchaus als Qualifikationsmerkmal eines Bürgermeisters von Bedeutung sein könne. Tatsächlich handelte es sich dabei um eine Abschlussbezeichnung der Sächsischen Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie, die nach der im Freistaat Sachsen geltenden Rechtslage Diplome als staatliche Abschlussbezeichnungen verleihen dürfen. Insgesamt war der Klage damit unbegründet. Auch der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil vor dem OVG Bautzen43 wurde abgelehnt. Erfolg war dagegen einer Wahlanfechtungsklage vor dem VG Dresden44 beschieden. Die Oberbürgermeisterwahl der Großen Kreisstadt Bischofswerda wurde für ungültig erklärt. Das VG hielt an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach die Verwendung des „Logos“ einer Stadt in einer Wahlwerbung keine gesetzwidrige Wählerbeeinflussung darstellt, wenn die Verwendung des „Logos“ Dritten gestattet ist. Das als „Angebot des Tages“ im Internet und auf Wahlflyern geäußerte Wahlversprechen, im Falle einer Wiederwahl für jede erhaltene Stimme 1€ für die Vereine der Stadt zu spenden, verstößt nach Ansicht des Gerichts allerdings gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl und stellt eine gesetzwidrige – wenn auch nicht strafbare – Wahlbeeinflussung dar. Die Abgrenzung zulässiger Öffentlichkeitsarbeit der Regierung von unzulässiger Wahlbeeinflussung war Gegenstand eines Organstreitverfahrens vor dem VerfGH Saarland45 . Die Grenz- 43 Beschluss vom 19.04.2010 – 4 A 410/09, online veröffentlicht bei juris. 44 Urteil vom 09.09.2009 – 4 K 1713/08, in: LKV 2009, S. 573 ff. 45 Urteil vom 01.07.2010 – Lv 4/09, in: NVwZ-RR 2010, S. 785 f. ziehung nahm das Gericht in erster Linie anhand des Zeitraumes vor, innerhalb dessen die Regierung des Saarlandes sich ihrer mit Haushaltsmitteln betriebenen „Öffentlichkeitsarbeit“ durch Arbeits-, Leistungs- oder Erfolgsberichte widmete. In der sog. „Vorwahlzeit“ gewinnen solche Veröffentlichungen in aller Regel den Charakter parteiischer Werbemittel in der Wahlauseinandersetzung, in die einzugreifen der Regierung verfassungsrechtlich versagt ist46 . Anders als es das BVerfG für den Beginn der „Vorwahlzeit“ bei Bundestagswahlen entschieden hat47 , kann nach Ansicht des Gerichts allerdings als Orientierungspunkt nicht die Bekanntmachung des Wahltermins im Amtsblatt dienen. Dies berge die Gefahr, dass sehr lange Zeiträume entstehen, in denen das Gebot der Neutralität des Staates im Wahlkampf und der Grundsatz der Chancengleichheit bei Wahlen der – grundsätzlich aber zulässigen und auch im Interesse der Rückkoppelung an das Volk notwendigen – Öffentlichkeitsarbeit der Regierung äußerste Zurückhaltung abverlangen. Für die Landtagswahl 2009 hätte es sich danach um einen Zeitraum von fast 10 Monaten gehandelt. Zudem darf nach Ansicht des Gerichts „der Zeitraum der Vorwahlzeit nicht - wie dies beim Anknüpfen an den Tag der Bekanntmachung des Wahltermins der Fall ist - von der Regierung beeinflusst werden können“. Anknüpfend an den Wahltag wurde ein Zeitraum von drei Monaten als angemessen erachtet. In Anwendung dieses Kriteriums hat die Regierung des Saarlandes durch die Publikation der Broschüre "Saarland - aber sicher", durch die Veröffentlichung einer Anzeigenserie "Der Ministerpräsident informiert" und durch einen Brief des Ministerpräsidenten des Saarlandes, der den Gehaltsabrechnungen der Beschäftigten des Landes beigefügt war, unzulässigerweise werbend in den Wahlkampf eingegriffen. Mit amtlichen Äußerungen kann allerdings nicht nur im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit Wahlen, sondern auch darüber hinaus die Grenze zu einer zulässigen Öffentlichkeitarbeit 46 VerfGH Saarland, in: NVwZ-RR 2010, S. 785, unter Hinweis auf BVerfGE 44, 125 (152). 47 S. BVerfGE 44, 125 (153). 173

Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2011 17. Jhrg.<br />

einstweiligen Anordnung entschieden, dass einer<br />

Partei das Plakatieren in bislang seitens der Stadt<br />

nicht für die Wahlsichtwerbung freigegebenen<br />

Straßenzügen erlaubt wurde. Durch Ratsbeschluss<br />

war Wahlsichtwerbung für die Landtagswahl<br />

in Nordrhein-Westfalen nicht im gesamten<br />

Stadtgebiet, sondern nur auf bestimmten Straßenzügen<br />

zugelassen worden, ohne dass eine<br />

zahlenmäßige Begrenzung der Wahlplakate oder<br />

eine weitere Regelung hinsichtlich der Aufstellorte<br />

vorgesehen war. Darin sah das VG Gelsenkirchen<br />

einen Verstoß gegen den Chancengleichheitsgrundsatz.<br />

„Dadurch wird hier ein tatsächliches<br />

Prioritätsprinzip etabliert, welches diejenigen<br />

Parteien bevorzugt, die als schnellste und<br />

am umfassendsten in der Lage sind, mögliche<br />

Werbestandorte zu besetzen. Ein Ausweichen<br />

auf andere Standorte ist aufgrund der Begrenzung<br />

nicht möglich. Dies führt entweder zu einer<br />

unangemessenen Drängelei der Parteien vor den<br />

Wahlen im Streben nach den begehrtesten Stellplätzen,<br />

oder sogar während des gesamten Wahlkampfes<br />

zu einem 'Verdrängungswettbewerb'<br />

durch rechtlich zumindest zweifelhaftes 'Überplakatieren'.<br />

In beiden Fällen würden die finanzstärkeren<br />

Parteien, die in der Lage sind schnell<br />

und umfassend die vorhandenen Werberäume zu<br />

besetzen, klar im Vorteil sein, so dass den 'kleineren'<br />

Parteien kein angemessener Raum zur<br />

Selbstdarstellung im Wahlkampf verbliebe.“ 41<br />

Unter anderem Fragen unzulässiger Wahlsichtwerbung<br />

waren auch Gegenstand einer Klage<br />

vor dem VG Dresden 42 , gerichtet auf Feststellung<br />

der Ungültigkeit der Neuwahl (§ 48 Abs. 2<br />

Satz 2 SächsGemO) eines hauptamtlichen Bürgermeisters<br />

einer Gemeinde im Landkreis Bautzen.<br />

Das VG Dresden wies die Klage des bei der<br />

Wahl unterlegenen Bürgermeisterkandidaten der<br />

SPD als unbegründet ab, weil die Wahl nicht auf<br />

einer Verletzung wesentlicher Wahlvorschriften<br />

oder einer gesetzeswidrigen Wahlbeeinflussung<br />

im Sinne von § 27 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KomWG<br />

Sachsen beruhe. Gerügt hatte der Kläger zum<br />

Ersten, dass einer der Mitbewerber am Wahltag<br />

41 VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30.03.2010 – 14 L<br />

295/10, online veröffentlicht bei juris, Rn. 21.<br />

42 Urteil vom 29.04.2009 – 4 K 1333/08, online veröffentlicht<br />

bei juris.<br />

172<br />

unmittelbar vor dem Zugang zum Wahllokal, genauer<br />

in einer Entfernung von 25 Schritten bis<br />

zur Grundstücksgrenze des Wahlgebäudes, unzulässige<br />

Wahlpropaganda durch Plakatierung<br />

betrieben habe. Tatsächlich betrug der Abstand<br />

zwischen dem Lichtmast, an dem sich das Plakat<br />

befand, und der Eingangstür des Gebäudes jedenfalls<br />

70m. Danach befand sich das umstrittene<br />

Wahlplakat nicht in dem maßgeblichen Sperrbereich<br />

nach § 17 Abs. 2 KomWG Sachsen,<br />

nach dem während der Wahlzeit in und an dem<br />

Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet,<br />

sowie unmittelbar vor dem Zugang zu dem Gebäude<br />

jede Beeinflussung der Wähler durch<br />

Wort, Ton, Schrift oder Bild verboten ist. Eine<br />

verbotene Wählerbeeinflussung im Sinne des §<br />

17 Abs. 2 KomWG Sachsen „unmittelbar vor<br />

dem Zugang zu dem Gebäude“ kommt nach<br />

herrschender Ansicht erst in Betracht, wenn ein<br />

freizuhaltender Bereich von 10-20m bis zum<br />

Eingang in das Wahlgebäude unterschritten<br />

wird. Zum Zweiten rügte der Kläger, dass die<br />

Gemeinde nicht gegen eine Verletzung ihrer Plakatierungsvorschriften<br />

über die Höchstzahl von<br />

Wahlplakaten durch den politischen Gegner eingeschritten<br />

sei. Allerdings sah das Gericht auch<br />

darin keine Wahlbeeinflussung durch die Gemeinde,<br />

weil wegen der überzähligen Plakate ein<br />

Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis<br />

bestand. Zum Dritten rügte der Kläger,<br />

dass die Überlassung eines gemeindlichen<br />

Grundstücks für eine Wahlveranstaltung eines<br />

politischen Gegners einen Verstoß gegen die<br />

Neutralitätspflicht der Gemeinde darstellt. Jedoch<br />

hatten weder der Kläger noch ein anderer<br />

Kandidat einen Antrag auf Nutzung dieses (oder<br />

eines anderen) Platzes für denselben Zweck gestellt<br />

und es gab auch keine Anhaltspunkte dafür,<br />

dass die Gemeinde eine Überlassung verwehrt<br />

hätte. Zum Vierten rügte der Kläger, dass<br />

der CDU-Bürgermeisterkandidat in seinem Internetauftritt<br />

das amtliche Wappen der Gemeinde<br />

verwendete. Tatsächlich war das gemeindliche<br />

Wappen nicht etwa auf der Startseite abgebildet,<br />

sondern nur auf drei von insgesamt zwanzig Unterseiten<br />

der Homepage. Die Art der Verwendung<br />

des Wappens lies weder auf eine – angemaßte<br />

– amtliche Funktion des Verwenders,<br />

noch eine amtliche Unterstützung schließen. Ins-

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